Verfallen - Teil 2

Autor: Anny
veröffentlicht am: 05.10.2012


Was bei uns gelaufen ist? Das wüsste ich auch gerne…
Ich stieg aus der Dusche und wischte den beschlagenen Spiegel ab und föhnte mir meine mittellangen dunkelbraunen Haare trocken. Sie wellen sich von Natur aus ein wenig, also glättete ich sie noch kurz und schlürfte immer noch müde zurück in mein Zimmer. Ich suchte mir eine schwarze Jeggins aus dem Kleiderschrank und weißes Top heraus und zog es an. Darüber trug ich eine pinke Cardigan und schlüpfte in meine rosa Lacoste Sneaker. Danach legte ich mir noch mein Lederarmband und eine Kette um, die einen Rechenschieber als Anhänger hat. Ich mag diese Kette, nicht weil ich Mathe liebe und gerne rechne, nein, sie stellt für mich ein ganz anderes Symbol dar. Der Rechenschieber zeigt, dass sich die Kugeln, die mein Leben symbolisieren, immer in die Richtung bewegen, wie ich es drehe, wie ich es bestimme. Ich bestimme mein Leben selber und niemand anderes. „Julie!“ rief meine Mutter von unten. Ich rollte genervt mit den Augen und rief „Ja ich komme doch!“ zurück. Ich versuchte so zuckersüß wie möglich zu klingen, da ich mir sonst wieder eine Standpauke anhören dürfte, ich sollte mein arrogantes Gehabe ablegen. Ich persönliche finde ja nicht dass ich arrogant klinge oder mich so verhalte, aber jedem das seine. Ich schnappte mir meine Tasche und ging die Treppe herunter. „Da bist du ja endlich, ihr verpasst noch den Bus.“ Meckerte meine Mutter, wie so ziemlich jeden Tag. Dieser morgendliche Stress hat mir in den Ferien definitiv nicht gefehlt. Mit ‚ihr‘ meint sie übrigens meinen kleinen Bruder und mich. Mein Bruder ist so ziemlich das nervigste und penetranteste Kind überhaupt. Er ist im Sommer 10 Jahre alt geworden und ist eine Memme, Mimose, Weichei oder was auch immer. Er ist sehr klein, dünn, ja fast dürr und hat Angst vor allem und jeden, aber große Klappe kann er auch haben, aber eben nur vor mir. So kommt jedes Mal eins zum anderen und ich schreie ihn voll, meiner Mutter kommt dazu und ich bin die Schuldige, typisch eben. Seit diesem Schuljahr geht er auf die gleiche Schule wie ich, da mein Gymnasium zwei Hauptgebäude besitzt, die aber zwei Straßen auseinander sind. Er geht also auf die ‚kleine‘ Schule und ich auf die andere. Ich packte mein Frühstück ein, da ich zuhause sowieso nie etwas esse und verließ zusammen mit meinem Bruder das Haus. Wir mussten nicht weit zum Bus laufen und im nächsten Moment vibrierte auch schon mein Handy, Dan. >Morgen Süße. :*< Ich rollte mit den Augen, steckte mein Handy weg und bog um die Ecke. Meine Freundinnen, die ein Jahr jünger als ich waren, strahlten mich schon an. „Heeeey!“ rief Laura und stürmte auf mich zu, um mich zu umarmen. Danach begrüßte ich Emy mit einer dicken Umarmung, wie plapperten munter drauf los und erzählten alles im Schnelldurchlauf, denn unser Bus kam schon um die Ecke gebraust. „Hm toll, der dicke böse Busfahrer.“ Hörte ich eine Stimme hinter mir brummen. Das war Lina, sie war ständig zu spät und hatte nie ihre Busfahrkarte mit und versuchte sich mit Ausreden und Lächeln durch zu schnorren. Nicht das sie kein Geld hatte, ihre Eltern hatten sogar eine eigene Firma, aber sie war einfach so vergesslich und ließ ihr Zeug überall liegen und dann war es weg. Die Busfahrertypen kannte sie schon auswendig. Wir stiegen alle in den Bus und ich sah schon eine meiner besten Freundinnen, Sophie. Sie wohnte ein paar Orte entfernt von mir und saß immer schon im Bus, also hatte ich immer einen Sitzplatz. Ich liebte die morgendlichen Busgespräche mit ihr, Hauptthemen waren immer der neuste Klatsch und Tratsch, hässliche Menschen an den Busstationen und Dan. Ich erzählte ihr alles was in den Ferien abgelaufen ist und zeigte ihr Dan’s SMS. „Arsch.“ Kam es aus ihr heraus. Ja ich wusste, dass er ein Arsch ist, aber was sollte ich machen? Sollte ich ihm sagen, dass ich in ihn verliebt war? Ich wusste nicht einmal, ob ich es war oder nicht. Es war einfach alles so kompliziert… „Ja ich weiß.“ Sagte ich nüchtern und schaute nach unten. „Mal ganz ehrlich, der Typ weiß doch nicht was er will! Ich meine, er lullt dich jedes Mal aufs Neue ein.“ Stellte sie fest. Ich wusste wie Recht sie hatte… ich musste die ganze Sache endlich klären.
