Mit dem letzten Atemzug - Teil 19

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 26.09.2012


*Elena*

Seine Worte schlugen ein wie eine Bombe. Ich stand im Flur, der Mund leicht geöffnet, nicht im Stande irgendwas zu sagen, zu tun oder überhaupt zu reagieren.
“Elena?” - sprach Shane mich an und berührte mich leicht an der rechten Schulter. Ich schrak zusammen und erst jetzt sah ich ihn richtig an. Er sah müde aus und traurig. “Hast du gehört, was ich gesagt habe?” - wollte er von mir wissen und ich nickte leicht, noch immer waren meine Füße unfähig sich vom Fleck zu rühren. Tausende Gedanke schossen mir in den Kopf, der eine schlimmer als der andere.
“Was ist passiert?” - jedes Wort kostete mich Kraft. Ich schwankte und Shane hielt mich fest.
“Zieh dich an, ich erzählte dir alles unterwegs.” - versprach er mir. Erneut war ich nur zu einem Nicken im Stande. Wie eine Marionette an der Strippe, lief ich zurück in mein Zimmer und zog mich an. In diesem Moment empfand ich nichts und mein Kopf war auch leer. Die zuvor aufgekommenen Gedanken verpufften, den mit meiner gesamte Kraft sträubte ich mich dagegen, nur einen vor ihnen zu glauben.
Ich kam wieder zu mir, als Shane mich auf den Beifahrersitz seines Autos setzte und anschnallte. Mit einer überhöhten Geschwindigkeit raste er durch die Straßen und erntete wütendes Hupen der anderen Verkehrsteilnehmer, doch er ignorierte diese.
“Warum ist Dean im Krankenhaus?” - fand ich meine Sprache wieder.
“Er ist zusammengebrochen.” - antwortete Shane knapp, ohne seinen Blick von der Straße abzuwenden.
“Aber… . Wie …” - ich verstand kein Wort. Dean war doch weg und jetzt fuhr Shane mit mir zu ihm ins Krankenhaus. Was war hier los? Ich konnte mir darauf keinen Reim machen.
“Dean war auf dem Weg zu dir und ist wahrscheinlich zusammengebrochen. Ich habe einen Anruf von seinem Arzt erhalten, dass er im Krankenhaus ist.” - erzählte er mir. Doch mir waren es zu wenige Informationen. Es war wie ein Puzzele und im Moment hatte ich erst den Rahmen geschafft, doch mir fiel noch der Kern, damit das Bild einen Sinn ergab.
“Aber Dean ist doch weg.” - war das Einzige, was ich von mir geben wollte.
“Nein.” - stritt Shane ab und blieb an einer roten Ampel stehen. “Er war nie weg.” - meinte er und wandte sich mir zu. “Elena.” - setzte er an und an seinem Gesichtsausdruck konnte ich ansehen, dass er jedes Wort, was er mir sagen wollte, sich dreimal überlegte. “Dean hatte nie eine andere und er ist nie weggefahren.” - informierte er mich. “Dean ist krank.” - ich schluckte schwer und Tränen liefen lautlos über meine Wangen.
“Krank.” - sagte ich nur und starrte vor mich hin, sah jedoch nichts. Ein undurchsichtiger Schleier vernebelte meinen Blick und ich spürte einen Druck von mehreren Tonnen auf meiner Brust, die mir das Atmen schwer machten. Gierig schnappte ich nach Luft.
“Ja.” - kam die Antwort und Shane fuhr wieder los. “Krank.” - fügte er hinzu.
Mein Gedanken, meine Gefühle, alles vermischte sich und es war zu viel für mich. Ich verstand nichts und konnte im gleichen Moment auch keinen klaren Gedanken fassen.
Wenige Minuten später bog Shane auf den Besucherparkplatz des Städtischen Krankenhauses ein. Er fuhr in einer freie Lücke und wir stiegen aus.
Shane griff nach meiner Hand und gemeinsam liefen wir zum Krankenhausgebäude. Seine Hand um meine zu spüren beruhigen mich etwas, aber desto näher wir der Eingangstür kamen, nervöser wurde ich. Ich hatte Angst davor, was mich hinter dieser breiten verglasten Tür erwartete.
Als ich das letzte Mal ein solches Gebäude betrat, ging ich als Waise wieder raus.
“Guten Tag.” - Shane sprach die blonde Frau an der Rezeption an. Maschinell sah ich ihn an. Sein Gesicht war hochkonzentriert und er schnaubte. “Dean Foster.” - sagte er nur und seine Stimme bebte.
Die Blondine sah auf den Bildschirm vor ihr und tippte einpaar Buchstabenkombinationen ein.
“Dritte Etage. Fragen Sie nach Dr. Morrey.” - verkündete sie dann. Ohne auch nur eine Wort des Dankes, stürmte Shane weiter und zog mich hinter sich her.
Verloren blieben wir mitten im Flur der dritten Etage stehen und sahen uns um.
“Entschuldigen Sie bitte.” - wandte sich Shane an die vorbeigehende Krankenschwester. Sie blieb stehen und sah ihn fragend an. “Können Sie mir bitte sagen, wo ich Dr. Morrey finde.” - wollte er wissen.
“Gerade aus und dritte Tür rechts.” - erklärte sie und schritt fort.
Bevor wir jedoch durch die dritte Tür rechts stürmen konnten, ging sie auf und Shane stieß mit einem kleinen rundlichen Mann zusammen in einem weißen Kittel.
“Entschuldigung.” - plapperte Shane nur. “Wir wollten zu Dr. Morrey.” - sagte er dann.
“Ich bin Dr. Morrey.” - verkündete er Mann.
“Mein Name ist Shane Wellington.” - stellte Shane sich vor und schüttelte Dr. Morreys Hand. “Das ist Elena Russo.” - sagte er dann eilig, als der Arzt mich fragend ansah, ich jedoch kein einziges Wort rausbekam.
“Mr. Wellington.” - sagte Dr. Morrey dann. “Wir hatten Sie angerufen, weil Mr. Foster Sie als Ansprechperson in Notfällen angegeben hat.” - erklärte er und Shane nickte nur.
“Wie geht es ihm?” - wollte Shane sofort wissen.
“Nicht gut.” - Dr. Morrey sah zu mir und dann zurück zu Shane. “Ich weiß nicht, wie weit Sie mit seinem Zustand vertraut sind, aber der Tumor ist in den letzten Wochen enorm gewachsen und drückt nun auf des Gehirn.”
Ich spürte, wie meine Knie weich wurden und meine Beine nachgaben. Das letzte was ich mitbekam, war die Tatsache, dass Shane meinen Namen rief und dann wurde es dunkel um mich herum.

