Braveheart, so stolz, wie sein Reiter... Teil 16

Autor: Kati
veröffentlicht am: 13.12.2007




'Gräfin!'
'Willkommen! Wie war die Reise?'
'Anstrengend und es dauerte länger, als vermutet.'
'Komm rein, nimm Platz.'
Josi umsorgte ihn, wie einen Ehrengast und schank ihm einen warmen Tee ein.
'Wo ist dein Meister?'
'Bereits zum nächsten Kunden unterwegs, deswegen habe ich auch nicht viel Zeit. Ich muss bald wieder aufbrechen.'
'Wie schade.' Josi nahm neben ihm Platz.
'Hast du das Bild mit?' Der König blickte ihn erwartungsvoll an.
'Gewiss! Ich hole es gleich!'
Er sprang auf und trug ein großes Bündel in die Stube. Der König kam ihm auf halben Wege entgegen und nahm ihm die schwere Last ab.
'Darf ich das Tuch abnehmen?'
Josi´s Augen leuchteten.
'Gewiss Liebste.'
Er lehnte das Gemälde gegen die Wand und Josi entknotete die Kordeln, die den Leinenstoff hielten. Mit einem leisen, rutschenden Geräusch glitt der Stoff vom Gemälde herunter und ein lautes Raunen erhellte den Raum.
'Oh mein Gott!'
Josi machte ein paar Schritte zurück. War das wirklich sie? Sie konnte es kaum glauben. Albrecht hatte sie wirklich gut getroffen und auch Thony sah einfach hinreißend aus.'Das ist ja wunderschön!'
'Gefällt es Euch, Gräfin?'
'Und wie! Es ist, einfach Wahnsinn! Der Hammer!'
'Hammer?' Albrecht blickte auf das Bild. 'Da ist kein Hammer, Gräfin.'
'Ach nein, das sagt man so...'
Leise lachte Albrecht in sich hinein.
'Und was ist mit Euch? König Anthon.'
'Ausgezeichnet. Es ist wahrlich ein Meisterwerk. Aber bin ich wirklich so dick?'
'Spinn nicht rum!' Josi blickte ihn ernst an.
'Ja, ja.' Er grinste sie breit an und schloss sie in seine Arme.
'Siehst du? Und du wolltest erst gar nicht.'
'Tja, ich wurde eines Besseren belehrt.'
'Alter Josi! Das Bild ist einfach oberaffengeil!' Mel knallte ihr die Hand auf die Schulter und blickte zu dem Gemälde.
'Gut nicht?'
'Gut?! Der absolute Burner!'
Thony blickte zu Josi herunter und lächelte sie an. Er wusste nicht, was ein absoluter Burner war, aber es musste etwas Gutes sein, denn Mel strahlte und auch Josi sah sehr glücklich aus.'Da ist noch etwas, Gräfin.'
'Was denn?'
'Folgt mir bitte.'
Er öffnete die Tür und sie liefen alle in die große Empfangshalle.
'Das sind ja Tauben!' rief Lizzy und lief zu dem Käfig, der auf dem Boden vor der Garderobe stand.
'Genau.'
'Wie hübsch!' Josi´s Augen glänzten, als sie ihren Finger durch die Gitterstäbe steckte und die weißen Tauben laut aufgurrten.
'Es sind Brieftauben.'
'Woher hast du die?'
'Nun, Gräfin. Sie sind von König Phillip.'
'Was?!'
Alle blickten ihn verschreckt an. Was hatte er eben gesagt?!
'Er gab mir auch noch diesen Brief hier, mit der Bitte ihn nur an Fräulein Elisabeth zu übergeben.'
Lizzy traute ihren Ohren kaum. Er hatte ihr also geantwortet. Sollte sie jetzt glücklich oder traurig sein? Was würde wohl drin stehen?
'Gib ihn mir!' fauchte die Königin Mutter wild und fuchtelte mit den Händen.
'Mutter!' erbost blickte Thony sie an. 'Heißt du etwa Elisabeth?'
'Er ist mein Sohn!'
'Und mein Bruder! Lizzy! Nimm ihn und lies.'
Zaghaft griff sie nach dem Pergament und faltete es auf.

