Mein Engel

Autor: Karo
veröffentlicht am: 19.06.2006




Ich lächelte tapfer, als ich Ian auf mich zugehen sah. Er hatte Rosen im Arm und strahlte über das ganze Gesicht.
'Na mein Engel? Schönen Tag auch!'
Ich zwang mich zu einem Lächeln ab. Er schien nicht zu bemerken, dass mein Lächeln nur gekünstelt war.
'Hier, die schönsten Rosen für das schönste Geschöpf.' Er reichte mir den Blumenstrauß und sein Lächeln beschwor in mir wieder dieses Gefühl von Wärme und Geborgenheit auf, dass ich immer empfand, wenn er mich anlächelte.
Ich nahm die Rosen und drückte ihm einen dankbaren Kuss auf die Wange.
'Hey, meine Rose.' Er nahm mein Gesicht in seine Hand und zwang mich so, ihn anzusehen. Ich musste mich nicht sonderbar hoch schauen, er war etwa in meiner Größe.
'Was ist los?' Das war klar, ich konnte nichts vor ihm verbergen.
Schon seit ich 13 war, und die ganzen Probleme angefangen habe, hatte ich mich in Ian verliebt. Er war nur ein Jahr älter als ich und er war Halbwaise.
Sein Vater starb als er noch ganz klein war und so lebte er mit seiner Mutter. Wir haben uns vom ersten Augenblick an verstanden und er umwarb mich so süß.
Er konnte nicht oft genug sagen, dass er mich liebt. Als er von meinem Problem erfuhr, strich er mir zärtlich über mein Haar und weinte leise vor sich hin. Er versuchte es vor mir zu verbergen, aber ich hatte es dennoch bemerkt.
'Willst du es mir sagen?' Ian legte seinen Kopf schief und schaute mir tief in die Augen. Ich senkte meinen Blick, denn ich konnte seinem Blick nicht standhalten. Seine Mutter hatte heute Geburtstag und ich wollte ihn den schönen Tag nicht verderben. 'Kann es warten?' wollte ich deswegen wissen. Ian überlegte kurz, dann nickte er.
Doch erst Tage danach sahen wir uns wieder. Seine Mutter hatte es so eingefädelt, dass Ian mit ihr für ein paar Tage auf Mallorca fliegen konnte. Ich blieb und versuchte mich so wenig wie möglich mit meinem Problem zu beschäftigen.
Dann, nachdem er mir wundervolle Ohrringe schenkte, die er aus Mallorca hatte, brachte er mein Problem zur Sprache. 'Nun?' meinte er nur und wie es seine Art war, legte er den Kopf schief.
Ich atmete tief ein und versuchte es hinauszuzögern. Ian saß geduldig neben mir und beobachtete mich nur mit seinen wundervollen blauen Augen.
'Es wird schlimmer.' fing ich dann an und ich konnte an seinem Gesicht lesen, dass er verstand. 'Dr. White hat mich untersucht. Er hat gesagt, dass ich, wenn ich bald kein Spenderherz gefunden habe, streben muss.'
Ian wand sein Kopf weg. Ich wusste, dass er seinen Schmerz vor mir verbergen wollte. 'Ian, ich hätte mein ganzes Leben vor mir. Ich wollte immer studieren, ich wollte immer eine Familie. Und jetzt?'
Ich konnte mein Schluchzen nicht mehr aufhalten. Ich fing einfach an zu weinen, während Ian mich fest an sich drückte und mich einfach nur festhielt.
Kurz nach meinem 13.ten Geburtstag stellte Dr. White fest, dass ich an chronische Herzschwäche litt. Dr. White versuchte alles, er setzte sich so für mich ein, dass ich verblüfft war. Doch all das half nichts. Dann beschloss Dr. White, dass wir meinen Namen auf die Liste, der Herzspendersuche eintragen sollten und ich auf ein Spenderherz warten sollte. Ich hoffte so darauf. Doch ein Jahr verging, dann noch eines und mein Warten brachte nichts. Dann kam die schockierende Nachricht. Ohne Spenderherz würde mein Leben nicht mehr lange dauern.
