No way out - Es gibt kein zurück - Teil 7

Autor: Anny
veröffentlicht am: 03.04.2014


„Und sonst noch jemanden getroffen?“, fragte Mira und hakte sich bei mir ein. Ich wusste immer noch nicht, ob ich ihr von Troy erzählen sollte oder nicht, aber ich meine, was ist schon dabei? Wir sind ja gerade dabei uns kennenzulernen und da gehört die Vergangenheit jawohl dazu. Aber ihr von meiner Vergangenheit erzählen? Ich schämte mich richtig dafür und wollte dass alles hinter mir lassen, es gab keinen Grund davon zu erzählen. „Nö, niemanden.“, lachte ich sie scheinheilig an. Warum fragte sie eigentlich so, hat sie uns gesehen? Oh Gott, wie paranoid ich klinge. Als ob ich eine Affäre mit ihm hätte. So ein Theater, echt Laurie. Ich schüttelte mit dem Kopf und wir fuhren wieder zum Campus zurück. Ich freute mich schon sehr auf die Willkommensparty, wer weiß vielleicht läuft mir ja auch noch der ein oder andere süße Typ über den Weg. „Oh man!“, schrie es auf einmal aus dem Badezimmer. „Was ist denn?“, rief ich etwas besorgt zurück. „Ich hab eine Augenbraue zu dünn gezupft…“, jammerte Mira. „Ach komm, so schlimm kann es nicht sein.“, gab ich zurück und ging zu ihr. Ich dachte ich sehe es nicht, ihre eine Augenbraue war förmlich nicht mehr vorhanden und zu dünn gezupft war deutlich untertrieben. Ich musste mir mein Lachen verkneifen und sagte einfach nur: „Geht doch noch?“. Dies klang allerdings mehr nach einer Frage. „Echt meinst du? Dann bin ich ja beruhigt.“, antwortete Mira. „Naja obwohl…“, begann ich. „Ein Augenbrauenstift kann vielleicht nicht schaden?“, lachte ich nun doch. Mira schlug mich lachend vor die Schulter und ich versuchte ihre „Augenbraue“ zu retten. Im Endeffekt sah es gar nicht mal so übel aus und außerdem ist es am Lagerfeuer eh nicht so extrem hell, dass jemand auf ihre Augenbrauen achten würde. „Oh man, jetzt brauch ich erst einmal einen Schnaps.“, keuchte Mira und ging zu unserem Minikühlschrank. Das war ganz nach meinem Geschmack. Zum Feiern gehört Alkohol einfach dazu, man sollte es eben nur nicht übertreiben, aber heute ist Willkommensfeier und das reale Leben setzt für heute aus. Dachte ich mir zumindest. Mira und ich köpften die erste Flasche Tequila und machten uns nebenbei fertig. Der ein oder andere Lidstrich war vielleicht nicht ganz so gerade, wie er hätte sein können, aber scharf sahen wir trotzdem aus. Meine Haare waren gelockt und ich trug das von Troy ausgesuchte Kleid. Ein wenig nervte es mich ja, dass er bei seinem guten Aussehen auch noch so einen guten Geschmack bewies. Obwohl das eigentlich nicht verwunderlich ist. Ein wenig freute ich mich auch auf ihn, aber im Endeffekt bin ich eh nur eine von vielen. Mira hat mir erzählt, was für ein Weiberheld er ist. Warum ich überhaupt Kontakt mit ihm hatte, ich wunderte mich über mich selbst. Ich beschloss mich auf Mira und die anderen zu konzentrieren und ihm die kalte Schulter zu zeigen. So einer fehlte mir noch in meinem Leben. „Sag mal sind High Heels nicht ein wenig unpraktisch am Strand?“, meinte Mira zu mir und riss mich so aus meinen Gedanken. „Sind High Heels überhaupt irgendwann praktisch?“, zwinkerte ich ihr zu und schlüpfte in meine Schwarzen Pumps. „Stimmt auch wieder.“, lachte sie und schloss die Tür hinter sich. „Kommt Felix auch?“, grinste ich sie an, während wir zum Strand liefen. „Ich hoffe schon.“, lächelte sie schüchtern und holte einen Flasche Sekt aus ihrer Tasche. „Für den Weg.“, lachte sie entschuldigend. Ich lachte mit ihr und nahm mir die Flasche. „Was soll der Geiz!