Let It Snow - A Christmas Story - Teil 13

Autor: Caro
veröffentlicht am: 20.12.2012


Ben hatte Recht, mir standen alle Türen offen, doch ich wollte einfach nicht. Nicht so. Nicht mit Ben als Professor und ganz besonders nicht, wenn ich seinen Job riskiere.
Als ich wieder oben ankam, setzte ich mich wieder auf meinen Sessel und starrte den Fernseher an.
Das Telefon klingelte, doch es interessierte mich nicht. Der Anrufer legte auf. Es war bestimmt Ben. Doch die Aktion mit der offnen Türe wirkte eher, als wäre jetzt ich dran mit drauf zugehen.
Das Telefon klingelte zum 5. Mal. Jetzt wurde mir erst mal richtig bewusst, wie nervig dieses Geräusch war. Beim 6. Mal, stand ich auf, schlurfte rüber zum Hörer und fragte genervt „WAS?“, hinein. Eine unsichere Frau am anderen Ende entschuldigte sich für die Störung.
„St. Marcus Hospital, Madison?“, fragte sie trotzdem nett.
„Ja, wie kann ich ihnen helfen?“, fragte ich. Als ich das Wort Hospital hörte, schnürte sich bei mir alles zu. Ich bekam nur noch flach Luft und unruhige klopfte mein Herz. Einmal lag mein Dad im Krankenhaus und ich hatte so Angst um ihn, obwohl es nur eine Trombose war. Die Wurzel lag tiefer in meiner Vergangenheit. Als ich 7 Jahre alt war, spielte ich grade hier unten im Village auf einer großen Einfahrt, wo meine Freunde und ich uns immer trafen. Wir spielten Football und ich rannte mit dem Football einmal quer rüber zur anderen Seite, wollte den Ball grade hinschmeißen und schreien, als mir jemand zu vor kam. Ich hörte meinen Bruder, Nick, schreien und drehte mich ängstlich um. Ja, ich hatte einen Bruder. Betonung lag auf hatte. Er war grade 9 geworden. Er Auto war um die Ecke gerast, obwohl an dieser Stelle nur die Anwohner fuhren. Das Auto hatte meinen Bruder mitgerissen und 20 Meter mitgeschleift und halb überrollt. Nick wurde mit einem angebrochenen Genick ins Krankenhaus geliefert. Er fiel ins Koma und unser Leben brach langsam auseinander. Wochenlang saßen wir an Betten, haben ihm dabei zugesehen, wie er Stück für Stück aus diesem Leben wich. Irgendwann war er nur doch ein Hauch in meinen Armen. An meinem 8. Geburtstag starb er. Von da an war alles anders. Ich bekam alles was ich wollte, nur keine Liebe, dazu waren meine Eltern glaube ich nicht mehr fähig. Als die Frau mir am Telefon was erzählte, rannen mir die Tränen herunter. Nicht, weil meine Mum grade ins Krankenhaus eingeliefert wurde, und auch nicht, weil sie immer noch bewusstlos war, nein. Es war, weil alles wieder hoch kam.
Ich sagte der Frau, dass ich so schnell wie es geht kommen würde. Eine klaren Kopf bewahren, konnte ich noch nie. Deshalb war ich diesmal so schlau und ging zu Fuß zum Krankenhaus. Wäre ich gefahren, wäre ich gerast, was bei den Witterungsbedingungen nicht von Vorteil war.
Meine Füße trugen mich fast rennend über den von Schnee bedeckten Asphalt. Seit tagen schneite es durch. Der Schnee lag starr da. Die Hausbesitzer hatten es aufgegeben die Bürgersteige frei zu räumen, da der Schnee immer wieder jeden Zentimeter füllte. Einmal rutschte ich weg, riss meine Hose auf. Ich wusste nicht, wie viel Uhr es war. Ich wusste nur, dass es nach 11 seien musste. Es war dunkel und komische Geräusche drangen aus den Seitenstraßen, doch dafür hatte ich keine Aufmerksamkeit übrig. Atemlos kam ich im Krankenhaus an. Eine gelangweilte Schwester saß am Schalter der Notaufnahme und blätterte in der neue GQ. Ach ja, mein Artikel war Gestern raus gekommen. Das hatte ich ganz vergessen.
„Hallo, ich würde gerne meine Mutter sehen, sie wurde eben eingeliefert“, sagte ich hechelnd und tippte gegen die Scheibe. Ich sagte ihr meinen Nachnamen und sie führte mich zu einem Zimmer.
„Miss, kann ich da etwas für sie tun?“, fragte sie mich. Erst wusste ich nicht, was sie meinte, doch dann zeigte sie auf mein Bein. Meine Hose war nicht einfach nur eingerissen, sie war Blut getränkt.
Die Schwester schleppte mich in einen Behandlungsraum und legte mir einen Verband an.
