Flucht auf zwei Wheels - Teil 2

Autor: MyownFairytale
veröffentlicht am: 21.09.2012


'Das
macht 3.50 Euro !'
Nervös
krame ich in meinem Portemonnaie herum. Das Geld fühlt sich warm an, meine
Hände zittern immer noch. Langsam drücke ich dem Busfahrer das Geld
in die Hand 'Bitteschön.'Unsicher
gehe ich auf die letzte Sitzbank des Busses zu.Rechts
sitzt ein Mann, ich denke mal ein Franzose, wegen seiner sehr
speziellen Mütze.Er
telefoniert, und scheint gestresst zu sein, sein Gesicht ist faltig
und sehr blass.Seine
Augen fixieren eine Frau, die auch mit ihrem Van vor der Roten Ampel
steht.Plötzlich
schaut er auf, 'Excusez-moi? Vous
savez quelle heure il est?'verwirrt
starre ich ihn an. 'Sorry.', antworte ich stotternd und merke gleich
wie mein Gesicht rot anläuft. Enttäuscht wendet er sich ab und
starrt weiter aus dem Fenster. Ich nehme Platz und suche in meinem
Rucksack nach einem kleinem Büchlein, indem die Adresse meiner Oma
steht.>Bayswater
2<.Sie hat einen wunderschönen Garten, mit (Apfel-)Rosen und
vielen weiteren duftenden und schön anzusehenden Pflanzen. Ich war
früher oft da, Oma strahlt immer so viel Ruhe aus, ich fühle mich
geborgen bei ihr. Sie ist ein sehr herzlicher Mensch, wie eine zweite
Mutter für mich.Mama
hat mich an den Wochenenden bei ihr gelassen, wir sind zusammen nach
Parkersburg an den Ohio River gefahren und haben dort die Angler
beobachtet, wie sie da saßen in ihren kleinen Booten, geduldig und
wachsam. Kleine Wellen spielen über den Fluss, und das Anglerbötchen
schaukelt hin und her. Doch nichts lässt den Angler aus seiner Ruhe
bringen. Ich weiß nicht wieso, aber gerade das bewundere ich an
diesen Menschen so sehr. Als würde es kein Morgen geben, nur diesen
einen Moment, Sie haben nur ein Ziel, und darauf konzentrieren sie
sich stundenlang, nichts würde sie aus ihrer Fassung bringen. Und
genau diese Aura strahlt auch meine Oma aus.Oft hatte sie mir
Geschichten über die Indianerstämme, den Irokesen erzählt. Schon
als kleines Kind war ich begeistert, mit welcher Spannung sie diese
erzählte. Dabei drückte sie mir immer eines ihrer selbstgemachten
Salami-Sandwiches in die Hand und lächelte mich mit ihrem warmen
'ich hab dich lieb'-Lächeln an. Kurz: Ich bin ein Oma Fan!Ein
lautes Rums reißt mich aus meinen Gedanken. Nachdenklich schaue ich
durch den Bus, der Franzose muss etwas fallen gelassen haben, denn
jetzt sitzt er auf dem Boden des Fahrzeuges und wuselt unter den
Sitzbänken umher. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Doch
leider sieht er das, und schnaubt fassungslos irgendwelche Wortfetzen
wie 'méchant' und 'Les
jeunes d'aujourd'hui, comment les comprendre, hein?'Durch
meine eher wenige Teilnahme am Französischunterricht konnte ich nur
so etwas wie frech, und die Jungend von heute verstehen. Fest
entschlossen strecke ich ihm die Zunge heraus, was ihn natürlich
noch mehr verärgerte. Ich blicke auf die Anzeige der nächsten
Haltestelle und muss feststellen, das ich raus muss.Schnell
drücke ich Stopp. Es hat angefangen zu regnen, der Himmel ist grau,
und die Luft ist hier viel kälter als in Seattle. Normalerweise
müsste es bei uns viel kälter sein, wo es doch so oft regnet.Und
