Kurzes, langes Glück

Autor: Lorelei
veröffentlicht am: 20.06.2006




Ich muss zugeben, ich fand ihn ja schon immer nett. Gut, ich fand ihn toll. Dabei hatte alles so unverfänglich angefangen. Es begann im November, an einem kalten, dreckigen Novembermorgen. Gerade an diesem Tag hatte der Zug beschlossen auszufallen und der halbe Hildesheimer Landkreis musste sich in diesen einen kleinen Ersatzbus quetschen. Ich hatte Glück, ich konnte noch sitzen, meine Freundin musste stehen und sie hatte sich wohl umgesehen, denn plötzlich flüsterte sie mir zu: Hey, dreh dich mal um, der, der da, der sieht genau aus wie Bastian P.. Ich tat was sie sagte und war völlig ihrer Meinung, ich weiß nicht mehr genau wieso es nicht bei dieser einen Bemerkung blieb aber wie gesagt war das erst der Anfang, von allem. Er war uns dort also schon aufgefallen und als er einige Tage später beim Musikalischen Mosaik unserer Schule auftauchte und ein Lied sang, vertiefte sich unser Eindruck von ihm. Irgendwann kam er im Zug auf uns zu und fragte, wieso wir ihn bei seinem Auftritt so ausgelacht hätten, ob er so schlecht gewesen sei. Ab diesem Moment mochten wir ihn, und es wurde immer schlimmer, bald himmelten wir ihn fast an. Niemand weiß und wusste so genau warum. Wir waren seine Fans, und haben so manche umgangssprachlich ausgedrückt total bescheuerte Sache gemacht, zu der alle nur den Kommentar 'Wie könnt ihr nur? Ist das peinlich...' übrig hatten. Mir war das egal, und ich bereue auch bis heute nichts. Es war eben so eine Phase. Aber irgendwann war auch diese einmal durchgestanden und es wurde eine Zeit lang ruhig. Bis - ein paar Monate später - meine Freundin plötzlich eine Icq-Nachricht von ihm auf dem Computer hatte. 'Ach quatsch, das ist er nicht, da will uns mal wieder jemand verarschen', hab ich gesagt. Aber er war es doch. Ich wurde natürlich eifersüchtig weil er ihr geschrieben hatte, und irgendwann beschloss ich ihm auch mal zu schreiben. Ich schickte ihm einfach nur den Link zu meiner Homepage, die ich vorher extra präpariert hatte. Ich wusste er steht auf Coldplay, also setzte ich auf die Liste meiner Lieblingslieder auf dieser Homepage noch schnell das einzige Lied was ich von denen überhaupt kannte und nicht mal besonders mochte. Und es sollte seine Wirkung nicht verfehlen, wir kamen ins Gespräch und es war echt entspannt. Von diesem Tag an, chatteten wir öfter, immer öfter. Wir verstanden uns wirklich gut, und es war nicht mehr viel von unserem alten Verhältnis zu merken. So ging es ein paar Monate, in denen ich mich einfach nur freute, dass ich einen neuen Freund hinzugewonnen hatte. Bis ich irgendwann zum ersten Mal merkte, dass es mir etwas ausmachte wenn er mal länger nicht da war, und ich plötzlich merkwürdige, noch nie, na ja fast noch nie da gewesene Gefühle in der Magengegend zu spüren bekam, wenn ich ihn sah. Wir hatten schon eine sehr absurde Beziehung, schrieben uns fast jeden Tag bis zum Erbrechen, aber sobald man sich wirklich sah, machte man schnell einen großen Bogen um den anderen. Wir hatten nie ein Wort gewechselt, wenn ich vielleicht mal ein vereinzeltes 'Hallo' außer Acht lasse. Irgendwann wurden die Gespräche immer persönlicher und es kamen immer mehr Andeutungen darauf, dass er mir gegenüber auch nicht ganz abgeneigt war. Die Zeit war echt schön aber teilweise auch mit Gefühlsausbrüchen der traurigen Art gespickt. So erinnere ich mich zum Beispiel an den Abend, an dem es dann plötzlich hieß, wir sollten mal schleunigst den Kontakt abbrechen das ginge doch nicht, ich bin ja erst 14. Ich weiß noch genau wie ich mich gefühlt hab und ich glaube es gab keinen Tag an dem ich so neben der Spur war wie am nächsten Morgen . Ich dachte jetzt ist es alles einfach vorbei bevor irgendwas erst hätte anfangen können und die folgenden 2 Wochen war ich auch nicht gerade die Lebensfreude in Person. Bis er sich dann irgendwann wieder gemeldet