Was geschah:
Zwischen Dan und mir gibt es immer wieder Momente, wo ich nicht weiß, was mit uns los ist. Momente, wo ich nicht weiß, ob wir Freunde sind oder ob wir mehr sind. Momente, wo ich denke er empfindet vielleicht etwas für mich. Aber es gibt auch immer Momente, wo er mich anruft, um mir zu erzählen er hat mit irgendeiner billigen Kuh im Auto geschlafen oder er steht wieder auf seine Ex. Ich meine, was will er in solchen Momenten von mir hören? ‚Gut gemacht!‘ oder ‚Geil und ist sie hübsch‘, ‚Herzlichen Glückwunsch‘? Aber am liebsten würde ich sagen, hey du ich glaube ich liebe dich und ich bin viel besser als deine Vanessas, Sarahs, Lisas und wie sie nicht alle heißen.
Anfang der Sommerferien war ich mit meiner besten Freundin Nina auf einer Strandparty bei uns im Nachbarort, von dieser Sorte gab es insgesamt 5 Stück mit verschiedenen Mottos. Wir waren schon voller Vorfreude und wollten mal wieder so richtig feiern, den Schulstress vergessen und die ganze Nacht durchtanzen. Als wir bezahlt hatten traf ich sofort auf Dan. Er umarmte mich ausgiebig und sagte Nina kurz Hallo, die beiden können sich nicht unbedingt leiden. Also ehr Nina kann ihn nicht leiden, da ich ihr wegen ihm immer die Ohren voll heule. Irgendwie war er total merkwürdig drauf, er wich mir nicht von der Seite und schleifte mich quer durch die Anlage. Als wir an einem Tisch standen und unseren Wodka-E tranken spürte ich auf einmal, wie er dicht hinter mir stand und seine Arme mich umschlungen. Ich wusste nicht so ganz was ich denken soll, aber es gefiel mir. Nina und ich wollten tanzen gehen und ich ließ Dan mit seinen Kumpels alleine. Ich beobachtete ihn aus dem Augenwinkel von der Tanzfläche aus. Er redete ständig mit so einem Mädchen, dies gefiel mir natürlich gar nicht. Irgendwann gingen die beiden dann zusammen raus. Ich dachte mir ‚Geil.‘ Meine Laune wurde schlagartig schlechter und ich hatte absolut keine Lust mehr auf den ganzen Abend. Ach was ich noch vergessen hatte, als ich noch zuhause war und mich fertig machte, schrieb er mir noch, wie sehr er sich auf mich freut und dann mit irgend so einer Alten rausgehen, ist klar. „Kommst du mit auf Toilette?“ fragte mich Nina. Ich nickte und wir gingen ebenfalls raus. Ich wartete vor den Toiletten auf Nina und sah Dan mit diesem Mädchen etwas weiter bei den Bäumen stehen. Was habe ich mir eigentlich vorgemacht, als ich glaube zwischen uns könnte etwas laufen? Ich war so naiv. Wir gingen wieder rein zu den anderen. Als ich so durch die Menschenmassen schaute, sah ich viele Gesichter. Bekannte, Fremde, Freunde. Ausdrucksstarke, Betrunkene, Wunderschöne, Glückliche, Tanzende, aber auch Traurige, Verzweifelte, Hoffnungslose. Auch ich konnte meine Emotionen nicht mehr verstecken, elendig lang unterdrückte ich meine Tränen schon. Tränen für diesen einen besonderen Menschen. Langsam kam ich wieder zur Besinnung und wollte weiter gehen, da stand Dan auch schon wieder vor mir. Ich rollte mit den Augen und wollte schnell an ihm vorbei gehen, aber er hielt mich am Handgelenk fest und sagte „Alles okay? Was ist los?“. „Es reicht Dan, es reicht wirklich.“ Sagte ich klagend. Er verstand nicht wirklich und fragte erneut. Ich antwortete nur mit einem zickigen „Ist okay, weißte!“ und riss mich los. Den restlichen Abend ignorierte ich ihn komplett, er war ständig um mich herum und sah mich an, aber ich tat so als ob ich nichts bemerken würde. „War doch wieder klar.“ Sagte Nina neben mir. Ich quälte mir ein Lächeln hervor und musste mir meine Tränen wieder verkneifen. Mittlerweile war es schon um 3.00 Uhr, aber unser Shuttle würde eh erst um 4.50Uhr fahren, also beschlossen wir noch einen zutrinken. „Auf den größten Arsch der Welt!“ sagte Nina und ich musste tatsächlich ein wenig lachen. Trotzdem erkannte sie, dass es mich immer noch mitnahm, ich weiß nicht wie oft ich sie schon nachts angerufen hatte, nur wegen Dan. Danach gingen wir wieder ins Zelt zurück, ich machte gerade einmal einen Schritt hinein und Links neben mir stand er auch schon wieder. Er packte mich an der Hüfte und sah mich eindringlich an. Gott, wie ich seine Augen liebte. „Erzähl jetzt, was ist los.