Kayla - Teil 2

Autor: MusicJunkie91
veröffentlicht am: 28.02.2013


Nick machte sich Sorgen um seine Tochter. Sie lag seit Tagen bloß auf ihrem Bett, aß wenig und ging exzessiv laufen. Das war nicht nur ungesund, es wies auch darauf hin, dass etwas nicht stimmte. Er wusste nicht, wie er es aus ihr rausquetschen sollte, da sie nicht sprach.
An diesem Tag rechte es ihm nun.
Er rief bei Scott an.
Es dauerte sehr lange, bis er ranging. Seine Stimme klang erstaunt.
„Kayla? Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so schnell bei mir meldest.“
„Hier ist Nick, nicht Kayla. Was hast du mit ihr gemacht?“
„Nichts! Nick! Ich kann doch nichts dafür!“
„Was ist passiert, Scott?“
„Fiona. Ich. Keine Ahnung! Kayla hat mir so viele Dinge an den Kopf geworfen! Woher soll ich denn wissen, was sie für mich empfindet?“
Seine Stimme zitterte.
„Ich rede mit ihr. Wenn sie auf meine SMS antwortet, wenn sie sich ein wenig beruhigt hat. Es tut mir leid, Nick.“
Scott legte auf. Nick legte sein Gesicht in seine Hände und seufzte schwer.

Kayla lief in den Wald. Aus ihren Kopfhörern dröhnte harte Deathmetal-Musik um ihre Gedanken zu übertönen. Sie konzentrierte sich nur auf ihre Schritte. Doch nach einigen Kilometern war der Akku von ihrem iPod leer und sofort traten wieder die Bilder vor ihre Augen, wie Scott Fiona in seinen Armen hielt und nicht sie.
Ihre Beine gaben plötzlich nach, sie sank auf den Boden. Sie begann am ganzen Körper zu zittern und ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Mit einem leisen Schrei beugte sie sich vornüber, schlang ihre Arme um ihre Brust.
Warum tat es so weh?
Warum?
Ihr Atem ging hastig und eine erste, vorwitzige Träne stahl sich aus ihren Augen. Das löste eine wahre Sturzflut aus und zum ersten Mal seit dem Augenblick als sie die beiden sah, weinte sie. Sie weinte so lange, bis ihr Hals weh tat und ihre Augen brannten. Doch selbst dann schaffte sie es nicht aufzuhören. Die Tränen liefen und liefen und sie konnte nichts dagegen tun.

Sie fühlte sich schwach.
Seit wann weinte sie denn bitte? Sie war nicht der Typ dafür! Egal, was geschah, sie blieb kalt. Warum ausgerechnet jetzt? In dieser Situation?
Fiona hatte ihre Schwärmereien immer als solche abgestempelt. Aber anscheinend war es doch mehr gewesen.
Nachdem ihre Tränen endlich versiegt waren, stand sie auf und setzte ihren Lauf fort.

Es war spät, als sie nach Hause kam. Ihr Vater saß im Wohnzimmer.
„Kayla, komm mal bitte“, sagte er ernst.
Sie schlich zu ihm und blieb mit vor der Brust verschränkten Armen in der Tür stehen.
„Was gibt´s?“
Kurz war er überrascht, da sie ihm antwortete, doch dann fing er sich wieder.
„Warum gehst du nicht mehr in die Schule?“
„Tu ich d-“
„Lüg mich nicht an, Kayla! Die Schule hat bei mir angerufen und nach dir gefragt! Scheiße, so geht es nicht weiter. Du benimmst dich wie ein Zombie und das gefällt mir nicht. Es ist beinahe schlimmer als damals.“
Betroffen senkte sie ihren Blick.
„Es tut mir leid, Pa.“
„Morgen fahre ich dich hin“, erwiderte er, „Geh ins Bett.“
Sie nickte, ging schweigend in ihr Zimmer und machte sich auf ihrem Bett lang, ohne zu duschen oder noch etwas zu essen. Wozu auch?

Am nächsten Tag weckte ihr Vater sie zeitig und schob sie ins Bad. Nachdem sie geduscht und angezogen war, ging sie zu ihm in die Küche.
„Iss dein Müsli, dann fahren wir“, sagte er leise aber bestimmt.
Kayla seufzte und schüttelte den Kopf.
„Ich hab keinen Hunger. Lass uns gleich fahren.“
„Da ich dich nicht zwingen kann...“
Er reichte Kayla noch eine Dose mit einem Brot und ging dann mit ihr zum Auto.