hat, 'Na wie geht's dir?' ... Wie es mir ging? Er dachte ich hätte ihn inzwischen längst vergessen, hat er behauptet... Und als ich ihm erzählte, dass das ganz sicher nicht der Fall war, hatte er es sich anscheinend wieder anders überlegt. Als ich an diesem Abend ins Bett gegangen bin, lag ich noch Stunden mit Magenschmerzen im Bett. Das waren weder lustige Schmetterlinge die da rumflatterten noch niedliche Ameisen die in meinem Bauchraum herumtrappelten, das waren wirkliche Krämpfe, aber ich muss zugeben, nicht die schlimmste Art von Krampf. Ab diesem Tag hatten wir wieder mehr oder weniger regelmäßig Kontakt, natürlich nur über icq, obwohl es noch ein paar mal nicht grade leicht auf und ab ging. Aber eines hat ziemlich gedauert, wir haben es nicht geschafft, und einfach mal zu treffen. Jaaa gut, ich muss ja zugeben, dass ich da sicher den Großteil der Schuld übernehmen muss. Aber es gab doch so große Zweifel daran was passiert wenn wir miteinander, real konfrontiert werden, und auch die eine oder andere nächtliche deprimierende Theorie darüber. Trotzdem wusste ich irgendwie immer dass das noch nicht das Ende war. Die schönen Sachen die er schrieb verblendeten dann auch wieder alles, und allein mir auszumalen wie schön es wäre ließ mich nicht aufgeben. Das hatten wir auch schon gemeinsam, uns ausgemalt wie unser erstes Treffen ablaufen würde, zu dem es dann aber wieder einmal nicht kam. Zu der Zeit war ich wirklich völlig auf ihn fixiert und ich war fest davon überzeigt, dass wir es irgendwann schaffen würden zusammenzukommen. Jedes Liebe Wort und jeder niedliche Blick brachte mir mal wieder meine altbekannten Magenkrämpfe. Und ich dachte, wenn wir es nur endlich hinkriegen, wäre alles wie im Märchen. Irgendwann, irgendwann hatten wir es uns dann fest vorgenommen, wir würden uns treffen, gleich am ersten Tag in den Sommerferien. Ich war den ganzen Morgen total hibbelig, aber bloß weil ich nicht wusste was genau ich zu Hause sagen sollte, 'Hey ich hab jetzt erst mal n Date mit dem 18jährigen Kerl, ja genau der den ich ein Jahr hinterhergerannt bin'. Das erschien mir etwas zu direkt, na ja, irgendwann hatte ich dann auch das Problem gelöst, da mir ein genialer Einfall kam, beizubringen was ich vorhatte, 'Ich gehe schwimmen mit Sven'. Als ich dann aber aus dem Haus bin war ich doch sehr merkwürdiger weise gar nicht mehr aufgeregt, ich stand am Bahnhof, bin in den Zug gestiegen, habe mir auch noch, dumm wie ich war, eine Zugfahrtkarte für 1,10€!! Gekauft, für 3 Minuten fahren... Ich hatte mich nicht mal gesetzt... Bin aus dem Zug ausgestiegen und dann stand er da, ich bin auf ihn zugegangen und er hat mich sofort an die Hand genommen, und es war gar nicht wie ich es mir vorgestellt hatte, überhaupt nicht, einfach nur total komisch, was er auch gleich in Worte fasste, aber nach 3 Minuten meinte er dann auch schon 'Na, jetzt ist doch schon cool oder?' Ähm nein, eigentlich nicht, aber ich hatte mir verkniffen das laut auszusprechen. Stattdessen sagte ich lieber gar nichts, genialer Einfall wie sich herausstellte.. Dann waren wir bei ihm zu Hause und er zeigte mir Fotos von seinem Urlaub, sein Zimmer und schließlich eine SMS auf seinem Handy, was mir nicht sehr entgegenkam, da ich in dem Moment als ich das Handy in der Hand hatte bemerkte, dass ich zitterte wie ein Aal. Mir war gar nicht richtig klar wieso, weil ich mich eigentlich nicht wirklich aufgeregt fühlte, einfach nur komisch und fremd, aber wie das wirkte konnte ich mir auch denken, also legte ich das Handy kurzentschlossen auf die Facharbeit, die ich mir kurz zuvor auch noch ansehen durfte - wie überaus unauffällig. Zu diesem Zeitpunkt lag die Anzahl der von mir gesprochenen Worte bei ca. 7-10. Dann setzte er sich auf das Bett bzw. legte sich und ich setzte mich dazu, sehr merkwürdig. Irgendwann zog er mich auf einmal an sich ran. 