Dämonisch bissige Liebe - Teil 11

Autor: Noa
veröffentlicht am: 16.02.2013


Kapitel 11 – Einsam

Nachdem die – in meinen Augen – kurze Zeit vorüber gegangen war, verabschiedete ich mich von Jaiden und kehrte nach Hause zurück. Gegen acht Uhr abends kam ich in unsere Wohnung zurück. Dort erwartete mich Jeffrey. Sofort begann ich zu seufzen.
»Und ich dachte wir hätten uns auf keine Bodyguards geeinigt«, bemerkte ich nebensächlich und stellte meine Tasche auf dem kuschligen Sofa ab, dessen Sitz mit Kissen bedeckt war. Mein Körper ließ sich auf den bequemen Untergrund fallen.
»Herr Anderson besteht auf eine Beobachtung von sechs bis neun Uhr«, sprach Jeffrey und bewegte sich keinen Zentimeter. Seine Stimme klang immer wie die eines Roboters, sobald er Befehle erhielt.
»Beobachtung? Du bleibst hoffentlich da stehen, oder?«
»Ja, Fräulein Anderson.«
Ich seufzte genervt. Jeff konnte wirklich manchmal schwer sein. Vater war überhaupt nicht da und er konnte die stramme Haltung lassen. Aber jedes Mal musste ich es ihm von neuem erklären.
»Jeff, lass die Schultern sinken, streck deine Brust nicht so raus und setz dich verdammt nochmal hin. Du weißt, dass ich es nicht ausstehen kann, wenn ich gemütlich sitze und du dich drei Stunden mit Stehen quälen musst. Dad ist nicht zu Hause, also relax.«
Er schwieg vorerst, wusste jedoch, dass ich auch manchmal wie mein Vater ungemütlich werden konnte. Also tat er was ich sagte, blies seine Luft aus seiner angespannten Brust und setzte sich neben mich. Dabei zog er die Sonnenbrille aus.
»Braver, Jeff!«, lobte ich ihn scherzend und klopfte ihm wie ein Hund auf die Schulter. »Möchtest du etwas trinken?«
Er schüttelte den Kopf. Bevor ich in die Küche lief, um mir etwas ins Glas einzuschütten, schaltete ich den riesigen Fernseher an – der eher wie eine Kinoleinwand wirkte. Jeff schnappte sich die Fernbedienung und regulierte die Lautstärke in einem gut hörbaren Ton.
»...das unsere Ermittlungen noch am Laufen sind.« Ich drehte meinen Kopf zum Fernseher. Der Nachrichtensprecher - dunkle Haaren weiße Haut, eng beieinander liegende, dunkle Augen, buschige Augenbrauen und stoppeligen Bart – begann das nächste Thema anzusprechen. »Danke Teresa. Nun kommen wir zur Politik. Pierre Lemuar, Cassandra Pecelin und Christian Mercel haben heute mit einigen ihrer Vertreter und Syntofos eine...«
Ich trat wieder ins Wohnzimmer und setzte mich auf meinen alten Platz.
»Jeff, was sind nochmal Syntofos? Was machen die genau?«, fragte ich und versuchte weiterhin mich auf die Worte des Sprechers zu konzentrieren.
»Dein Dad ist doch einer.«
»Weiß ich ja. Aber bei ihm hört sich alles so kompliziert an.«
Er seufzte und faltete die Hände ineinander. Die Haltung erinnerte mich an Jaidens übliche, lässige Haltung.
»Es sind eigentlich nur Begleiter der ganzen Regenten. Christian versteht sich sehr gut mit deinem Vater und er ist sozusagen ein Beistand für ihn. Es ist eine Ehre ein Syntofo zu sein.«
»Seltsamer Name. Klingt wie Tofu zum Essen«, nörgelte ich.
Jeff seufzte und schüttelte lächelnd den Kopf. »Es kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Begleiter.«
Ja, griechisch. Wir stammten vom Menschen ab. Das hieß der wiederum stammte vom Affen ab. Als der Meteorit eines Tages in die Totenwüste stürzte und somit den Planet völlig veränderte, wurden nur die Menschen davon betroffen. Wissenschaftler hatten versucht der Sache auf den Grund zu gehen, warum Menschen zu den Wesen wurden, die wir heute waren. Dämonen, Basilisken, Vampire, Harpyien, Werwölfe, Magier, Meermenschen und Drachen. Acht Wesen die bekannt sind. Aber es musste mehr geben. Sie hatten alle etwas gemeinsam. Es sind alles Tiere, die sich mit ihnen vermischt haben. Dämonen werden oft als böse Geister bezeichnet, dabei spielen sie gerne mit Feuer und besitzen Flügel. Ein Basilisk, auch die Schlange genannt, versteinert seine Feinde und kann sie durch einen kleinen Biss vergiften. Vampire stammen von den Vampirfledermäusen ab. Sie besitzen eine kalte Haut und trinken Blut. Harpyien kennt man aus dem menschlichen Mythos. Die Mischung aus einem Vogel und einem Menschen. Werwölfe sind Wesen die sich beliebig verwandeln können. Sie brauchen keinen Vollmond, sowie in all den Legenden. Magier waren allerdings etwas Besonderes. Der Meteorit hatte ihnen kein Tier verliehen, sondern ihre Menschlichkeit beibehalten, da der Mensch auch als Tier bezeichnet wurde, wurden nur ihnen die Kräfte überlassen. Als nächstes tauchten die Meermenschen auf. Halb Mensch, halb Fisch. So wie man es in all den Geschichten kannte. Aber ihr Unterkörper kann Beine, sowie auch Flossen besitzen. Dadurch war es ihnen erlaubt an Land gehen zu können und im Wasser zu schwimmen. Zuletzt kamen die Drachen. Uralte Wesen, die als Legende angesehen worden waren, wobei es nichts weiter als halb Mensch und halb Reptil war. Natürlich meinten viele Wissenschaftler, dass es mehr geben musste, als nur diese acht Arten. Aber man hatte nicht viel forschen können. Die Technologie kam durch den Wandel nicht mehr mit und selbst ein Vampir, der im Flugzeug in einem gekühlten Raum sitzen würde und durch die Wüste flöge, würde sterben. Die neuen Fähigkeiten hatten viele daran gehindert einige Orte zu betreten. Magier waren diejenigen, die ihre Menschlichkeit behalten hatten, aber auch sie hatten an einem ganz bestimmten Ort ihre Schwäche. Es war das Moorgebiet im Norden. Es erstreckte sich auf einer ganzen Insel und war nun der Wohnort einiger Harpyien und Basilisken. Das Gebiet entzog ihnen solange die Kraft, bis sie umfielen und im Moor versanken. Deshalb starb ein Phynekind sofort bei der Geburt, wenn die Mutter das Gegenteil vom Vater war. Ein Dämon könnte niemals gleichzeitig ein Vampir sein. Das wäre unmöglich. Genauso wenig durfte eine Meerjungfrau schwanger von einem Drachen sein. Das Kind wäre schon im Bauch tot. Hätte mein Vater mit einer Harpyie oder einem Basilisken geschlafen, gäbe es mich vermutlich nicht. Selbst wenn das Kind tot zur Welt käme, würde einer der Helfer im Krankenhaus sofort eine Todgeburt melden. Sie hätten den Phyne erkannt und die Regierung wüsste, dass das Paar eines der hohen Gesetze gebrochen hätte.
»...und so beschließt man ein Gesetz«, vollendete Jeff seine endlos lange Erklärung und ich hatte erneut nicht zugehört. Das geschah in letzter Zeit öfters. Jaiden hatte mich durch sein Dasein völlig aus dem Konzept gebracht.
»Ach so. Ja, das hatte ich mal gehört«, bestätigte ich und Jeff schaute mich misstrauisch an. Er mochte es nicht, wenn man ihm nicht zuhörte. Aber ich lächelte einfach gutgelaunt und schaute weiter fernsehen. Ich hatte nicht mehr weiter aufgepasst und vermutlich Dad in seiner Sitzung in Istrien verpasst.
»Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend!«, beendete der Nachrichtensprecher seine Arbeit und die Werbung wurde eingeschaltet. Ich seufzte.
Jeff schaute auf seine Uhr und stand auf. »Noch einen schönen Abend, Jolina.«
Ich nickte, sah wie er in den Fahrstuhl stieg und hinunter fuhr. Er ging bestimmt zu seiner Familie. Ob er selbst schon Kinder hatte? Jedenfalls fühlte ich mich ziemlich allein in dieser riesigen Etage. Ohne Dad war es ein schwarzes Loch voller Stille und Dunkelheit. Sobald ich das Licht ausmachte, verzog ich mich in mein Zimmer und legte mich schlafen.