da steht er auch schon, der kleine rote Fiat-Panda meiner Oma. Ich
liebe dieses Auto, er passt einfach perfekt zu ihr. Ich flitze durch
den Nieselregen und öffne die Tür des Wagens, 'Sami mach schnell,
du wirst ja noch krank, zuhause habe ich schon einen Tee gekocht, wie
geht es dir liebes?', ich lasse mich auf den Beifahrersitz plumpsen
und grinse sie an. 'Hallo Oma, mir geht es eigentlich ganz gut, ich
muss dich nachher ein paar Sachen fragen!Oma
drückt mir einen sanften Kuss auf die Wange und fährt los, ihre
Lippen formen sich zu einem Lächeln, zu dem Lächeln das ich bei
Mama so oft vermisst habe. 'Es ist doch nichts schlimmes passiert
oder?' Sie schaut konzentriert und mit zusammengekniffenen Augen auf
die Straße, ihr Griff um das Lenkrad verstärkt sich und ich sehe
wie ihre Adern an den Händen leicht hervorkommen. 'Nein, aber ich
möchte wissen, was mit Paps passiert ist!' Ich sehe wie sich ihr
Kiefer anspannt. 'Schätzchen ich weiß nicht, ob das so eine gute
Idee ist, ich will nicht das du-' ich schaue sie flehend an. 'Ich
weiß ihr wollt alle nicht, das ich am Ende enttäuscht bin, schon
klar, aber ich habe nie die Gelegenheit gehabt mich von ihm zu
verabschieden, dann habe ich doch ein Recht darauf, zu erfahren was
mit ihm passiert ist, du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich die
Geschichte von Mama einfach so hinnehme, dass er wegen eines
Banküberfalls ums Leben gekommen ist? Oma das kann ich mir einfach
nicht vorstellen, das wäre doch auch in den Medien gewesen! Bitte
..' Sie schaut mich traurig an.'Sam, hast du nicht schon mal darüber
nachgedacht, dass deine Mutter ihre Gründe hat, weshalb sie es dir
nicht erzählen will, sie möchte dich schützen!' 'Wie meinst du
das, sie möchte mich schützen?' Oma macht eine Vollbremsung und ich
falle in den Sitz zurück. 'Entschuldige-,ich glaube es ist besser,
wenn wir später darüber reden. Lass uns erst einmal zu hause
ankommen!' Enttäuscht schaue ich auf die Laternen, wie eine nach der
anderen angeht und ein grelles Licht auf die Straßen und Gärten der
Häuser wirft. Im Flur duftet es schon nach frisch gebackenen
Keksen. Müde schleppe ich mich die Treppen hoch und lasse mich auf
das Besucherbett fallen. Ich starre gedankenverloren auf meinen
Rucksack. Oma bringt mir eine Tasse warmen Reubuschtee ans Bett. Sie
streicht mir vorsichtig über den Kopf und beginnt eine Melodie zu
summen, es hört sich an wie >you're the inspiration< von
Chicago, ein sehr schönes Lied. Ich schaue Oma in ihre kleinen,
müden Augen und merke wie meine Lieder immer schwerer werden. Ich
hoffe das Zee mich eines Tages verstehen wird, er fehlt mir schon
sehr..
Am nächsten Morgen wartet ein leckeres Frühstück auf mich, Oma
arbeitet draußen im Garten.. Schnell trinke ich den letzten Schluck
Kakao, schlüpfe in meine Gummistiefel und helfe ihr beim Unkraut
jäten. In den letzten Tagen muss ich immer wieder an Zees Blick
denken, eigentlich bin ich so sauer auf mich selbst, weil ich ihn im
Stich gelassen habe, dass ich mich dafür am liebsten ohrfeigen
würde, aber das bringt mich auch nicht weiter. Jeden Abend schaue
ich auf mein Handydisplay, in der Hoffnung er hat sich noch gemeldet.
