Voiceless - Teil 13

Autor: emeliemia
veröffentlicht am: 10.07.2014


Uuuund der nächste Teil! :) Vielen Dank für eure lieben Kommentare, das ist perfekte Motivation!
Ich fahre für einen Monat in den Urlaub, also weiß ich nicht, ob ich es schaffe etwas hochzuladen, aber ich werde mir Mühe geben.
So, genug gequatscht,viel Spaß beim Lesen! ;)


Er sieht mich an und ich nehme einen flehenden Ausdruck in seinen Augen wahr. Diese schönen, grünen Augen, deren Strahlen einen ganzen Raum erhellen kann.
Der Sam-süchtige Teil meines Ichs nimmt urplötzlich die Kontrolle über meinen Körper. Es knackt erneut, als ich langsam nicke. Ich kann nichts dagegen unternehmen.
»In Ordnung.«, sagt er sichtlich erleichtert. Jetzt ist er wieder der alte Sam. Mein Sam.
Es entsteht eine lang andauernde Stille. Ich blicke auf den See und beobachte ein paar Enten, die leise schnatternd nach Nahrung suchen.
Die Sonne steht schon ziemlich tief am Himmel. Es wird bald Abend, eine Strände am See sind bereits im Schatten. Sam streckt seine Füße in den Sand aus.
»Ich schlage vor, wir fahren wieder nach Hause. Da ist die Chance auf Ruby zu treffen wesentlich geringer als hier oder auf den Straßen.«
Sam erhebt sich, legt seine Arme um meine Taille und zieht mich hoch. Von seiner Haut geht ein leichter Schweißgeruch aus, der meine Knie weich werden lässt, sodass meine Beine weg knicken.
»Huch, Vorsicht!«
Gerade noch rechtzeitig fängt Sam mich auf und ich finde mich nun ganz in seinen Armen und an seine Brust gepresst wieder.
Gütiger Himmel.
Ich habe das Gefühl kaum noch stehen zu können, während die Sam-süchtige Summer jubelt was das Zeug hält.
»Bei dir weiß man ja nie, was als Nächstes kommt.«, murmelt er leise und seine Hand fährt vorsichtig über meinen Rücken. Jeder Nerv meines Körpers summt zur Antwort.
Sam räuspert sich leise, dann schiebt er mich auf seine eine Seite und wir setzen den Weg zum Fahrrad fort.

Während wir durch den Wald fahren, spanne ich meine gesamten Muskeln an und hoffe, dass ich mir die Lippen nicht blutig beiße. Meine Hände umklammern die Lenkstange so fest, dass meine Handknöchel weiß hervortreten.
Ich halte den Rest der Fahrt die Augen geschlossen, bis ich merke, dass das Tandem langsamer wird. Als Sam sich umdreht, verwandelt sich sein Gesichtsausdruck von Normal zu Schockiert. Seine Augen werden riesengroß, das Sonnenlicht spiegelt sich in allen verschiedenen Grüntönen darin.
»He, du bist ja total blass! Was ist los?«
Er steigt augenblicklich ab und legt seine Hand auf meinen Arm.
»Tut dir dein Fuß weh?«
Ich nicke und beiße mir erneut auf die Lippen. Wie kann ein Splitter einem nur solche Schmerzen bereiten?
Sam schlingt seine Arme um meine Taille und hebt mich vom Sattel. Er trägt mich ins Haus, als wöge ich nicht viel mehr als eine Feder. Ich konzentriere mich darauf zu atmen, damit die lebenswichtigsten Organe funktionieren können, denn alle anderen scheinen gerade auszufallen.
Er setzt mich auf die Couch ab, läuft im Eilschritt in die Küche und bringt mir ein Glas Wasser.
»Langsam trinken.«, sagt er und reicht es mir. Ich gehorche seinem Befehl, auch wenn ich die Flüssigkeit lieber in einem Zug hinter kippen möchte. Er verschwindet wieder in der Küche während ich trinke und man hört ein nicht ganz so leises Scheppern.
»Möchtest du Nudeln oder soll ich uns eine Pizza backen?«
Pizza. Definitiv Pizza.
Aber wie soll ich ihm das mitteilen?
Sam scheint dasselbe zu denken wie ich. Er kaut auf seiner Unterlippe herum und überlegt. In meiner Magengegend zieht es sich zusammen und ich fühle, wie ich wieder bei diesem Anblick dahinschmelze.
Bemerkt er überhaupt, was er für eine Wirkung auf mich hat? Was für eine Wirkung habe ich eigentlich auf ihn? Fühlt er dasselbe wie ich?
»Hast du schon mal probiert deine Gedanken aufzuschreiben?«, fragt er zögerlich.
Meine Gedanken aufschreiben? Das ist mir noch nie in den Sinn gekommen. Ich schüttele leicht den Kopf.
Doch ist das nicht auch eine Art der Kommunikation? Menschen verständigen sich durch Briefe, dementsprechend durch aufgeschriebene Gedanken.
Ich könnte es versuchen und male mir aus, was für ein Fortschritt das sein würde, wenn ich tatsächlich hinkriegen würde, meine Gedanken aufzuschreiben. Das wäre ein noch größerer Schritt in Richtung Kommunikation. Ich würde noch mehr Abstand zwischen mir und dem Mutismus bringen.
»Willst du es versuchen?«