'SCHOCK' :Na ja man gewöhnt sich an alles, irgendwann lag ich dann auch. Und er sagte, 'Ich traue mich gar nicht dich zu küssen, du hast ja noch nie...' (Wie überaus romantisch oder?) Und dann, der erläuternde Kommentar 'ich mach erst mal so ein bisschen.' -aha. Dann lag ich da und wurde, na ja, geküsst sollte das wohl sein. Ich lag da und dachte nur, verdammt was ist denn das, und da drauf hab ich jetzt so lange gewartet, das hab ich mir jetzt so lange gewünscht? Was ist denn das? Los, du musst das jetzt toll finden,... . Nachdem ich dann irgendwann von Augenbraue bis Kinn vollgesabbert - wieder Luft bekam, ein weiterer erläuternder Kommentar 'das ist immer so ein bisschen nass...' Nein wirklich? Mach Sachen du.... Insgesamt irgendwie echt enttäuschend. Auf einmal sprang er dann auf und sagte, ich will jetzt doch Schwimmen gehen, ich bring dich nach haus und fahre nach Hildesheim... Bitte?? Dachte ich. 'das kann es doch jetzt irgendwie noch nicht gewesen sein' und überwand mich dann im Auto zu sagen, ich wolle vielleicht auch mitkommen - ich hatte schließlich extra Schwimmkram mit, da versteh einer die Kerle. (Sorry für die Phrase).Also fuhr ich doch noch mit. Mit mehr oder auch weniger Begeisterung seinerseits. Die Zahl der von mir gesprochenen Worte hatte sich zu diesem Zeitpunkt etwa auf 17 erhöht, da ich ja irgendwie ausdrücken musste, dass ich noch nicht nach Haus wollte. Auf der Autofahrt kamen vielleicht weitere 12 dazu, + ein kleiner überraschender Kuss an der Ampel und einmal Motor abwürgen. Am Schwimmbad angekommen durfte ich erst mal selbst bezahlen, was mir seine unglaubliche Zuneigung noch verdeutlichte. Am Liegeplatz Konfrontation mit einem weitren Henke. Sein war auch da. Dann erst mal ins Wasser. Ich hatte Mühe nicht zu ertrinken, meine Kondition hält sich in Grenzen. Nach 2 Minuten wieder raus aus dem See. Er unterhält sich angeregt, aber nicht mit mir, was vielleicht auch wieder damit zusammenhing, dass ich nicht wirklich in der Lage war Sätze mit Subjekt Prädikat Objekt zu bilden und mehr oder weniger die meiste Zeit wie ein toter Fisch da lag. Trotzdem kein sehr aufbauender Anblick den Rücken zugedreht zu bekommen.. Auf der Rückfahrt, kaum eine Erhöhung meiner gW, erst gegen Ende der Fahrt ein paar Sätze, da vor uns auf der Straße Mareike P. aufgetaucht war und wir wenigstens hinsichtlich ihr einer Meinung waren. Trotzdem traurig, da Mareike P. unser einziges Gesprächsthema bleiben sollte. Dann ließ er mich aussteigen und ich musste den ganzen Berg nach hause hoch laufen, mit sehr gemischten Gefühlen. Wie komisch. Zu Hause angekommen wusste ich nicht wirklich was ich denken sollte. Eine Mischung aus 'ich will aber nicht dass das jetzt schon alles war' und 'aber irgendwie war es schon ziemlich blöd'. Ich ließ mich am nächsten Tag auch noch dazu hinreißen ihm ne nette sms zu schreiben, was ich abends in umgekehrter Form zurückkriegen sollte. 'Mädchen gibt's wie Sand am Meer' und ähnlich charmante Sprüche leiteten mich eindeutig in die Richtung, ok, das war wohl nichts, Dann lassen wir es eben. Eigentlich hatte ich mich am selben Abend nach einem kurzen Schock schon damit abgefunden und angefreundet dass es das jetzt war. Aber dabei blieb es dann doch noch nicht, noch nicht ganz. Am nächsten Tag ein weiteres Gespräch über icq, er habe es mir mit diesen Sprüchen nur 'heimzahlen' wollen, dass ich überhaupt nicht mit ihm geredet und nicht reagiert habe. Nun, es kann ja sein dass das nicht so ganz leicht war. Aber wer will es denn schon einem kleinen 15-jährigen Mädchen heimzahlen, das total verschüchtert und unerfahren sein erstes Date nicht so ganz optimal gestaltet hatte, und dann noch mit solchen fiesen Sprüchen. Ich war an dem Punkt zu sagen, na dann ist es wohl besser du suchst dir eine in deinem alter, die dir das alles bieten kann was du willst. Mir wurde zugestimmt, aber es wäre doch trotzdem schade das jetzt einfach so in den Sand zu setzen wenn man es