Sein freches Grinsen, seine braunen beruhigenden Augen, und vor allem
seine lässige Art fehlen mir. Er ist immer für mich da gewesen. Er
hat sich immer große Mühe gegeben , mir ein gutes Vorbild zu sein.
Auch als ich dachte ich würde gegen den Rest der Welt kämpfen, als
ich dachte es geht nicht mehr weiter, er blieb ruhig und nahm mich in
den Arm, ich habe sogar noch seine Worte im Kopf.'Hey Sam, bleib
ruhig, die Phase vergeht wieder ! Du solltest wieder zur Schule
gehen- denk doch an deine Mutter. Sie will eines Tages auf dich stolz
sein können, ich weiß du hast es, wenn ich das sage. Und denk dran
ich stehe immer hinter dir!' Wenn ich jetzt darüber nachdenke, waren das genau die Worte die mich
stark gemacht haben.Wie schafft dieser Junge das?
Ich vermisse ihn so sehr.
Oft male ich mir aus, wie er reagiert hätte, wenn ich ihn darum gebeten
hätte mit zu kommen,mich
nach Ohio zu begleiten.

Das Skaten wird immer sein Traum sein,
es wird noch viele andere Wettbewerbe geben, wieso will Zee dann
ausgerechnet diesen Contest gewinnen? Wir haben nie über den Preis
gesprochen, er tat immer so desinteressiert an dem Geld, als wenn es
ihm nur darum gehen würde, den anderen zu zeigen was er kann. Als
wenn er keinen besonderen Zukunftswunsch hätte. Hätte er seinen
Traum wirklich für mich aufgegeben? Enttäuscht zupfe ich ein
Kleeblatt aus der noch feuchten Erde. Nein, er hätte seinen Traum
nicht für mich aufgegeben. Schon früher hat er mir versucht zu
verklickern, das mein Paps tot ist, damit ich mit dem Thema
abschließe und es endlich hinter mir lasse. Aber ich will es einfach
nicht wahr haben!Bei Oma habe ich das Gefühl, sie hält ihn für
einen Schwerverbrecher und will mich aus dem Grund vor ihm schützen.
Nur wie lange soll das noch so weitergehen? Irgendwann wird es zu
spät sein, dann werde ich vielleicht keine Chance mehr haben ihn zu
finden. Es ist wie in einem Labyrinth, ständig stoße ich auf
verschlossene Türen, rätselhafte Geheimnisse und in die
irreführende Wege, die mich immer weiter von meinem Ziel abbringen.
Am liebsten würde ich umkehren, mit meinem besten Freund den Contest
gewinnen und sein zufriedenes Lächeln genießen.Einfach mein Leben
so weiterleben wie vorher..
Mein Handy klingelt, schnell springe
ich auf und renne in das Besucherzimmer,
mein Herz pocht mir bis in den Hals,
total aufgeregt durchsuche ich meine Tasche,
enttäuscht blicke ich auf den Display,
meine Ma', oh nein. 'Ja?', frage ich auffällig genervt.
Aber ich höre nur ein kurzes rascheln,
dann bricht die Verbindung ab und das war' s.
Perplex starre ich auf mein Handy, was
war das? Es klingelt erneut.
'Sam-?' … 'Mom?' … es knistert in
der Leitung. 'Ich bin gleich bei dir, da-'
die Verbindung bricht wieder ab,
ungeduldig starre ich auf die Uhr, halb 11.
Wieso kommt Mama?
Ungläubig laufe ich zu Oma, 'Omi?
Weißt du was davon, dass Mama vorbei kommen will?'
Sie sieht mich mit großen Augen an,
'Um Himmels Willen! Das Haus sieht
schrecklich aus, und ich habe keinen
Kuchen gebacken, wieso will Doreen denn
jetzt gerade vorbei schauen? Die Hütte
sieht schlimm aus!'
