Lost Found Love - Teil 5

Autor: talia
veröffentlicht am: 15.07.2013


Vielen lieben Dank für eure Kommis, die haben mich wirklich gefreut *_* Deswegen gehts gleich weiter hier und noch ein dickes Danke an Aven für das ausführliche Feedback ;) Viel Spaß beim Weiterlesen :D

Die junge Frau mir gegenüber kicherte bei meiner Antwort leise, sodass ihre Locken leicht auf und ab wippten. Erst jetzt wurde mir im Mondeslicht, das ihr Gesicht beleuchtete, bewusst, dass ihre Augen die Farbe des Meeres hatten. Königsblau. Genau diese Farbe hatten ihre Augen. „ Sie sind wirklich eine sehr interessante Person und ich mag die Art Ihres Denkens!“ entgegnete die Frau, immer noch am Lächeln. Also das verwunderte mich. Diese Person war ja mehr als nur interessant, sie schien auch eine sehr kluge Frau zu sein.
„ Dürfte ich erfahren, wie Ihr Name lautet“, fragte ich sie höflich und behielt diese leise Tonstärke bei. Es war fast so, als würden wir über etwas Geheimes reden, obwohl das nicht der Fall war und ich fragte mich, wieso wir das taten. Kurz sah ich zu den anderen Passagieren und stellte fest, dass die meisten tief schliefen, was meine Frage schnell beantwortete.
„ Mein Name ist Claire Lovelyn Connor“, sprach die junge Frau leise aus „und wie ist Ihr Name?“. Dabei sah mich Claire mit vor Neugier glitzernden Augen an, was mich unwillkürlich lächeln ließ. „ Ich bin Chanelle, Chanelle Price!“ Mein Lächeln wurde breiter und aufmerksam sah ich Claire an, die angestrengt zu denken schien. Vielleicht fragte sie sich, ob sie meinen Namen schon mal gehört hatte, aber ich war mir sicher, dass ihr niemand einfallen würde. Vielleicht hatte mein Vater gut gelebt und einen guten Namen in meiner Heimat gehabt, aber das war es auch. Mehr nicht.
„ Was hat dich dazu gebracht nach Amerika zu reisen, Claire?“ fragte ich interessiert und erntete einen traurigen Blick ihrerseits.
„ Mein Bruder ist vor vier Jahren nach Amerika ausgewandert und hat dort geheiratet. Eine sehr nette Frau namens Lora…“, Claire holte tief Luft und fuhr mit einer traurig gestimmten Stimme fort „ Aber durch einen Brief von ihr, letzten Monat, habe ich erfahren, dass er schwer krank geworden ist. Und es besteht die Möglichkeit, dass er es nicht überlebt. Deswegen habe ich so lange gespart, bis ich genug Geld hatte, um mir ein Ticket nach Amerika zu kaufen!“ Ihr Blick wurde bei den letzten Worten etwas glasig, was nur bedeuten konnte, dass sie den Tränen nahe war. Ich wusste genau, wie sie sich fühlen musste, da ich bereits beide Elternteile verloren hatte und somit entwickelte sich in mir eine gewisse Verbundenheit zu ihr. Claire war dabei ihren Bruder zu verlieren und ich hatte bereits zwei wichtige Personen verloren.
„ Und was ist mit deinen Eltern?“ Diese Frage hatte ich mir sofort gestellt, weil es für mich komisch war, dass sie auf dem Weg nach Amerika war und ihre Eltern nicht anwesend waren. Zwar könnte ich mir denken, woran das liegen könnte, doch als Claire mich mit einem niedergeschlagenen Blick bedachte, wusste ich, dass dem nicht so war.
„ Mein Vater ist schon tot seit ich vier bin und meine Mutter ist zu schwach, um solch eine lange Reise zu machen… Sie ist schwer krank und in diesem Moment kümmert sich ihre Schwester um sie“, erklärte Claire mit einem leichten Lächeln im Gesicht. Wahrscheinlich war die Schwester ihrer Mutter eine sehr liebevolle Frau und das erinnerte mich wiederum an meine herzlichen Großeltern. Allein der Gedanke an die beiden erwärmte mein Herz und somit meinen ganzen Körper und Claire schien auch kurz in ihren Gedanken vertieft zu sein. Noch eine Sache, die sie mir sympathischer machte.
