Kayla - Teil 4

Autor: MusicJunkie91
veröffentlicht am: 15.04.2013


Kade war ganz in der Nähe, als ihr Schrei die Stille zerriss. Sofort ließ er alles stehen und liegen und rannte los. Schnell kam er an dem Auto an und riss die Beifahrertür auf. Er hob Kayla hastig aus dem Fahrzeug, drehte sich mit dem Rücken zu dem Kerl und half dem zitterndem Mädchen dabei, sich wieder richtig anzuziehen, wobei er versuchte keinen Blick auf ihren nackten Körper zu werfen.
„Hey“, ertönte es da hinter ihm.
Sofort wandte er sich um und verdeckte Kayla.
„Was ist?“
„Nimm mir nicht das Weib weg, du Schwuchtel!“
„Kayla hat sich bei dir nicht wohlgefühlt“, erwiderte er ruhig, „An deiner Stelle würde ich jetzt ins Auto steigen und nach Hause fahren.“

Erstaunt beobachtete Kayla, wie Kevin dies tatsächlich tat. Kade drehte sich zu ihr zurück.
„Alles okay?“
Sie nickte, doch schüttelte dann den Kopf. Mehrmals öffnete sie ihren Mund, ehe sie leise krächzte:
„Ich will nach Hause.“
„Ich bring dich hin“, flüsterte er, nahm ihre Hand und führte sie aus dem Wald heraus.
Kayla zitterte noch immer, was Kade besorgt zur Kenntnis nahm. So drückte er ihre Hand fester.
„Er ist weg.“
„Aber... wie konntest du... und in der Schule... und...“
„Wenn er sich nicht von dir fernhält, sorge ich dafür.“
Ihre erste Frage ignorierte er mit purer Absicht. Die Augen des Mädchens wurden groß. Seine Worte waren aggressiv betont gewesen, so als würde er es fürchterlich gerne tun. Warum?
Da er ihr keine vernünftige Antwort gab, murmelte sie ein Okay.

Kurz darauf kamen sie bei ihr an. Kayla bedankte sich und ging hinein, direkt auf ihr Zimmer. Ihr Vater rief noch, doch sie antwortete nicht. Warum wusste sie selbst nicht, doch im Moment fühlte sie sich einfach nicht dazu verpflichtet. Eigentlich spürte sie gar nichts.
Stattdessen machte sie sich Vorwürfe. Als Kevin sie im Kino berührt hatte, hätte sie sofort aufstehen und davonlaufen sollen. Doch ihre Naivität hatte sie festgehalten.
Warum nur glaubte sie immer an das Gute im Menschen? Auch dass sie einfach mit Kade mitgegangen war! Doch immerhin hatte er sie aus dieser Situation befreit...
Es war auch wirklich komisch gewesen, ihn wieder zu treffen. Dass er gerade zu diesem Zeitpunkt im Wald gewesen war. Zufall? Vermutlich. Sonst wäre es echt seltsam. Er musste ganz in der Nähe gewesen sein.

Wenn Kayla an Kevins Lippen dachte, wurde sie rot. Es hatte sich toll angefühlt, sie hatte gespürt, dass er erfahren war. Noch nie zuvor hatte sie so etwas verspürt und sie war sicher, dass man es als Verlangen bezeichnen konnte.
Was würde am Montag in der Schule geschehen? Würde er herumerzählen, dass sie prüde war? Oder wahlweise eine Schlampe... Das würde ihren Ruf natürlich völlig ruinieren – nicht, dass sie einen hatte.

Noch immer apathisch stieg sie unter die Dusche und versuchte Kevin von sich abzuwaschen. Ihre Gedanken begannen zu schweifen und landeten bald dort, wo sie immer landeten: Bei Scott. Wenn er es doch nur gewesen wäre im Auto! Das hätte ihr gefallen. Zwar wäre sie auch nicht bis zum Schluss gegangen, aber trotzdem. Doch Scott tat all diese Dinge mit Fiona.
Ein plötzlicher, schmerzhafter Stich in ihrem Herzen löste sie aus der Starre und ihr Körper begann wieder zu zittern, obwohl sie unter dem warmen Wasser stand.
Die Frage, was geschehen wäre, wenn Kade nicht aufgetaucht wäre, brannte sich in ihren Kopf.

Die Nacht war schlaflos. Sie hatte Glück, dass Wochenende war, sost wäre sie in der Schule bloß eingepennt. Doch so konnte sie lange schlafen. Nach dem Aufstehen joggte sie ein wenig durchs Feld, in den Wald wollte sie nicht. Später half sie ihrem Vater dann bei den Kids, die er unterrichtete und am Abend sah sie sich mit ihrem Bruder sinnlose Ballerfilme an, bei denen sie nicht nachdenken musste.
Den Sonntag verbrachte sie ähnlich, nur blieb sie da viel länger im Bett.

