Liebe auf den 1.Klick

Autor: LovelyBad
veröffentlicht am: 08.05.2004




„…deswegen gilt der Mann somit als heterozygot gesund und..“ Das Klingeln der Schulglocke unterbrach und beendete gleichzeitig die heutige Biologiestunde.Vicky seufzte erleichtert auf. Hastig begann sie ihre Schulsachen in ihren Rucksack zu stopfen. Ihr Gehirn wurde nur noch von einem Gedanken beherrscht: “Ferien, endlich Ferien!!“ Eilig wickelte sie ihren Schal um und schlüpfte in ihren dunkel grünen Mantel. Dann strich sie sich ihr dunkel blondes Haar aus dem Gesicht und richtete ihr Augen auf Maria. „Nu’ mach schon“, drängelte sie ihre Freundin die sich, so schien es Vicky, wieder Jahre Zeit zu lassen schien. An der Tür drehte sich Vicky noch einmal um. „Mariaaaaa, komm, ich will nach Hause!“ „Dann geh doch“, erwiderte Maria genervt während sie verzweifelt versuchte den Reißverschluss ihres Rucksacks zuzubekommen. „Können vor lachen“, sagte Vicky gewohnt sarkastisch, „hast du vergessen das du mein Rad heute morgen mit angeschlossen hast?“ „Ja ja“, sagte Maria geistesabwesend. Mittlerweile war der Klassenraum wie leergeputzt. Und endlich trabte auch Maria an. „Endlich! Nun komm, looos!“ Vicky zerrte Maria am Ärmel gepackt hinter sich her. „Vicky?“ Sie waren kurz vorm Hauptausgang als Vicky die ihr so vertraute Stimme vernahm. Sie drehte sich um und vor ihr stand ihr geliebter Freund Marcel. Seine schwarzen Haare waren zerzaust und sein Schal hatte er lieblos über die Schulter geworfen. Vicky wollte ihn küssen aber er hob abwehrend die Hände. „Wir müssen reden!“ Vickys Magen krampfte sich zusammen. An Maria gewandt fuhr er fort: “Lass uns bitte allein, es dauert nicht lang!“ Maria nickte „Ich warte draußen“ und stapfte nach draußen wo es mittlerweile begonnen hatte zu schneien.
„Was ist denn los?“ wollte Vicky wissen nachdem Marcel sie zu den Sitzgelegenheiten nahe der Schulbibliothek gezogen hatte. „Es ist aus Vick“, sagte er mit leiser, monotoner Stimme. „Was?“ entsetzt sah sie ihn an. „Ich habe mich in eine andere verliebt.“ Gestand er. „Ich hab es nicht gewollt, es ist einfach so passiert. Zuerst waren wir nur gute Freunde aber dann entwickelten sich immer stärkere Gefühle zwischen uns beiden. Wir haben uns geküsst und auf der Party von Kevin miteinander geschlafen. Weißt du? Du konntest doch nicht mit auf die Party weil es dir nicht gut ging!“ Er versuchte ein freundliches Lächeln das zu einer schiefen Grimasse verrutschte. „Bitte“, wollte er einlenken als von Vicky keine Reaktion kam und berührte sie am Arm. „Fass mich nicht an!“ fauchte Vicky ihn an. „Fass mich nie, nie wieder an! Du bist das Letzte!“ „Aber ich…“ „Halts Maul!“ fuhr sie ihn mit einem Hass in der Stimme an, den Marcel nie vorher gehört hatte. Er zuckte zusammen und sah sie geschockt an. „A-a-aber wir kö-können doch F-f-freunde bleiben, o-o-oder?“ stotterte er. „Freunde?“ sie spie das Wort förmlich aus. „Freunde?! Ich glaube ich spinne! Du machst hinter meinem Rücken mit einer anderen rum und du willst, das wir FREUNDE bleiben?“ Jetzt schrie sie. „Tret’ mir nie wieder unter die Augen verstanden?“ Sie drehte sich um und rannte weg. „Nur weg hier, weg von alle dem!“ dachte sie. Vicky lief zu den Fahrradständern und sah, dass Maria bereits los gefahren war. Ihr Fahrrad stand nun unangeschlossen dort.
Zu Hause angekommen las sie die Nachricht, die ihr ihre Mutter hinterlassen hatte:
„Habe noch einen Termin beim Augenarzt. Essen musst du dir nur noch warm machen. Kuss Mama“
Vicky ging in ihr Zimmer und warf sich aufs Bett. Minutenlang lag sie dort und wiederholte das Szenario das sich eben zugetragen hatte wieder und wieder. Schließlich konnte sie ihre Tränen nicht mehr zurück halten und sank schluchzend in sich zusammen. Nach 1 ½ Stunden hatte sie sich langsam wieder beruhigt. Sie fühlte sich so verletzt. Wie hatte er das nur tun können?! Waren sie denn nicht glücklich zusammen gewesen die 8 Monate?! „Was hat sie, was ich nicht habe?