Durch die geschlossenen Lieder nahm ich ein Licht war. Mühsam öffnete ich meine Augen und fand mich in einem weißen Zimmer auf einer Liege wieder.
“Wie geht es dir?” - Shanes besorgtes Gesicht erschien vor mir.
“Was …” - ich rieb mir die Stirn.
“Du bist in Ohnmacht gefallen.” - erinnerte er mich und es kam alles wieder.
Wir waren im Krankenhaus, weil Dean krank war. Er hatte einen Tumor. Tränen liefen meine Schläfe entlang und verloren sich in meinem Haar.
“Soll ich den Arzt holen?” - Shane drückte meine Hand fest. Ich schüttelte mit dem Kopf.
“Was ist hier los, Shane?” - ich sah ihn flehend an. Er biss sich auf die Unterlippe. “Sag mir endlich, was hier los ist?” - verlangte ich aufbrausend und setzte mich auf, obwohl Shane mich davon abbringen wollte.
“Dean wird sterben.” - sagte er dann und ließ seinen Kopf sinken. Konfus sah ich Shane an. Ich hörte ihn, wollte ihn aber nicht verstehen. Ich wollte seinen Wörtern keinen Sinn geben. “Er hat einen Gehirntumor.”
Ich entriss Shane meine Hand und bedeckte mit meinen Händen mein Gesicht. Tränen liefen jetzt in Strömen über mein Gesicht und ich schluchzte laut.
Dean, mein Dean wird sterben. Ein Loch bildete sich in meiner Brust und es tat weh. Es tat so sehr weh. Die klaffende Wunde wurde immer größer und verschlang mich. Ich fühlte nur den Schmerz, der jede Faser meiner Körper einnahm und so unendlich war, dass er mir den Verstand raubte.
“Oh mein Gott.” - schluchzte ich und Shane drückte mich an sich. Behutsam streichelte er über mein Haar und ich spürte seine Tränen auf meiner Kopfhaut.
“Warum habe ich ihn alleine gehen lassen?” - flüsterte er weinend. “Es ist meine Schuld. Ich hätte mit ihm gehen sollen.” - er drückte seine Wange gegen meinen Kopf.
“Halt mich fest.” - bat ich ihn und er schlang seine Arme um mich. Ich klammerte mich an Shane, wie an einen Rettungsring. Denn ohne ihn würde ich jetzt in meinem Schmerz ertrinken.