Ich muss lachen. 'Oma, das einzige was
dir einfällt ist, das dein Haus unordentlich
ist, was nicht der Fall ist und das du
keinen Kuchen da hast? Ich denke so wie sich Mama
angehört hat, will sie ganz bestimmt
keinen Kuchen frühstücken!'

Jetzt komm ich helfe dir bei dem
restlichen Unkraut und dann gehen wir rein,
Marmelade machen, ich denke darüber
wird sie sich am meisten freuen.'
Oma lächelt mich dankbar an und
geht dann wieder in den Garten.
'Ach Sam, du könntest kurz reingehen
und Körner holen, ich habe die
Spatzen noch nicht gefüttert!'
Ich nicke und schlurfe langsam den
steinigen Weg entlang.
Mit dem Beutel Körner setze ich mich
auf einen glatten Stein und
pfiff eine Melodie die mir gerade so in
den Gedanken herumschwirrte.
Leise verteilte ich die einzelnen
Körner auf dem Boden, da kamen auch schon
die ersten Spatzen. Immer wieder fragte
ich mich, wie es wohl sein muss, so ein Federkleid zu tragen. Es
fühlt sich so unwahrscheinlich weich an, die bunten Farben die in
jeder einzelnen Feder stecken, wie sie sich aufbauschen wenn das
kleine Tier sich wohl fühlt oder wenn es imponiert.
Ich wäre gerne so ein zartes Geschöpf
des Himmels und der Lüfte. Dieses Gefühl von Freiheit, und Macht,
Macht über den Wind, der dich trägt wo hin du willst und das nur
mit ein paar Flügelschlägen..es muss sich magisch anfühlen..
Mein Handy vibriert-
Eine Nachricht von Zee: 'Ok, es war ein
Fehler dich gehen zu lassen, Sam ich weiß
ich habe dir versprochen für dich da
zu sein und irgendwie, ach ich weiß auch nicht
was in mich gefahren ist, hoffe wir
sind noch Freunde..
Meld dich doch mal, Zee :*





Omas Stimme lässt mich hochschrecken.
'Sami komm rein, Doreen ist soeben
angekommen, sei so lieb und bring die Erdbeeren mit herein, damit wir
die Marmelade machen können, Schätzchen.'
Ich muss aufkeuchen, meine Mama sieht
komplett anders aus, wenn sie mich nicht mit ihrem besorgten
Mutterblick angeschaut hätte, dann wäre ich glatt an ihr vorbei
gelaufen.
Verwirrt schaue ich ihr in die Augen,
'Mama?' Sie seufzt und lässt sich auf einen Stuhl am Esstisch
fallen, ihre Hände sind am Schwitzen und ihre Schminke ist komplett
verwischt, ihre Haare sind in einem ganz anderen Farbton, er geht
schon leicht ins rötliche, dabei ist Mama immer blond gewesen, und
anstatt dem Kurzhaarschnitt trägt sie ihre Haare schulterlang, ihre
Augenfarbe hat von grün zu blau-grau gewechselt und ihr Style ist
nicht mehr wieder zu erkennen. Fassungslos starre ich sie an. ''Hast
du Kontaktlinsen getragen?'', lache ich und muss mir ein prusten
Verkneifen.
Das alles kommt mir ja doch sehr chinesisch vor.
'Sam, ich halte das nicht mehr aus,
dieses ständige Lügen, ich bin es satt eine Frau vorzugeben die ich
nicht bin, Schätzchen, setzt dich am besten, es wird nicht einfach
für dich sein, zu verstehen und zu verarbeiten was ich dir jetzt
versuche zu erklären..'
Ich sehe meine Oma fragend an, doch sie
nickt mir nur schweigend zu, mein lächeln gefror.
Mir ist auf einmal ganz schwindelig.
Meine Ma versucht mir ernsthaft zu verklickern, dass sie nicht der
Mensch ist, den sie seid 16 Jahren vorgegeben hat zu sein.
