Strongness

Autor: Celithizia
veröffentlicht am: 01.09.2014


Graue, ledrige Schwingen zischten durch die Luft und teilten die Wolken, die Schuppen glänzten türkis, wenn das Sonnenlicht darauf fiel und der Dornen besetzte Schweif wirkte stark genug, mit einem Schlag ein ganzes Dorf dem Erdboden gleich zu machen.
Doch Lilith hatte nichts dergleichen im Sinn, als sie sich trotz ihrer gewaltigen Größe elegant dem Boden näherte, um zur Landung anzusetzen.
Der Boden erzitterte einen Moment unter der Last, als ihr riesigen Beine den Boden berührten und ihre Schwingen sinken ließ.
Vor den Toren von Ashaan hatten sich viele Menschen versammelt, darunter jede Menge begeisterte Kinder. Auch, wenn man in einer Welt lebte, in der die Magie alltäglich war, einen echten Drachen bekam man dennoch äußerst selten zu Gesicht.
Doch nun, wo Lilith vor ihnen stand, wichen die meisten erschrocken zurück, blickten voller Ehrfurcht auf ihre imposante Gestalt.
Natürlich würde sie Ashaan so nicht betreten können, geschweige denn die Magierin finden, für die sie hier war.
Der rote Stein, der in ein Lederhalsband eingearbeitet war, welches sie um den Hals trug begann, aufzuleuchten. Kurz darauf erleuchtete auch der Drachenkörper, und sie wurde kleiner, veränderte die Form, bis schließlich anstatt des Ungetüms ein junges Mädchen vor ihnen stand.
Ihr kurzes, gelocktes Haar glänzte in demselben Türkis wie auch ihre Schuppen es getan hatten, ihr kindlicher Körper war in ein edles, in rosa gehaltenes Kleid gehüllt das einer Prinzessin würdig war. Und doch sah sie mit dem aufgeregt strahlenden Gesicht nicht älter aus als 16 Jahre.
Langsam bewegte sie sich nun auf die Menschenmenge zu, einen langen Stab in ihrer linken Hand, an dessen Ende ein Edelstein pragte.
Die Menschen wichen immernoch zurück, denn auch wenn sie nun die Gestalt eines kleinen Mädchens hatte, so wussten noch immer alle hier auf dem Platz, was sie wirklich war.
"Ich suche Aurorae, die Magierin. Kann mir einer sagen, wo ich sie finde?"

"Tze... es muss ein Verbrechen sein, in dieser Stadt anständiges Met zu servieren.", sprach Aurorae finster und drehte den Krug in ihrer Hand. Leise Musik wurde in der Taverne gespielt, nur wenig Licht fiel durch die gedämmten Fenster und der Rauch von Zigarren hing in der Luft.
Es war noch garnicht lange her, da hatte sie gemütlich in ihrer Bibliothek gesessen. Szcenari, der kleine, blaue Schmetterling, der nie von ihrer Seite wich war um ihr Gesicht geflattert. Windgeister nahmen oft die Gestalt an, die der Seele des Magiers am meisten entsprach. Als sie ihn beschworen hatte, war sie gerade einmal 9 Jahre alt gewesen. Das Buch mit der Formel dazu hatte sie von Maximilian stibitzt, ihrem Lehrmeister und gleichzeitig ihrem Ziehvater.
Doch energisches Klopfen an der Tür hatte die angenehme Stille unterbrochen. Mit Neidern hatte sie immer zu kämpfen gehabt, aber diesmal war es ernst. Man hatte sie offiziell angeklagt.
"Jetzt hab dich doch nicht so, meine Hübsche!", ein fremder Mann, den die blonde Magierin noch nie zuvor in dieser Taverne gesehen hatte, legte seinen Arm um sie. Doch sie reagierte nicht, übte sich in Selbstbeherrschung.
"Ein Wunder, dass ich so ein niedliches Ding wie dich hier noch nie gesehen hab.", er kam ihrem Gesicht ganz nahe, die Übelkeit stieg in ihr hoch.
"Wenn du nicht sofort mit deinem stinkenden Atem von mir verschwindest, setz ich dich unter Feuer.", drohte sie nun doch zischend. Um ihre Worte zu unterstreichen, hob sie eine Hand. Kurz darauf züngelte eine kleine Flamme aus ihrer Handinnenfläche, die allerdings gleich wieder verschwand. Allein das zeigte, wie mächtig die junge Frau bereits war.
Für Menschen war es nämlich unglaublich schwierig, Magie ohne ein Medium zu verwenden. Einen Stab oder ein Amulett, irgendetwas, das als Gefäß diente. Auroraes Gefäß aber war ihr eigener Körper.
Der Mann wich erschrocken zurück, die Blonde führte nur den Krug an ihre Lippen, als wäre nie etwas dergleichen geschehen.
Nachdem er endlich geleert war, ließ sie ihren Blick durch die Kneipe schweifen, und obwohl ihre Sicht etwas durch die Rauchschwaden getrübt war, erkannte sie etwas, dass überhaupt nicht in dieses Ambiente zu passen schien. Oder besser Jemanden.
Ein Mädchen stand in der Tür, auf den ersten Blick deutlich zu jung für diese Umgebung. Aber das war nicht mal das auffälligste an ihr. Nein, das war definitiv ihre Haarfarbe.
Helles, leuchtendes Türkis. Ihre Haut war blass, wirkte rein wie die einer Porzellan Puppe und stand im Kontrast zu der ungewöhnlichen Frisur und auch zu ihren eisblauen Augen. Ihr Blick ruhte interessiert auf dem Mädchen, auch wenn sie hier eigentlich auf einen Drachen warten sollte.