Wir standen noch eine Weile stumm nebeneinander und betrachteten gedankenverloren den ruhigen Ozean, als ich beschloss mich wieder an meinen Platz zu begeben. Ich entschuldigte mich kurz bei Claire, die mich einverstanden anlächelte und kehrte an mein Plätzchen zurück. Den Koffer stellte ich wie zuvor zwischen meine Beine und die dünne und dennoch Wärme spendende Decke legte ich auf meinen Schoß. Mit geschlossenen Augen lehnte ich meinen Kopf träge gegen die kalte Wand und faltete entspannt die Hände zusammen, um sie gegenseitig zu wärmen. Denn die frische Meeresluft jagte mir zunehmend kalte Schauer über die nackte Haut meiner Beine und Arme, sodass ich mich für mein kleines Jäckchen, das im Koffer zum Glück ganz oben lag, zum drüber Anziehen entschied.
Gesagt, getan. Nachdem ich den Koffer geöffnet, das hellviolette Jäckchen herausgeholt und den Koffer wieder geschlossen hatte, zog ich mir schnell das Kleidungsstück an und schon breitete sich eine angenehme Wärme an meinen Armen aus. Die Gänsehaut war nun nicht mehr so schlimm und so konnte ich wieder entspannt die Augen schließen und dem wunderschönen Klang des rauschenden Meeres zuhören. Hier und dort nahm ich nebenbei leise Flüstergespräche der anderen Passagiere wahr, doch der Inhalt des Gesprächs war nicht erfassbar, weswegen sich mein Gehör wieder voll und ganz den Naturgeräuschen widmete.
Eine tiefe Ruhe breitete sich in meinen ganzen Körper aus und erreichte schließlich meinen aktiven Kopf, der zunehmend an Gewicht gewann und teils zur Seite kippte, sodass ich wieder leicht aufwachte. Wie sehr wünschte ich mir nun, ich läge in meinem warmen, kuschligen Bett, mit dem Kopf, der in das gemütliche Kissen versank. Doch wie’s aussah würde ich hier noch Tage verharren müssen, bis ich wieder ein Bett unter mir haben würde, aber das war es wert. Ich gehörte glücklicherweise zu den Leuten, die auch mit wenig Schlaf auskamen, was nun für diese Reise sehr vorteilhaft sein könnte. Wie sollte ich außerdem mit dem lauten, knurrenden Motor einschlafen, der nun, da die Wellen etwas stärker geworden waren, noch lauter als zuvor war und gegen die Kraft des Meeres ankämpfte? Gar nicht. Vielleicht sollte ich dann einfach noch etwas spazieren gehen, um noch müder zu werden…

Die Idee gefiel mir und so richtete ich mich wieder auf, glättete die Falten meines Kleides und sah mich prüfend um. Die meisten Menschen waren immer noch am Schlafen und ich fragte mich, wie viel Uhr es wohl sein möge. Der Mond prangte hell am dunklen Nachtzelt, aber er verriet mir nicht die genaue Nachtzeit.
Also vergaß ich wieder schnell meine Frage und begann an der Reling entlang zu laufen, während ich darauf achtete nicht zu laut mit meinen kleinen Absätzen auf dem Holzboden zu sein. Das leise Klackern wurde sowieso durch das laute Rumoren der Kraftanlage des Bootes übertönt und mit einem neugierigen Gesichtsausdruck führte ich meinen Spaziergang langsam fort. An manchen Stellen blieb ich stehen und beobachtete sowohl Mensch als auch Ozean und stellte rasch fest, dass beide tief und fest schliefen. Es war beinahe bedrückend, diese Stille.
Meinem Bauch wurde es dabei etwas mulmig zumute und ich hoffte, dass ich nicht seekrank wurde, da es mich sonst sehr überraschen würde. Ich hätte doch wohl von den anderen Schiffsreisen, die ich schon mal erlebt hatte, wissen, ob ich leicht seekrank wurde oder nicht. Deswegen verdrängte ich dieses Gefühl einfach und straffte die Schultern.