Ich versuche mich hinzusetzen und meine
Emotionen hinter einen gespielten Lächeln zu verbergen. 'Oma, lass
es raus, du bist Paris Hilton und ich werde die Prinzessin von
Genovien.' Ich tanzte trotz des Schwindelgefühls quer durch den
Raum. Meine Oma und meine angebliche Mutter sahen sich verwirrt an.
Dann legte Oma ihre Hand auf die Stirn und murmelte etwas vor sich
hin. 'Engel, sei nicht albern, deine Mutter macht es auch nicht
gerade glücklich, dass du alles erst jetzt erfährst..' Mit
gespielten Entsetzen schaute ich ihr in die Augen. 'Pardon? Jetzt
machen wir aus den Lügen schon so ein unschuldiges Wort wie alles?'
'Samantha du benimmst dich gerade wie eine drei jährige, jetzt
zappel hier nicht so herum und setzt dich endlich hin!' Ich starre
stur auf meine Tasse Tee, langsam führe ich sie an den Mund und
nippe vorsichtig ein paar Schlücke, natürlich verbrenne ich mir
sofort die Zunge, ärgerlich setze ich die Tasse wieder ab und
seufze. 'Sam ich denke am besten wäre es, wenn du mich fragst, was
du wissen willst' Ich zog die Augenbrauen hoch. 'Achso in der
Hoffnung ich vergesse etwas wichtiges, welches du dann weiterhin für
dich behalten kannst und ich nur die Hälfte erfahre, garantiert
nicht. Doreen.' Ohja, das hat gesessen, Mama hasst es, wenn ich sie
bei ihrem zweiten Vornamen nenne, so wie Oma es immer tut. 1:0 für
mich, ich kann mir so gerade eben ein grinsen verkneifen. Ich
beobachte wie draußen ein Gewitter aufzieht und konzentriere mich
darauf, den beiden bloß keinen unsicheren Blick zu schenken. Wie es
aussieht, gelingt mir das ziemlich gut, denn nach wenigen Minuten,
ist Mama die, die verärgert an ihrer Tasse nippt. Nach einigen
Minuten schweigen, fängt sie noch einmal von vorne an zu erzählen.
'Du wirst dich sicher fragen, weshalb ich plötzlich so anders
aussehe. Es ist so, dein Vater Joseph und ich..' sie zögerte,
wahrscheinlich sah sie, dass mein ganzer Körper bei dem Namen
zusammenzuckt. Joseph? Hieß ER so? Oder war das ihre Affäre? Ja
wahrscheinlich ihr Chef mit dem sie heimlich gevögelt hat. Stur
blicke ich geradeaus. 'Also wie gesagt Joseph,-', sie räuspert
sich-'DEIN Vater- und ich haben zusammen gearbeitet, wir haben im
Dienst amerikanischer Regierungsbehörden gearbeitet, bis es dann
eines Tages zu dem Unfall kam, wir sollten einen Terroristen
überführen, so habe ich es dir nicht erzählt, ich weiß, aber es
war so, also der Unfall.. naja.. dein Vater und ich mussten ständig
unsere Identität schützen, vor allem wegen dir, Sam. In unseren Job
ist nichts wichtiger als alle Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, von
Aufmerksamkeit bis zum persönlichen Schutz der Familie. Und damals
waren wir eine Familie, also musste ich den anderen Menschen eine
gewöhnliche Hausfrau vorspielen. Dementsprechend sah ich dann auch
aus..' Ich warte immernoch auf den Moment, bei
dem Simon mit versteckter Kamera aus dem Küchenschrank springt und
lauthals 'Willkommen bei Comedystreet' brüllt und sich über mein
entsetztes Gesicht amüsiert. Ich schielte zu Oma herüber, aber sie
saß nur da und starrte reglos auf eines der 'Glamour' Magazine. Ich
stehe auf um wirklich zu überprüfen, ob da jemand im Küchenschrank
sitzt. Mit einem 'HA-' reiße ich die Tür auf, aber da sitzt niemand
der sich jetzt vor lachen schütteln würde. DA SITZT NIEMAND! Soll
ich Doreen jetzt ernsthaft diesen Humbug abnehmen?
