In my Life - Teil 4

Autor: MarieCurie
veröffentlicht am: 03.04.2014


Hey :D Hier ist der neue Teil. Würde mich über Kritik und andere Kommentare freuen :)
LG MarieCurie


In der Cafeteria geht es eigentlich immer gleich zu. Tisch suchen, an der Essensausgabe die Leute zurückdrängen, die aussehen als hätten sie 3 Monate nichts gegessen, hinsetzen, essen und sich aus dem Gewühl an Menschen befreien. Ich hasse Menschen. Menschen sind unberechenbar und falsch. Ausnahme sind dann wohl Steve und Janine.

Nach zehn Minuten kommen wir draußen an. Und schon geht’s ab zum Rechnungswesenkurs. Im Gegensatz zu Mathe kann ich Rechnungswesen sehr gut. Ich bin sowieso besser im auswendig lernen, als im logisch nachdenken. Meine Mutter dachte genauso. Als ich noch in der Grundschule war, sagte sie mir immer wieder, dass eine gute Note in Musik und anderen Fächern, in denen man nur auswendig lernen muss, besser sind, als in allen anderen Fächern. Ich kann das jetzt eigentlich gar nicht mehr nachvollziehen, da man in fast jedem Fach logisch denken muss. Ich glaube, dass sie das auch nur gesagt hat, damit ich mich nicht selbst für eine Niete halte. Danke Mam.

In dieser und auch in den nächsten beiden Stunden ereignet sich nicht viel und schon sitze ich wieder im Bus. Der Bus ist voll und ich bin froh noch einen Sitzplatz bekommen zu haben. Ich stöpsel mir wieder die Kopfhörer in die Ohren und bin in meiner Welt der Musik.

Eigentlich habe ich gar keinen Bock nach Hause zu kommen. Seit meine Mam tot ist, hat sich mein Dad verändert. Er war mal richtig lustig, aber auch streng, die perfekte Mischung. Jetzt ist er nachlässig in Sachen Erziehung und er hat auch schon lang nichts mehr gesagt, was mich in irgendeiner Weise zum lachen gebracht hätte. Ihn hat das vor 11 Jahren sehr getroffen. Und mich hat es einfach mal kalt gelassen.
Ich als 10 Jähriges Mädchen hatte die Aufgabe meinen Dad wieder ins Leben zurück zu holen. Er war 2 Jahre wie weg. Ich sagte damals zu ihm, dass es nicht schlimm sei und er bitte aufhören sollte traurig zu sein. Darauf nahm er mich bei den Schultern, schüttelte mich durch und schrie mich mit Tränen in den Augen an. „WIE KANN DICH DAS SO KALT LASSEN. DEINE MUTTER IST TOT.“ Er hat richtig laut in mein Ohr gebrüllt. Das ich keinen Hörsturz hatte, grenzt an ein Wunder. Man konnte den Schmerz darin richtig spüren.
Ich sah ihn nur an und sagte, dass ich das ganze realistisch sehe, das sie nie mehr zurück kommt und sie nicht will, dass wir zu viel trauern und unser Leben damit zerstören.
In anbetracht der Tatsache, dass ich erst 10 Jahre alt war, frage ich mich heute noch wie ich solche Sätze aus dieser Situation heraus erst einmal bilden konnte.
Auf meine Antwort bekam ich eine fette Ohrfeige. Selbst da hatte ich nicht geweint. Ich hab ihn nur angesehen „Das hätte Mama genauso wenig gewollt..“
Daraufhin hat mein Dad eine Therapie begonnen, die übrigens immer noch bis heute anhält. Er hat sich sooft entschuldigt. Aber insgeheim habe ich ihm nie verziehen. Das er mich geschlagen hat, habe ich ihm verziehen. Aber das er mich 2 Jahre lang fast verhungern lassen hat, ich alles alleine regeln musste und meiner Lehrerin erklären musste, wieso ich denn im Unterricht schlafe, weil ich von morgens bis abends nur am kochen, Hausarbeiten erledigen und Hausaufgaben machen war. Ich hatte nur Janine zu dieser Zeit und diese musste ich vernachlässigen, weil ich zu Hause meinen Dad sitzen hatte, der ohne mich nicht klar kam. Irgendwann riefen Krankenkassen, Polizei und noch andere Bundesbehörden an. Was soll ein kleines Mädchen denen erzählen? `Mein Dad hat psychische Schäden erlitten - er kümmert sich nicht, aber mir geht es gut. Melden Sie sich bitte in 1-2 jahren, dann ist das vielleicht vorbei, vielleicht auch nicht.`
Zum Glück hat er sich aber dann doch gefangen. Er arbeitet wieder.

