New story - Teil 2

Autor: blue-haze
veröffentlicht am: 25.07.2013


Kapitel 2

Wenn in einem Buch ein Kapitel abgeschlossen ist, dann ist es abgeschlossen.
Wenn man jedoch im wahren Leben ein Kapitel, oder gar eine Geschichte abschließen will, dann ist es meistens zum Erschrecken des Protagonisten, erst der bittere Anfang der verdammten Story.
Versteht ihr jetzt, warum ich Bücher und den ganzen Kram hasse?

Das Buch, das wir im Literaturkurs gerade durchnehmen ist Alice im Wunderland. Schon nach den ersten vier Sätzen, habe ich mich gefragt, was für Drogen das Mädchen wohl genommen hat und es zur Seite gelegt. Allem voran ist es mir ein Rätsel, warum um alles in der Welt, man in der Schule mit siebzehn noch ein Kinderbuch lesen soll. Ich sehe wie in jeder Literaturstunde aus dem Fenster. Vielleicht entdecke ich ja auch ein weißes Kaninchen in kariertem Jackett.
Alles was ich in dieser Stunde mitbekomme ist, die Anmerkung von Mr. Sullivan. Das Buch sei Grundlage für den nächsten Leistungsnachweis. Schön. Dann brauche ich mir wenigstens nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, welche Note ich wohl bekommen werde.

Als die Schulglocke mich endlich von meinen Qualen erlöst, begebe ich mich mit Milly zu den Spinden. Sie erzählt mir von ihrer Mittagspause am Vortag und ringt mir ein Lächeln ab. Sie hat das Talent Dinge nicht so zu erzählen, als hätte man etwas verpasst, sondern so, dass man das Gefühl bekommt dabei gewesen zu sein. Es ist wirklich nicht schwer sie zu mögen.
An meinem Spind, werfe ich nachlässig die Bücher meiner geliebten Hassfächer hinein und schnappe mir meine Sporttasche. Auf zu den wenigen Stunden die mir Spaß machen.

Kennt ihr das, wenn euer Leben gerade so unerträglich wird, dass ihr denkt, alles was euch retten kann ist jetzt etwas, das ihr wirklich gerne macht, und dann sagt das Leben: „HA! VERARSCHT!“ ?
Und mit einem Mal steht man im Sportunterricht und muss, statt sich sportlich zu verausgaben, auf Wunsch derer, die fürchten schwitzen zu können, plötzlich mit rosa Bändchen durch die Gegend hüpfen.
Willkommen in meiner Welt.
Nahezu protestierend stehe ich am Rand der Halle und wickle das Band in der Farbe des Bösen um meine Hand. Vielleicht provoziert mich ja eine von diesen Barbies und ich kann damit zu schlagen. Ob es so mehr weh tut? Mrs. Jankins kommt auf mich zu und lächelt mich auf ihre offene Art an. Sie hat etwas von Milly, wie ich finde. „Will, warum machst du nicht mit? Sport gehört doch normalerweise zu deinen Lieblingsfächern.“ „Ja. Das ausschlaggebende Wort hier ist „Sport“ und nicht „wie eine Glitzerfee in der Gegend herum hüpfen“.“ „Es sind leider nicht alle so sportlich wie du. Ich wollte den anderen Mädchen eben auch mal eine Chance geben.“ „Soll das heißen, wir bekommen Noten dafür?“ „Ja.“ „Warum jagen Sie mir nicht gleich einen Dolch in die Brust?“ Ich werfe das Band des Grauens in die Truhe aus der es kam und begebe mich in die Umkleide Kabine. Hat sich denn die ganze Welt gegen mich verschworen?
Ich weiß es ist nicht so. Aber manchmal habe ich einfach das Gefühl, dass es einen heimlichen Club gibt, der sich jeden Morgen zusammen findet nur um sich zu überlegen: „Hey, wie machen wir denn heute Will das Leben schwer?“ Aber das würde voraussetzen, dass ich wichtig genug bin als das man mir seine Aufmerksamkeit schenkt. Wer sich jetzt denkt, dass ich einen absoluten Schaden habe, der auf Minderwertigkeitskomplexe hindeutet... der liegt da absolut richtig.
Ich öffne die Tür zur Umkleide und erstarre. Vor mir steht Chris, ohne T-Shirt. Mein Blick wandert langsam zur Türe, auf der das Schild klebt, das mir sagt, dass das hier die Jungen-Umkleide ist. Ich fühle wie mir das Blut in den Kopf schießt. Stammele eine Entschuldigung, während ich beobachte, dass er sich innerlich gerade dumm und dämlich lacht und gehe rückwärts zur Tür raus, die ich zu ziehe. Warum immer ich! Vermutlich bin ich ab morgen die Lachnummer der Schule. Herzlichen Glückwunsch.
In der Umkleidekabine, ziehe ich mich so schnell es geht um, schnappe mir meine Sachen und stürme zur Türe hinaus. Die Sonne scheint brütend heiß auf mich herab und ich bin ausnahmsweise froh, dass ich mich noch nicht körperlich verausgabt habe.
Plötzlich finde ich die Idee den Sportunterricht zu schwänzen gar nicht so schlecht. Das bietet mir die Möglichkeit in den Park an den See zu gehen. Grinsend nehme ich meinen eigenen Vorschlag an und schlendere zum Bus.