'Sag-mal, was tust du da eigentlich? Ich glaub ich muss mir Sorgen um deine
geistige Gesundheit machen!', Mama sieht mich mit ihrem
kritisierenden Blick an, den sie eigentlich nur für die scheußlichen
Geschenke zu Weihnachten von Onkel Julius verwendet. Autsch. Es steht
1:1.Oma schüttelt ungläubig den Kopf. Mama wirkt plötzlich
verletzt.Sie sieht zum ersten Mal zerbrechlich
und alt aus. Erst jetzt fallen mir ihre vielen Falten im Gesicht auf,
die sich in den Jahren in all den Stresssituationen bei ihr angehäuft
haben. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen. Wobei sie das eigentlich
haben sollte!
'Doreen, du solltest dich schon etwas
präziser ausdrücken. Du solltest Samilein schon erklären, dass
alles ins kleinste Detail geplant war!' Oma sah jetzt alles andere
als besorgt aus, sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt, die Stirn
in Falten gelegt und zornig auf die Tischkante gestarrt, als würde
sie jeden Moment in Flammen aufgehen. Fasziniert über diese Energie
die sie ausstrahlte, fing ich an an meinen Fingernägeln zu knabbern.
Oma brachte mich immer wieder zum staunen. Aber wenn das stimmt, was
Mama da erzählt- was nicht heißt, dass ich es auch glaube- und es
haargenau geplant war, dann muss mein Dad doch in irgendetwas
verwickelt gewesen sein ! Man bringt doch keinen Menschen ohne Grund
um. War er Mitglied einer Dealerbande? Oder noch schlimmer, einer
Maffia? Mir rutscht das Herz in die Hose, vielleicht wäre es doch
besser, wenn ich mich einfach damit abfinde, dass er tot ist. Ein
niemand ist. So wie er es immer für mich war und bis heute noch ist.
Die Geschichte wird von Moment zu Moment mysteriöser. Meine Mutter
fährt sich langsam durchs lange Haar, oh man an die Mähne muss ich
mich erst einmal gewöhnen. Ihre Fingernägel sind kurz geschnitten
und frisch lackiert. Ein greller Pink-Ton. Sie erinnerte mich an
meine alten Zimmerwände, als ich noch kleiner war und Diddl der
Kinderstar war. Widerlich.'Und wenn er sich nur als Undercovertyp
ausgegeben hat, damit nicht heraus kommt, das er einer Maffia
angehört? Wieso sollte man einen Unschuldigen einfach so
erschießen?' -Mist das ist mir jetzt rausgerutscht, eigentlich will
ich denen ja genau das Gegenteil zeigen, nämlich Desinteresse pur.
Mama und Oma grinsen sich an. Jetzt
verstehe ich gar nichts mehr.
Wollen die mich auf den Arm nehmen?
Anscheinend finden die das ganze hier zum tot-
lachen. 'Ja, das
hat deine Oma auch gedacht, bis sie dann irgendwann einen Brief in
seiner Jackentasche gefunden hat.' Mama zwinkert meiner Grandma zu.
'Oma, wie kannst du einfach so in Dads Privatangelegenheiten
herumschnüffeln?' Sie schaute mich verblüfft an.'Er ist immer noch
mein Schwiegersohn, Samantha. Und wenn ich herausfinden möchte, was
er vor uns zu verbergen versucht, dann muss ich eben seine Sachen
durchsuchen um klare Antworten zu bekommen. Wie hättest du denn an
unserer Stelle gehandelt? Mit zugesehen wie er abends immer später
nach Hause kam, immer mit anderen Entschuldigungen? Dich nie gefragt,
wo die blauen Flecken und Platzwunden herkamen?' Oma fing an am
ganzen Körper zu zittern, ihre Augenlider flatterten auf und zu, um
die vielen Tränen weg zublinzeln, die sich in ihren müden Augen
gebildet hatten. Mir steckte ein Klos im Hals. Blaue Flecken?