„ Oh, Chanelle… Ich habe gedacht, dass Sie schlafen wollten?“, erklang die Stimme von Claire, die neben mich getreten war und mich nun schief musterte. Ich lächelte bei ihrem Anblick und zuckte unschuldig mit den Schultern. „ Ich hatte doch nicht den Schlaf finden können und so habe ich beschlossen einen ermüdenden Spaziergang zu machen!“, erklärte ich ihr leise und sie nickte aufmerksam.
„ Ja, so geht’s mir auch gerade… Scheint wohl die Unsicherheit zu sein, die auf diesem Boot herrscht.“ Claire deutete auf die ganze schlafende Menschenmenge im Vordeck und dann zum dunklen Meer. „ Immerhin ist es nicht für alle das zweite Mal, dass sie sich auf einem so großen Boot auf einem sehr großen Ozean befinden.“, meinte Claire mit einem verträumten Lächeln, weswegen ich mich sofort die Frage stellte, an was sie wohl dabei dachte. Für sie war es doch die erste Schiffsfahrt, oder? Doch ich wollte ihr nicht zu nahe treten und beließ es bei der Stille, die sich wieder zwischen uns legte.
„ Würde es dir was ausmachen, wenn ich dich bei deinem Spaziergang begleiten würde?“, fragte Claire mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht und schob sich eine lose, lockige Haarsträhne hinter das Ohr. Ebenfalls lächelnd nahm ich ihr Angebot an und zusammen schritten wir entlang des Bootes und sprachen über dies und jenes. Sie erzählte mir von ihrer Heimatstadt, die nur eine Stunde von meiner entfernt war und berichtete mir von ihrem Leben, das sie dort als Verkäuferin in ihrem eigenen Laden führte. Der Laden gehörte schon seit vielen Jahren ihrer Familie an und sie verkauften hauptsächlich Getreide und Futter für die Viehwirtschaft, weswegen sie auch monatlich ein sehr nettes Einkommen verdiente. Außerdem erwähnte sie wenige Erinnerungen, die sie mit ihrer ganzen Familie erlebt hatte und schließlich kam sie zu dem Punkt, an dem sie erfahren hatte, dass ihr Bruder schwer krank geworden war.
Es freute mich irgendwie, dass diese junge Frau nicht viel Kummer hatte erleben müssen, aber ihre jetzige Situation betreffend konnte man nur als kummerreich bezeichnen. Ihr Vater war schon seit Langem tot, ihre Mutter schwer krank und nun auch ihr Bruder, der ihr sehr nah zu sein schien.

Während ich selbst über mein eigenes Leben nachdachte, fiel mein Blick auf ein schwarzes Armband, das ihr schlankes Handgelenk zierte und fragend deutete ich mit dem Finger darauf. „ Was ist das?“
Claire schien zuerst über die Frage verwirrt zu sein, aber als sie selbst ihr Handgelenk ansah, breitete sich ein fröhliches Lächeln in ihrem Gesicht aus. „ Das hat mir mein Bruder geschenkt, bevor er nach Amerika ausgewandert ist. Seitdem trage ich es und habe es nie ausgezogen. Es ist wie ein Glücksbringer für mich!“, murmelte sie leise vor sich hin und drehte das schwarze Stück an ihrem Handgelenk, wobei ihre Augen kindlich funkelten. Das musste also eine sehr alte Erinnerung sein, die sich bestimmt momentan in ihrem Kopf abspielte.
„ Du scheinst aber auch einen sehr schönen Glücksbringer zu haben.“, meinte Claire mit Neugier in der Stimme und zeigte auf das glänzende Schmuckstück an meiner Hand. Ich nickte leicht und hob die Hand hoch, damit sie es sich näher anschauen konnte. Die verschiedenen Anhänger begannen im Licht des Mondes abwechselnd zu glänzen, das ich dem Lichterspiel fasziniert zusehen musste. Auch Claire war vollkommen von der Schönheit des Erbstückes gefangen und leise erzählte ich, welcher Anhänger welche Bedeutung für mich hatte. Letztendlich war es ja auch ein Glücksbringer, wie das von Claire.