“ dachte Vicky. Lange Zeit hatte sie niemanden mehr so nah an sich rangelassen und vertraut wie Marcel. Nun, so schien es ihr, war dieses Vertrauen in sekundenschnelle zerstört worden. Vicky hatte schon immer lange gebraucht um zu jemandem Vertrauen aufzubauen, immer hatte sie eine dicke Mauer um sich gebaut. Nur niemanden so nah an sich heranlassen, dass er sie verletzten könnte. Ihre Unsicherheit überspielte sie oft mit lockeren Sprüchen und ihrem spritzigen Sarkasmus. Marcel war einer der wenigen Menschen gewesen die hinter ihre oft „harte“ Fassade hatte blicken können. Umso verletzter war sie jetzt. Lange lag sie auf ihrem Bett. Reglos, gleichmäßig atmend, mit geschlossenen Augen. Dann stand sie entschlossen auf und ging ins Badezimmer. Dort hielt sie ihre Hände unter den kühlen Strahl Wasser des Waschbeckens. Sie wusch sich ihr Gesicht und schaute sich dann lange im Spiegel an. „Er hat mich nicht verdient!“ sagte sie zu ihrem Spiegelbild. „Er hat mich gar nicht verdient!“ sprach sie mit fester Stimme.Und damit war für Vicky das Thema erst einmal erledigt. Sie hatte die Gabe, Dinge, die sie verletzten oder aus dem Gleichgewicht brachten zu überdenken, ihre gesamten Emotionen rauszulassen und dann nie wieder daran zu denken. Das hatte bisher immer gut geklappt und sich als sicherer Schutz gegen noch mehr Schmerz erwiesen. Nur wenn es ihr schlecht ging kamen manchmal alle alten Gefühle wieder hoch. Diese Methode war vielleicht nicht immer die gesündeste aber für Vicky immer bisher die effektivste.Hätte sie mit jemandem darüber reden wollen wäre sie schon von selbst zu jemandem gegangen. Sie hatte ja ein paar sehr gute Freunde aber es gab Dinge, die sie lieber mit sich selbst ausmachte. „Toller Anfang für Ferien“, dachte Vicky niedergeschlagen. Sie musste sich ablenken, nur wie?! Selbst Hausaufgaben hätte sie jetzt mit Vergnügen entgegengenommen. Sie wanderte durch die Wohnung und ihr Blick fiel auf den PC. „Bingo!“ dachte Vicky und schaltete ihn an. Chatten würde ihr jetzt bestimmt gut tun. Sie wählte sich ein und klickte dann die unter ihren Favoriten gespeicherte Lieblingsseite an. Es war eine Singlecomunity wo sie schon eine Menge netter Leute kennen gelernt hatte. Sie loggte sich auf der Startseite ein und vor ihren Augen poppten zwei neue Messages auf. Eine von ihrem besten Freund Dominik, der auch hier angemeldet war und ihr nur schnell „schöne Ferien“ wünschen wollte und eine von einem ihrer langen Chatbekanntschaften. Sie klickte auf ihre Freundesliste und musste niedergeschlagen feststellen, dass niemand online war. Ziellos klickte sie sich durch die Liste der Personen, die online waren.
Etwas knurrte und sie wurde sich bewusst, dass sie schon seit heute morgen nichts mehr gegessen hatte. Nun war es schon bald Nachmittag. Sie hatte keine Lust auf das bereitgestellte Essen ihrer Mutter und schmiert sich ein Brötchen.
Danach setzte sie sich wieder an den PC, aß ihr Brötchen und klickte sich gleichzeitig durch die Profile der Leute, die heute Geburtstag hatten.
Bei einem Namen stutze sie „Headbanger“, las sie halblaut vor. Na das klang doch nach gutem Musikgeschmack, dachte sie. Unwillkürlich brachte sie den Namen „Headbanger“ mit einem Metaler oder zumindest mit jemandem der Rock hörte in Verbindung. Kurz darauf folgte aber auch schon die Ernüchterung. Stand da doch so was in der Art wie „Headbanger muss nicht gleich Metalfutzie bedeuten!“ Angesäuert betrachtete sie sein Foto und stellte fest, schlecht aussehen tat er nicht. Aber was sollte dieses Metalfutzie Gerede. Sie klickte auf eine Zeile am unteren Rand des Profils und fragte nach, was es denn mit seinem Namen auf sich hatte. Prompt bekam sie die Antwort, das es sich dabei um einen holländischen DJ handeln würde. „Toll“ überlegte Vicky „also doch nix mit Metal.“ Trotzdem, irgendwas reizte sie ihm weiter zu schreiben. So fragte sie dann ob er chatten wolle. Er wollte und sie tauschten ihre Icq-Nummern. Oft erging es Vicky so, dass sie mit ihrem Chatpartnern nach ein paar Minuten und nachdem die üblichen Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht waren, nichts mehr zu reden hatte. Mit ihm war es anders. Sie schrieben und schrieben und Vicky bemerkte gar nicht, dass schon 2 Stunden vergangen waren als ihre Mutter heim kam. Sie erzählte ihrer Mutter in Kurzfassung, dass sie nicht mehr mit Marcel zusammen war und nicht darüber reden wollte. Ihre Mutter nickte nur kurz verständnisvoll und Vicky wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Dann verabschiedete sie sich von ihm. „Wahnsinn“, dachte Vicky abends als sie in ihrem Bett lag, „er hat nicht einmal gefragt ob ich solo bin. Endlich mal kein notgeiler Macho, sondern einfach jemand mit dem man super reden kann! Ist doch ein gutes Zeichen!