- Sam -

Vorfreude und Erleichterung steigen in mir auf, als sie nickt und ich stürme in die Küche um nach einen Block und einem Stift zu suchen. Meine Mutter bewahrt ständig unzählige von Blöcken in den Schubladen auf, warum ist mir schleierhaft.
Ich reiche Summer die Sachen und setze mich ihr gegenüber in einen Sessel. Erwartungsvoll, beobachte ich sie. Sie betrachtet den Block eine Weile, dann den Stift. Sie setzt die Spitze des Schreibers auf das Papier –
Und dann höre ich das leise Kratzen, was entsteht, wenn man schreibt. Es ist nur ein Wort, aber als ich dann ihre Antwort sehe, würde ich am liebsten aufspringen, sie durch die Luft wirbeln und … ihr Haar zurück streichen, ihr niedliches Gesicht berühren. Doch da mir das nicht gestattet ist, bleibt es nur bei einem überbreitem Grinsen. Auch Summer scheint sich zu freuen, dass das Schreiben keine Blockade ist. Sie blickt mich erleichtert an, in ihren Augen schimmert Dankbarkeit.
Dieses Mädchen ist wahrhaftig ein gefallener Engel. Doch sie bleibt nicht am Boden liegen, sie ist gerade dabei wieder aufzustehen. Und diese Tatsache lässt sie mir noch stärker ans Herz wachsen, als sie ohnehin schon ist.
»Pizza ist eine hervorragende Wahl. Ich geh dann mal bestellen.«, sage ich und kann nicht verhindern, dass ein Übermaß an Fröhlichkeit in meiner Stimme mitschwingt.

Während wir auf die Pizza warten, hören wir auf dem Sofa sitzend Musik. Summer liegt und hat ihren Kopf auf meinen Schoß gelegt. Ich muss mich heftig zusammenreißen, um nicht mit meinen Händen durch ihre Haare zu fahren. Der Block und der Stift liegen neben uns auf dem Boden. Und obwohl mir unendlich viele Fragen auf der Zunge liegen, die sie jetzt beantworten könnte, weiß ich, dass sie sich nicht überanstrengen darf. Also behalte ich sie für mich und entscheide mich, ihr jeden Tag nur eine oder zwei zu stellen.
»Ich bin dafür, dass wir morgen entweder bei mir oder bei dir bleiben, wegen deinem Fuß. Das war heute bestimmt anstrengend für dich.«
Summer nickt. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist halb Neun. Vielleicht, wenn wir langsam essen und die Pizza sich verspätet, ist es dann zu dunkel, zu spät, um Summer noch nach Hause zu bringen. Sie würde dann hier, bei mir übernachten müssen.
Mein Egoismus ist wieder da, in seiner kompletten Präsenz und er füllt beinahe meinen ganzen Kopf mit selbstsüchtigen Gedanken und Wünschen. Ich beiße lautlos die Zähne aufeinander, um ihn niederzuringen, in den Hintergrund zu drängen.
Das Klingeln der Haustür erlöst mich von diesem aussichts- und endlosen inneren Kampf. Ich stehe auf, hole Geld und nehme den duftenden Karton entgegen.
»Schönen Abend noch, Sir.«, sage ich zum Abschied und schließe die Tür. Als ich das Wohnzimmer wieder betrete, sitzt Summer aufrecht auf der Couch. Sie starrt sehnsüchtig auf die Pizza in meiner Hand.
Ich muss grinsen, als ich ihren Gesichtsausdruck sehe.
»Da hat jemand wohl Hunger.«
Sie errötet ein wenig, ihre Mundwinkel biegen sich leicht nach oben. Mein Herz setzt jedes Mal aus, wenn ich sie lächeln sehe. Vor allem, wenn es mein Verdienst ist. Summers Lächeln ist atemberaubend, umwerfend. Es ist weder gekünstelt noch erzwungen, es scheint einfach aus ihr heraus zu platzen, vielleicht sogar gegen ihren Willen, manchmal.
Wir sitzen nebeneinander, während wir essen, die Musik immer noch im Hintergrund laufend.
Es ist Neun Uhr. Das wird knapp werden, wenn ich will, dass sie über Nacht hier bleibt.
Herrgott noch mal, Sam! Nein!


- Summer -

Ich will nicht gehen. Ich will nicht zurück in Erics Ferienhaus. Ich will hier bleiben. Bei Sam ist es gemütlich und freundlich, ich fühle mich wohl und geborgen in seinem Haus. Das sind alles Gefühle, die ich in letzter Zeit sehr selten empfunden habe und ich möchte nicht wieder diese Leere in meiner Brust haben. Mit Sam in meiner Nähe scheine ich sie zu vergessen, zu verdrängen. Wenn ich bei ihm bin, spüre ich keine Kälte, keine Taubheit, nur Wärme. Vielleicht, wenn ich für immer bei ihm bliebe, wird das Loch in meiner Brust eines Tages ganz verschwunden sein.
Das wäre herrlich.