Die Fahrt verlief schweigend. An der Schule stieg sie aus, verabschiedete sich nicht einmal und lief direkt ins Gebäude.
Nick sah ihr einen Moment hinterher, ehe sein Blick auf die Schüler fiel, die gerade den Bus verließen und in der Menge Scott und Fiona erkannte – händchenhaltend. Jetzt verstand er zwei Dinge. Zunächst Scotts Gestammel vom Vortag, aber auch Kayla. Natürlich hatte er mitbekommen, dass sie in Scott verliebt war. Kayla und Fiona waren nie wirklich leise gewesen, wenn sie über so etwas gesprochen hatten. Nachdem er ihnen noch einen Moment hinterher geschaut hatte, fuhr er davon.

Kayla schloss sich auf der Toilette ein und holte tief Luft. Sie wollte ihre ehemals besten Freunde nicht sehen. Warum nur hatte sie all ihre Kurse mit ihm gemeinsam gewählt?
Die Antwort war eigentlich nicht schwer: Sie hatten daran geglaubt, für immer Freunde zu bleiben. Doch das war jetzt vorbei. Selbst wenn sie es noch gewollt hätte, wäre es schon allein wegen dem, was sie ihm alles an den Kopf geworfen hatte nicht mehr möglich. Aber sie wollte nicht mit ihm in einem Raum sitzen... Sie wollte nicht wieder in Tränen ausbrechen – vor seinen Augen.
Erst nachdem es geklingelt hatte, betrat sie die Klasse. Schweigend ließ sie sich auf ihren Platz sinken. Dem Platz neben Scott. Dieser schon ein paar Sekunden später einen Zettel zu ihr.
Es tut mir leid stand dort in seiner ungelenken Schrift. Kayla ignorierte ihn einfach, schlug ihre Unterlagen auf, sah zum Lehrer und tat so, als würde sie dem Unterricht folgen.

Die Stunde verging quälend langsam. Sie bekam kein Wort des Lehrers mit, obwohl es tatsächlich den Anschein hatte, dass sie an seinen Lippen hing.
Niemand bemerkte, dass ihre Hände in einem weg zitterten.
Niemand bemerkte die Tränen, die ihr ab und an über die Wangen rannen, die sie jedes Mal hastig wegwischte.
Niemand außer Scott.

Ihm gefiel es nicht seine beste Freundin so zu sehen. Ganz und gar nicht. Ihre Freundschaft war ihm immer so viel wert gewesen und er wusste, es lag nur an ihr, dass er ein wenig Selbstbewusstsein erlangt hatte in den letzten Jahren. Als sie sich kennengelernt hatten, war er ein kleiner dicker Junge gewesen, schüchtern, hatte sich nicht getraut, auch nur jemanden anzuschauen. Er war von seinen Klassenkameraden schikaniert worden, weil er mal in einem Heim gelebt hatte. Seine Eltern waren kurz nach seiner Geburt gestorben. Nach seinem sechsten Geburtstag hatten ihn Gideon und Jane adoptiert, zwei wundervolle Menschen, die ihm alles gegeben hatten, was er gebraucht hatte, vor allem Liebe.
Und er hatte Kayla kennengelernt.
Schon damals war sie unfassbar sportlich gewesen, hatte die besten Sportnoten gehabt und bei den Bundesjugendspielen abgeräumt. Sie hatte ihn fasziniert.
Es war ein Tag im Oktober gewesen, an dem sie sich angefreundet hatten. Mal wieder hatten ihn die Jungs aus seiner Klasse geärgert – die Mütze abgezogen, sein Pausenbrot auf den Boden geworfen, seine Hefte zerrissen, was Jungs in dem Alter eben so taten. Wie ein Häufchen Elend hatte er auf dem Schulhof in einer Ecke gehockt, geweint, hatte versucht seine Hausaufgaben notdürftig zusammenzuflicken.
Da hatte sie plötzlich vor ihm gestanden, die Hände in die Hüfte gestemmt. Damals hatte sie noch lange Haare gehabt, die wie bei einer Kriegsgöttin im Wind geweht hatten.
„Wer war das?“, hatte sie ihn mit einer Stimme gefragt, die ihn sofort Respekt einflößte.
Hastig nannte er ihr die Namen und sie nickte nur.
„Dachte ich mir schon.“
Und verschwunden war sie. Scott war noch verwirrt von dieser Begegnung, als er auf einmal einen Schrei hörte. Hastig sprang er auf und lief in diese Richtung. Zu seinem Erstaunen erblickte er Kayla, wie sie die beiden Jungs, die ihm das angetan hatten, vermöbelte.
„Lasst ihn doch einfach in Ruhe!“, rief sie dabei wütend und unterließ ihre Gewalttätigkeit erst, nachdem sie von einem Lehrer weggezogen wurde.
Am nächsten Tag schlichen die beiden an ihm vorbei, ohne ihn auch noch anzuschauen und noch einen Tag später nahm Scott all seinen Mut zusammen, ging in der Pause zu Kayla und tippte sie an. Sie wandte sich um zu und verlegen hielt er ihr eine Blume hin, die er auf dem Schulweg für seine Retterin gepflückt hatte. Sie grinste und umarmte ihn einfach.
„Dich mag ich!“