Platzwunden? Sie hat Recht, wahrscheinlich hätte ich genauso
gehandelt, sein Büro und seine Kleidung nach Hinweisen durchsucht.
'Was stand in dem Brief?' flüstere ich, mein Hals fühlt sich
mittlerweile wie die Sahara an.
Jetzt ist es Mama die das Wort
ergreift. 'Nur eine Nummer.' Lange starrt sie nach draußen in den
Garten, dann flüstert sie 'Nur eine Nummer, ein paar einfache
Zahlen, die alles verändert haben, einfach alles..' Ihr Blick folgt
einer Fliege die mehrmals verwirrt gegen die Fensterscheibe fliegt.
Nachdenklich fahre ich mir mit der Zunge über die Lippen. Ich hatte
das Gefühl mein Kopf würde gleich explodieren. Oma schnäufte sich
die Nase.'Doreen hat die 7 so harmlos wirkenden Zahlen ins Telefon
getippt und angerufen. Es ging ein Mann mit ziemlich tiefer Stimme an
den Hörer, ich habe noch seine Worte im Kopf.. er räusperte sich
und sprach mit französischem Akzent 'Sie haben sich also
entschieden? Sie nehmen mein Angebot an.
keine Bullen, sonst sorge ich höchst
persönlich dafür, Sie ..sagen wir mal..zu entsorgen. Wie sagt man
so schön: Nur der Irrtum ist das Leben, und das Wissen ist der
Tod.-'
'Den Spruch habe ich gar nicht verstanden, der Typ schien
wohl nicht viel Grips zu haben', nuschelt Mama dazwischen, Oma setzt
fort:''Dann hat er aufgelegt, ich glaube ich hatte noch nie so eine
Angst um Joseph gehabt. Ich konnte nur eins und eins zusammenzählen
.. mein Schwiegersohn hatte einen Deal mit diesem Kerl und wenn er
nicht auftaucht, dann sind wir alle in Gefahr.
Samantha ich konnte ihn nicht darauf
ansprechen, geschweige denn deine Mutter.' Gleich vertrockne ich,
meine Mutter fängt an zu zittern.'Kind, als dein Vater an jenem
Morgen in sein Auto stieg, den Motor aufheulen ließ und davon fuhr,
war mir klar, dass etwas schlimmes passieren würde. Ich wusste nicht
was ich tun sollte, er wäre ausgerastet, wenn er Wind davon bekommen
hätte, dass ich Bescheid weiß.Er wäre zu diesem Treffpunkt
gefahren! Er.. es... unser Leben hätte sich von dem Moment an total
verändert, wir wären auf der Flucht, müssten ständig unsere
Wohnorte verlassen und uns neue suchen, -das wäre doch kein Leben
gewesen! Also .. habe ich es ihm verschwiegen, in der Hoffnung, sie
würden ihn und damit auch uns in Frieden lassen. Aber das.. das war
nicht der Fall, Schatz. Als er zur Arbeit fuhr hatte er noch vor Geld
abzuheben. Also wollte er in die Bank gehen, völlig ahnungslos. Es
ging alles so schnell, Mitglieder einer Maffia überfielen ihn noch
vor dem Auto, sie waren alle maskiert. Sie stachen auf ihn ein. Und-'
, Oma tätschelt jetzt Mamas Schulter. Doreen erzählt das alles so
Emotionslos, das ich mich fragen muss, ob sie überhaupt jemals
Gefühle besessen hat. Emotionsverkrüppelt und alt, das ist hart.
Beide Augenpaare sind auf mich
gerichtet. Gott sei dank, dass sie keine Gedanken lesen können,
vielleicht erwarten sie, dass ich jetzt in Ohnmacht falle oder
anfange wie ein kleines Kind zu wimmern. Aber die Tatsache das mein
Vater tot ist macht mich einfach nur sprachlos.





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