Vielleicht könnte ich so tun, als ob ich ganz plötzlich einschlafen würde. Vielleicht lässt er mich dann hier übernachten.
Als wir fertig gegessen haben, wage ich es meinen Kopf erneut in seinen Schoß zu legen. Doch Sam hält mich auf, indem er eine Hand an meine Wange legt.
»Warte.«, sagt er leise. »Möchtest du noch einen Film gucken?«
Ich nicke. Ich spüre, wie seine Körperwärme auf mich übergeht. Sie macht mich schläfrig.
Er steht auf, geht zu einem Regal hin und fragt: »Welchen? Ich habe X-Men, Avatar, The Perks of being a Wallflower, meine erfundene Frau oder Titanic, wobei ich dich ganz lieb bitte, nicht Titanic zu wählen.«
Schelm blitzt in seinen Augen auf, als er das sagt und ich muss ebenfalls grinsen. Ich greife nach dem Block und entscheide mich für The Perks of being a Wallflower, was ich dann auch aufschreibe. Den Film kenne ich schon und ich finde ihn wunderschön. Außerdem besteht so eine größere Chance einzuschlafen.
Sam nickt und wirft die DVD ein, dann setzt er sich wieder zu mir und ich lege meinen Kopf in seinen Schoß. Wir sehen zu, wie Charlie, der Protagonist, versucht, neue Freunde in seinem Freshman Year an der Highschool zu finden und dabei von fast allen niedergemacht und/oder wird, bis er tatsächlich wahre (und wirklich verrückte) Freunde findet und sich in Sam, ebenfalls eine von seinen neuen Freundinnen, verliebt.*
Aufgrund von Sams Wärme, werde ich wieder schläfrig und merke, wie meine Lider von Sekunde zu Sekunde schwerer werden. Für einen Moment schließe ich kurz die Augen und bin sofort weg.

Sam weckt mich auf, indem er mich ganz sanft an den Schultern rüttelt. Ich habe Gott sei Dank nichts geträumt.
»Hey Schlafmütze.«, begrüßt er mich verschmitzt lächelnd. »Du hast fast den ganzen Film verpasst. Kanntest du den schon?«
Ich werde rot und nicke verlegen. Sam lacht leise. Dann sieht er auf die Uhr und ich tue es ihm gleich. Es ist Elf Uhr. Ist es schon zu spät, um mich zurück zu bringen?
Ich bete, dass er sich entscheidet, mich für diese Nacht hier zu behalten. Den Vorfall mit Ruby habe ich ihm längst verziehen, ich glaube ihm, dass er nichts für sie empfindet. Solange sie sich nicht in der Nähe aufhält, ist Sam so, wie ich ihn kenne und mag.
»Soll ich dich noch nach Hause bringen oder möchtest du hier übernachten?«, fragt er. Meine erste Reaktion ist ein Schultern zucken, wofür ich mich im nächsten Augenblick am liebsten ohrfeigen möchte. Warum kann ich nicht ein einziges Mal etwas von jemandem fordern? Warum gehe ich immer sofort in die Defensive, wenn jemand mich nach meiner Meinung, nach meinen Wünschen fragt?
Sam überlegt. Und was er dann sagt, ist wie ein Stich in die Brust.
»Ich bringe dich nach Hause, du hast ja keine Sachen hier.«, seine Stimme klingt ein wenig kühl und resigniert. Es fühlt sich an, als ob mir jemand die Luft zum atmen wegnähme. Ich verschränke meine Hände ineinander, aus Angst, dass sie zittern könnten.
Du bist so dumm.
Du bist so unglaublich dumm, Summer.
Nie nutzt du gute Gelegenheiten.
Schäme dich!
Sam hilft mir auf und ruft anschließend nach seiner Mutter. Wir stehen in einem Abstand nebeneinander, wo man definitiv meinen könnte, wir wären nur flüchtige Bekannte. Ein weiter Stich in die Brust.
»Mum? Könnten wir Summer mit dem Auto nach Hause fahren?«, fragt er.
Jenny nickt, blickt aber argwöhnisch zwischen uns hin und her. Sie schnappt sich ihren Autoschlüssel und gemeinsam gehen (in meinem Fall humpeln) wir aus dem Haus, zum Wagen. Die ganze Fahrt über ist es ohrenbetäubend still, das Radio läuft nicht. Man hört nur das Brummen des Motors.
Ich fühle mich mies, schlecht, als ob jemand auf mich herum getrampelt wäre und ich nun überall blaue Flecken, Blutergüsse und offene Wunden hätte. Die Geborgenheit ist gänzlich verschwunden. Und wieder einmal bereue ich es, hier her gekommen zu sein. Bedeutet Urlaub etwa, dass man sich andauernd von Anderen verletzen lässt und leidet? Definitiv nicht. Oh Nein.


*Ich kann den Film wirklich nur empfehlen, er ist wundervoll. :)





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