Haben Sie sonst noch Wünsche? - Teil 6

Autor: Valenzia
veröffentlicht am: 06.03.2013


Ein "Überbrückungsteil", der nächste wird glaub ich besser :o)
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Als Sascha fertig war, bat ihn Eva in eine der leeren Kabinen. Sie konnte auf dem Weg kaum an sich halten, und so fuhr sie ihn, kaum dass die Tür ins Schloss gefallen war, an: „Was sollte das denn gerade!?“
„Was meinst du?“, fragte er, als hätte er keine wirklich keine Ahnung.
„Na das mit der Frau vorhin. Wie konntest du mich so blamieren? Du weißt ganz genau, dass ich mit dem was ich gesagt habe, Recht hatte!“
Ihr anklagender Blick ließ ihn völlig kalt. Anstatt reumütig um Vergebung zu bitten, verschränkte er die Arme vor der Brust und fauchte zurück: „Du hast deine große Klappe nicht so aufzureißen, schon mal gar nicht gegenüber einem Gast! Wenn die Frau Make-up für ihr Kind will, dann hast du das verdammt noch mal auch zu machen! Spiel hier bloß nicht noch einmal den Moralapostel! Weißt du eigentlich, wie solche Unverschämtheiten mich als Abteilungsleiter dastehen lassen?“
„Und weißt du, wie sehr du mich gerade bloßgestellt hast?“, schnauzte Eva. Sie war kurz davor, dem Zweiten heute eine Ohrfeige zu geben. „Ein Team sollte zusammenhalten, aber du hast mich dargestellt, als wäre ich ein kleines Mädchen, das keine Ahnung hat! Du weißt genauso gut wie ich, dass Make-up nicht gut für Kinder ist, das lernt jeder in der Ausbildung. Warum, zum Teufel, hast du mich nicht unterstützt!?“
Sascha schaute sie mit einem undefinierbaren Blick an. „Du bringst mich echt auf die Palme. Verstehst du irgendwann, dass der Kunde hier König ist? Verstehst du irgendwann, dass es den Müttern scheissegal ist, was gut oder schlecht für die Haut ihrer beschissenen Kinder ist!? DU hast hier überhaupt nicht das Maul aufzureißen, DU hast hier überhaupt nichts zu sagen und DU hast hier nicht die Heilige zu spielen. Du machst einfach, was dir gesagt wird, und gehst mir nicht länger auf die Eier! Kapiert?!“
Das letzte Wort brüllte er beinahe. Eva zuckte wider guten Vorsatzes zusammen. Innerhalb der nächsten fünf Minuten wäre ihr bestimmt noch eine Erwiderung auf diese vulgäre Ansage eingefallen, aber Sascha ließ sie einfach stehen.

„Das Gespräch verlief wohl nicht nach Plan, was?“, fragte Joe später, als er Evas Gesichtsausdruck sah.
Sie schüttelte stumm den Kopf. Noch konnte sie nichts sagen, denn die Wut in ihr kochte zu sehr.
„Ich hab dich ja gewarnt, Kleine“, meinte Joe nur.

