Erinnerungen am Wasserfall - Teil 4

Autor: dreamy
veröffentlicht am: 14.04.2014


Nachdem alle Tätigkeiten erledigt waren, schnappte ich mir das Telefon und ging in mein Zimmer. Dort wählte ich Elviras Nummer.
„Hallo?“
„Hey du. Na, was hast du heute so gemacht?“
„Hey Sel. Nichts Besonderes. Meine Oma kam dann noch zum essen und ich bekam ein Buch geschenkt. Aber erzähl du lieber mal, wie es bei DIR gelaufen ist.“
Ich konnte ihre Neugier schon spüren.
„War auch nicht so spektakulär. Wir aßen zusammen, ich ging mit Tine noch spazieren und mein Vater hat angerufen.“
Kurz war es still zwischen uns.
„Schön…und was ist mit Timo?“
Das war so klar.
„Ich weiß nicht, was du dir vorstellst. Wir haben nur kurz miteinander geredet und das war auch voll komisch.“
„Komisch? Wieso?“
Kurz zögerte ich, ob ich ihr das alles erzählen sollte, aber es waren eigentlich nur Belanglosigkeiten.
„Naja, er wollte wissen, wie es mir geht und so was. Irgendwas an seiner Art, gab mir das Gefühl er fand das witzig, dass ich so verwirrt war.“
„Warum warst du auch verwirrt? Ist ja nicht schlimmes, wenn man jemanden fragt, wie’s ihm geht.“
Irgendwie fühlte ich mich ertappt. Hab ich wirklich zuviel hineininterpretiert?
„Ich weiß nicht… Es war halt so neu, ihn wiederzusehen. Du kennst mich ja, ich und meine Schüchternheit.“
Jetzt lachte sie. Schüchtern war ich eigentlich nur in der Kindheit, wenn fremde Menschen mich ansprachen.
„Ist ja jetzt auch egal. Übrigens haben sie mich morgen zum Grillen eingeladen.“
„Jetzt echt? Schon im neuem Haus?“
„Ja.“
„Dann viel Spaß und vergiss nicht mich danach wieder anzurufen.“
Dass sie auch alles immer haarklein wissen muss.
„Mach ich, bis dann.“
„Tschau.“
Ich legte auf und legte das Telefon zur Seite. Dann setzte ich mich aufs Bett und fuhr den Laptop hoch.
Bis spät in den Abend war ich am chatten. Als ich so langsam müde wurde, machte ich den Laptop wieder aus und ging runter ins Wohnzimmer. Dort traf ich auf meine Mutter, die auf der Couch saß und einen Film schaute. Ich gesellte mich zu ihr und schaute mit. Irgendwann musste ich aber eingeschlafen sein. Als ich wieder aufwachte, war es schon stockduster. Ich bemerkte, dass ich in einer Decke eingekuschelt war. Das musste meine Mutter gewesen sein. Wahrscheinlich schlief sie schon. Total müde, stand ich auf und wollte gerade ins Bett gehen, als ich zur Terrasse hinausschaute. Bis auf ein paar Beleuchtungen im Garten war es dunkel. Ich entschied mich dann noch mit der Decke ein wenig rauszugehen. So gut es ging, machte ich es mir auf einem Liegestuhl bequem. Dann beobachtete ich die Sterne. Es war eine wunderschöne klare Nacht. Nach einer Weile fing ich an nachzudenken. Das Thema Kindheit beschäftigte mich seit längerer Zeit und es kamen immer mehr Erinnerungen hoch. Irgendwann muss man sich für einen Beruf entscheiden und sehen, was man machen will. Dennoch war es mir immer sehr wichtig, sein inneres Kind nicht zu vergessen. Mir geht auch heute noch das Herz auf, wenn ich Kinder spielen sehe. Ein Weile träumte ich so vor mich hin und bemerkte dann eine Gestalt vor meinen Füßen. Nach einigen Sekunden des Schreckens wurde mir bewusst, dass es mein Kater Felix war. Ich nahm ihn hoch und kraulte ihn. Sein Schnurren machte mich nur noch müder, also beschloss ich wieder reinzugehen. Im Haus setzte ich Felix ab, trottete die Stufen in mein Zimmer hoch und legte mich ins Bett.