“ Sagte er bestimmend. Ich versuchte seinem Blick und seiner Aufforderung auszuweichen. „Ich hatte weder etwas mit ihr noch mit irgendeiner anderen heute Abend.“ Sagte er dann wissend. Hatte er nicht? Kam mir aber ganz anders vor. „Wenn du meinst.“ Sagte ich nur bockig und sah nach unten, es war gar nicht meine Art, Leuten nicht in die Augen zu schauen, aber ich wollte nicht, dass er weiß, dass ich geweint habe. „Hey Süße, wer erzählt so etwas denn?“ fragte er mich und er klang liebevoll, als ob er sich ernsthaft Sorgen machen würde, was ich denke. „Naja ein Freund von mir hat gemeint, sie hätte mit jedem mal was.“ Antwortete ich leise. Er zog mich noch näher an sich und drückt meinen Kopf an seine Brust. Es war ein Wahnsinnig gutes Gefühl. Ich fühlte mich vollkommen und sicher, geborgen. „Du Doofe!“ sagte er dann und lächelte mich an. „Man, du bist so ein Blödmann, weißte das!“ lachte ich dann und klopfte gegen seine Brust. Er hielt mich immer noch fest an der Hüfte und strahlte mich einfach nur an. Es war so perfekt, scheinbar. „Wollen wir raus?“ fragte Dan mich dann, ich nickte und er nahm meine Hand. Wie süß ich uns fand, ich schwebte schon auf Wolke 7, doch es sollte noch besser kommen. Nina war auch gerade draußen und unterhielt sich mit einer Freundin von uns. Dan setzte sich auf eine kleine Mauer und hob mich auf seinen Schoß, umschloss meinen Körper mit seinen muskulösen Armen und streichelte meine Hände. Ich hätte in die Luft springen können vor Freude! Endlich, endlich hat er es verstanden. Nina sah uns grinsend an und setzte sich mit Sophie neben uns. Sie grinste mich die ganze Zeit an, aber ich wusste nicht wie ich mein Glück in Worte fassen sollte. Es war einfach nur schön, so in seinen Armen und seine Wärme zu spüren, seine Wange an meiner. Der Moment schien perfekt. Etwas später brachte ich Dan noch zum Shuttle und ich wollte gerade gehen, da zog er mich noch einmal an sich. Unsere Gesichter waren sich so nah und seine dunklen Augen wurden vom Vollmond angestrahlt. Im nächsten Augenblick kam irgendein Betrunkener und leuchtete uns mit seinem Handy an. In dem Moment bekam ich Angst, das konnte doch nicht wahr sein, ich wache bestimmt gleich auf. Ich war total verwirrt, warum wusste ich auch nicht. Wahrscheinlich kannte ich Dan zu gut um mich komplett auf ihn einzulassen. Ich erklärte ihm, dass ich schnell zurück zur Party musste, da es Nina nicht gut ginge. Ich musste das alles erst einmal auf mich wirken lassen. Er sah sichtlich enttäuscht aus und umarmte mich lange, dann ging ich zurück. Zurück in die Dunkelheit, den Weg zurück. Den langen Weg zurück, zurück in die Wirklichkeit. Ein paar Tage später schrieb Dan mir eine Sms, dass er am Dienstag nicht vorbei kommt, da Laura, eine seiner Ex-Freundinnen, vorbei kommt, die beiden sind fast wieder zusammen. Ach übrigens sie schläft auch bei ihm. Ich dachte mir nur ‚Nicht im Ernst!‘ Das konnte doch nicht wahr sein, warum tut er so etwas. Immer und immer wieder. Ich wollte ihm so viel sagen, so viel, aber das einzige was mir darauf einfiel war ‚Wie süß, ich freu mich so für dich!‘ Noch nie hat sich eine Lüge so schlecht angefühlt, noch nie haben mich Worte so verletzt. Es war wieder einmal so ein Moment zwischen mir und Dan, ein Moment wo ich denke, dass es funkt und am nächsten Tag kommt die bittere Wahrheit und er erzählt mir, er hat mit der und der geschlafen. Aber das mit Laura… es traf mich mitten ins Herz. Mein Herz sprang in tausende kleine Scherben, es funktionierte noch, aber es lebte nicht mehr. Genau wie ich, ich funktionierte, tat was gesagt wurde, gab keine Wiederworte, Emotionen waren zu Fremdwörtern geworden. Ich funktionierte, aber leben? Etwas ist in dem Moment in mir gestorben.

Vielen Dank für eure Kommentare, ich glaube dieser Teil ist nicht sonderlich ausdrucksstark, aber ich musst erstmal ein Grundgerüst basteln, worauf ich aufbauen kann ;) Trotzdem viel Spaß beim Lesen ;) Anny





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