What we used to be - Teil 26

Autor: Ai
veröffentlicht am: 19.09.2012


Richard:
Am ersten Verhandlungstag musste ich arbeiten. Ich machte mir allerdings keine Sorgen. Oliver hatte sich in den letzten Wochen anständig verhalten und so hatten weder meine Mutter noch ich Zweifel daran, dass er im Gericht erscheinen würde.
Doch das änderte sich, als ich einen Anruf von meinem Vater bekomme.
„Olivers Anwalt hat mich gerade angerufen“, sagt er wütend. „Er ist nicht erschienen!“
„Das kann nicht sein“, sage ich ungläubig.
„Es ist aber so!“
Unfassbar. Das hatte ich beim besten Willen nicht gedacht.
Ich rufe sofort unsere Mutter an. „Mama? Weißt du wo Oliver ist?“
„Nein, er ist noch nicht zurück, warum?“
„Er war nicht im Gericht.“
„Was? Aber er ist heute Morgen los gegangen.“
„Wo ist er hin?“
„Ich weiß es nicht. Als er gegangen ist, war er etwas nervös, aber er hat auf mich nicht den Eindruck gemacht, dass er nicht hingehen würde.“
„Mama, er wird jetzt gesucht! Er muss in Untersuchungshaft!“
„Ja, was soll ich jetzt machen? Ich habe darauf vertraut, dass er sich ändert, mehr kann ich nicht mehr tun Richard. ich kann nicht mehr!“
Gut, es war ein Fehler, sie anzuschreien. Aber ich war so wütend. Die letzten Wochen verliefen so gut und jetzt so was. Oliver hätte einfach nur kommen müssen. Wo war er, verdammt nochmal?
Dumm, das ich jetzt in der Arbeit festsitze. Ich kann nichts tun. Wenn ich zuhause wäre, würde ich sofort losziehen, um ihn zu suchen. Aber im Moment geht das nicht. Die Polizei sucht jetzt auch nach ihm. Hoffentlich finden sie ihn. Er hätte noch eine kleine Chance auf eine geringere Strafe, wenn er eine gute Erklärung für sein Nicht-Auftauchen hatte. Und ich hoffe inständig, dass er das hat.

Oliver:
Er hatte sich die letzten Wochen wirklich angestrengt. Nur einen kleinen Joint hatte er in seinem Zimmer geraucht. Das war Alles. Keine harten Drogen, keine Saufgelage, keine Schlägereien. Er war ein braver Junge gewesen. Die ganze Sache hatte in wach gerüttelt und ihm gezeigt, dass sein Leben, so wie es bisher gelaufen ist, nicht länger so weiter gehen konnte. Er wäre wahrscheinlich mit zwanzig gestorben. Irgendwo auf der Straße. Ohne Mutter, ohne Bruder. Die einzigen Menschen, die ihm noch geblieben waren, waren dabei sich von ihm abzuwenden.
Seine Mutter hatte in diesem Moment aufgehört um ihn und sein Leben zu kämpfen, als die Polizei mit ihm vor der Tür gestanden hatte und ihr erklärte, dass ihr Sohn eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung bekommen hatte. Sie hatte ihn sofort hinausgeworfen. „Raus mit dir!“ hatte sie gebrüllt. Sie hatte ihn schon öfter vor die Tür gesetzt, aber so aggressiv war sie noch nie gewesen.
Sein Bruder hatte ihn auch nicht besonders freundlich aufgenommen und nach ein paar Tagen verduftete er auch wieder. Es war keine gute Zeit. Er wurde wütend. Auf seine Mutter, seinen Bruder und vor allem auf sich selbst. Langsam begann er über sein Leben nachzudenken. Über die Fehler, die er gemacht hatte und es machte ihn so wütend. Als ihn dann noch so ein Penner blöd anging, war es aus. Er konnte sich gar nicht beherrschen. Eigentlich wollte er gar nicht so fest zuschlagen, aber als der Typ regungslos am Boden lag, war es schon zu spät. Er hatte einen Menschen getötet.
Sein Leben war vorbei. Davon war er überzeugt, als er in der Zelle saß und der Polizist ihm auch noch mitteilte, dass seine Mutter ihn nicht da rausholen würde. Über eine Woche saß er dort fest, bis sein Bruder kam. Niemals hätte er das zu hoffen gewagt. Aber Ric hatte sich tatsächlich Sorgen um ihn gemacht.
Von diesem Moment an wurde alles besser. Ric holte ihn da raus, redete mit ihrem Vater und ihrer Mutter, besorgte ihm einen Anwalt und sorgte dafür, dass er wieder zuhause wohnen konnte. Seine Mutter war anfangs nicht besonders begeistert, aber als sie sah, dass er es wirklich ernst meinte, fing sie an ihn wieder zu fragen, was er gerne essen würde. Das hatte sie ihn zum letzten Mal gefragt, als er fünfzehn war.
Sein Leben wurde immer besser. Er spürte richtig, wie sich sein Körper veränderte. Die Drogen hatten viel kaputt gemacht und er hatte auch viel Mühe, ihnen zu wiederstehen. Aber er schaffte es und spürte langsam aber sicher, wie seine Lungen wieder besser wurden und seine Muskeln wieder kräftiger. Auch wenn er manchmal schreckliche Entzugserscheinungen hatte, während derer er in seinem Zimmer saß und am ganzen Körper zitterte. Er schaffte es und er würde es auch weiter schaffen.
Für die Verhandlung hatte er sich extra ein neues Hemd und eine gute Hose gekauft. Von dem Geld, dass er normalerweise für Drogen ausgegeben hätte. Er fühlte sich in dieser Kleidung irgendwie gut. Es gab ihm das Gefühl, langsam erwachsen zu werden, reifer und verantwortungsbewusster zu sein.
Er war bereit. Bereit sich den Konsequenzen zu stellen, die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Das hatte er noch nie getan. Es wurde höchste Zeit.

Richard:
Es war spät am Abend. Ich sitze mit Sophie in ihrem Zimmer und kraule ihre Katze hinter den Ohren. Langsam freuen wir uns an. Sophie kuschelt sich an mich, als plötzlich mein Handy läutet.
„Hallo?“
„Hallo, spreche ich mit Richard Rento?“ fragt eine männliche Stimme.
„Ja, wer ist da?“
„Guten Abend, hier spricht Hauptkommissar Harald Maurer.“ Mir schnürt sich die Kehle zu. Es kann nur um Oliver gehen. Hatten sie ihn endlich gefunden? Hoffentlich. Aber warum riefen sie mich dann an. Warum nicht Mama?
„Was gibt es denn?“ fragte ich unsicher.
„Nun ja Herr Rento.“ Er machte eine kurze Pause. Mir stockte der Atem. Das konnte kein gutes Zeichen sein. „Wir haben ihren Bruder gefunden.“





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