Der Montag kam zu schnell. Gerade noch hatte Kayla sich gefreut, Kevin erst mal nicht sehen zu müssen, doch gleich vor der ersten Stunde lief er ihr über den Weg. Mist war das. Der Blick, den er ihr zuwarf, war bitterböse und Kayla lief ein unangenehmer Schauder über den Rücken. Wortlos lief sie an ihm vorbei und war froh, dass ihre Klasse schon geöffnet war, sodass sie sich direkt auf ihren Platz setzen konnte.
Scott kam ein paar Minuten später. Er nahm einen Stuhl und setzte sich so, dass sie sich gegenüber saßen. Ernst sah er sie an.
„Kayla, wir müssen über all das reden.“
„Warum?“
„Du hast mir einige Dinge an den Kopf geworfen, die ich klären möchte. Geht das? Bitte? Ich kann an nichts anderes mehr denken.“
„Na gut“, nuschelte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was willst du reden?“
„Es hat mich schon ziemlich verletzt“, flüsterte er, „Kam dir das wirklich immer so vor?“
„Ja.“
Ihre Antwort war knapp, was Scott seufzten ließ.
„Das war nie so gemeint. Du warst immer so still und sahst aus, als hättest du eigentlich keine Lust, dabei zu sein. Es tut mir leid, dass ich nicht bemerkt habe, was du mir gegenüber empfindest.“
„Warum Fiona?“, rutschte ihr hinaus, „Weil sie eine richtige Frau ist?“
Scott wurde rot.
„Ich weiß es nicht. Sie hat mich geküsst und mir gesagt, dass sie in mich verliebt ist... also...“
„Also hast du sie genommen, weil sie da war?“
„Nein! Ach, Mensch, Kayla... ich hab doch keine Ahnung. Seit wann bist du in mich verliebt?“
„Seit wir uns damals geküsst haben“, murmelte sie, „Und es war erst komisch, dann noch seltsamer und irgendwann hab ich es akzeptiert. Hätte doch eh nie eine Chance bei dir gehabt.“
„Doch“, nuschelte er, „Hättest du. Wenn du es mir nur gesagt hättest.“
„Ach ja?“
Sie war verwirrt und froh, als jemand hinein kam. So wurde ihr Gespräch unterbrochen, was ihr ganz gelegen kam. Das musste sie jetzt erst mal verdauen.

Die Stunde verging mal wieder quälend langsam und ihre Gedanken gingen drunter und drüber. Sie hätte es ihm nur sagen müssen? Das glaubte sie ihm nicht! Das konnte nicht sein... war doch alles Kacke. Scheiß Leben.
In der Mittagspause setzte Kayla sich ganz an den Rand des Schulhofes auf eine Bank und lehnte sich an die sich dahinter befindende Wand. Sie genoss die letzten Sonnenstrahlen des Jahres, während sie ihre Brote aß. Doch plötzlich verdunkelte ein Schatten ihr Gesicht. Irritiert öffnete sie die Augen.
„Was zur...“
„Hi“, sagte die Person grinsend und ließ sich neben sie sinken.
„Kade?“
„So heiße ich. Wie geht’s dir, Kayla?“
„Gut soweit. Besser. Und dir?“
„Ja, mir auch.“
Er lachte leise.
„Witzig“, murmelte sie und biss noch einmal ins Brot. „Was machst du eigentlich hier?“
„Ich wollte dich fragen, wie es ausschaut. Ob ich den Kerl verprügeln muss.“
„Nein, keine Sorge, er hat mich nicht angesprochen.“
„Gut.“
Aufmerksam sah er sie an.
„Aber es ist etwas geschehen.“
Kayla sah ihn an und senkte den Blick.
„Wir kennen uns nicht gut genug, als dass ich mit dir darüber sprechen könnte, Kade.“
„Manchmal ist es aber besser, mit jemandem zu sprechen, den man nicht kennt.“
Verlegen sah sie zu Boden.
„Das kann ich nicht.“
„Okay.“
Er stand auf und lächelte.
„Dann lernen wir uns eben erst einmal besser kennen und dann erzählst du mir, was dich bedrückt. Was machst du nach der Schule?“
Hilflos zuckte sie mit den Schultern.
„Laufen wahrscheinlich.“
„Gut, dann laufen wir zusammen.“
Das brachte sie zum Grinsen.
„Kannst du denn mit mir mithalten?“
„Darauf wette ich!“
„Gut! Wenn ich gewinne, dann gibst du mir ein Eis aus.“
„Bin dabei!“
Lachend schlug er ein.
„Wann hast du Schulschluss?“
„Um halb drei.“
„Treffen wir uns um drei bei dir vor der Haustür? Schaffst du das?“
„Ja, denke schon.“
„Dann bis nachher!“
Und schon war er wieder verschwunden.