“, lachte Mira und ich konnte mich kaum noch halten. Am Strand angekommen sahen wir schon eine Masse an Jugendlichen. Zur Bar mussten wir ja nicht mehr, also stürmten wir gleich ins Tanzgetümmel. Ich vergaß die Welt um mich und tanzte einfach nur wild und ausgelassen. Nichts mehr zu spüren von meinem goldenen Käfig. Ich fühlte mich frei, was Großteils wahrscheinlich am Alkohol lag, aber das spielte keine Rolle. Ich sah auch den einen oder anderen süßen Typen, aber bei einem Gespräch langweilten sie mich relativ schnell und ich zog weiter. Nach einer Weile verlor ich Mira, aber sie war bestimmt bei Felix oder so. Ich beschloss zur Bar zu gehen und mir einen Tequila Sunrise zu genehmigen. Der Barkeeper grinste mich süß an, war aber sichtlich zu alt für mich. „Einen Tequila Sunrise, bitte.“, sagte ich zuckersüß, vielleicht könnte man ja einen kleinen Rabatt herausschlagen. Und wie ich es mir dachte, ich bezahlte nur die Hälfte. Mit meinem Tequila blieb ich neben der Bar stehen und beobachtete die Menge. Da entdeckte ich auch Mira und Felix, die mich zu sich winkten, aber ich wollte die beiden allein lassen. Da waren sie bestimmt auch nicht böse drum. „Na, find ich dich schon wieder allein?“, hörte ich es neben mir. Ich drehte mich um und wer stand neben mir? Troy! „Allein sein heißt nicht einsam sein.“, entgegnete ich gelassen. „Meinte ich auch nicht so.“, grinste er. „Wie dann?“, ich verstand nicht recht. „Naja, ich werde wohl annehmen dürfen, dass jemand so schönes wie du, einen Freund hat.“, grinste er. Tzz. Warum muss man denn immer einen Freund haben? Kann ein Mädchen nicht unabhängig sein und nicht ständig auf Männerfang sein? „Da liegst du wohl falsch.“, sagte ich relativ kühl. „Dann würdest du einen Tanz nicht ausschlagen?“, sagte er frech und reichte mir seine Hand. „Leider habe ich noch etwas zu trinken.“, sagte ich ironisch. Er nahm mir mein Glas aus der Hand und trank es auf Ex leer, bevor er es an der Bar abstellte. Ich sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an und verschränkte die Arme. „Und jetzt?“, lachte er. „Nachdem du mir meinen Cocktail weggetrunken hast? Sicherlich.“, meinte ich leicht genervt. Er ignorierte den zynischen Unterton und zog mich mit auf die Tanzfläche. Dort hielt er mich auch sofort in seinen muskulösen Armen, ich hatte keine Chance zu entkommen, selbst wenn ich wollte. Aber wollte ich überhaupt? Mich durchzog ein warmes und schönes Gefühl, das gleiche, welches ich fühlte als er meinen Rücken hinunterstrich vorhin im Einkaufszentrum. Laurie, reiß dich zusammen, sagte ich zu mir selbst. Ich war völlig in Gedanken, als ich hinter Troy plötzlich den Typen aus dem Krankenwagen sah. Ich blieb wie angewurzelte stehen und Troy ließ mich los. Er stand einfach nur da, dieser Junge. Ich schob Troy zur Seite und lief auf ihn zu. Dann packte mich eine Hand von hinten und schüttelte mich wach. „Hey, alles klar?“, sahen mich Troys besorgte Augen an. „Mhm, was…“, murmelte ich nur. „Was ist denn los, du bist ja völlig benommen.“, stellte er fest und er klang immer noch besorgt. Er zog mich von der Tanzfläche und ich wendete meinen Blick noch einmal nach hinten. Niemand. Weg war er. Wo war er hin? Wer war er? War er wirklich da? Ich stellte mir Fragen über Fragen. Auch bemerkte ich gar nicht, wie weit Troy und ich uns von den anderen entfernten. Wir setzten uns ins Gras auf einen Hügel von dem man den Strand und die Party überschauen konnte. „Was ist los, Laurie?“, fragte er nun eindringlicher und hielt mich immer noch an den Händen. Ich wusste gar nicht so recht, was ich ihm antworten soll. Ich meine soll ich sagen, hey ich hatte einen Unfall, bin fast gestorben und seitdem sehe ich einen Jungen, der nicht existiert? Das würde mich zu einer Verrückten machen und das gleich am ersten Tag. „Ach ich dachte, ich hätte meinen Exfreund gesehen.“, lachte ich gespielt und log ihm mitten ins Gesicht. „Und du hängst noch sehr an ihm, stimmts?