„ Es ist wunderschön!“, flüsterte Claire ehrfurchtsvoll und ich dankte ihr lächelnd für das Kompliment. Anschließend unterhielten wir uns über unsere Pläne in Amerika und als ich langsam spürte, wie träge meine Augenlider wurden und wie schwer es mir nun fiel auf beiden Beinen zu stehen, teilte ich mein Vorhaben schlafen zu gehen Claire mit. Diese war genauso erschöpft wie ich, da ihr Lächeln müder wirkte und nachdem wir uns höflich voneinander verabschiedet hatten, kehrte ich zu meinem Rastplatz zurück.
Dieses war zum Glück nicht von einem Fremden besetzt und meinem Koffer war auch nichts passiert, was mich erleichtert aufseufzen ließ. Normalerweise ließ ich meine Sachen nie unbeaufsichtigt stehen, aber da alle zu schliefen schienen, hatte ich mir keinen Kopf darüber gemacht.
Leise setzte ich mich auf meinen kalten Platz hin und sofort nahm ich meine Decke an mich und lehnte meinen Kopf müde gegen die kühle Bootswand. Meine Augen fielen automatisch zu und mittlerweile hatte mein Kopf aufgehört an irgendetwas zu denken, sodass ich sehr schnell einschlief.

Zunächst schien ich nichts zu träumen, aber allmählich wurde das Dunkel in meinem Kopf durch ein immer größer werdendes Licht verdrängt, als ich mich urplötzlich mitten auf dem Meer befand. Ich war alleine und nur der starke Wind zerzauste mein langes Haar und flüsterte unverständliche Worte in mein Ohr, was mich zunehmend verwirrte. Wo war ich? Und warum schwebte ich über dem Wasser? War das etwa eine Offenbarung Gottes? Aber das war theoretisch und praktisch unmöglich. Ich war noch nie sehr gläubig gewesen und dieser Traum würde das auch nicht ändern.
Zwar war mir der Sinn des Traumes immer noch nicht bekannt, doch in mir keimte heimliche Angst auf, als ich das klare blaue Wasser betrachtete und rote Schlieren darin erkennen konnte. Ich beugte mich etwas weiter nach vorne, um besser sehen zu können, als ich auf einmal in die Tiefe gezogen wurde und erschrocken nach Luft schnappte. Wellen schlugen von allen Seiten auf mich ein und diese roten Fäden schienen sich wie Schlangen um mich zu winden, mich aber nicht zu verletzen. Es war ein irres Gefühl, was mich in diesem Moment gefasst und ich konnte mich zunächst vor Schreck nicht bewegen?
Zudem war es nicht mehr hell, sondern pechschwarz von der Nacht, die das Meer einhüllte und mich mittendrin in tiefe Dunkelheit eintauchte. Auch das Rot war wieder verschwunden und es war als würde ich in schwarzer Tinte baden. Meine Bewegungen waren quälend langsam und der Mangel an Luft schnürte mir die Kehle zu und ließ meine Lungen brennen. Ich versuchte einen Weg aus dieser Dunkelheit zu finden, aber kein Licht war zu sehen, das mir als Hoffnungsschimmer dienen konnte, sodass ich immer tiefer in den Abgrund gezogen wurde, allein und hilflos.
Bevor ich jedoch das Bewusstsein vollkommen verlor, blitzte etwas neben mir auf und mein Kopf fuhr sofort zu der Stelle herum. Ich schaffte es meine Hand zu sehen, die schwach in den leichten Wellen hin und her schwankte und dann blendete mich wieder ein Licht, das bei genauerer Betrachtung mein Armband war. Die einzelnen Anhänger reflektierten ein Licht, das nicht mal vorhanden war und dennoch war dieses Lichtspiel stark genug, um mir zu zeigen woher das richtige Licht kam.
Ich begann mit letzter Kraft mit den Beinen und Armen zu strampeln, in die Richtung, in die mich mein Armband führte und als ich dann glaubte keine Luft mehr in den Lungen übrig zu haben, tauchte ich auf und mein Mund klappte sofort auf, um gierig Luft in meine schmerzenden Lungen zu pumpen.

