Weirdly - Teil 5

Autor: blue-haze
veröffentlicht am: 27.05.2014


5. Sozialer Schutzengel

Der Frust nimmt doch kein Ende. „Verdammt, was schenkt man nur einer alten Hexe zum Geburtstag“, seufze ich. „Sieh mich nicht so an“, fauche ich, als Kenan mich entrüstet ansieht. „Für sie wäre lediglich „alt“ eine Beleidigung. Meine Urgroßmutter macht irgend einen Voodoo, Zauber Kram.“
„Ah...“ er wirkt nur zögernd überzeugt. „Da gibt es einen Laden...“
Fünf Minuten Später stehen wir in einem Esoterikladen, der voll mit Zeug ist, das Nana den Atem hätte stocken lassen. Eine junge, exzentrische Frau kommt auf Kenan zugestürmt und begrüßt ihn mit überschwänglich hoher Stimme.
„Hey, Zoey.“ Kenan bemüht sich, ihrer Umarmung zu entrinnen.
„Und wen hast du da mitgebracht? Ist die kleine deine Freundin?“
„ER mein Freund? Das ist mein sozialer Todesengel.“
„Ach, und wer war der Todesengel deiner Manieren?“ Zoey sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an.
„Meine Mutter.“ Erwidere ich knapp. Ich reiche ihr die Hand und stelle mich vor: „Akira Blade, Kenan ist mein Lifeguard.“
Der Blick der jungen Frau wird plötzlich ernst. „Der Tod scheint dir nicht fremd zu sein.“
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Nachdem der Rettungshubschrauber mich aus dem Haus meiner Mutter geholt hat, war ich bei der Ankunft im Krankenhaus bereits klinisch tot. Ich wurde reanimiert, die Schnitte vernäht und ich gehörte wieder zu den Lebenden. Außer meinem Vater wusste das niemand und ich habe es niemandem gesagt. Das seltsame war, als meine Nana mich einmal zufällig berührte, waren ihre Worte: „Der Tod hat gefallen an deiner Nähe gefunden.“
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„Ah, jetzt macht das mit dem Todesengel Sinn“, nun lächelt sie. „Das ist in deinem Alter wirklich nicht von Vorteil, einen Wachhund zu haben. Also wie kann ich euch helfen?“
„Ich suche ein Geschenk für meine Urgroßmutter.“ Mit einem Blick auf den ganzen Esoterikkram suche ich nach Worten, die nicht ganz so abwertend klingen. „Sie hat eine übernatürliche Ader...“
Während Zoey mir hochmotiviert einige ihrer schönsten Sachen zeigt, sehe ich Kenan aus den Augenwinkeln durch den Laden schlendern mit stets wachsamen Blick nach draußen.
Er scheint seinen Job sehr ernst zu nehmen.
Am Ende habe ich mich für einen Raben aus Edelstein entschieden, den ich weder schön noch vorteilhaft finde, der Nana jedoch definitiv gefallen wird. Dad ist um einige hundert Dollar erleichtert, Zoey hat einen guten Gewinn gemacht und alle sind glücklich.
Ich bin gerade zur Tür raus, als mir auffällt, dass Kenan nicht mehr da ist. Er steht an der Theke bei Zoey und scheint etwas zu bezahlen.
Ich könnte abhauen. Aber nachdem er so nett war mir den Laden zu zeigen, wäre das nahezu herzlos.
„Entschuldige. Danke, dass du gewartet hast.“
„Das erste und das letzte Mal.“
Ich mag mich irren, aber es sieht so aus, als ob er lächelt – zumindest ein bisschen.
„Soll ich das tragen?“ Er zeigt auf meine Tüte. Leicht ist der Vogel nicht, aber ich lasse meine Einkäufe nicht gerne für mich tragen. „Damit ich ärger bekomme, weil du deinen Pflichten nicht nachkommen kannst, wenn du mit meinen Einkäufen zugepackt bist? Nein danke.“
Ich glaube er findet mich anstrengend. Ich würde mich auch anstrengend finden.
Mein Frust kommt wieder in mir hoch. Also beschließe ich, Dads Kreditkarte noch ein bisschen glühen zu lassen.
