In my Life - Teil 12

Autor: MarieCurie
veröffentlicht am: 19.05.2014


Es klingelt und ich gehe in Richtung Haustür, öffne sie und bitte meinen Gast erst einmal herein.
„Hi“, begrüßt Darius mich und lächelt.
„Ich wusste, dass du nicht so böse bist und mich abblitzen lässt.“, fügt er hinzu und lacht. Komischerweise macht mich diese Aussage auch nicht wütend. Ich glaube ich bin einfach müde.
Ich zucke mit den Schultern und frage dann. „Willst du irgendwas trinken? Oder was hast du überhaupt vor?“
Er kratzt sich am Kopf. „Nein, danke und ich wollte dir etwas zeigen. Kommst du mit?“ Er sieht mich etwas unsicher an.
Wohin will er denn? Es ist Montag.
Plötzlich muss ich schmunzeln. Er sieht mich fragend an und zieht eine Augenbraue nach oben.
„Kennst du die Werbung für Sicherheit im Internet? Der Kerl der sagt: Komm ich zeig dir nen richtigen Hasen? Du hast zwar nicht so einen Pedoblick und ich bin auch kein Kind mehr, aber ich musste grade daran denken..“
Er sieht mich einen Moment an, man kann sein Gehirn förmlich rattern hören, und dann lacht er. Er lacht laut aber in einem angenehmen Ton.
„Du bist doch blöd.“, meinte er nach einer Weile und nur noch ein Grinsen ist auf seinem Gesicht zu sehen.
„Nicht blöder als du, Tinkerbelle.“ Ich strecke ihm die Zunge raus, muss aber irgendwie grinsen.
„Komm.“ Er nimmt mich an meiner Hand und zieht mich dann aus dem Haus. Zum Glück habe ich noch meinen Schlüssel von der Kommode greifen können. Und ich merke, dass es mir auch plötzlich nichts ausmacht, dass er mich berührt. Komisch. Aber ich denke, ich habe einfach nur keine Lust mich heute noch mit ihm über eine simple Berührung zu streiten.

Ich steige in seinen Wagen und er fährt los. Wir sprechen die ganze fahrt nicht miteinander. Er wirft mir manchmal ein paar Blicke zu, die ich aber nicht in eine Kategorie einordnen kann. Wir fahren aus Köln raus und in ein Waldgebiet. Wo will er hin?
Nach einer Weile hält er den Wagen an und lächelt mich an.
„Komm steig aus. Wir müssen noch etwas laufen, dauert aber nicht so lange.“
Ich steige aus. Man sieht langsam schon wie die Sonne untergeht.
Darius nimmt mich wieder bei der Hand und zieht mich hinter sich her. Wir laufen eine Weile durch den Wald und kommen dann an eine kleine Lichtung mit einem kleinem See. Der Sonnenuntergang spiegelt sich leicht im Wasser und ich komme nicht drum herum diesen Anblick beruhigend zu finden.

„Kommst du öfter hier hin?“, frage ich nach einer kurzen Zeit des Bestaunens.
„Ja eigentlich ziemlich oft. Ist irgendwie mein Lieblingsplatz.“ Er zuckt mit den Schultern und zieht mich zum Steg. Er setzt sich hin und ich mich neben ihn.
„Warum verschleppst du mich hierhin?“, frage ich.
„Damit du mir mehr von deinem Leben erzählst.“ Er lächelt mich an und ich frage mich so langsam ob er auch noch anderes drauf hat außer lächeln. Ich meine schlecht macht er es ja nicht, nur ich komme mir neben diesem Sonnenschein wie ein gruftiges Kellerkind vor.
„Und womit soll ich anfangen?“ Ich habe eigentlich keine besondere Lust ihn von meinem Leben zu erzählen.
„Wieso hast du so einen Hass gegenüber der Menschheit?“

Wow, ok ich meine...ich sage immer ich hasse die Menschheit, aber nicht unbedingt mit so einem sadistischen Hass mit folge zu Mordgedanken. Hass hat so viele Gesichter. Ich hasse mich zum Beispiel. Der Hass reicht aber nicht mich selbst umzubringen. Er ist da und manchmal erwische ich mich in einsamen Zeiten, wie ich darüber nachdenke, wie gut es manchen Menschen gehen würde, wäre ich einfach niemals geboren. Das klingt so was von abgedroschen und nach typischen klein Kinder geheule, aber jeder muss einmal die Tatsachen mit kindlichen Augen betrachten.