“, stellte er mehr fest, als dass er fragte. Was sollte ich sagen? Ich hatte ja weder meinen Ex gesehen noch hänge ich an ihn. „Ne Quatsch, es hätte mich nur gewundert, wenn er hier wäre, weil er nicht hier in der Nähe wohnt.“, versuchte ich meine Lüge aufrecht zu erhalten. „Na da bin ich aber froh.“, grinste er wieder so frech. Ich boxte ihm leicht gegen die Brust. „Deine Ex ist ja förmlich jede zweite hier.“, scherzte ich. „Achja, denkst du?“, grinste er und legte seine Hände auf seine Knie ab. Er wirkte nachdenklich und auch leicht verletzte, was ich nicht erwartet hätte. „Hab ich zumindest gehört.“, sagte ich und sah in den Sternenhimmel. „Warum bist du dann hier, wenn du denkst ich bin nur ein Frauenheld und will nur jede in die Kiste?“, fragte er ernst und sah mir direkt in die Augen. Seine grauen Augen blitzten und ich war wie gefesselt. „Jeder Mensch hat diese eine Person, für die er alles ändern würde, sein altes Ich hinter sich lässt, neu beginnt, einfach ein vollkommenerer Mensch wird.“, flüsterte ich beinahe. „Ich bin vorsichtig ja, aber ich möchte jeden Menschen selbst beurteilen.“, fügte ich hinzu. Unsere Gesichter waren so nah beieinander, dass ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren konnte. „Und du meinst, du könntest dieser Mensch für mich sein?“, grinste er leicht aber ich spürte seine Unsicherheit. „Habe ich nicht gesagt, wollte ich auch nicht. Ich wollte damit nur sagen, dass du mit der richtigen Person nicht so ein Arsch wärst.“, lächelte ich ihn schief an. Er sah mir abwechselnd in die Augen und auf die Lippen, ich wusste er wollte mich küssen. Da durchzog mich ein mulmiges Gefühl und ich bekam Panik. Einfach weg, dachte ich mir. Ich wollte gerade aufstehen und gehen als er mich am Handgelenk zurück hielt. „Wer war dieser Mensch für dich?“, fragte er ernst. „Ich war es selbst.“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Ich sah seine Verwirrung, aber er formulierte keine Frage. Danach ließ er mich gehen, aber ich spürte seine Blicke auf meinem Rücken. Was für ein merkwürdiges Gespräch, dachte ich mir, als ich zurück zu den anderen lief. Er kam mir nicht mehr so stark, unnahbar und berechnend vor, sondern ließ Schwäche zu, war ernst und gleichzeitig wirkte er traurig. Langsam interessierte es mich wirklich, was hinter dieser Fassade steckt, was er zu verbergen hat. Warum ist er so, wie er ist und kann nicht einfach ehrlich sein und Schwäche zeigen? Anderseits bin ich genauso, alles nur keine Schwäche zeigen. Zeigte ich nie, werde ich auch nie. Auch wenn ich mich geändert habe und nicht mehr diese falsche, oberflächliche, hinterhältige und nur auf ihren Vorteil bedachte Person war, sind die anderen Menschen Schauspieler. Ist jeder, wird auch jeder bleiben. Ich hatte absolut keine Lust mehr zu feiern und ärgerte mich selbst, dass ich ständig so nachdenklich bin und mir so der ein oder andere Spaß entgeht. Langsam lief ich weiter runter zum Strand, immer auf das Meer zu, immer geradeaus. Meine Schuhe zog ich aus und mittlerweile berührten meine Füße schon das Wasser. Ich fühlte mich so unendlich frei, wie das Meer es war. Unergründlich und so wunderschön, wie es glitzerte. Genau so plötzlich wie das Gefühl der Wärme und Freiheit kam, verschwand es wieder. Es hinterließ Leere und Zerrissenheit. Mein Hals schnürte sich zu und ich ring nach Luft, es war als würde ich ersticken. Die Schuhe fielen mir aus der Hand und meine Knie wurden schwach. Ich sank zu Boden und vor mir liefen Bilder des Unfalls ab. Wie ich immer tiefer nach unten sank und das Leben langsam aus mir strömte. Das letzte was ich sah war ein verschwommenes Gesicht und dann wurde alles um mich herum schwarz, kalt und nass. Es war als würde ich noch immer in diesem See sein und ertrinken. Immer und immer wieder.




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