Am nächsten Morgen weckte mich die Sonne vor meinem Fenster. Ich musste ziemlich lange geschlafen haben. Kein Wunder, wenn man so spät schlafen geht. Ich reckte mich und stand dann langsam auf. Unten sah ich dann, dass meine Mutter das Frühstück gerichtet hatte, aber von ihr war keine Spur. Stattdessen lag ein Zettel auf dem Tisch. Ich nahm ihn hoch und las ihn.
„Guten Morgen Schätzchen! Du schläfst aber ziemlich lange. Pfannkuchen sind zum Warmbleiben in der großen Vesperdose. Bin schon auf der Arbeit. Guten Appetit, Mama!“
Ich musste lächeln. Wie süß sie doch war. Ich legte den Zettel beiseite und schnappte mir einen Pfannkuchen aus der Dose, setzte mich hin und frühstückte. Dabei schaute ich auf die Uhr. Es war mittlerweile halb zwölf und das Grillen bei unseren alten Nachbarn stand ja noch an. Nachdem ich fertig war, räumte ich ab, ging ich mein Zimmer und zog mich erstmal um. Da ich noch Zeit hatte, ging ich in den Garten und bewässerte den Rasen. Es war ziemlich heiß und ich beschloss nacher eine Mütze anzuziehen. Wieder im Haus machte ich mich noch in meinem Zimmer fertig, nahm meine Sachen und ging dann nach draußen. Die Mütze war eine gute Idee, denn ich spürte die Wärme der Sonne an meiner Kopfhaut. Trotzdem war es ein schöner Tag und weil ich mir noch Zeit lassen konnte, nahm ich einen Umweg durch den Park. Dort waren schon viele Menschen, die Federball spielten, picknickten oder andere Sachen taten. Ich bekam sofort gute Laune und dachte an den kommenden Urlaub mit Elvira. Zwar hatte ich keinen Plan, was ich in der Überbrückungsphase zwischen den Prüfungen und den Sommerferien tun sollte, aber meiner besten Freundin und mir würde da schon noch etwas einfallen. Dann kam ich endlich an der Bushaltestelle an. Das Örtchen, in das Tine und co. hinzogen liegt etwa 10 Minuten von hier entfernt. Als der Bus kam und ich einstieg ging ich noch mal die Wegbeschreibung von Tine zu ihrem Haus durch. An der vorletzten Haltestelle im besagten Örtchen stieg ich aus. Von da an konnte man das Haus leicht finden. Es lag am Ende der Straße. Der Garten war umzäunt und man konnte schon von außen sehen, das er wesentlich größer als unser war. Da ich keine Klingel sehen konnte, machte ich das Tor auf und ging in Richtung Haus. Grillgeruch stieg mir schon entgegen und ich verwarf meinen Plan an der Haustüre zu klingeln. Stattdessen ging ich ums Haus herum und erblickte alle im hinteren Teil des Gartens. Es standen viele Bäume dort und alles wirkte sehr naturbelassen. Der Grillplatz stand nahe der Terrasse an einem sonnigen Plätzchen. Tine erblickte mich sofort und kam gleich zu mir.
„Hey, da bist du ja. Wie geht’s dir denn?“
Sie umarmte mich freundschaftlich und wir plauderten ein wenig. Dann bat sie mich eine Salatschüssel aus der Küche zu holen. Ich stellte sie draußen auf einem Tisch wurde auch von Klaus gegrüßt, der eben noch mit einem anderen Mann redete. Wahrscheinlich ein Nachbar. Timo, der seinem Vater am Grill half, sagte nur kurz `hey` und widmete sich gleich wieder seiner Arbeit. Da ich in dem Moment nichts mehr zu tun hatte, setzte ich mich neben Tine auf einem Liegestuhl und sonnte mich. Ich bemerkte sofort diese Ruhe, vom Vogelgezwitscher mal abgesehen. Ich konnte verstehen, warum man in so einen kleinen Ort zog. Man kannte sich, hatte seine Ruhe und alles war von Natur umgeben. Nach einer Weile erkundigte sich Tine nach dem Essen. Es waren allerlei Köstlichkeiten auf dem Grill. Klaus antwortete ihr, dass es noch eine Weile dauern würde und ich mir währenddessen das Haus anschauen könnte. Tine fand, dass das eine gute Idee war und rief gleich Timo zu sich her.