„Er ist so ein mieses, unhöfliches Kameradenschwein!“, stieß Eva hervor und rammte ihre Gabel in ein Stück Kartoffel. Während des Abendessens hatte sie Tara, Eliza und Tom ausführlich Saschas unausstehlichen Charakter geschildert und ihn mit dem Ereignis des Tages untermalt.
„Wow“, fand Tom zuerst die Worte wieder. „Scheint ein ziemlich übler Boss zu sein.“ Evas Erzählung hatte ihm allerdings nicht den Appetit verdorben, also mampfte er munter weiter Schnitzel und Kartoffeln.
Eliza, die von den dreien wohl die ernsteste und realistischste Natur hatte, sagte: „Eva, um ehrlich zu sein, ich muss Sascha recht geben. Du kannst so nur mit reichen Leuten umgehen, wenn du nicht gerade für sie arbeitest. Wir haben schon längst gelernt, dass Beschweren nichts hilft.“
Merkwürdig, dachte Eva mit einem Déjà-vu Gefühl. Das Gleiche hatte sie von Joe auch gehört. Waren hier alle gegen sie?
„Also ich sehe das anders“, ergriff Tara auch schon auf ihre irische Art Initiative für Eva. „Ich hätte dem Kerl auch die Meinung gesagt, vielleicht hätte er von mir sogar eine ordentliche Backpfeife gekriegt. So ein Blödmann!“
Dass Tara von einer Ohrfeige sprach brachte Evas Gedanken wieder auf die unschöne Begegnung mit ihrem alten Peiniger zurück.
„Sagt mal Leute“, sagte sie ohne allzu große Hoffnung. „Kennt ihr zufällig einen Passagier, der auf dem Schiff ist, namens Louis Adler?“
Kaum hatte sie die Frage ausgesprochen, schauten sich ihre drei Zimmergenossen vielsagend an.
„Sag bloß du…kennst ihn nicht“, ergriff Tom nach einer Weile das Wort.
„Äh, nein, und ehrlich gesagt habe ich gedacht, dass ihr auch noch nie was von ihm gehört habt.“
„Machst du Witze?“, rief Tara.
„Lebst du hinterm Mond?“, kam es ungläubig von Eliza.
„Scheinbar ja. Währt ihr so freundlich mich aufzuklären?“
Ihre drei Zimmergenossen schauten sich noch einen Moment stumm an, dann erklärte Eliza fast mitleidig: „Georg Johannes Adler, Louis Vater, ist Besitzer der größten Luxushotelkette ganz Deutschlands, ‚Hotel Adler‘. Schon mal gehört?“
Natürlich, wer nicht?
„Somit ist Louis momentan der Millionenerbe schlechthin. Und ein begehrter Junggeselle noch dazu. Er besetzt hier natürlich die Pemiumsuit.“
„Er ist aber auch wirklich zum Anbeißen“, stellte Tara romantisch fest.
Eva rasten einige Gedanken durch den Kopf. So weit hergeholt war Elizas Erzählung für sie nicht. Schon in der Grundschule hatte Louis Vater eine kleine Gaststätte besessen. Die war allerdings noch sehr weit entfernt von den Adler-Luxushotels, die es selbst mit den Luxuslinern dieser Welt aufnehmen konnten. Verdammt, dachte sie. Das gönne ich ihm mal gar nicht!
„Wenn ihr wüsstet…“, murmelte Eva leise, jedoch nicht leise genug.
„Was wissen?“
„Ja, was verschweigst du uns?“
„Sag schon!“
Da sie die Hellhörigkeit der drei gewaltig unterschätzt hatte, blieb Eva nichts anderes übrig, als die ganze Geschichte zu erzählen. Wie ihr Louis die vier Grundschuljahre zur Hölle gemacht hatte, sie von ihm schikaniert und am laufenden Band gedemütigt worden war und schließlich die Begegnung im Fahrstuhl. Letzteres fanden die anderen so amüsant, dass sie ein paar Minuten lang brauchten, um sich wieder einzukriegen.
„Also ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass du mal ein dickes, hässliches Kind gewesen bist“, prustete Tom frei von jedem Taktgefühl.
„Vielen Dank, das hilft mir sehr“, gab Eva bissig zurück.
„Tja, vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan“, sagte Tara, immer noch kichernd. Eliza, als Einzige einigermaßen ernst geblieben, konnte Evas Geschichte kaum fassen.
„Du warst echt mit diesem Kerl auf einer Grundschule?“
„In ein und derselben Klasse.“
„Wow, starkes Stück. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass so ein schöner Mensch so…schlecht sein kann.“
„Er hat ein Herz aus Eis“, versicherte die junge Frau.
„Ach komm schon, vielleicht hat er sich ja geändert“, versuchte Tom, die Wogen zu glätten. „Immerhin sind zwölf Jahre vergangen.“
Eva schnaubte. „Zwölf Jahre hin oder her, ich habe sofort gemerkt, dass er noch derselbe gemeine Blödmann ist wie früher!“
Tara bekam einen ganz versonnenen Gesichtsausdruck. „Ich steh auf Arschlöcher.“
Als sie Evas bösen Blick sah, biss sie sich entschuldigend auf die Unterlippe.

