Der Künstler und die kleine Fee Teil 1

Autor: die_unkreative
veröffentlicht am: 26.07.2006




Mit einem leeren Blick starrte sie nachdenklich aus dem Fenster. Es war ein Morgen im Frühling und die Winterkälte, die die Menschen auf der Straße dazu zwang, Jacken zu tragen verlieh der grauen Stadt einen Hauch von Frische. Vorsichtig strich sie sich eine ihrer blonden und welligen Strähnchen aus dem Gesicht und beobachtete weiter das Geschehen auf der lebendigen Straße.
'Hey, Esther, Schätzchen! Was gibt's denn da zu sehen?', unterbrach eine aufgedrehte und fröhliche Stimme den Gedankenfluss des jungen Mädchens, dessen Kopf sich blitzschnell nach hinten drehte, um nachzusehen, wer dies sagte.
'Ach, du bist es, Ma', erwiderte sie entgeistert und widmete ihre Aufmerksamkeit wieder der Straße. Wer hätte es sonst sein können? Ihr Vater lebte nun schon seit Jahren nicht mehr mit ihrer Mutter zusammen und Geschwister hatte sie keine. Die neugierige Mutter kam näher und folgte Esthers Blick. Draußen parkte ein riesengroßer Lastwagen.
'Das ist der neue Nachbar', bemerkte Esther leise.
'Wir bekommen neue Nachbarn? Ziehen sie in die Wohnung von gegenüber ein?', fragte die Mutter ihre höchstinformierte Tochter aus.
'Keine Nachbarn. Er zieht alleine ein', erklärte Esther leicht gelangweilt als würde sie es schon das tausendste Mal erzählen.
'Er? Wer ist er denn? Und woher weißt du das alles?'
Esther seufzte und zwang sich dazu, es ihrer unwissenden Mutter zu erklären.
'Der Typ war schon vor einem Monat hier und hat sich eine Wohnung angeschaut. Die Frau, die ihm die Wohnung zeigte, bemerkte noch, dass die Wohnung besonders familienfreundlich wäre. Er sagte dann, er hätte nicht mal 'ne Freundin.'
'Du klingst irgendwie gereizt. Ist was?', fragte die Mutter besorgt nachdem sie mehr auf Esthers Gesichtsausdruck geachtet hatte als auf das, was sie sagte.
'Nein, alles okay.'
'Wie du meinst...'
Nun starrten beide schweigend aus dem Fenster.
Später, wenn nach dem grauen Alltag der graue Abend folgte, hörte man das Telefon läuten. Esther saß im Wohnzimmer und schaute sich eine langweilige Talkshow an, wo es um eine Frau ging, die ihren Ehemann mit einem 12-Jährigen betrogen hatte und nun mit ihm den Rest ihres Lebens verbringen wollte.
'Schon komische Leute', dachte sich Esther immer, schaute sich trotzdem die Talkshows weiter an.
Kurz nach dem Läuten des Telefons kam Esthers Mutter ins Wohnzimmer hinein und überreichte Esther den Hörer.
'Christina will dich sprechen.'
Daraufhin verschwand sie wieder in der Küche.
'Esther? Hallo?', ertönte Christinas hohe und fast hysterische Stimme.
'Ähm, ja, hallo, was gibt's?'
'Du wirst es nicht glauben! Ich erzähl's dir morgen in der Schule!', konnte man Christina aufgeregt schreien hören und im selben Moment legte sie am anderen Ende der Leitung auf.Esther erstarrte für einen Augenblick und wiederholte innerlich alles was gesagt wurde, um sicherzugehen, dass sie alles richtig verstanden hatte. Schon läutete das Telefon in Esthers erstarrten Händen wieder.
'Hallo?'
'Ja, pass auf, ich erzähl's dir doch heute!'
'Wieso freut mich das nicht...'
'Nein, diesmal ist es nichts Schlimmes! Es ist sogar toll!'
'Wenn du's toll findest, dann muss es erst recht schlimm sein.'
'Schlecht gelaunt? Ach, wieso stelle ich diese Frage überhaupt? Das Leben ist doch toll! Verbreite Liebe! Und Frieden!'