Am nächsten Morgen besuchte ich die Schule. Dabei huschte mein Blick in der Pause erneut über den Pausenhof. Ich suchte Jaiden. Doch ein weiteres Mal ließ er sich nicht blicken. Ob er wieder schwänzte?
»Jetzt mal ehrlich. Gab es Stress daheim? Was beschäftigt dich denn so sehr in letzter Zeit?«, fragte Julia genervt.
Ich schweifte meinen Blick von ihr ab und schaute mir die anderen Magier an. Ihr Leben war so unglaublich ... einfach.
Julia stampfte auf den Boden und ballte wütend die Fäuste. »Sag schon.«
Erschrocken fixierte ich mich an ihren glühenden Augen und zitterte selbst bei dem noch nie dagewesen Anblick. Ich wusste, dass Julia ein wenig temperamentvoll sein konnte, aber so wütend hatte ich sie wegen mir noch nicht erlebt.
»Ja, Dad ist doch weg«, gab ich rasch eine Antwort und umklammerte nervös das Geländer hinter mir. Zu meinem Glück lockerten sich Julias Kiefermuskeln und ihre Fäuste entfalteten sich.
»Du bist jetzt ganz allein?«
Ich nickte zögernd und dachte an Jeff. Nach der Schule blieben mir nur drei Stunden mit Jeff, danach war ich allein. Auch wenn ich gern Gesellschaft hätte, würde ich ihn lieber nach Hause schicken. Bodyguards taten mir Leid, da sie den ganzen Tag stehen mussten. Zumindest die Bodyguards, die in unserer Wohnung arbeiteten. Zwar gab ihnen die langweilige Schicht einen guten Lohn, aber der Beruf konnte auch risikoreich sein.
Nach der Schule verabschiedete ich mich von Julia und lief zum Bahnhof. Ich musste mich zwingen an meiner Haltestelle auszusteigen. Ich wusste nicht was mich zu Jaiden zog. Aber mit einer einfachen Erklärung, redete ich mir meine Neugierde ein. Mich neckte es zu wissen, was als nächstes geschah.
Zuhause schaute ich fernsehen. Dennoch gab es nichts Neues über meinen Vater und ich knipste den Bildschirm aus.
Jeff stand noch an der Tür und blickte wie eine Statur geradeaus. Wie konnte er das bloß über mehrere Stunden lang? An was dachte er dabei? Mussten einem nicht irgendwann die Gedanken ausgehen? Ich seufzte.
»Jeff, du kannst ruhig nach Hause gehen«, kündigte ich ihm an, aber schüttelte nur den Kopf. »Ich weiß, Befehl ist Befehl, aber ich gehe doch sowieso schlafen. Du brauchst dir als keine Gedanken zu machen. Mir passiert nichts. Mein Dad vertraut mir nun mal nicht.«
Ein undeutliches Lächeln stahl sich auf seine Lippen. »Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Abend, Jolina.« Er verschwand im Fahrstuhl und fuhr hinunter. Ich seufzte erneut. Jeff war nicht wirklich die Plaudertasche, aber er sorgte dafür dass ich die letzten Stunden nach der Schule nicht mit Einsamkeit verbrachte.
Gerade als ich mich ins Bett legte um zu schlafen, vibrierte mein Handy kurz. Ich schaute auf den Bildschirm: Eine neue Nachricht. Ich öffnete sie und las darin. Die Nummer war nicht gespeichert.