Kenan folgt mir geduldig von Laden zu laden. Na ja, schließlich wird er dafür bezahlt.
Am Ende stehen wir in einem Laden, voller Kleider. Es ist nicht mein Stil, aber wenn ich den Anschluss nicht verlieren will, muss ich da wohl durch.
Ich nehme mir eins und probiere es an. Als ich aus der Kabine komme um mich vor dem Spiegel besser betrachten zu können, sehe ich Kenans skeptischen Blick darin. „Was?“
Er wendet sich ab und tut als wäre nichts.
„Was ist“, wiederhole ich.
„Es ist nur... ich verstehe nicht, warum du das machst.“
„Was?“
„Es gefällt dir nicht. Aber du wirst es kaufen.“
Noch ein Gedankenleser? Natürlich darf ich das nicht aussprechen. „Wie kommst du darauf?“
„Ich sehe doch, dass du dich darin nicht wohl fühlst.“
„Und seit wann, kennst du mich gut genug um das beurteilen zu können?“
Resigniert wendet er sich ab. „Schon gut. Aber das da hinten würde besser zu dir passen.“
Ich folge seinem Blick und – auch wenn ich es nicht zugeben will – er hat recht.
Da ich die Sachen, die ich in der Schule trage furchtbar unbequem finde, besorge ich mir im nächsten Geschäft etwas anderes und behalte die Sachen gleich an.
„Warum starrst du mich so an?“, frage ich, als Kenan mich auf der Straße noch immer von der Seite anstarrt.
„Das passt besser zu dir.“
Ich antworte nicht.
„Bist du sicher, dass ich dir nicht helfen soll?“
„Sicher.“
„Die Leute sehen mich schon so vorwurfsvoll an.“ Kenan deutet auf die großen Einkaufstüten, die ich mit mir schleppe.
„Ist das mein Problem?“
Er seufzt. „Nein.“
In der Ferne erkenne ich zwei Mädchen aus meiner Klasse und bleibe ruckartig stehen. „Abstand.“
Kenan kann mir nicht ganz folgen.
„Du – sollst – Abstand – nehmen.“ Mit dem Kopf deute ich in Richtung unserer Mitschülerinnen.
Scheinbar widerwillig folgt er meiner Anweisung und nimmt soweit Abstand, dass er mich noch gut im Auge behalten kann.
„Akira, was machst du hier?“
„Viel wichtiger: Was hast du denn da an?“ Beinahe angewidert zeigt die andere auf meine Jeans und mein Longshirt.
„Ich musste nur ein paar Besorgungen machen“, eher eine Antwort auf die erste Frage.
„Ist das ein Grund sich zu kleiden, wie ein Penner?“
Ich antworte nicht. Glücklicherweise rettet mich ein Anruf aus dieser peinlichen Situation. Als ich ran gehe, höre ich Kenans Stimme: „Tu so, als würde jemand wichtiges dich anrufen.“
Ich spiele mit. „Ah, Dad...ja, ich habe das Geschenk. Ich bin sofort da. Bis dann.“ Ich lege auf, verabschiede mich von den beiden und suche das Weite. Erst bei der U-Bahn, stößt Kenan zu mir.
Lange sagen wir nichts. Ich weiß, die Frage steht im Raum, warum ich mich so behandeln lasse und er weiß, dass es mir so unangenehm ist, dass ich nicht darüber reden werde.
Quietschend kommt die Bahn vor uns zum stehen. Wir steigen ein und setzen uns.
„Danke“ Ich sehe ihn dabei nicht einmal an, sondern starre aus dem Fenster, durch das man nichts sieht - nur unser Spiegelbild.

Dad war am Abend, als wir nach Hause gekommen sind nicht da. Es ist seltsam. Als ich am Morgen die Tür öffne, erschrecke ich kurz. Etwas klopft gegen meine Tür und ich erkenne dann, dass es eine Kette ist. Ein Engel mit wunderschönen Flügeln bildet den Anhänger. Ich nehme Die Kette vom Türgriff und lese den Zettel dazu: „Sozialer Schutzengel.“






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