'Liebste Lizzy
Wie sehr hatte ich auf deine Briefe gewartet, nachdem ich dir meine übersandt hatte. Doch ich erhielt nie eine Antwort. Ich verzehre mich jeden Tag nach dir und ich war (und bin es auch heute noch!) sehr traurig darüber, dass ich dich, mein kleiner Sonnenschein, nicht mehr sehen kann. Ich lebe hier mit der Herzogin, meiner Frau, zusammen auf einem großen Schloss, inmitten einer großen Stadt. Jeden Tag ist es laut und schmutzig hier. Ich vermisse die grünen Wälder und Wiesen, auf die ich dich immer heimlich mitgenommen habe, wenn ich ausreiten ging. Weißt du noch, wie sehr meine Mutter getobt hat, als sie verzweifelt nach dir suchte? Sie wollte, dass du ihr die Haare frisierst, damit sie die Gräfin Katharina empfangen kann. Doch du warst nicht da, denn wir hatten uns mal wieder davon geschlichen. Als wir wieder zurück kamen, tobte sie und erst die kleine Charlotte konnte sie wieder beruhigen. Ach, wie gern denke ich an diese wundervolle Zeit zurück. Da es mir am Anfang nicht gestattet war, die Stadt zu verlassen, scheiterten mehrere Versuche meinerseits von hier zu fliehen und zu dir zurück zu kehren. Es freut mich zu lesen, dass es dir, liebste Lizzy, und auch den anderen gut geht. Was macht Charlotte? Sicher ist sie schon sehr gewachsen und gleicht einer holden Maid? Ich vermisse euch alle so sehr. Ich kann es kaum mit meinen Worten beschreiben. Mir geht es soweit ganz gut. Nun, ich bin in letzter Zeit etwas kränklich und durch den Schmutz hier in der Stadt, huste ich sehr viel. Meine Frau hat dafür gar kein Verständnis. Sie tadelt mich immer, wenn ich zu Tisch sitze und plötzlich laut huste. Geschlafen habe ich nur ein einziges Mal mit ihr, um die Ehe zu vollziehen. Kinder entstanden daraus jedoch keine. Mein Hofarzt attestierte mir, dass ich keine zeugen könne. Aber wenn du wüsstest, wie meine Frau aussieht, dann wüsstest du auch, wieso ich nicht kann. Sie ist mit deiner Schönheit nicht zu vergleichen. Dass Vater im Krieg gestorben ist, wusste ich bereits. Claude, mein Begleiter berichtete mir davon. Es machte auch hier die Runde und wurde öffentlich in der Stadt bekundigt. Nun, auch ich war sehr traurig und hätte deine Zuneigung und auch den Halt meiner Familie brauchen können. Doch bevor ich hier in Selbstmitleid ertrinke, möchte ich dir noch einige Sachen erklären. Ich habe Albrecht fünf Brieftauben mit auf die Reise gegeben und hoffe, dass sie noch alle am Leben sind. Sie finden den Weg zu mir zurück ins Schloss sehr schnell. Sie schaffen die Strecke sicher in wenigen Stunden und so erhalte ich deine Rückantwort, die du mir doch sicher schreiben möchtest, sehr schnell. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich es schaffen soll, dir darauf dann wieder zu antworten, aber ich lasse mir etwas einfallen. Bitte übersende auch meiner Familie herzlichste Grüße von mir. Leider muss ich meinen Brief hier enden lassen, da ich nicht viel Zeit habe. Für dich, liebste Lizzy, gab ich dem Maler noch etwas mit. Er wird es dir aushändigen, sobald du meinen Brief gelesen hast. Bitte vergiss mich nicht! Egal, wie lange wir auf ein Wiedersehen warten müssen! Ich liebe dich und vermisse dich mein kleiner Sonnenschein.
In Liebe Phillip'

Alle blickten sie erwartungsvoll an. Tränen rannen über ihre Wangen und sie reichte Thony das Pergament, in das er sich schnell vertiefte. Plötzlich fiel sie Josi in die Arme.
'Er hat mich nicht vergessen!'
'Natürlich nicht, Lizzy! Wie könnte er auch!'
Sie nahm sie in den Arm und strich ihr beruhigend über den Kopf.
'Was meinst du damit?'
Die Königin Mutter blickte sie ratlos an.