Ein kühler Windhauch streift meine Wange als ich am See bin. Das war die richtige Entscheidung. Vor allem ist es besser als mit rosafarbenen Bändern durch die Gegend zu hüpfen. Ich stecke meine Füße ins kühle Wasser und fühle wie mir ein wohliger Schauer über den Rücken läuft. Die Augen geschlossen, atme ich die warme Sommerluft ein und lasse meine Füße im Wasser zu Eis gefrieren. Erst als ich fürchte, meine Füße gleich nicht mehr spüren zu können, ziehe ich sie aus dem Wasser. Vermutlich zu spät. Ich glaube sie sind schon taub. Seufzend massiere ich mir die Füße um wieder Gefühl zu bekommen. Dass ich mir meiner Position einen großen Fehler gemacht habe merke ich einen Seufzer später.
Ein schrilles, lautes, langgezogenes „Will!“ überrascht mich, und im nächsten Moment fühle ich ein Gewicht auf mir, das mich ins Wasser wirft. Mit einem Mal bin ich völlig durchnässt und fühle den Druck auf meinen Lungen. Ich strample um mich um das Gewicht los zu werden und suche die Richtung in der sich die Oberfläche befindet. Als ich mich endlich wieder über Wasser befinde, schnappe ich nach Luft und strample im Wasser um mich. Orientierungslos und noch immer restlos verwirrt über das was passiert ist. Noch immer blind, fühle ich dann, wie sich eine Hand, die sich mehr wie eine Pranke anfühlt, um mein Handgelenk schließt. Ich erschrecke, doch begreife schnell, dass diese Hand mich aus dem Wasser zieht. Auf dem Steg, lässt mich die Hand dann los und ich höre eine Stimme, die „Milly“ ruft. Ich wische mir das Wasser aus den Augen und blinzle. Ein Junge zieht Milly aus dem Wasser und mit hoch rotem Kopf erkenne ich schließlich, wer mein Helfer war.
Es ist Millys Bruder. Ich kenne ihn, seit ich Milly kenne. Er ist zwei Jahre älter als sie und dementsprechend, haben wir auch einiges miteinander unternommen. Er hat uns auf unsere ersten Partys geschmuggelt. Nicht, dass ich darauf gebrannt habe. Milly hat mich überredet.
Ich reiße mich zusammen und atme tief durch. Etwas, das ich bei Milly oft muss. Sie ist der erste Mensch, bei dem ich es nicht übers Herz bringe ihn anzufahren. Sogar dann nicht, wenn sie mich – wie jetzt – beinahe umgebracht hat und trotzdem auslacht. „Will, du siehst aus wie ein begossener Pudel“, sie prustet los und rollt sich lachend über den Steg. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, sie ist einem Comic entsprungen. „Milly, das ist nicht witzig“, Marc bleibt ernst, „Du hättest euch beide fast ertränkt.“ Mit gekränkter Mine bedeutet sie ihm nicht den Spielverderber raus hängen zu lassen. „Das war doch nur ein kleiner Spaß. Außerdem weiß ich doch, dass du da bist.“ Nicht, dass sie das nicht gemacht hätte, wäre Marc nicht dabei. Aber wie gesagt: Milly kann man nicht böse sein – auch dann nicht, wenn man der ältere Bruder ist... oder besonders dann.
Mit einem wehmütigen Seufzer wendet er sich schließlich an mich. „Geht es dir gut, Will?“ Ich nicke langsam und erhebe mich. Wenigstens sind meine Füße nicht mehr taub. „Ich sollte gehen.“ „Du bist komplett durchnässt, wo willst du so hin?“ „Nach Hause.“ „Leg dich doch mit uns in die Sonne. So dauert es nicht lange, bis du trocken bist.“ Ich schaffe es nicht zu widersprechen, denn Milly mischt sich ein, packt mich am Arm und zieht mich zur Wiese, wo die beiden bereits eine Decke ausgebreitet haben.
„Das war von langer Hand geplant, nicht wahr Milly?“ „Natürlich“, grinst sie.
Es ist seltsam. Man könnte oft wirklich meinen, wir wären befreundet.







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