“ Glücklich schlief sie ein.Am nächsten Morgen wachte sie gegen 11 Uhr auf und schnappte sich gleich nach dem Frühstück das Telefon. Nach dem 3. Klingeln wurde abgenommen und mit einem verschlafenem „Jaaaa?“ meldete sich Dominik. „Hey Domi“ flötete Vicky ins Telefon. „Herje, was is’ denn mit dir los?“ fragte Dominik. „So fröhlich?“ „Ja und ich wollte fragen, ob du und Marco nicht Lust haben mit mir in die Stadt zu fahrn?“ „Öhm, ich weiß noch nicht, erstmal überlegen und ich weiß nicht ob ich das alles schaffe und…“ Vicky verdrehte die Augen und hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Typisch, das war mal wieder so typisch Dominik. Manchmal hörte er sich wirklich an, wie ein viel beschäftigter Opa. „Vick? Bist noch dran?“ wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. „Äh jaja, bin noch dran. Also was is nun?“ „Also ja, ich ruf Marco an aber der hat bestimmt nichts vor. Also um 14 Uhr an der Bahn!“ „Oke bis dann“ „Bye!“. Sie legten auf. Schon oft war sie gefragt worden warum Dominik und sie nicht zusammen wären. Sie waren schon eine lange Zeit sehr gut befreundet, Dominik konnte sie alles anvertrauen. Leider empfand Vicky außer Freundschaft nichts, anders als Dominik.
Pünktlich um 14 Uhr stand sie an der Bahn. Schon kamen ihr die Jungs entgegengeschlendert. Marco mit seinen gewohnt schwarzen, strubbeligen Haaren. Als sie ein paar Minuten später in der Bahn saßen platzte Vicky mit den Neuigkeiten einfach heraus: “Ich bin nicht mehr mit Marcel zusammen!“ Die Jungs schauten sie geschockt an. Lange Zeit hatten Vicky und Marcel als das Traumpaar schlechthin gegolten. „Wenn du reden willst, wir sind da!“ sagte Marco behutsam. Vicky lächelte. Wieder wurde ihr bewusst, wie gut die Jungs sie doch kannten. Sie hatten einen schönen Tag in der Stadt und als sie gegen Abend wieder im heimischen Bahnhof einliefen war Vicky einfach nur glücklich.Zu Hause angekommen setzte Vicky sich an den PC und wählte sich ins ICQ ein. Ein paar Minuten später wurde sie von Headbanger mit einem „Naaa“ angesprochen. Sie redeten und redeten. Sie sprangen von einem Thema zum Anderen und stellten gleichzeitig fest, dass sie eine Menge Gemeinsamkeiten aber auch ein paar Unterschiede hatten. Vicky fühlte sich sehr wohl und verstanden, wenn sie mit ihm schrieb. Ihre Chatsessions mit Headbanger, der nach eigenen Angaben Manuel hieß, wurden immer länger.Sie verstanden sich wirklich gut. Vickys Gefühle fuhren Achterbahn. „Ich steiger mich da bestimmt nur in was rein!“ dachte sie. „Liebe per Internet, so ein Schwachsinn! Kann doch nicht sein. Liegt bestimmt alles nur an der Momentanen Situation!“Irgendwann tauschten sie dann auch ihre Handynummern und schrieben sich in unregelmäßigen Abständen SMS. „Wenn er doch bloß nicht so weit weg wohnen würde!“ dachte Vicky oft. Er wohnte in der Nähe von Wiesbaden, sie in Hamburg. Sie trennten Welten. So jedenfalls kam es Vicky vor.Der Winter ging vorbei, die Schule begann wieder und schon bald standen wieder die Frühjahrsferien vor der Tür.
Und dann kam einer der bisher schönsten Momente in Vickys Leben. Ihr Vater kündigte an, dass sie dieses Jahr frei entscheiden könne, wohin sie in den Urlaub fahren könnten. „Wiesbaden“ schrie Vicky wie auf Kommando. „Wiesbaden?“ Ihr Vater zog zweifelnd die Augenbraue hoch. „Dann lieber Frankfurt“ entschied er. „Auch oke“, strahlte Vicky.Auch Manuel freute sich über diese Nachrichten.
Die Tage vor der Abreise verbrachte Vicky damit, tagtäglich neue Listen aufzustellen was sie denn unbedingt mitnehmen müsse.
Die Zeit schien nicht enden zu wollen und der Tag ihrer Abreise zog sich wie Kaugummi dahin. Doch endlich war er gekommen.
Vicky verbrachte den Großteil der Autofahrt mit Musik hören und schlafen. Lesen konnte sie nicht, da die Kombination „lesen+Autofahrt“ ihrem Magen nie sonderlich bekam.Die letzten Kilometer vor Frankfurt wurde Vicky immer aufgeregter. Ihren Eltern hatte sie schon längst erzählt, dass sie sich mit Manuel treffen wolle und ihre Eltern hatten verwundernswerter Weise sofort zugestimmt. Vielleicht war auch ihnen, das freudige Glitzern in den Augen ihrer Tochter, nicht entgangen.Endlich im Hotel angekommen schrieb Vicky Manuel sofort eine SMS:

Hey Schatz! Sind gerade angekommen. Wann wollen wir uns denn nun treffen? +knutschaz+

Nach ein paar Minuten kam die Antwort:

„Super! Hm, wie wärs mit 16 Uhr vor dem Eingang deines Hotels? Du kennst dich ja hier nicht so aus, ne? ;)“

Vicky schrieb, dass ihr das recht sei und schaute sekündlich, hippelig auf die Uhr ihres Handys. 14:53 Uhr. „Oh man“, dachte Vicky. Die Zeit schien wieder einmal nicht vergehen zu wollen. Viel zu früh stand sie also aufgeregt vor dem Eingangsportal des Hotels. Ihre Hände zitterten und in Gedanken schalt sie sich eine Idiotin. Warum war sie nur so aufgeregt? Das war doch sonst nicht ihre Art.
Dann kam er. Sie erkannte ihn schon vom Weiten und ihr Herz machte einen kleinen Sprung. Sie ging ihm entgegen. „Hi“, sagte er. Vicky musterte ihn von oben bis unten, baff und überglücklich ihn endlich mal live und in Farbe zu erleben. „Du darfst gerne mit mir reden“, grinste Manuel sie an. „Äh ja, tschuldige, bin so..ja..überwältigt!“ Sie lachte. „Krieg ich wenigstens ’ne Umarmung?“, fragte Vicky und schmunzelte ihn an. „Klar!“
Wieder ein Moment den Vicky so schnell nicht mehr vergessen würde. Endlich hatte sie ihn zum Greifen Nahe.
„Und, was machen wa nu?“ „Jaaa“, antwortete Manuel „gute Frage. ’N Eis essen?“ „Von mir aus!“ Vicky lächelte in sich hinein. 100te von Chatstunden hinter sich aber beide keine Idee, was man zusammen anfangen könnte.
Aber schon bald war das Eis gebrochen und Vicky hatte den Eindruck, als würde sie ihn schon Ewigkeiten kennen. Sie aßen das versprochene Eis und gingen dann einfach weiter durch die Stadt spazieren. Es war ungewöhnlich warm für Mitte April. Sie unterhielten sich und irgendwann konnte Vicky ihren Impuls, einfach seine Hand zu nehmen, nicht mehr unterdrücken. Manuel sagte nichts, aber seinem Gesichtsausdruck konnte Vicky entnehmen, dass es ihm nicht gerade unangenehm war. Sie spazierten gemeinsam durch einen Parkund setzten sich nach einiger Zeit auf eine Bank. Seufzend lehnte Vicky sich zurück. „Echt Wahnsinn dich persönlich kennen zu lernen!“ sagte Manuel.
Vicky nickte zustimmend und schaute ihn an. Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und langsam kamen sich ihre beiden Gesichter näher. Schließlich waren sie sich so nahe, dass Vicky seinen Atem spüren konnte. Dann küssten sie sich. Vicky schloss die Augen. Ja, sie hatte sich verliebt, das spürte sie jetzt ganz deutlich. In diesem Moment wollte sie an nichts anderes denken. Nicht an die große Entfernung, die sie eigentlich trennte und nicht daran, wie es zukünftig weiter gehen sollte. Sie konzentrierte sich nur auf den Kuss!









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