Ich riss die Augen auf und mit schnell klopfendem Herzen stellte ich fest, dass ich wirklich im Meer war und dass es immer noch Nacht war. Nur der Mond am Himmel belächelte mich und die restlichen Passagiere, die um ihr Leben schwammen und verzweifelt um ihr Leben bettelten. Was war nur passiert? Was hatte ich verpasst?
Ein knarrendes Geräusch zog meine Aufmerksamkeit auf sich und erschrocken sah ich zu, wie das Boot vom Sog des Meeres in den Grund gezogen wurde. Leider hatte ich im Dunkeln nicht erkennen können, was genau passiert war, was das Boot zum Sinken gebracht hatte, doch in diesem Moment musste ich mir zunächst Gedanken machen, wie ich das hier überleben sollte. Verzweifelt fuhr mein Kopf hin und her, um etwas zu finden, an was ich mich festklammern konnte, denn die ganze Zeit zu strampeln war keine Lösung. Ich spürte jetzt schon, dass die Kälte mir mehr als die Schwimmbewegungen zusetzte und so beschloss ich kurzerhand ein Holzbrett oder Ähnliches zu finden.
Doch das stellte sich als ein schweres Vorhaben heraus, da die Menschen um mich herum den ein oder anderen vor Panik ins Wasser tunkten, um ihre eigene Haut zu retten. Wie erbärmlich man werden konnte, wenn der Tod an der eigenen Tür klopfte.
Nie im Leben würde ich ein anderes Menschenleben gefährden, um mein eigenes zu retten und mit diesem Hintergedanken schwamm ich weiter und wünschte, dass es bloß nichts Gefährliches Unterwasser gab, was uns töten könnte. Und genau das ist der Grund, warum ich mich vor dem Schicksal fürchte. Dass das hier passiert, hätte ich nicht für möglich gehalten und doch ist es geschehen.
Ich schluckte den dicken Kloß in meinem Hals runter und versuchte mich mit regelmäßigen Atemzügen zu beruhigen, als mich plötzlich von hinten jemand packte und mich in die Tiefe des Meeres tunkte. Das war solch eine Schrecksekunde für mich gewesen, dass ich nicht hatte reagieren können, aber dann schaltete sich mein Überlebensinstinkt ein und entschlossen riss ich meine Arme nach oben, um den Menschen zu packen und ebenfalls in die Tiefe zu ziehen. Und genau diesen Moment nutzte ich aus, um nach Luft zu schnappen und dann so schnell wie möglich davon zu schwimmen, um nicht noch einmal Opfer von solchen Verrückten zu werden. Mein Herz hatte mittlerweile das Tempo einer Nähmaschine angenommen und mein Atmen war alles andere als entspannt und regelmäßig. Es waren zittrige und hechelnde Atemzüge, die meinen ganzen Körper erschütterten und mir leichten Schwindel bereiteten und auch das Strampeln mit den Beinen fiel mir zunehmend schwerer, da mir die Kraft langsam versagte.
Das bedeutete, dass ich so schnell wie möglich einen Ausweg finden musste und obwohl ich keine Ahnung hatte, wo ich mich befand, begann ich einfach in eine selbst ausgewählte Richtung zu schwimmen. Das war besser als gar nichts zu tun und jämmerlich zu ertrinken, wie es manche hinter mir taten. Ich hörte ihre nach Luft japsenden Münder und dann das verräterische Blubbern, welches nach kurzer Zeit verstummte. Aber um mich nicht davon beirren zu lassen oder schlimmstenfalls die Hoffnung zu verlieren, schaltete ich meinen Kopf ab und besann mich nur auf das Schwimmen. Zuerst Arme, dann Beine, Arme, Beine, Arme und Beine.
So ging es die ganze Nacht lang und nur schwach nahm ich die Umgebung wahr, bestehend aus meinem eigenen Herzschlag und den Rhythmus meines Atmens. Ich war noch am Leben, das wurde mir in einer kleinen, dunklen Ecke meines Bewusstseins klar, doch wie lange. Diese Frage plagte mich den ganzen Weg und erlaubte es mir nicht an irgendwas anderes Erheiterndes zu denken. Es quälte mich, folterte mich und raubte mir teils den Atem.