Tja, Jolina. Ich schreibe dir, weil dein Plan schon überprüft worden war. Ich hatte ihn per Fax einschicken lassen. Das ging schneller. Jedenfalls bekamst du einen Stundeplan. Du musst allerdings drei Mal die Woche vorbeikommen. Ich schätze trotzdem, dass es kein Problem für dich sein wird. Folgendes: Wir treffen uns morgen, wie das letzte Mal, am Bahnhof. Warte an der ersten Bank auf mich, damit dich die Leute das nächste Mal nicht herumschubsen.

P.S. Verzeih mir. Ich hatte mir heimliche deine Nummer gespeichert, als du ohnmächtig im Zimmer lagst. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen. Sieh es positiv! Jetzt hast du meine.

Jaiden

Der Name versetzte mir einen Stich ins Herz. Es begann aufgeregt aufzuspringen und flatterte. Mir wurde ganz warm und ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Die Nummer war sofort in meinem Telefonbuch. Wieso hatten wir nicht vorher die Nummern getauscht? Aber trotzdem freute es mich, das er an mich sofort gedacht hatte und das noch am späten Abend.
Ich las erneut die Zeile, aufmerksam und angespannt. Das hieß nun, dass ich zur Organisation gehörte. Ich fühlte mich plötzlich etwas schuldig, als ob ich etwas Falsches täte. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich mir zum ersten Mal Hilfe holte, – allein – ohne dass mein Vater davon wusste. Es gab mir das Gefühl selbstständig geworden zu sein. Zwar gefiele meinem Dad die Idee nicht, das ich nun einer illegalen Organisation angehörte, aber was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.