Kayla lehnte sich wieder zurück. Warum tauchte der Kerl ständig überall auf? Seltsam war das. Echt seltsam. Aber süß, dass er sich Sorgen um sie machte. Wenigstens einer, der nicht zu ihrer Familie gehörte...
Der nächste Kurs dauerte wieder Ewigkeiten – was daran lag, dass sie ihn mit Fiona zusammen hatte und neben ihr saß. Immer wieder suchte die blonde Schönheit das Gespräch, doch Kayla ignorierte sie einfach. Wie sollte sie ihr verzeihen? Dass so etwas sich beste Freundin nannte, konnte sie immer noch nicht fassen.
Irgendwie hatte sie die letzten Tage das Vertrauen in alle Menschen verloren... konnte sie sich da mit Kade treffen? Würde er sie nicht genau so verletzen? So wie Scott, wie Fiona, Kevin... wie ihre Mutter. Selbst ihr Bruder und ihr Vater sagten oft Dinge, die ihr weh taten!
Also, was gab es für Gründe, überhaupt jemandem zu vertrauen? Man konnte doch nur auf Risiko setzen.
Sie würde sich mit Kade treffen und hoffen, dass er ihr nicht das gleiche antat, was Kevin ihr hatte antun wollen.

Bald war es drei und sie fuhr heute mal mit dem Bus nach Hause, um auch pünktlich anzukommen. Ihr Vater war ein wenig verwundert, doch sie grinste ihn nur an, lief auf ihr Zimmer und zog sich eine Jogginghose und ein enges Top an. Dann war es auch schon so weit und als es klingelte, lief sie schnell hinunter und begrüßte Kade. Gemeinsam gingen sie Richtung Wald und unterhielten sich dabei ausgiebig.
Am Waldrand angekommen, begannen sie schneller zu laufen und plötzlich entwickelte sich das alles zu einem Wettrennen. Erst als sie an der Stelle am Fluss ankamen, an der sie sich zum ersten Mal getroffen hatten, blieben sie stehen. Kade hatte mit zwei Schritten voraus gewonnen.
\"Das nehm ich dir übel!\", rief Kayla, sprang in das kühle Nass uns spritzte ihn mit Wasser voll. Kade lachte bloß, sprang ihr hinterher und tunkte sie unter, was sie danach auch bei ihm versuchte. Es misslang ihr jedoch kläglich.
Eine Weile spielten sie noch wie zwei kleine Kinder, dann kletterten sie hinaus und legten sich in eine sonnige Ecke.
„Ich war hier oft mit meiner besten Freundin“, sagte Kade plötzlich, „Bevor ich ihr gesagt habe, dass ich sie liebe.“
„Du...“
„Jap. Ich war in meine beste Freundin verliebt. Aber sie hat etwas mit meinem besten Freund angefangen.“
Mit großen Augen sah Kayla ihn an.
„Wirklich?“
Kade nickte und sah sie an.
„Das war das beschissenste Gefühl, dass ich je hatte. Wochenlang hab ich nur geheult und gesoffen.“
„Ich weiß, wie das ist“, murmelte sie und sah zur Seite. „Fiona wusste, dass ich Scott mag...“
„Wer?“
Sie seufzte.
„Mein bester Freund. Meine beste Freundin. Die gleiche Sache. Kack ist das.“
„Geht es dir deshalb so mies? Hast du dich deshalb auf diesen Kerl eingelassen?“
Kayla nickte.
„Ich wollte Scott eifersüchtig machen. Hat nicht geklappt. Heute hat er zu mir gesagt, dass ich eine Chance bei ihm gehabt hätte, wenn ich es ihm gesagt hätte. Aber na ja...“
„Du glaubst ihm das nicht.“
„Wie könnte ich? Warum sollte er so empfinden? Was ist schon an mir?“
„Du bist ein echt hübsches Mädchen, Kayla, und ich habe das Gefühl, dass du für deine Freunde da bist, wenn sie dich brauchen. Oder für deine Familie. Für jeden, der deine Hilfe braucht. Und das ist eine unglaubliche Charaktereigenschaft, die nicht viele haben.“
„Woher willst du das wissen? Du kennst mich nicht.“
„Gut genug. Glaube mir, Kayla.“
„Aber jetzt nutzt es mir auch nichts mehr.“
„Vielleicht gewinnst du ihn ja noch für dich.“
„Und dann bin ich genau so eine Schlampe wie Fiona.“
„Ach Quatsch!“
Kade grinste sie an.
„Das bist du nur, wenn du gleichzeitig noch mit einem anderen was am Laufen hast.“
Sofort horchte sie auf. Das hörte sich so an, als wüsste er etwas...
„Erzähl!“
„Nein, das musst du selbst herausfinden. Außerdem wäre ich ganz schön dumm, wenn ich dafür sorgen würde, dass du mit Scott zusammen kommst, nicht wahr?“
„Warum wärst du das?“, fragte sie verwirrt.
„Na, weil ich dich auch haben will!“, rief er und schlug sich dann die Hand vor den Mund. „Huch, jetzt hab ich es doch verraten...“





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