noch gar nicht richtig probiert hatte, hieß es anhänglich. Also fuhr ich noch mal zu ihm, und ich muss zugeben, es war doch um einiges besser als beim 1. mal. Aber ich gab mir auch echt Mühe, zumindest war es ein bisschen mehr in Richtung romantisch. Ich saß auf dem Bett er auf dem Boden und wir hielten uns die Hände, bis wir uns irgendwann langsam näher kamen, und dann küssten. Ja, das wäre vielleicht eher ein würdiger erster Kuss gewesen. Den restlichen Abend lagen wir eigentlich nur noch rum und haben geknutscht, Übung macht den Meister. Irgendwann bin ich dann nach hause. Als ich fast angekommen war, bekam ich schon ne sms: War echt schön heute! Und sofort kriegte ich ein schlechtes Gewissen. Ich fand es ja auch schön, schöner als den 1.Tag, aber irgendwie nicht vergleichbar mit den Momenten in denen er mir einfach nur so liebe Sachen geschrieben hatte, in denen sich mir wie ausgiebig geschildert alles verkrampfte, keine Spur davon und ich überlegte ob das so ok ist. Am nächsten Tag fuhr ich noch einmal zu ihm - das letzte Mal. Aber es hatte sich durchaus gelohnt, denn schon gleich auf dem Flur machte ich die Bekanntschaft eines wirklich außergewöhnlichen Menschen, nennen wir ihn mal Slin. Er begrüßte mich mit einem Handschlag 'Guten Tag'. Als mein 'Freund' dann gerade oben war und ich mit Slin im Flur stand sagte er: 'na was macht ihr denn noch so' 'Och, mal sehen ein bisschen raus gehen vielleicht'. 'Ja, der Sven der kennt sich ja hier aus, der wohnt ja auch hier länger, ich wohne hier auch lange aber ich kenne mich hier nicht aus, wenn ich Glück habe finde ich den Weg zum Bahnhof', Das kommentiere ich jetzt einfach mal nicht. Dann sind wir rausgegangen in den Schlosspark und mussten 3 mal den Liegeort wechseln da man romantischer Weise auf Ameisen, Wurzeln und Disteln lagen - schön. Den Rest des abends lagen wir am See, knutschender Weise, bis sich irgendwer aufrichtete, und wen sah man da friedlich am Ufer gegenüber die Entlein füttern? Slin... Was aber für ihn sprach, immerhin hatte er den Weg zum See gefunden. Auf einmal flüsterte er mir zu: Tina,... 'ja?' 'Ich glaube ich liebe dich' AHH VERDAMMT 'Ich glaube ich dich noch nicht' dachte ich. Und KUSS. Das hatte aber nicht funktioniert, sofort danach ein Nachfragen 'Und du?' Zu sagen, 'hm also so wirklich hab ich nicht das Gefühl' wäre wahnsinnig unromantisch gewesen. 'Ich glaub, ich dich auch' Es war ja nun nicht ganz gelogen, ich habe nur ich glaube gesagt. Irgendwann sind wir dann rein gegangen, auf dem Weg wollte er mich tragen, wie die Braut über die Schwelle doch wie erwartet, stand ich nach 10m voller Kraftaufwendung seinerseits wieder auf dem Boden der Tatsachen. Peinlich für mich, ich war zu schwer, peinlich für ihn, er war zu schwach. Dann sind wir reingegangen. Als er sich dann auf den Boden setzte um nach irgendwas zu suchen, hatte ich auf einmal und zum ersten Mal das Gefühl in diesen Tagen, dass ich auf der Stelle und sofort bei ihm sein wollte. Ja gut ich saß auf dem bett und er auf dem Boden, wir waren nur 1 m voneinander entfernt aber auch das war mir plötzlich Meilen zu weit weg. Die drauf folgende Stunde war ich glücklich, auf einmal war ich mir sicher, 'Ja ich liebe dich auch'. Eine Stunde, die erste und die letzte. Irgendwann musste ich ja auch nach hause, schließlich hatte ich schon den vorherigen Zug 'verpasst'. Er brachte mich noch zum Bahnhof. Dort standen wir ganz eng umschlungen und ich hab mich so wohl gefühlt. Dann kam der Zug, wir wollten uns gar nicht trennen, wir sind noch dreimal aufeinander zugegangen um uns noch ‚nen Kuss zu geben, dann stieg ich in den Zug ein, eigentlich war ich ja glücklich wir wollten uns am nächsten Tag wieder treffen, aber irgendwoher kam schon ein Gefühl in mir hoch, das mir sagte, Das war das letzte mal, dass es schön war, das erste und das letzte Mal.









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