„Führ doch Selina ein Weilchen rum, wir rufen euch dann, wenn das Essen fertig ist.“
Er sah von seiner Mutter zu mir hin und machte eine Kopfbewegung nach hinten, was hieß, ich sollte ihm folgen. Seine Hände waren wieder in seinen Hosentaschen vergraben. Eine legte er wieder frei, als er mir die Terrassentür aufhielt. Von der Terrasse kam man gleich ins Wohnzimmer. Es standen viele Kartons herum, aber mir fiel vor allem der große Kamin auf. Der Boden war mit mitteldunklem Holz ausgelegt und es sah jetzt schon ziemlich gemütlich aus. Man konnte sich vorstellen, wie das aussehen würde, wenn’s möbliert wäre. An einem Ende des Zimmers lag die halboffene Küche, dessen Tresen Richtung Wohnzimmer stand. Dann ging es in den Flur. Dort drehte sich Timo zu mir um.
„Ich schätze das kleine Gästeklo willst du nicht unbedingt sehen, oder?“
Er grinste und ich schüttelte den Kopf.
„Dann geht’s jetzt nach oben.“
Wir gingen die Holztreppe hoch und oben angekommen kam uns gleich ein Hund entgegen. Er strahlte förmlich uns zu sehen und sprang fröhlich um uns herum. Ich hockte mich hin und streichelte ihn.
„Das ist Shacky. Du hättest ihn auch schon draußen kennenlernen können, aber ihm schien es zu warm geworden.“
Ich war total fasziniert von ihm und fuhr mit meiner Hand noch ein paar Mal in sein braunes, weiches Fell herum. Dann stand ich auf und folgte wieder Timo. Nachdem er mir auch das großzügige Bad und das leere Schlafzimmer seiner Eltern gezeigt hatte ging es in sein Zimmer. Es stand schon voller Kartons und einige Sachen waren schon ausgepackt. Ich lief ein wenig herum und sah mir alles an. Dabei bemerkte ich nicht, dass Timo am Türrahmen stand und mich beobachtete. Als ich ein Foto mit einer Fußballmannschaft erblickte, blieb ich dort stehen und betrachtete es genauer. Es war aber keine Mannschaft in Timo’s Alter, sondern lauter jüngere.
„Da siehst du mal, Sally. Nicht nur du hängst an den alten Zeiten.“
Ich drehte mich erschrocken um und sah ihn an. Was hatte er da eben gesagt?
„Sally? Ist das dein ernst?“
Jetzt lachte er. Und ich kam mir wieder so verwirrt vor.
„Weißt du nicht mehr? So haben dich früher alle genannt.“
„Ja früher, aber jetzt nicht mehr. Das ist doch voll der Kindername.“
Er kam ein paar Schritte auf mich zu.
„Also ich finde ihn süß.“
Ich versuchte seinem Blick standzuhalten, merkte aber wie rot ich wurde. Bevor ich etwas sagen konnte, deutete er mit seinem Kopf auf etwas hinter mir.
„Das ist mein altes Team. Als wir das erste Mal wegzogen, konnte ich da natürlich nicht mehr spielen. Hab hier jetzt aber ein neues Team gefunden.“
Ich nickte, immer noch nicht in der Lage etwas zu sagen. Das war in dem Moment auch nicht mehr nötig, da Tine nun hereinkam und verkündete, dass das Essen nun fertig sei. Wir gingen alle wieder nach unten, gefolgt von Shacky und nahmen am Tisch im Garten Platz.






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