„Ich denke, dass es angefangen hat, als ich mit 8 Jahren im Park herumgeirrt bin und eine Jungenbande von 11 Jährigen begegnet bin, die ein Kaninchen gefoltert haben. Ich bin hin und habe sie angepöbelt, sie ließen das Kaninchen los, weil sie ein neues Opfer entdeckt hatten, mich. Geendet hat es für mich im Krankenhaus. Unschöne Story.“
Er zieht eine Augenbraue hoch und sein Lächeln erlischt.
„Das waren Kinder. Wie beziehst du das auf Erwachsene?“, fragt er. Ich bin in Redelaune. Ich habe schon etwas erzählt warum dann nicht auch den Rest?
„Als ich 10 war schob mich mein Dad eine Woche zu meiner Tante Jolina ab. Sie hat meine Mutter gehasst. Als ich bei ihr ankam bekam ich eine Woche lang zu hören, wie froh sie ist, dass meine Mutter ihre Krankheit nicht überlebt hat. Das ich ihr ähnlich sehe und somit genauso hässlich wäre wie sie. Und das sie hofft, dass sie mir die Krebserreger vererbt hat und ich auch daran zu Grunde gehe, damit mein Dad wieder ein normales Leben führen kann. Mit meinen 10 Jahren hatte sie mich fast dazu gebracht, so zu denken, dass ich meinem Dad eher eine Last wäre, als eine Hilfe. Gott sei Dank hat das meine Oma Gabriele mitbekommen und mich wieder zu meinem Vater gebracht. Sie hat mich zwar da raus geholt, wollte aber nichts mit mir am Hut haben, denn ich wäre schließlich Schuld daran, dass ihr Sohn fast zerbricht. Dabei habe ich ihn 2 Jahre lang versorgt und wollte einfach nur, das er wieder mein Dad ist. Die Erinnerung an diese Menschen lassen mich heute auch noch nicht in Ruhe? Wie hinterlistig und falsch kann man sein ein Kind glauben zu lassen, es sei an so etwas Schuld? Der übrige Teil der Menschheit tut da ihren Rest.“
Hätte Darius sich nicht zusammengerissen, wäre ihm die Kinnlade fast heruntergeklappt.

„Du weißt schon, dass man als Psychodoc neutral bleiben muss und sich den Schock nicht ansehen lassen darf?“ Ich lächle schwach. Da gibt es bestimmt noch schlimmere Fälle wie mich.
„Ich versuche dich nicht zu therapieren. Ich höre dir gerade als Freund zu und finde das alles unmöglich. Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll. Darf ich dich noch etwas fragen?“
Ich nicke langsam.
„Was hat es mit deiner Aphephosmophobie auf sich?“
„Mit meiner bitte was?“, frage ich verwirrt. Ich kann das ganze Fachchinesisch der Psychologen nicht.
„Deine Angst vor Berührungen..“, erklärt er. Mh. Das weiß eigentlich keiner. Er weiß sowieso schon viel warum dann nicht auch das?
„Ach das. Mit 14 hatte mein Vater einen Klienten. Er war um die 40 und wurde wegen eines Versuchs, sich an einer Minderjährigen vergangen zu haben, angeklagt. Dieser hatte aber immer zu beteuert, dass er nichts getan hat. Das Mädchen war 17 Jahre alt und leidet unter einer psychischen Krankheit und wurde deswegen nicht für Voll genommen. Er wurde Freigesprochen und mein Dad hatte seine Termine oft nach Hause eingeladen.
Einmal...Er saß bei uns im Wohnzimmer an Dads zweiten Schreibtisch und wartete auf diesen. Ich war 14. Seine Augen fanden irgendwann mich und er starrte mit einem widerlichen Grinsen zu mir herüber. Ich kann dir sagen, richtig ekelhaft. Jedenfalls stellte er sich vor und wann immer er eine Chance sah, berührte er mich. Und er war öfters da.. Oft hat er mir an den Arsch gegrabscht und irgendwann hab ich ihm so eine gegeben, dass er es auch nicht mehr getan hat. Ich konnte meinem Dad nichts davon erzählen. Wenn raus gekommen wäre, dass er einen Schuldigen zum Freispruch verholfen hat, würde das ein schlechtes Licht auf ihn bringen, dass wollte ich auf keinen Fall.“
Bei der Erinnerung schüttelte sich mein Körper schrecklich.

Darius sieht mich einfach nur an und fragt dann. „Hast du auch schöne Erinnerungen?“
Wenn ich so darüber nachdenke, gibt es eigentlich nichts schönes an meiner Kindheit. Oder jedenfalls nichts Nennenswertes. Oder doch.
„Der Tag an dem mein Dad beschloss wieder normal zu ticken. Das war der beste Moment in meiner Kindheit.“
„Und jetzt wo du älter bist?“ Irgendwie erschreckt mich das.

Ich habe noch nie etwas erlebt, das mich irgendwie mal so richtig glücklich gemacht hat. Nichts. Ich bin ein Trauerkloß und zum ersten Mal in meinem Leben ist mir etwas peinlich.
Mir ist es peinlich unglücklich zu sein. Ich bin unglücklich – es schießt mir immer und immer wieder durch den Kopf. Mein Leben stürzt sich von einer Katastrophe in die Andere. Immer wenn ich denke mein Leben normalisiert sich wieder, wird es durch irgendetwas wieder denormalisiert. Besser gesagt anomalisiert. Ich bin mir nicht mal sicher ob es die Wörter überhaupt gibt, doch das ist mir jetzt egal. Melde ich eben ein Patent dieser Wörter an.
Mein Leben ist ein Haufen Schutt und Asche und ich stehe mitten darin.






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