Ian gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn. 'Ich wünschte, ich könnte für dich sterben. Und somit all deine Wünsche erfüllen.' Ich weinte leise und war dankbar für seine Worte. Sie trösteten mich irgendwie.
Tage, Wochen vergingen und wir redeten nicht über das Thema. Ian versuchte immer für mich da zu sein und wir hatten viel Spaß. Er schenkte mir Blumen. Auf meine Frage, warum er sie mir schenkte, antwortete er stets: 'Ich will dir dafür danken, dass du mich liebst.'Ich musste lächeln, immer wenn er diese Worte sagte. Er war mein Engel, von Gott geschickt, um mir die letzten Monaten meines Lebens zu versüßen.
Dann die Überraschung, man hatte ein Spenderherz für mich gefunden. Ian freute sich mit mir. Er ging mit mir an unseren Lieblingsplatz, eine dicke Eiche. Dort picknickten wir und er wollte die letzten Tage, die ich noch blieb, bevor ich in die Klinik fuhr, um die Transplantation durchzuführen, genießen.
Ich wollte mich erkundigen, wer mein Spender war, doch die Ärzte sagten mir, dass es ausgeschlossen sei, dass zu erfahren.
Also gab ich mich schlicht damit zufrieden, dass ich leben würde. Ich freute mich dermaßen, ich könnte die ganze Welt umarmen. Ian lächelte nur still und freute sich, dass ich endlich glücklich war.
Dann kam der Tag meiner Abreise. Ich musste mit dem Flugzeug fliegen. Ian begleitete mich zum Flughafen. Er nahm mich ganz fest in den Arm. 'Ich liebe dich so sehr, meine Blume.' flüsterte er zum Abschied und küsste mich ganz zärtlich. Ich musste fast heulen, so glücklich war ich. Ich hatte ein Spenderherz, ich konnte weiterleben, ich hatte den süßesten Typen der Welt als Freund und ich liebte ihn.
Die Transplantation verlief glatt. Nach einigen Tagen schon konnte ich wieder nach Hause fliegen. Meine Eltern holten mich vom Flughafen ab. Ich wunderte mich, wo Ian war. Ich war mir sicher, dass er sich freuen würde mich zu sehen. Ein wenig gekränkt war ich dann doch, als er sich abends noch immer nicht meldete.
Um nicht vor Sehnsucht umzukommen ging ich abends zu unserem Lieblingsplatz, in der Hoffnung ihn zu treffen. Zu meiner Enttäuschung war er nicht da. Doch in unsere dicke Eiche war eine Inschrift geritzt. 'Ich werde alles für dich tun.' Ich musste augenblicklich an Ian denken. Er würde so was bestimmt auch schreiben. Wer das wohl geschrieben hatte?!?Die Sehnsucht überwältigte mich schließlich und ich ging zu Ians Haus.
Seine Mutter öffnete. Sie lächelte schwach und bevor ich was sagen konnte, umarmte sie mich und eine Träne tropfte von ihrem Gesicht. Ich wusste nichts zu erwidern, als sie mich losließ.
'Ich wollte Ian sehen.' murmelte ich dann kleinlaut. Seine Mutter schaute mich an, dann schluckte sie schwer.
'Er ist nicht hier.' Ich wollte mich schon umdrehen und gehen, doch dann flüsterte seine Mutter weiter: 'Er hat dich so geliebt. Er hätte alles für dich getan. Von wem glaubst du, kam das Spenderherz?'
Sie schloss die Tür und ließ mich stehen. Ich keuchte leise. Ich konnte nicht denken. Ich rannte zur Eiche und betrachtete die Inschrift. Es war seine Schrift. Mein Engel hatte sein Leben für mich gegeben. Meine Tränen wurden vom leichten Regen weg gewischt. Er wischte sie weg.









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