Gefährliches Spiel - Teil 3

Autor: Weidekätzchen
veröffentlicht am: 07.03.2013


Kapitel 2

Gebannt starrte ich auf das schnurlose Telefon neben meinem Bett. Ich sass auf meinem Schreibtischstuhl und drehte meine Kreise. Eigentlich sollte ich etwas für Alex’ und mein Anatomieprojekt tun, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich wartete auf Shanes Anruf. Zeitunterschiede und Studienstress waren Gift für unsere Beziehung. Wir hatten seit zwei Wochen nicht mehr miteinander telefoniert. Umso mehr freute ich mich, endlich wieder von ihm zu hören. Ich vermisste ihn. Seine Stimme zu hören würde das Highlight der Woche werden. Ich hypnotisierte erneut das Telefon in dem ich es anstarrte. Doch kein Klingeln, nicht ein kleines Fiepsen konnte ich diesem Ding entlocken. Ich stiess die die Luft zwischen meinen Zähnen aus. Ich musste mich jetzt wirklich auf unser Projekt konzentrieren. Ich drehte mich wieder zum Schreibtisch und nahm den Bleistift in die Hand. Stirnrunzelnd betrachtete ich das weisse, leere Blatt vor mir. Im Prinzip war die Aufgabe ja nicht so schwierig. Ich musste vorbereitende Massnahmen für eine Sezierung des menschlichen Körpers treffen. Alex und ich würden in ein paar Wochen eine Autopsie durchführen und mussten uns in unserer Projektarbeit entsprechend darauf vorbereiten. Hm… Alex. Seine grünen Augen… hm. Bestimmt schüttelte ich den Kopf – jetzt bloss nicht an Alex denken. Ich kenne ihn kaum und ausserdem liebe ich Shane. Das Knurren meines Magens holte mich in die Realität zurück. Seit Wochen hatte ich das erste Mal wieder Hunger. Ich erhob mich von meinem Stuhl und schlich in Richtung Küche. Ich wollte meine Eltern nicht wecken. Sie hatten beide eine Nachtschicht hinter sich und waren total kaputt, als sie nach Hause kamen. Meine Mam, Beth, war Gynäkologin in einem renomierten Krankenhaus. Mein Vater, Darren, war Neurochirurg in einer speziellen Neuro-Klinik. Daher hatte ich auch den Drang Medizin zu studieren. Allerdings waren mir tote Menschen lieber. Mich faszinierte der Tod. Ich war ein Einzelkind, auf irgendwelche Geschwister musste ich also nicht achten.
Ich inspizierte den Kühlschrank. Lippenschürzend schloss ich ihn wieder. Leider gab er, ausser verdorbener Milch und ein paar vor sich hin vegetierende Karotten, nicht viel her. Ich durchsuchte also die Vorratschränke. Auch die gaben leider nicht viel her. Ich zog mich seufzend in mein Zimmer zurück und warf mich mit Schwung auf mein Bett. Als ich das harte Telefon in meinem Kreuz spürte, stiess ich einen leisen Fluch aus. Shane würde nicht mehr anrufen, das wusste ich jetzt. Mein Magen zog sich zusammen und mein Hals schnürte sich zu. Liebte er mich denn nicht mehr? Ich schloss die Augen und liess unsere letzten Wochen Revue passieren. Sofort roch ich seinen Shane-Duft, spürte seine Lippen auf meinen… Unbewusst legte ich einen Finger auf meine Lippen. Heisse Tränen brannten in meinen Augen. In diesem Moment klingelte das Telefon. Ich war so überrascht, dass ich den Apparat beinahe fallen liess. Ich drückte auf den grünen Knopf und hielt die Luft an: „Shane?“, hörte ich mich hoffnungsvoll sagen. Mein Herzschlag beschleunigte sich und das Blut rauschte in meinen Ohren. „Ehm, nein, Alex hier…“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. Langsam stiess ich die angehaltene Luft wieder aus. „Oh, hey Alex“, sagte ich mit belegter Stimme. „Es tut mir leid, dass ich nicht derjenige bin, den du erwartet hattest, Anny. Aber ich wollte dich fragen ob du Lust hast mit mir ins Kino zu gehen. Ich starre seit Stunden auf ein weisses Blatt Papier und mein Kopf tut mir weh. Hättest du Lust?“, fragte Alex hoffnungsvoll. Ich holte schon Luft um ihm eine Abfuhr zu erteilen. Aber wieso sollte ich nicht mit ihm ins Kino gehen? „Ja, gerne, kommst du mich um 19.00 Uhr abholen?“ In der Leitung war es still. Ich vermutete, dass Alex nickte. Ich musste lächeln. Plötzlich kam ein ja aus dem Telefon geschossen. Erneut lächelte ich und verabschiedete mich. Als ich aufgelegt hatte, schaute ich noch einmal auf den Apparat, in der Hoffnung er würde klingeln und Shane würde sich endlich melden. Jedoch blieb das Telefon stumm. Ich schüttelte die schlechten Gefühle ab und ging ins Bad. Vorsichtig löste ich den Zopf, den ich im Verlauf des Tages gemacht hatte, und liess meine langen Haare über die Schultern fallen. Danach legte ich noch ein wenig Make-Up auf. Ich starrte auf mein Spiegelbild. Kaltblaue Augen fixierten mich. Meine Pupillen waren geweitet. Ein kalter Schauer kroch mir über den Rücken. Ich schaute immer noch auf die Spiegelung. Irgendwie hatte ich manchmal das Gefühl, dass mein Spiegelbild ein komplett anderes Leben führte. Jenseits dieses Spiegels. Vorsichtig hob ich die Finger um ihn zu berühren. In diesem Moment kam meine Mutter zur Tür herein. Ich schmiss vor Schreck mein Zahnputzglas um, das auf der Badezimmerarmatur stand, und es zerbrach. Als ich mich wieder gefangen hatte, fragte ich Beth was los sei. Sie sah müde aus. Ich machte mir ein wenig Sorgen. „Ein Junge wartet draussen vor der Tür. Er möchte dich fürs Kino abholen oder so. Aber räum bitte zuerst das Badezimmer auf, ja?“, sagte sie müde. Ich nickte. Sie schenkte mir ein Lächeln und ging aus dem Zimmer. Ich sah mir den Scherbenhaufen an und musste unwillkürlich grinsen. Tja, 7 Jahre Glück. Ich fing an die Scherben wegzuräumen. Bei einer war ich zu unvorsichtig und schnitt mir unglücklich in die Hand. Ich blutete sofort wie ein abgestochenes Schwein. Ich hielt die blutende Hand unter den Wasserhahn, während ich im Badezimmerschrank nach Verbandszeug suchte. Ich drückte eine Gaze auf die Wunde und mein Blick fiel wieder in den Spiegel. Ich hob die Gaze noch einmal an und… kein Schnitt. Ich schüttelte den Kopf und richtete meinen Blick wieder auf meine Hand. Es blutete immer noch. Dann schaute ich wieder in den Spiegel und ich sah das Blut, der Schnitt... Ich runzelte die Stirn. Schnell verband ich die Wunde. Vielleicht werde ich wahnsinnig. Oder ich bin einfach nur übermüdet. Noch einmal warf ich einen Blick in den Spiegel. Danach verliess ich das Zimmer. Vielleicht werde ich mich ja amüsieren.






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