Everything Will Be Alright - Teil 2

Autor: Schokoholic
veröffentlicht am: 10.12.2012


Kapitel 1 - Grün



Der Tod kann etwas schreckliches und zugleich auch schönes sein. Wenn man einen geliebten Menschen verliert, einen Verwandten, einen guten Freund oder seine große Liebe, fühlt es sich an, als würde es einem das Herz rausreißen, es einmal durchkneten und dann blutend wieder zurücklegen. Doch wenn man alt und gebrechlich ist, ein schönes Leben hatte und Personen vermisst, die im Jenseits auf einen warten, kann der Tod durchaus schön sein. Er kann befreiend sein, jemanden von seinem Elend erlösen. Er kann einen in ein tiefes Loch stürzen und dort gefangen halten, bis man selbst von ihm geholt wird. Und er kann unerwartet kommen oder geplant werden.
Am schlimmsten ist es, wenn man selbst Schuld an dem Tod eines geliebten Menschen ist.

Als Malia wieder die Augen öffnete, war es ganz still. Die Erde wackelte nicht mehr. Es ertönten keine Schreie mehr und auch das Heulen irgendwelcher Sirenen war verklungen. Sie blinzelte ein paar mal, damit sich ihr Blick klärte. Es war dunkel, aber ihre Augen gewöhnten sich schnell daran.
Sie lag in einem kleinen Raum auf einem Bett, das einerseits alt und schäbig aussah und gleichzeitig auch gemütlich und vertraut. Niemand außer ihr war zu sehen und auch sonst war der Raum eher spärlich möbeliert. Das Bett auf dem sie lag war aus dunklem Holz ebenso, wie der Schreibtisch neben ihr und der große Kleiderschrank auf der anderen Seite des Zimmers. Der Raum sah unbewohnt aus. Nirgendswo lagen Sachen verteilt. Alles war fein säuberlich aufgestabelt, selbst ihre Klamotten lagen gewaschen und gebügelt auf einem Stuhl.
Langsam richtete Malia sich auf. Sie war sich nicht sicher, was sie tun sollte. Schreien? Weglaufen? Fliehen? Oder einfach gar nichts?
Mit einem mal prasselten die Erinnerungen wieder auf sie ein. Dunkelheit. Braune Augen. Lautes Geschrei. Ein starker Arm. Ein großer Felsbrocken. CHLOE!
Malias Pupillen weiteten sich und alles spielte sich vor ihrem innerem Auge noch einmal ab. Sie kniff sie zusammen, um das Bild loszuwerden, schlug die Hände vor das Gesicht und schüttelte den Kopf. \"Das muss alles nur ein böser Traum sein.\", betete sie sich immer wieder wie ein Gebet vor.
Das Klacken der aufgehenden Tür riss sie aus ihren Gedanken und lies sie ruckartig herumfahren. Es war niemand zu sehen. Nur eine Schüssel mit dampfender Suppe und ein kleiner Briefumschlag auf dem mit fein säuberlicher Schrift ihr Name geschrieben war, standen auf dem Boden. Sollte sie dieses Angebot annehmen?
Wie als ein Zeichen knurrte ihr Magen genau in dem Moment, als ihr der Duft in ihre Nase stieg.
Sie wusste nicht, wie lang sie schon hier in diesem Raum gelegen haben musss. Es könnten Tage gewesen sein oder auch nur wenige Stunden.
Sie stand auf und ging barfuß zu der Tür. Auf dem Flur war nichts zu sehen. Auch hier sah es dunkel und unbewohnt aus. Es brannte kein Licht und sie konnte das Ende des Flures nur erahnen. Alles war ruhig und doch hatte sie das unangenehme Gefühl beobachtet zu werden.
Sie nahm sich die Suppe, denn das Hungergefühl war mittlerweile unerträglich, lies den Brief aber liegen. Malia wollte gar nicht erst wissen, was der Typ ihr zu sagen hatte. Sie wollte gar nichts mehr wisse, wollte sich in ihr Bett verkriechen und weinen, aber ihre Augen fühlten sich trocken und geschwollen an, der Hals kratzte und richtig Kraft hatte sie trotz des Schlafes auch nicht. Es fühlte sich an, als hätte sie bereits tagelang geweint, nur konnte sich daran nicht mehr erinnern. Vielleicht sollte sie die Suppe einfach stehen lassen und elendig verhungern. Ohne Chloe hatte ihr Leben eh keinen Sinn mehr.
Wie hatte der Typ Malia mitnehmen und Chloe da lassen können? Mechanisch begann sie die Suppe in sich hineinzuschaufeln und starrte die ganze Zeit auf einen Punkt an der weißen Wand.
Jetzt war sie eine Gefangene. Gefangen in ihrem Inneren, in ihren Gefühlen, in einem schwarzen Loch. Und gefangen in einem dunklen Zimmer, von einem jungen Mann, den sie nicht mal kannte und der Schuld war, dass sie nicht mehr bei Chloe war.
Malia verspührte unglaubliche Wut. Und Trauer, war aber zu schwach um etwas dagegen zu unternehemen.
Wie sollte es jetzt nur weitergehen?