'Bei einer Fünf in Zeichnen ist das Leben überhaupt nicht toll, nur falls du's wissen willst, Miss World.'
'...Und verbreite Kinder!'
'Das reicht!', brüllte Esther ins Telefon hinein und legte wütend auf. Wie verflucht klingelte das Telefon wieder. Zornig verschränkte Esther ihre Arme und bemühte sich, sich auf die Talkshow zu konzentrieren und natürlich das nervige Klingeln des Telefons zu ignorieren.'Riiing-Riiing-Riiing-Rii...' Esther ging doch noch ran. Christinas Stimme wurde hörbar:'...Aber deine schlechte Laune, die solltest du auf keinen Fall verbreiten!'
'Komm zur Sache, verdammt!'
'Ja, also, weißt du in wen wir verknallt sind?'
'Nö.'
'Esther, also wirklich! Ich meine Robert, den Schulschwarm!'
'Wie faszinierend,' sagte Esther mit übertriebener Ironie. 'Was ist mit dem?'
'Er ist wieder Single! Und Mädchen aus seiner Klasse haben ihn ausgefragt, an wem er jetzt interessiert ist!' Christinas Stimme verstummte, als würde sie auf etwas warten.
'Ja und?'
'Hast du jemals ein Wort mit ihm gewechselt?'
'Nein, wieso?' Langsam verwirrte Christina ihre Freundin.
'Weil er angeblich sagte, dass er dich süß findet! Du weißt ja gar nicht, wie viel Glück du hast! Die anderen Mädchen aus den 10. Klassen wären bereit zu töten, nur damit er sagt, dass er sie süß findet!'
'Du übertreibst, Christina', bemerkte Esther. Ja, das stimmte allerdings.
'Deine Sache, ich wollte dich nur auf dem Laufenden halten! See ya!', verabschiedete sie sich und fügte noch am Ende ein Kussgeräusch hinzu und legte auf.Noch am gleichen Abend hatte Esthers Mutter ein Date. Das 14-jährige, ein wenig deprimierte Mädchen hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht und knabberte appetitlos an einem Baguettestück. Zur Unterhaltung brauchte sie ihre Talkshows nicht mehr, nun konnte sie ihrer Mutter bei ihrer hektischen Herumrennerei zusehen, was sie viel unterhaltsamer fand. Dabei wiederholten sich ständig Sätze wie: 'Passen diese Klamotten? Die Haare liegen einfach nicht richtig! Ich sehe aus, wie eine alte Oma!' Bei allem Respekt, die Frau war 40 und sah aus wie 25!
'Irgendwas hab ich vergessen...', blieb die hektische Mutter vor dem Spiegel im Wohnzimmer stehen und überlegte laut.
'Taff Chondom,' sagte Esther mit vollem Mund.
'Jaaa, genau!'
Esther schüttelte den Kopf und schluckte das Baguettestück runter.
'Mit wem gehst du eigentlich aus?'
'Mit einem Lukas. Du kennst ihn nicht. Aber er ist wahnsinnig süß, nett, charmant und ein bisschen schüchtern,' sagte sie fast verträumt.
'Also schwul.'
'Estha!'
'Was'n?'
Esthers Mutter verdrehte genervt die Augen und brezelte sich weiter vorm Spiegel auf. Eine halbe Stunde später schaffte es Esther dann tatsächlich, ihre Mutter davon zu überzeugen, dass diese gut genug aussah um nun endlich das Haus verlassen zu können.'...Und falls ein Feuer ausbricht, rufst du laut 'Feuer!', ja? Und mach keinen fremden Männern die Tür auf!'
'...Und wenn mich Aliens entführen sollten, ruf ich die Men in Black an, ja, und nun geh endlich!', unterbrach Esther und schob ihre nervige Mutter hinaus, welche selbst mit zugemachter Tür weiterhin irgendwelche Anweisungen für Notfälle gab.Esther warf einen Blick auf die Uhr - 21:47! Showtime!

Fortsetzung folgt...







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