Die Tür ging auf und gleichzeitig hoben wir unsere Köpfe. Dr. Morrey stand im Türrahmen.
“Er ist jetzt bei Bewusstsein und er möchte Miss Russo sehen.” - verkündete er uns und sah mich an. Ich nickte nur und gemeinsam liefen wir durch den weißen Flur. “Miss Russo.” - wandte Dr. Morrey sich mir zu. “Gehen Sie rein.” - er öffnete für mich die Tür. “Aber nur 5 Minuten.” - ich nickte und betrat den Raum. Er lag im Halbdunkeln, die Rollos waren runtergezogen und das Summen der Lampe machten die ganze Angelegenheit irgendwie unheimlich. Vorsichtlich und mit bebendem Herzen schritt ich zum Bett.
Der Mensch, der dort lag, hatte gar nichts von Dean. Abgemagert, mit dunklen Ringen unter den Augen und sehr bleich, sah er aus.
Erschrocken sah ich mich im Zimmer um. Um das Bett herum, standen zahlreiche Geräte, die allesamt Geräusche von sich gaben, die mir Angst einjagten.
“Elena.” - hörte ich meinen Namen und sah wieder zum Bett. Obwohl der Mann, meinem Dean gar nicht ähnlich sah, hatte er seine Augen. Tränen brannten in meinen Augen, doch ich hielt sie zurück.
“Hi.” - war das Einzige was mir einfiel.
“Hey.” - seine Stimme war schwach. Er streckte seinen Arm nach mir aus und ich ergriff seine Hand. Sie war eiskalt. “Du hast doch nicht etwa meinetwegen geweint.” - meinte er und ein Sorgenfalte bildete sich zwischen seinen zusammengeschobenen Augenbrauen.
“Deinetwegen doch nicht.” - sagte ich dazu und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. “Was machst du bloß für Sachen?” - ich kämpfte gegen die aufkommenden Tränen. Jedes Wort musste ich aus meine Kehle praktisch rauspressen. Es fiel mir so schwer ihn so zu sehen, so schwach und so krank.
“Tja, irgendwie musste ich dich doch dazu bringen, mir zu verzeihen.” - scherzte er und jetzt musste ich lächeln.
“Du Spinner.” - rügte ich ihn und drückte seinen Handrücken an meine Wange.
“Es tut mir leid.” - meinte er dann. “Es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe. Es tut mir leid, dass du so leiden musste. Es …”
“Dean.” - brachte ich ihn zum Schweigen und streichelte mit einer Hand über seine eingefallene Wange. “Du musst dich schonen und wenn es dir morgen besser geht, dann können wir morgen reden.”
“Wenn ich dir das jetzt nicht sage, dann wird morgen vielleicht zu spät sein.” - sagte er dann. Ein Kloß kam meinem Hals bedrohlich nah.
“Sag so was doch nicht.” - bat ich ihn mit brüchiger Stimme. “Ich liebe dich.” - gestand ich ihm und beugte mich über ihn.
“Ich liebe dich.” - gab er zurück und unsere Lippen trafen sich in meinem Kuss. Seine Lippen fühlten sich kalt an und im gleichen Moment spürte ich die Liebe, die Dean für mich empfand.
In diesem Moment war alles in Ordnung. Dean und ich wieder glücklich vereint. Der ganze Alptraum überstanden.
In diesem Moment fühlte ich mich glücklich, weil ich wusste, dass Dean mich liebte.
Ich kniff meine Augen fester zusammen und jetzt wurde mir schmerzlich klar, dass das der letzte Kuss war, denn ich je von ihm bekommen würde. Eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel und tropfte von meinem Gesicht auf Deans. Ich wollte nicht vor ihm weinen, doch die ganze Situation war so unwirklich und so furchtbar, dass die Tränen von alleine kamen.
Mein Herz schlug wild und mein Puls raste. Ich bat darum, dass dieser Moment niemals enden möge.
Das andauerte Piepen einer der Geräte brachte mich wieder in Hier und Jetzt zurück. Dr. Morrey und einige weitere Ärzte und Schwester stürmten ins Zimmer und ich wurde rausgeschoben.
Die nächsten Minuten liefen wie in Zeitlupe vor mir ab. Ich stand hinter der verglasten Tür und sah zu, wie Dr. Morrey irgendwelche Befehle an seine Kollegen gab und alle quer durcheinander sprachen. Sie versuchten Dean wiederzubeleben, doch …
In nächsten Augenblick fühlte ich diese Leere in meiner Brust. Es fühlte sich so an, als ob man mir beim lebendigen Leibe das Herz rausgeschnitten hätte.
Die Ärzte wussten nicht das, was mir jetzt klar war. Dean war nicht mehr da. Er war gegangen, für immer. Ich legte meine Handfläche auf die Glasscheibe und verabschiedete mich im Stillen von ihm.
Von meinem besten Freund,
von meinem Lebensgefährten,
von meiner Großen Liebe,
Von meinem
DEAN… .


Fortsetzung folgt ...





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