Die elektrische Stimme ertönt und verkündet die nächste Haltestelle. Ich drücke den Knopf und steige aus. Janine und Steve hatten sich für eine AG eingetragen, damit sie sich wenigstens noch 2 Stunden mehr sehen. Janine's Eltern hassen Steve. Sie sehen sich somit oft nur in der Schule oder wenn Janines Eltern mal wieder im Urlaub sind.
Ich selbst hatte solche Probleme noch nicht. Klar hatte ich schon eine Beziehung. Tommy Klein. 10. Klasse. Wir waren ein ¾ Jahr zusammen. Dann hat er sich in Diane verliebt. Genauso eine Barbie wie Lorena. War mir aber egal. Gefühle sind eh nicht mein Ding.

Ich betrete unser Haus. Wie immer ist es still. „Dad?“
Ich betrete die Küche. Ein blick auf die Uhr sagt mir das es 15:00 Uhr ist. Dad müsste gleich hier sein, also fange ich an zu Kochen. Ja kochen kann ich. Es macht mir sogar Spaß.
Ich öffne den Kühlschrank. Dort hängt ein Bild. Von meiner Mam und meinem Dad. Meine Mutter war auf dem Bild schwanger mit mir. Sie hatte ihre Haare immer knallrot gefärbt.
Als ich 14 Jahre alt war, wollte ich sie auch knallrot färben. Mein Vater ist fast ins Leid gefallen, weil ich haargenau aussah wie meine Mam, nur halt in Jung. Ich habe leider nicht bedacht, dass das meinem Dad vielleicht nicht gerade geholfen hatte, aber er hatte mir damals versichert, dass es Ok sei. Also habe ich auch heute noch knallrote Haare.

„Bin zu Hause“ Das ist Dad. Ich antworte ihm und decke nebenbei den Tisch. Er verschwindet aber direkt nach oben in sein Arbeitszimmer. Seit er wieder „normal“ ist, arbeitet er seinen Kummer weg. Ich kann das einfach nicht mit ansehen. Ich entschließe mich nach Oben zu gehen. Und wenn er keinen Bock hat, dann zieh ich ihn halt an den Ohren in die Küche. Ich klopfe an. „Dad? Kann ich reinkommen?“
„Klar komm rein.“ Ich atme kurz durch und bereite mich seelisch auf die folgende Worte vor.
„Dad komm essen. Ich hab dein Lieblingsessen gemacht. Ich spiele nicht gern den Moralapostel, das weißt du, nur du musst essen. Du hast mich damals solange nicht vom Tisch gelassen, bis ich alles aufgegessen hab. Weißt du das noch?“ Hoffnungsvoll schaue ich ihn an.
„Jetzt nicht, ich hab noch Arbeit.“
Ich werde wütend.
„Jetzt nicht, ist klar. Weißt du ich hab so gehofft, dass ich dir das niemals so sagen muss, aber weißt du was du bist? Du bist ein verdammter Feigling, Dad. Du versteckst dich hinter irgendwelcher Arbeit, die wahrscheinlich nicht mal wirklich existiert. Du hast deine Frau verloren, schön und gut, aber weißt du was? Ich habe meine Mutter verloren und ich merke, dass ich meinen Dad damals auch verloren habe. Ich habe ihn ab dem Moment verloren, als er sich das erste Mal in seinem Zimmer verbarrikadiert hat, nicht als er mich geschlagen hat. Und wenn du nicht langsam das Ganze in den Griff bekommst, verlierst du deine Tochter auch.“

Mit diesen Worten verschwinde ich. Ich ziehe meine Schuhe an und laufe 10 Häuser weiter zu Steve. Ich klingele Sturm und Steves Mutter öffnet mir seufzend die Tür. „Dein Dad schon wieder, mh?“ ich nicke nur. Ja Steves Mutter weiß was bei mir zu hause abgeht.
Ich laufe direkt hoch und bleibe vor seinem Zimmer stehen. Laute Musik dröhnt durch die ganze Etage. Ohne anzuklopfen trete ich ein.