'Sie lieben sich!' antwortete Thony ihr sachlich.
'Was?! Ist das wahr?'
Leicht nickte Lizzy ihr zu.
'Das ist ja wunderbar!' Charlotte zwinkerte Lizzy erfreut zu.
'Also ich falle wirklich von einer Ohnmacht in die nächste! Gibt es sonst noch etwas, dass ich wissen sollte?'
'Nun stell dich mal nicht so an, Mutter. Er lässt dich auch grüßen!' Thony überreichte ihr den Brief. Entsetzt blickte sie ihn an.
'Mein Junge, du kehrst nach einem langen Auswärtsaufenthalt nach Hause zurück und ich erfahre, dass ich Oma bin, weil Charlotte etwas mit dem Stallburschen hatte, dass du heiraten willst, nachdem du dich mit dem Herzog von Anhalt duelliert hast, dass Lizzy meinen zweiten Sohn liebt und er auch sie und nun verübelst du es mir, dass ich diese Frage stelle?'
'Gewiss nicht. Aber so ist die Jugend von heute nun mal!'
Mel und Josi blickten sich an und begannen zu lachen. Das sagte Frau Weinert auch immer, wenn ihr etwas nicht in den Kram passte. 'Die Jugend von heute ist schlecht und verdorben. Wir waren damals nicht so...' hörten sie die Stimme ihrer Lehrerin in ihren Köpfen wiederhallen.
'Also, ich war früher nicht so.' Stellte die Königin Mutter fest.
Josi und Mel begannen noch lauter zu lachen, doch sie vertiefte sich nun in den Brief ihres Sohnes und maß dem keine Beachtung bei.
'Maler. Im Brief stand, dass Ihr noch etwas für mich habt?'
'Ah ja gewiss!'
Albrecht drehte sich nochmals um und kramte in der großen Truhe herum. Schließlich zog er eine zusammengerollte Leinwand heraus und überreichte sie Lizzy. Gespannt blickten Mel und Josi zu ihr und machten ihr Zeichen, dass sie sie aufrollen sollte. Sie löste den Knoten des Bändchens und rollte sie auf.
'Oh mein Gott!'
Sie brach zusammen und drückte sich die Hände ins Gesicht.
'Was ist denn?!'
Josi warf sich auf die Knie und umarmte Lizzy.
'Sieh selbst!'
Josi nahm die Leinwand und blickte auf ihren Inhalt.
'Wer ist das?'
'Das ist Phillip!'
'Oh mein Gott!'
'Siehst du es?'
'Na sicher! Er sieht fast genau so aus, wie Thony...'
'Ja auch, aber er ist so dünn. Er sieht nicht gut aus. Maler, sieht er wahrlich so aus?'
'Ja, warum?'
'Er ist so dünn... Oh mein Gott...'
'Ach Lizzy, so schlimm ist es doch gar nicht? Vielleicht hatte er einen schlechten Tag?

Außerdem isst er jetzt, wo er deinen Brief erhalten hat, sicher doppelt so viel, wie vorher!'
'Gräfin?'
'Ja?' sie blickte Albrecht an und er nickte ihr zu.
'Ich muss leider schon wieder aufbrechen.'
'Oh, wie schade. Dann begleite ich dich noch zur Tür. Wachen! Helft ihm tragen!'
Die Wachmänner ergriffen die große Truhe und trugen sie zur Kutsche. Thony überreichte ihm noch ein paar Goldgulden und bedankte sich. An der Tür schließlich verabschiedete Josi sich von ihm und nahm ihn in den Arm. Leise flüsterte er ihr ins Ohr.
'Ich musste das Bild schönen!'
'Schönen?' flüsterte sie gepresst zurück.
'Ja, es steht nicht gut um König Phillip. Er ist wirklich sehr mager.'
'Was?! Das ist ja furchtbar!'
'Psst! Fräulein Elisabeth darf es nicht hören. Ich musste versprechen es niemanden zu erzählen. Auch Euch nicht. Euch soll ich übrigens seinen besten Dank aussprechen. Ich soll Euch auch sagen, dass, falls es einmal zu einen Zusammentreffen kommen sollte, er sich bei Euch persönlich bedanken will.'