Meine Augenlider fielen zu, wenn ich es nicht mal bemerkte, doch immer blitzte etwas neben mir auf und wiederholt musste ich erleichtert feststellen, dass es mein Armband war, welches das starke Mondlicht reflektierte, sobald ich eine Armbewegung vollführte. Es war wahrlich ein Glücksbringer.

Allmählich spürte ich die Müdigkeit mich übermannen, aber am Rande meines Bewusstsein nahm ich noch wahr, wie ich Boden unter den Füßen bekam. Feuchten, sandigen Boden, der in meine Schuhe drang und ein unangenehmes Gefühl in meinem Magen verursachte. Ich schaffte es jedoch nicht die Augen zu öffnen, um nachzusehen wo ich war und fiel einfach schwach kopfüber. Der Aufprall war alles andere als schmerzlos und ich hustete, als Wasser in meine Lungen kam und heiß brannte. Noch mit letzter Kraft krallte ich mich mit meinen Fingern in den kalten Sand und zog mich mit aller Mühe aus dem Meer und blieb dann reglos liegen. Ich spürte und fühlte nichts mehr, sondern wurde einfach in die Dunkelheit meines eigenen Bewusstseins gezogen.

Warme Sonnenstrahlen brannten sich durch meine Augen und flatternd öffneten sich meine Augenlider. Darauf überfiel mich ein Hustenanfall und Wasser drang aus meinem Mund, welches ich wahrscheinlich geschluckt, aber nicht ausgespuckt hatte. Na toll, meine Lungen taten weh, fühlten sich an wie ausgetrocknete Pflaumen und auch mein ganzer Körper schwächelte. Dennoch versuchte ich mich mit beiden Händen aufzustützen und mit aller Anstrengung schaffte ich mich wenigstens gerade zu setzen, wobei ich mich mit einer Hand am Sand abstützen musste.
Meine Haare klebten an mir wie stinkende Algen und das Kleid war in einem miserablen Zustand. Überall Sand und ekliges Pflanzenzeug aus dem Meer. Selbst eine Muschel fand ich in meinem Ausschnitt und angewidert schmiss ich diese weg. Ich hatte überlebt, kaum zu glauben. Doch was war mit den anderen geschehen? Hatte überhaupt noch jemand diese Insel erreicht? Meine Gedanken kreisten urplötzlich um Claire und ich hoffte sehnlichst, dass sie es überlebt hatte. Immerhin erwartete sie ihr kranker Bruder und es wäre eine Schande, wenn sie ihn nie zu Gesicht bekommen würde. Das durfte einfach nicht sein.
Seufzend strich ich meine nassen Strähnen aus meinem Gesicht und beschloss aufzustehen, um zu sehen, wo ich genau gelandet war. Immer noch etwas aus dem Gleichgewicht richtete ich mich ganz auf und leichte Übelkeit erfasste mich, sodass ich mir gleich an den Bauch fasste, um mich nicht zu übergeben. Hinzu kam noch das Gefühl von verzehrendem Hunger. Wie ich den wohl auf dieser Insel stillen könnte?
Neugierig drehte ich mich einmal um die eigene Achse und erkannte, dass ich mich wirklich auf einer Insel befand, die genauso aussah, wie in diesen Abenteuerbüchern, die ich als kleines Kind immer gerne gelesen hatte. Große, majestätische Palmen, die in einem saftigen Grün strahlten, lauter Büsche, die dem Ganzen etwas Mystik verliehen und hinzu kam noch dieser wundervolle, golden schimmernde Sand. Der Sand, der nun auch in meinen Schuhen klebte, die ich sofort auszog und in die Hand nahm. Meine Füße vergruben sich sogleich in den leicht warmen Sand und ich legte eine Hand über meine Augen, um besser zu können, da die Sonne gnadenlos auf mich hinabschien. Wo bin ich hier nur gelandet?
Schon wieder entfuhr mir ein langer gedehnter Seufzer und obwohl ich nicht wusste, wohin ich gehen sollte, so begann ich einfach rein aus Gefühl zu gehen. Vielleicht traf ich ja jemanden auf den Weg entlang der Küste und an diesen Gedanken klammerte ich mich fest. Jemand musste überlebt haben.






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