Es fühlte sich an wie Stunden, doch in wirklichkeit waren es nur Minuten gewesen, in denen sie ohne Sinn im Zimmer auf und ab gegangen war.
Malia konnte nicht für immer hier bleiben, gefangen in einem dunklen Haus mit dunklen Räumen, von einem Jungen, der sich nicht zu erkennen gab. Das war ihr klar. Vielleicht sollte sie nach Hinweisen suchen, wo sie war, wer mit ihr hier war. Vorerst würde ihr auch reichen zu wissen wie spät es ist, welches Datum oder einfach nur ob es draußen hell oder dunkel war.
Sie ging zu dem Schreibtisch und setzte sich auf den Stuhl davor. Die Lampe, die von der Decke baumelte, spendete nur wenig Licht, aber genug, um zu erkennen, dass auf der Tischplatte viele Nummern eingeritzt waren, die für Malia keinen Sinn ergaben. Sie standen schräg, sahen aus wie mit einer unsauberen Handschrift schnell hingekritzelt. Manche waren größer als andere, standen weit auseinander oder nah beieinander. Links unter der Platte war eine kleine Schublade angebracht, die aber verschlossen war. So nutzte diese ihr nichts, denn der Schlüssel war nirgends zu sehen. Wieso auch? Wer ist so doof und lässt den Schlüssel für jeden offensichtich neben dem Schloss liegen?
Frustiert stand sie wieder auf und ging zu dem Schrank. Es war ein alter Holzschrank, der im ersten Moment auch verschlossen schien, aber es stellte sich heraus, dass die Türen einfach nur klemmten. Es knatschte, als sie sie öffnete und lies Malia fluchen. Die ganze Zeit hatte sie versucht keine Geräusche von sich zu geben, um ihren Entführer nicht auf sie aufmerksam zu machen. Im Schrank hangen ein Damenmantel, ein wunderschönes grünes Kleid und ein schwarzer Anzug. Viel mehr war nicht zu erkennen, außer dass die Kleidungsstücke nicht unbedingt der heutigen Mode entsprachen. Vielmehr sahen sie aus wie aus einer anderen Zeit.
Malia griff nach dem Kleid und hielt es an ihren Körper. Dann betrachtete sie sich in dem an der Schranktür angebrachten Spiegel. Es sah aus, als würde es ihr passen. Die Ärmel waren mittellang und in einem etwas helleren grün, als der Rest. Das Dekoletté war weit ausgeschnitten und Malia war sich sicher, dass die Person, die das Kleid getragen hatte dadurch sofort einen größeren Busen bekam. An den Rändern des Ausschnitts waren, genauso wie an den Ärmeln, ein wenig Spitze eingenäht und gaben dem Kleid so die nötigen Details, da es sonst obenrum eher schlicht gehalten war. Bis zur Taille hinab lag es duch das Korsett eng an, doch dann weitete es sich nach außen, so wie bei den Kleidern mit Reifrock aus der Barockzeit, nur nicht ganz so extrem. Der Rock bestand aus zwei Stoffschichten, ein dunkelgrüner Unterrock und ein etwas durchsichtiger oberer Teil aus Seide mit dem gleichen Rüschenmuster, welches auch am Dekoletté angebracht worden war.
Alles in allem, war das Kleid echt schön und harmonierte perfekt zu ihren langen roten Haaren. Malia stellte sich vor, wie sie in dem Kleid und Locken eine breite Mamortreppe hinabging. Unten stand ein Junge, mit braunen Haaren in dem Anzug aus dem Schrank und wartete nur auf sie. Bei dem Gedanken musste sie lächeln.
Irritiert schüttelte sie den Kopf. Diese Vorstellung war absurd. Den Kopf schüttelnd hängte sie es zurück und schloss die Türen wieder.
Nichts in diesem Raum gab ihr Hinweise auf ihre Fragen. Das einzige was sie jetzt noch tun konnte, war sich einen Weg durch den dunklen Flur nach draußen zu suchen.






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