'Naja, schon gut. Wichtiger ist erst mal, dass er wieder etwas zunimmt.'
'Gewiss. Also, bitte entschuldigt mich jetzt!'
'Ja, lebe wohl, Albrecht.'
'Ihr auch, Gräfin. Möge Gott mit Euch gehen.'
'Machs gut!'
Sie winkte der Kutsche noch eine Weile nach und schritt dann nachdenklich zurück ins Schloss. Wie schlimm würde es wohl um Phillip wirklich stehen? Ihr Gedankengänge wurden unterbrochen, als sie zu der lärmenden Meute zurück kehrte.
'Liebes, wir müssen noch einen Baum aussuchen!'
'Was? Jetzt? Der nadelt doch, wenn wir den jetzt schon holen?'
'Wir können zumindest schon mal einen aussuchen! Wir müssen ihn ja nicht gleich fällen?''Also gut. Ich mache mich fertig. Warte hier.'
Sie stieg die Treppen zu ihrem Gemach hinauf und schloss schließlich die Tür zu ihrem Zimmer. Sie kniete sich vor ihre Kommode und zog die unterste Schublade auf, um sie ein paar dicke Socken über die Füße zu ziehen. Plötzlich fiel ihr Augenmerk auf die Schatulle, die sie ja vor einiger Zeit aus Heinrichs Zimmer mitgenommen hatte. Sie drehte sich um und blickte durch ihr Gemach. Sie war allein, also, jetzt oder nie. Mit zittrigen Händen griff sie nach der Schachtel, als plötzlich die Tür aufsprang und der König hinein gestürmt kam, wie eine lärmende Dampfwalze.
'Wo bleibst du?!'
'Ja, ja. Ich komme ja schon.'
Schnell steckte sie die Schachtel wieder in die Schublade und legte ein paar Sachen darüber. Sie verließen das Zimmer und Josi schloss ab.
'Seit wann verschließt du eigentlich dein Zimmer, wenn du gehst?'
'Och schon etwas länger, wieso?'
'Es wundert mich nur. Hast du etwas zu verstecken?'
'Nein. Das hättest du ja auch schon gesehen, so oft, wie du neuerdings zu mir kommst.'
'Das klingt so vorwurfsvoll. Du willst wohl gar nicht, dass ich nach dir sehe?'
'Doch, doch. Natürlich. Nur, nach diesem Ritterturnier bist du wie ausgewechselt.'
'Sicher. Oder denkst du, ich will noch einmal riskieren, dass mir ein Herzog in die Quere kommt?'
'Nein, sicher nicht.'
Sie stiegen auf die Pferde und ritten langsam aus der Stadt.
'Du hast mir bis heute nicht gesagt, wie du seinen Kuss fandest.'
'Und dabei wird es auch bleiben.'
'Aber warum? Ich bin dir nicht mehr böse, Liebes. Sag mir doch bitte, wie er geküsst hat?'
'Reite doch zu ihm und küss ihn selber, dann weißt du es.'
'Warum nicht?'
'Was?'
'Warum sagst du mir nicht, wie er war?'
'Meine Güte, warum nur interessiert dich das so?'
'Ich muss eben wissen, wie die Konkurrenz so ist.'
'Er ist keine Konkurrenz für dich.'
'Trotzdem.'
'Nein.'
'Bitte.'
'Es ging.'
'Was heißt 'Es ging'?'
'Er war nicht schlecht, aber du küsst besser.'
'Wirklich?'
'Ja.'
Verlegen blickte sie zu ihm herüber.
'Meinst du das wirklich Ernst?'
'Aber natürlich!'
'Juhuuuu!'
Er trat Braveheart die Hacken in die Seite und ritt los, wie vom Teufel besessen. Lächelnd blickte Josi ihm hinterher und folgte ihm schließlich schnellen Schrittes.
'Hör auf, Brave so zu quälen.'
'Ich mache doch gar nichts!'
'Doch! Du piekst ihn mit deinen Hacken in die Seite! Soll ich das mal mit dir machen?''Versuch es doch?'
Sie packte ihm am Umhang und beide rutschten von ihren Pferden herunter. Leicht piekste sie ihm ihre Finger in die Rippen und er jauchzte lachend auf. Beide rannten über die Wiesen und spielten Haschen. Plötzlich rutschte der König aus und stürzte zu Boden. Schadenfroh blickte Josi auf ihn herab.