Die Schule kam mir wie eine Ewigkeit vor. Aber das tat sie immer, wenn man mit dem Gedanken ganz woanders war und das Gefühl fliehen zu wollen, einen kitzelte. Ich überlegte mir schon strategische Vorgänge. Allerdings gab es so viele Wege. Möglichkeit eins: Ich werde nach der achten Stunde zu meinen Schrank gehen, mir die Tasche nehmen und verschwinden.
Möglichkeit zwei: Nach der letzten Stunde verlasse ich die Klasse, wobei ich vermutlich von meiner besten Freundin Julia begleitet werde und mir eine sinnvolle Ausrede ausdenke.
Möglichkeit drei: Ich warte bis alle Schüler die Klasse verlassen haben, vergewissere mich dass auch der Lehrer verschwand und schleiche mich unbemerkt aus der Schule.
Möglichkeit vier - die vermutlich unwahrscheinlichste von all meinen bisherigen Gedanken: Jaiden begegnet mir im Flur und ich verlasse mit ihm die Schule gemeinsam.
Auch wenn mir Möglichkeit vier am Leichtesten erscheint, trete diese am unwahrscheinlichsten auf. Ich seufzte.
Aber es sollte völlig anders kommen. Julia lief neben mir her, als meine Lehrerin nach mir rief. Frau Backes.
»Jolina!«, rief sie mir mit einem ernsten Tonfall zu und ich blieb seufzend stehen. Alles bloß das nicht! »Kommst du mal bitte?« Ich blickte hilfesuchend zu Julia, die jedoch nur ratlos die Schultern hob und mich anlächelte.
»Bis Morgen!«, rief sie und verschwand aus der Klasse.
Genervt drehte ich mich zu Frau Backes und setzte mich wieder auf den Platz. Ungeduldig begutachtete ich die Armbanduhr an meinem Handgelenk.
»Ich habe gestern die Tests fertig bekommen und ich war sehr schockiert über deine Arbeit.«
Ich zuckte zusammen. So viel zu den Thema verbessern. Ich stützte unbeteiligt meinen Kopf durch den Arm und gähnte.
»Na sagen Sie schon! Ich weiß, dass ich keine gute Schülerin bin.«
Sie starrte mich eine Zeit lang an. Ihr Blick wirkte vorerst noch ernst und undurchdringlich, aber als sie ihre Kiefermuskeln lockerten, wurde ihre Mimik auch positiver. Sie lächelte sogar.
»Du bist die Klassenbeste.«
Schockiert erhob ich mich von meinem Stuhl und behielt meine Hände auf dem Tisch. Mein Mund klappte auf und ich versuchte gerade ihre Worte zu verarbeiten. Was? Wirklich? Ich gab zu, dass ich gelernt hatte, aber das war nicht allzu viel. Nur machte mir das Lernen zum ersten Mal richtig Spaß. Warum wusste ich selbst nicht.
»Welche Note habe ich denn?«, vergewisserte ich mich zuerst. Die Klasse könnte auch alle Vieren und Fünfen haben. Dabei könnte ich die beste Vier sein.
»Eine Eins mit hundert Prozent.«
Wenn mein Mund nicht schon aufgeklappt wäre, hätte ich es ein zweites Mal getan. Dabei rissen jedoch meine Augen vor Erstaunen auf. Ich hatte also alles richtig gehabt? Ich? Die Versagerin aus der Klasse? So unglaublich der Moment auch sein mochte, ich musste los!
»Morgen teile ich euch all die Tests aus. Es freut mich, dass es anscheinend mit dir Berg auf geht, Jolina. Ich wusste schon die ganze Zeit, dass du eigentlich ein sehr intelligentes Mädchen bist.«
Sie schlang ihre Tasche um ihre Schultern und verschwand aus der Klasse. Ich sah ihr noch immer mit geöffnetem Mund nach. Ich konnte es nicht fassen. Mein Dad würde so stolz auf mich sein, wenn er außer Vieren und Fünfen endlich eine Eins sähe. Ich freute mich schon auf seine Rückkehr. Es würde ihm den Tag versüßen und wenn Dad glücklich war, dann war ich es auch.
Gerade als ich aus der Tür gehen wollte, sah ich Jaiden an mir vorbeilaufen. Er drehte sich zu mir um. Mit einem Lächeln begrüßte er mich.
»Was für ein Zufall. Komm, beeil dich, sonst verpassen wir den Zug.«
Meine Beine entwurzelten sich erst nach wenigen Sekunden und konnten mit Jaidens schnellen Schritten mithalten.






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