Ok, da ist kein Steve, nur ein schwarzhaariger Typ, der an Steves PC herumbastelt. Ich gehe zu der Musikanlage, an der ein Iphone angeschlossen ist, und drehe den Pegel fast ganz runter. Der Schwarzhaarige dreht sich verwundert zu mir um. „Und wer bist du?“
„Wo ist Steve?“ Sichtlich verwirrt zeigt der Schwarzhaarige auf die Tür, die zum Badezimmer führt. Steves Eltern sind Amerikaner und wollten, als sie nach Deutschland kamen, genauso ein Haus wie in Amerika. Die Amerikaner haben doch alle ein eigenes Badezimmer. Fand ich schon immer recht geil.

Ich nicke dem Schwarzhaarigen zu und stürme ins Badezimmer. Dort steht Steve komplett unbekleidet und guckt mich an als hätte ich ihn bei Gott weiß was erwischt. Man sieht ihm an, dass es ihm peinlicher ist als mir. Ich drehe mich unbeeindruckt um und erzähle ihm das eben Vorgefallene. Nachdem ich meinen ausführlichen Bericht abschließe, höre ich Steve langsam und laut ein und ausatmen.
„Du hast deinem Dad so etwas an den Kopf geschmissen und bist dann abgehauen?“
Ich seufze. „Steve, auf welcher Seite stehst du?“
„Bei so einem Thema gibt es keine Seiten...Nur ein einsamer Witwer, der seine Frau über alles geliebt hat und eine genervte und überforderte Tochter, die sich ebenfalls allein fühlt. Rede nochmal mit ihm.“ Ich lasse den Kopf demonstrativ fallen, was quatsch ist, da er mich ja nur von hinten sieht, aber egal.
„Stevie, immer wenn du deine Psychodoc Sprüche raus haust, keimt fast etwas wie ein schlechtes Gewissen in mir auf. Solche Gespräche sind für kleine liebeskranke Arschkriescher.“
„ Wir arbeiten seit Jahren daran das Eis in dir endlich zu tauen, Luce.“ Ich drehe mich um, da er sich angezogen hat. Er zwinkert mir nur zu und geht mit mir zurück in sein Zimmer.

Ach ja, der Schwarzhaarige. „Wer ist das Schwarzköppchen überhaupt?“
Schwarzköpfchen dreht sich um und verzieht keine Miene. „Darius, sehr angenehm.“ und hält mir die Hand hin.
„Äh ja, ich steh nicht so auf Körperkontakt von Fremden.“ Tatsächlich verspüre ich eine tiefe Abneigung gegenüber dem Händeschütteln mit Fremden. Fragt mich nicht wieso. Ist irgendeine Macke, die ich in der frühen Pupertät entwickelt habe.

Ich sehe im Augenwinkel wie Steve mit dem Daumen seiner rechten Hand auf mich zeigt, mit dem anderen Daumen eine imaginäre Linie von rechts nach links an seinem Hals zeichnet, als wolle er symbolisieren, dass ich der Tod bin oder einfach und schlichtweg kein guter Sozialkontakt. Geile Freunde. Innerlich stehe ich vor mir und halte grinsend einen Daumen hoch. Ich sollte das ganze Freundschaftsgetue vielleicht doch nochmal überdenken.

Ich drehe mich zu Steve um, er stoppt abrupt seine Bewegung und fängt an zu lachen. Finde ich jetzt gar nicht witzig. Und um einfach nur zu beweisen, dass ich gar nicht schlimm bin, springe ich über meinen Schatten und halte Darius dann doch die Hand hin. „Lucy, ebenfalls sehr angenehm.“ Er nimmt sie mit fragendem Gesichtsausdruck an, aber das ist mir so was von egal.
Ich lasse seine Hand los, strecke meinem besten Freund die Zunge raus und lasse den sichtlich verwirrten Steve und Darius allein.

Steve hat vielleicht recht und ich muss nochmal in Ruhe mit Dad reden. Mit diesem Entschluss betrete ich den Flur unseres Hauses.






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