'Siehst du vielleicht belämmert aus!'
Laut lachte sie und er packte ihren Arm und riss sie zu sich herunter. Sie legte sich auf ihn und blickte ihm tief in die Augen. Ihr Atem bildete dicken Nebel und die Landschaft wirkte kahl und trostlos.
'Ich friere fest, Liebes.'
'Stell dich nicht so an.'
'Mache ich doch gar nicht!'
Er zwinkerte ihr zu und sie lachten beide, als Josi plötzlich etwas kaltes auf ihrer Nasenspitze fühlte. Sie rollte sich von ihm herunter und beide standen wieder auf. Mit großen Augen blickte sie gen Himmel.
'Es schneit! Thony, sieh nur! Es schneit!'
'Ja. Gefällt es dir?'
'Und ob!'
Ihre Augen strahlten ihn an und er schloss sie in seine Arme.
'Das habe ich mir für dich gewünscht, weil du immer so traurig aus dem Fenster geblickt hast. Jeden Morgen hast du als erstes nach draußen geschaut und warst enttäuscht. Vielleicht schneit es ja die ganze Nacht und morgen ist alles weiß.'
'Das wäre schön.'
'Komm, lass uns schnell weiter reiten. Nicht, dass wir hier eingeschneit werden.'
Sie ritten in einen kleinen Wald und blickten sich um. Überall standen kleine Tannen und Josi suchte die passende heraus.
'Wie findest du die hier?'
'Die ist ja so klein?'
'Hast du eine bessere gefunden?'
'Naja, besser ist zu viel gesagt. Sie ist schon etwas größer, aber sie gefällt mir noch nicht so richtig.'
'Und was ist mit dem da?'
Josi zeigte auf eine Tanne, die mit knapp eineinhalb Metern größer war, als der Baum, den ihre Pflegeeltern immer aufstellten. Ohnehin war da kaum ein Vergleich zu machen, denn sie benutzten immer einen aus Plastik. So ein echter Baum hatte schon etwas.
'Der ist doch auch so klein?'
'Na was denn sonst?'
'Ich dachte, naja eben das er größer sein soll? Ich habe einen gefunden. Komm.'
Sie ritten ein paar Meter tiefer in den Wald und stoppten wieder.
'Was denn? Der?!'
Josi blickte nach oben. Vor ihr stand eine mindestens fünf Meter hohe Tanne mit dicken Ästen, grün und kräftig.
'Gewiss. Oder schickt es sich nicht, solch einen Baum zu nehmen?'
'Wie willst du den denn ins Schloss kriegen?'
'Ich lasse ihn von den Förstern holen.'
Er stieg von seinem Pferd und band sein Taschentuch an einen Ast.
'Das ist die Markierung. Die Förster werden ihn dann fällen und ins Schloss bringen.'
'Wie du meinst.'
'Gefällt er dir etwa nicht? Dann nehmen wir einen anderen?'
'Naja,' sie blickte zu dem Bäumchen, dass sie sich als erstes ausgesucht hatte. Eigentlich wollte sie das haben, denn es wirkte gemütlicher. Doch als sie an die hohen Räume und an die große Empfangshalle im Schloss dachte, wo der Baum ja stehen sollte, dachte sie um.
'meintwegen. Dann der! Sieht auch hübsch aus.'
'Gut, dann reiten wir jetzt wieder zurück, es dämmert schon.'
Sie machten kehrt und Josi ritt langsam vor. Schnell zog der König ein zweites Taschentuch aus seinem Ärmel und band es an das kleine Bäumchen, dass Josi die ganze Zeit angeblickt hatte.
'Wo bleibst du denn?'
'Ich komme!'
'Willst du etwa, dass ich hier alleine umher reite?'
'Keineswegs, mein Liebes.'
Er ritt ihr nach und holte sie kurz darauf wieder ein.
Auf dem Rückweg schneite es noch leicht und Josi gab ihre Hoffnung auf einen weißen Morgen auf. Nachdem sie sich am Abend ins Bett gelegt und die Decke über ihre Schultern gezogen hatte, blickte sie durch das Fenster hinaus in den bewölkten Himmel. Leise öffnete sich die Tür ihres Gemachs und der König schlich sich hinein, um sich zu ihr ins Bett zu schmuggeln.