Wie der Volksmund so schön sagte: Neuer Tag, neues Glück. Allerdings fühlte sich Eva selbst nach dem ausgelassenen Frühstück mit ihren Kollegen noch genauso aufgewühlt wie am Tag zuvor.
„Beruhige dich, Mädchen“, murmelte sie zu sich selbst. „Dieses Schiff ist fast sechstausend Quadratmeter groß, es ist sehr unwahrscheinlich, dass du dem Kerl noch einmal begegnest.“
Bei der Arbeit vergaß sie sowieso alle Sorgen, also machte sie sich zuversichtlich auf den Weg.
Wie gewohnt empfing sie ein herrlicher Duft und ihre Lebensgeister regten sich wieder.
„Weißt du, wann wir heute ankommen?“, fragte sie Sascha, der gerade eine Fußmassage vorbereitete.
„Gegen Mittag“, war die knappe Antwort.
Aha.
„Und weißt du auch, wann wir dann wieder ablegen?“
„Nach vier Stunden.“
Eva merkte, wie Sascha langsam genervt wurde. Aber sie konnte es nicht lassen.
„Und wohin fahren wir dann?“
„Bahamas.“
„Und weißt du auch, wann wir dann-“
„Hast du nichts zu tun, Kind?!“, schnauzte Sascha dazwischen. „Wenn nicht, halt die Klappe und lass die Großen arbeiten.“
Sobald er gegangen war, konnte sich Eva ein Lachen nicht verkneifen. Sascha auf die Palme zu bringen war ein Vergnügen, nach dem es ihr gleich viel besser ging. Sie konnte sich zwar nicht erklären, was er von Anfang an gegen sie gehabt hatte, aber ihr sollte es recht sein. Wer so überheblich mit seinen Mitarbeitern umging, der sollte nicht mit Schwanzeinziehen rechnen.

Die Hauptstadt der Bermudas, in der das Schiff anlegte, war eine entzückende kleine Hafenstadt mit etwas mehr als eintausend Einwohnern. Eva konnte von ihrem Arbeitsplatz aus fast die Stadtgrenzen sehen, man konnte locker in einer Stunde von einem Ende zum anderen gelangen.
„Komm ja nicht auf die Idee, dich rauszuschleichen“, murrte Sascha. „Wir haben Arbeit hier.“
Das Idyll zerbarst vor Evas geistigem Auge, ihre Hoffnungen, diese wunderschöne Stadt von Nahem zu sehen, wurden zunichte gemacht.
„Du kannst mich ja anketten, um sicher zu gehen“, giftete sie zurück. Daraufhin tat Sascha etwas, was sie gar nicht erwartet hätte. Seine Gesichtszüge glätteten sich, wobei er schon viel besser aussah, und er sagte in entschuldigendem Tonfall: „Tut mir leid, so war das nicht gemeint, ich vertraue dir voll und ganz. Ich bin momentan nur etwas im Stress.“ Sprach’s und ließ sie einmal mehr völlig verwirrt stehen.
Ich werde aus seinem Verhalten nicht schlau, dachte Eva kopfschüttelnd.
Hatte er vielleicht über ihr Gespräch am Tag zuvor nachgedacht?

In der ersten Stunde, die die Passagiere in der Stadt verbrachten, geschah nichts Besonderes, die Gästezahl hielt sich relativ gering. Klar, wer verzichtete schon freiwillig auf die angenehm warme Luft Nordamerikas?
Erst am späten Nachmittag, als die meisten Passagiere wieder zurückkehrten, bekam Eva Arbeit. Eine Frau um die dreißig mit langen blonden Haaren und langen schwarzen Wimpern stand an der Rezeption und verlangte nach einem- bitte professionellen- Permanent Make-up.
„Heute Abend ist im Theater nämlich Tänzerauftritt, da muss man natürlich gut aussehen“, erklärte sie bedeutungsschwer und zeigte eine Reihe blendend weißer Zähne. Zu weiß, dachte Eva. Bestimmt gebleicht.
Gleichzeitig ging ihr durch den Kopf, dass an diesem Abend wohl Taras großer Auftritt war. Sie bedauerte, dass sie ihrer Zimmergenossin nicht zuschauen konnte.
Da die blonde Frau nicht allzu viele Hautverfärbungen oder Pickel hatte, war Eva relativ schnell fertig.
„Schön“, sagte sie zufrieden, als sie das ebenmäßige Gesicht ihrer Kundin betrachtete. „Jetzt ist Ihre Haut glatt wie ein Babyarsch.“
Einen Moment später wünschte sie sich einmal mehr, nicht immer alles auszusprechen, was sie dachte.
Die Blonde sah das wohl ebenso, denn sie schaute Eva ganz entgeistert an, worauf diese nur mit ihrem unschuldigsten Blick antworten konnte.

Aber bei diesem einen misslichen Ereignis blieb es an diesem Nachmittag nicht. Um sechs Uhr, als sich Eva gerade eine Pause vor dem Rezeptionstisch gönnte und über ihre verbale Ungeschicktheit nachdachte, öffnete sich die Eingangstür und kein Geringerer als Louis Adler trat ein.






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