Lilith hatte den Hinweis bekommen, die Magierin würde sich in einer bekannten Taverne aufhalten, aber jetzt, wo sie hier war wäre sie am liebsten auf der Stelle wieder umgekehrt. Die Luft hier war stickig und breitete sich in ihren Lungen aus. Für einen Drachen, der die meiste Zeit seines Lebens im Gebirge von Al'Gaar zugebracht hatte, die frische, reine Bergluft dort geatmet hatte, war diese hier das reinste Gift.
Sie musste schnell diese Magierin finden, und dann nichts wie raus hier!
Als erstes schritt sie auf den Tresen zu, hinter dem der Wirt gerade Gläser putzte und sich mit einer rundlichen, stark geschminkten Frau unterhielt.
Er würde doch wohl wissen, wer in seinem Lokal ein und aus ginge!
Sehr weit kam sie aber nicht, da schob sich der fleischige Körper eines großen Mannes in ihren Weg. Unsicher hob sie den Kopf, er blickte auf sie nieder.
Sein alkoholisierter Atem sorgte dafür, dass sie einen Schritt zurück tat und ihre Hand vor den Mund hielt. Es war unhöflich, ja, aber der Zigarettenrauch und miefige Gestand hier drin hatten ihr bereits den größten Teil ihrer Selbstbeherrschung abverlangt.
Ihr größtes Problem war im Moment aber nicht sein Mundgeruch, sondern die Tatsache, dass eine Gefahr von ihm auszugehen schien, welcher Natur auch immer. Und sie selbst hatte absolut keine Verteidigungsmöglichkeiten.
Drachen hatten sie auf weiße Magie spezialisiert. Sie diente lediglich der Heilung, dem Schutz oder der Unterstützung. Zum Angriff taugte sie nichts und war momentan auch sonst ziemlich nutzlos, wenn sie diesen Kerl nicht noch stärker machen wollte, als er war.
Also war ihr nächster Gedanke Diplomatie. Sollte dieser Mann einen Funken Anstand besitzen, würde er eine Drachenprinzessin ja wohl nicht anrühren, oder?
Lilith holte also tief Luft, öffnete den Mund und hoffte bloß, dass ihre Stimme nicht genauso zitterte wie ihre Knie.
Soweit kam es aber garnicht, denn da flog ein geleerter Krug haarscharf den beiden vorbei und zerschlug an der Wand hinter ihnen. Vor Schreck weitete das Mädchen die Augen, der bullige Kerl drehte sich nur verwirrt um.
"Lass die Kleine in Ruhe, Cain!", hallte eine Frauenstimme durch den ganzen Raum. Lilith schielte nun an ihm vorbei und erblickte eine blonde, junge Frau, die etwas weiter hinten im Lokal an einem runden Tisch saß.
"Eine Bekannte von dir, Aurorae?", lallte er als Antwort. Bei dem Namen horchte Lilith auf. Die Frau schien einen Moment zu überlegen.
"Sie ist mein Gast.", meinte sie schließlich, und der Kerl gab klein bei, machte den Weg endlich frei.
Lilith huschte zügig an ihm vorbei, bevor er es sich anders überlegen würde, und lief eiligen Schrittes auf den Tisch ihrer Retterin zu.
"Vielen Dank.", brachte sie hervor, als sie ankam.

Aurorae hob nur den Kopf und musterte sie desinteressiert. Das mit dem Gast war nur eine Notlüge gewesen, hoffentlich erwartete dieses Kind hier jetzt nicht wirklich, dass sie ihr einen ausgab. Auch wenn sie nicht wirklich so aussah, als könnte sie Alkohol überhaupt vertragen, ohne aus den Latschen zu kippen.
"Macht nichts.", antwortete sie deswegen, wandte den Blick wieder ab und hoffte, die Göre würde verstehen, dass das auch schon alles war.
Aurorae war nicht auf Smalltalk oder neue Freundschaften aus. Sie wartete einfach nur auf diesen verdammten Drachen. Wo blieb der nur?
"Ihr seid also Aurorae? Mein Name ist Lilith.", sprach das fremde Mädchen schon wieder. Aurorae seufzte nur kaum merklich. Da hatte sie sich ja jetzt ein tolles Anhängsel angelacht. Das passierte also, wenn man einmal jemandem helfen wollte.
Das Mädchen machte einen Knicks, was sie noch viel absurder wirken ließ.
"Lilith Vasila, die dritte in der Thronfolge von Al'Gaal. Ich bin hier, um mit euch den Schuldigen für die Zerstörung unseres Tempels zu finden."
Aurorae horchte auf. Dieses kleine, unscheinbare Ding war der Drache, auf den sie warten sollte? Ihr Blick wanderte ungläubig an ihr hinab.
"Drachen hab ich mir immer ganz anders vorgestellt."
"Mein ältester Bruder wäre mit Sicherheit eine bessere Wahl für diese Reise gewesen, aber er ist im Moment unentbehrlich. Mein anderer Bruder ist schwer erkrankt, es ist unklar, ob er durchkommt. Deswegen wurde ich geschickt.", erklärte sie. Aurorae unterdrückte ein Stöhnen. Die dritte Wahl also, ja?
"Wir werden als erstes den Markt besuchen. Wir brauchen Proviant und eine Karte. Ich würde sagen, dass wir als erstes zu den Überresten eures Tempels reisen, um Hinweise zu finden."
Und außerdem beschloss sie, auch einen Söldner anzuheuern. Denn nur mit diesem kleinen Ding an ihren Haxen würden sie allein sicher nicht lang unbeschadet bleiben.





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