Laut schrillte die Klingel durch die Klasse und Scott schreckte aus seinen Gedanken hoch. Hastig drehte er sich in die Richtung in der er Kayla vermutete, wollte mit ihr sprechen, doch er sah nur noch ihren Fuß aus der Tür verschwinden.
Fiona bemerkte diesen Blick und wurde auf der Stelle eifersüchtig. Was hatte dieses Weib nur an sich? Sie war sowieso überrascht gewesen, dass Scott ihren Kuss erwidert hatte, eigentlich war sie immer der Meinung gewesen, er hätte Gefühle für Kayla. Doch er hatte ihren Kuss erwidert! Also warum sah er ihr jetzt nach? Sie hatte ihn doch von ihr abgeschottet, immer irgendwelche Insider mit ihm gemacht, damit das Mädchen sich ausgeschlossen fühlte.
Also ging sie jetzt zu Scott, nahm seine Hand und flüsterte ganz dicht an seinem Ohr:
„Lass uns wohin, wo wir ungestört sind.“
Doch er warf ihr nur einen gequälten Blick zu, packte seine Sachen und rannte hinaus.
„Kayla!“

Kayla zuckte zusammen, als sie ihren Namen hörte. Was wollte Scott von ihr? Sie wollte nicht mit ihm sprechen! Nie wieder! Sie hasste... nein, sie hasste ihn nicht. Sie liebte ihn. Aber trotzdem. Es tat weh in seiner Nähe zu sein und sie hasste den Schmerz, den er ihr bereitete. Am liebsten wäre sie nie wieder in die Schule gegangen. Dumm nur, dass sie ihr Abi brauchte, um studieren zu können.
Lange schon träumte Kayla davon Sportlehrerin zu werden. Bald würde es wahr werden, die Eignungsprüfungen für die Uni waren bald. Sie und Scott hatten sich auch noch an den gleichen beworben. Hoffentlich bekam er woanders einen Platz. Sie betete darum.
Scott wollte ein Kunststudium einschlagen, finanziert von seinen Eltern. Manchmal war sie ein wenig eifersüchtig, dass er echt alles zugeschustert bekam, aber generell war es ja eigentlich egal. Ihr Vater tat auch, was er konnte.

Scott eilte ihr hinterher, doch sie war ihm zu schnell. Wäre er doch bloß auf all ihre Trainingsangebote eingegangen! Aber er hatte zu sehr an sich gezweifelt. Seine Angst nicht mit ihr mithalten zu können, war zu groß gewesen.
Aber dann sah er, wie sie stehenblieb. Ein Junge aus dem Fußballteam hielt sie auf. Kayla gestikulierte wild und lachte, doch selbst auf die Entfernung klang es falsch.
Endlich kam er atemlos bei ihr an.
„Kayla, lass uns reden, bitte!“
Sie sah ihn eiskalt an.
„Ich wüsste nicht worüber.“
Dann wandte sie sich wieder einem der Kerle zu.
„Also heute Abend dann? Ich hab Zeit. Was wollen wir machen?“
„Kino?“, schlug der Kerl vor.
„Liebend gern. Den einen Actionfilm würde ich gerne sehen. Vergessen wie er heißt.“
„Action klingt gut. Dann hol ich dich um acht ab.“
„Ja, gerne! Bis dann!“
Sie lächelte und tat dann etwas, was Scott die Sprache verschlug – und dem Kerl anscheinend auch.
Kayla schlang ihre Arme um den Fußballspieler und küsste ihn innig auf den Mund.





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