Am nächsten morgen wachte Josi auf und blinzelte ihn an.
'Guten Morgen, meine Liebste!'
'Morgen...'
Müde gähnte sie ihn an und mummelte sich noch ein wenig in ihre Decke. Plötzlich verband ihr Thony die Augen und hob sie samt Decke aus dem Bett.
'Was machst du? Lass mich, ich bin noch müde.'
'Ich weiß, aber ich möchte dir gerne etwas zeigen.'
Er trug sie durch das Schloss, die Treppen hinab in die zweite Etage und öffnete die großen Flügeltüren, die zur Terrasse führten.
'Uh, das ist kalt. Wo bringst du mich hin?'
Sanft setzte er sie auf einen bereitgestellten Stuhl ab und ging einige Schritte zurück.
'Du kannst die Augenbinde jetzt abnehmen.'
Sie löste das Tuch von ihren Augen und wurde, noch bevor sie etwas sehen konnte, von einem Schneeball getroffen.
'Ahhhh! Bist du irre?! Das ist kalt!'
'Genau!'
'Es hat geschneit! Und alles ist weiß!'
Sie blickte sich um. Es schneite noch immer und die Landschaft glitzerte, als hätte sie jemand mit tausenden von Diamanten überschüttet. Am Geländer der Terrasse hingen kleine Eiszapfen, die immer weiter nach unten wuchsen. Trotz der vielen Wolken war es ein heller Tag, hell und kalt. Es war wirklich eisig. Josi wickelte sich noch weiter in ihre Decke ein und blickte zu Thony.
'Wie hübsch!'
'Ich weiß. Zieh dich schnell an. Ich möchte dich heute fein ausführen.'
'Ausführen?'
'Ja.'
Er trug sie wieder ins Schloss, damit sie mit ihren noch nackten Füßen nicht über den kalten Boden laufen musste und brachte sie zurück in ihr Gemach. Dort angekommen, stieg sie in ihr Unterkleid, dass mit Schafswolle gefüttert war und zog sich ihre Socken an. Plötzlich klopfte es an der Tür.
Thony lief eilig hin und nahm etwas entgegen.
'Was ist das?'
'Ein neues Kleid für dich, damit du nicht frierst.'
Sie öffnete die Schachtel und zog ein mit Pelz besetztes Kleid heraus. Leicht cremefarben und mit dicker Wolle gefüttert.
'Ist das für mich?'
'Na aber gewiss doch! Zieh es schnell an! Wir müssen uns langsam sputen.'
Schnell warf sie sich das Kleid über den Kopf und der kuschelige Stoff umschmeichelte ihre Haut. Der König hob das Pergament aus der Schachtel, unter dem sich noch etwas anderes verbarg. Ein weißer Umhang mit schwarzen Flecken, ähnlich einem Leopardenfell. Er legte ihn ihr über die Schultern und schloss ihn mit einer goldenen Spange an ihrer Schulter. Schließlich setzte er ihr noch die Kapuze auf und überreichte ihr ein paar Handschuhe. Jetzt war sie wohl sicher dick genug angezogen, um nach draußen zu gehen.
'Warte!' rief sie ihm noch nach, als er schon das Zimmer verlassen wollte. 'Hier! Die habe ich gestrickt.'
Sie überreichte ihm feierlich einen roten Schal und band sich ihren wollweißen um den Hals. Mit strahlenden Augen nahm er ihn entgegen und wickelte ihn sich um seinen Hals. Wie kuschelig er doch war.
'Gefällt er dir?'
'Aber sicher, meine Liebe!'
Er nahm sie in seinen Arm und führte sie zur Empfangshalle.
'Schließ bitte deine Augen.'
'Ist es eine Überraschung?'
'Natürlich!'
Hoch erfreut schloss Josi die Augen und verbot sich selbst das blinzeln, um seine Überraschung nicht zu verderben. Er öffnete die großen Türen, die in den Schlosshof führten und geleitete sie nach draußen.
'Du darfst die Augen jetzt aufmachen.'
'Oh wie hübsch!'







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