Alles war stumpf. Meine Wahrnehmung war wie ein Tunnel. Ich sah die Schwester an meinem Bein rumfummeln, aber da war auch schon alles, was ich sehen konnte. Ich sah kein Zimmer, keine Lampen, keine Poster mit Skeletten und auch keine Fenster.
Nach ein paar Minuten durfte ich wieder zu meiner Mutter. Sie war immer noch bewusstlos und ich setzte mich stumm neben sie. Sie roch nach Jod und Blut. Die Krankenschwester sagte mir, dass sie auf er Arbeit zusammen gebrochen wäre und immer noch nicht wieder bei Bewusstsein war.
Sie reit mir nach hause zu gehen, doch ich wusste nicht mehr, wie ich gekommen war.
„Der wie viele ist heute und wie viel Uhr haben wir?“, fragte ich.
„Der 21 und es ist halb 5“, sagte sie. Halb 5. Ich war seit 3 Stunden hier. Ich hatte 2 ½ Stunden hier her gebraucht. Das konnte nicht sein, oder doch? Ich war blind gerannt.
„Bitte, gehen sie nach hause, sie in in guten Händen“, bat mich die Helferin.
„Ich kann jemanden für sie anrufen“, sagte sie und schaute mich erwartungsvoll an.
„Rufen sie da an“, sagte ich und reichte ihr blind ein Blatt was in meiner Jackentasche lag. Es war instinktiv, ich wusste nicht, wessen Nummer es war. Meine Mutter zuckte mit den Augen, wachte jedoch nicht auf. Das monotone Geräusch des Herzapperaten machte mich fertig. Ich stand auf, küsste sie auf die Stirn und setzte mich ins Wartezimmer. So viel Krankenhaus auf einmal hielt ich einfach nicht aus. Der gelbe Boden schien immer greller zu werden und die weißen Wände immer kälter, als ich Gummi Sohlen auf dem Boden quietschen hörte. Ich schaute zu Ben auf.
Besorgt sah er zu mir runter und setzte sich dann neben mich. Er sagte nichts, legte nur einen Arm um mich und ich lehnte mich an ihn an. Das es seine Nummer war, wusste ich nicht, jedoch muss es das Richtige gewesen sein. Das die Ruhe mir gut tuen würde, hätte ich nicht gedacht, doch vielleicht ist es ein Unterschied alleine von Ruhe umgeben rumzusitzen oder zu zweit. Irgendwann standen wir auf. Ben bat die Arzthelferin sie anzurufen, wenn was seien sollte. Als er sprach, schaute ich das zweite mal zu ihm hoch. Tiefe Augenringe hingen unter seinen Augen und seine Haare waren zerzaust. Er nahm meine Hand und führte mich zum Ausgang. Sein Auto stand ein Stück weiter weg und wir gingen ein paar Schritte durch den Schnee. Die Kälte kam ganz schnell auf, ganz plötzlich stach sie mich und mich einem Krampf stolperte ich. Die Arzthelferin hatte mir mein Hosenbein abgeschnitten, daran hatte ich nicht mehr gedacht. Ben fing mich auf und trug mich bis zum Auto. Er setzte mich kurz vorher ab und half mir ins Auto. Dann ging er zur Fahrertüre. Durch die Windschutzscheibe konnte ich sehen, wie er sich durch die Haare und durchs Gesicht strich. Ohne mich hätte er den ganzen Mist nicht an der Backe. Hätte nie so viel Stress und müsste nicht Morgens um 5 ins Krankenhaus fahren. Einen kleinen Moment wartete er ab, bis er losfuhr. Vorher schaute er mich an. Ein paar Sekunden später schaute ich zurück.
„Willst du reden?“, fragte er und legte seine Hand auf meine.
Ich schüttelte nur den Kopf, drehte mich von ihm weg und drückte meinen Kopf in den Autositz. Eigentlich wollte ich nicht wieder weinen, doch ich hatte keine Kraft mehr um gegen die Tränen anzukämpfen.
Ich war so schwach und undankbar. Ben machte sich den ganzen Stress und ich ließ ihn nicht mals teilhaben an meinen Problemen. Ich wusste nicht, was ich mit mir anfangen sollte, ich war ganz alleine. Gleich würde ich wieder in der stillen, leeren Wohnung sitzen und alleine sein.
Doch Ben bog nicht in mein Straße ein. Ich hatte vor aufzuschauen, doch das schaffte ich nicht. An der Hand führte er mich hoch in sein Bett, machte alles bereit, sagte mir gute Nacht und „Schlaf dich aus“, strich mir über den Arm. „Wenn was ist, ich liege im Wohnzimmer, du bist nicht alleine“, sagte er und verschwand im dunklen Flur. Mit nassen Augen schlief ich irgendwann ein.





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