Mit dem letzten Atemzug - Teil 13

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 31.08.2012


*Elena*

Ein unbehagliches Gefühl beschlich mich. Die Nähe, die Sekunden zuvor mir noch Halt gab und einen warmen Schauer über meinen Körper laufen ließ, ängstigte mich jetzt. Bloß konnte ich nicht verstehen warum. Immerhin tat ich hier nichts verbotenes oder anrüchiges, auch wenn, ich war Single und konnte machen und tun was mir belieb. Doch das verräterische Gefühl hörte einfach nicht auf meinen Verstand und schöpfte nur weitere Kraft daraus.
Shanes Wärme brannte auf meiner Haut und ich wollte nur, dass das aufhörte. Doch wie sollte ich das anstellen, ohne dass er verletzt wurde.
“Wollen wir an die Bar?” - sagte Shane dann nah an meinem Ohr und ich musste mich beherrschen, um nicht erleichtert aufzustöhnen. Also nickte ich einfach und ließ mich von Shane von der Tanzfläche runterführen. Als wir zwei freie Barhocker erspähten, ließen wir uns dort nieder und bestellten. Diesmal entschied ich mich allerdings nur für eine Cola, weil ich weitere unangenehme Situationen vermeiden wollte.
Wie wir da so neben einander saßen und schweigsam an unseren Getränken nippten, wurde mir bewusst, dass ich Shane gar nicht kannte.
Verstohlen sah ich ihn von der Seite an. Einige Strähnen seiner dunkelbraunen Haare fielen ihm über die Stirn. Er hatte einen breiten Kiefer und Wangenknochen, für die so manche Frau morden würde. Er war einer der attraktivsten Männer, wie ich je getroffen hatte und es wunderte mich auch nicht, dass die Barfrau ihm bewunderte Blicke zuwarf, auf die er jedoch nicht reagierte. Irgendwie gefiel mir auch nicht, dass die hübsche Blonde beim Abtrocknen der Gläser Shane ein Lächeln zuwarf und er es gleichgültig erwiderte. Schnell ließ ich meine Augen auf das Glas in meinen Händen nieder.
“Wollen wir noch tanzen?” - wollte Shane dann wissen.
“Nein, lass uns einfach sitzen bleiben.” - schlug ich vor.
“Dann lass uns aber was Bequemes zum Sitzen suchen.” - meinte Shane und ich nickte nur.
Also machten uns auf der Suche. Auf der oberen Etage, wo die Musik auch nicht so dröhnte, ließen wir uns auf eine weiße Ledercouch fallen.
“Also.” - meinte Shane dann und sah mich fragend an. “Erzähl` mir was von dir.” - sagte er dann.
“Was willst du denn wissen?” - fragte ich, weil ich nicht wusste, wo ich genau anfangen sollte.
“Wie war deine Kindheit?” - meinte er dann und traf genau das Thema, worüber ich nicht sprechen wollte.
“Na ja.” - ich beschloss dann doch zu reden, bevor wir wieder von einem unangenehmen Schweigen umgehüllt werden konnte. “Mit 6 Jahren starben meine Eltern bei einem Autounfall und ich kam in ein Kinderheim.” - erzählte ich dann ganz schnell, ohne auf die Einzelheiten einzugehen.
“Oh.” - gab Shane nur von sich. “Sorry, das habe ich nicht gewusst.” - entschuldigte er sich.
“Nicht schlimm.” - sagte ich rasch, bevor das Schweigen wieder einbrechen konnte. “Jetzt du?” - forderte ich ihn auf.
“Also, geboren und aufgewachsen bin ich in San Francisco.” - fing er dann an.
“Bist also kein waschechter New Yorker?” - stellte ich gespielt entsetzt fest.
“Nein.” - sagte er dann. “Als ich 10 Jahren alt war, haben meine Eltern dort ihr Restaurant aufgegeben und sind nach New York umgezogen.” - erzählte er dann weiter. “So mehr gibt es da nichts. Ansonsten war mein Leben echt langweilig.” - gab er zu und nippte an seinem Glas.
“Wie langweilig kann ein Leben in dieser großartigen Stadt sein?” - wunderte ich mich.
“Du kannst es dir gar nicht vorstellen.” - schüttelte Shane bloß mit dem Kopf. “Besonders wenn du in der Highschool ein Nerd bist und kein Mädchen mit dir ausgehen will.” - fügte er dann hinzu und ich sah ihn skeptisch an.
“Du? Ein Nerd?” - ich konnte es einfach nicht glauben, doch Shane nickte lächelnd.
“Oh ja.” - sagte er. “Wie er im Buche steht.” - meinte er bloß und ich musste lachen.
Shane als Nerd konnte ich mir gar nicht vorstellen. Bei seinem Aussehen und den Liebschaften, neben seiner Beziehung mit Gina, die er ab und zu mal durchsickern ließ. “Ich hatte eine Hornbrille, eine Zahnspange und dank meiner Mom die fiesesten Klamotten, die man sich nur vorstellen kann.” - erzählte er dann und ich verschluckte mich an meiner Cola, weil ich so lachen musste. Alleine die Vorstellung war so absurd und komisch zugleich. “Dann wurde ich 16 Jahre alt, bin gewachsen, habe dann Kontaktlinsen bekommen und auch andere Kleider.” - sagte er weiter. “Ich würde am liebsten die alten Fotos verbrennen, doch meine Mom hängt an diesen alten Kamellen.” - fügte er mit einem Lächeln hinzu.
“Die Fotos will ich echt sehen.” - sagte ich dann.
“Gerne, aber dann ist meine perfekte Erscheinung dahin.” - scherzte Shane und ich musste lachen.
Bis kurz vor 5 Uhr des nächsten Morgen unterhielten wir und über Gott und die Welt und das unangenehme und betretende Schweigen tauchte glücklicherweise nicht mehr auf.

“Das war ein schöner Abend.” - teilte ich Shane mit, als wir zu meiner Wohnung gingen.
“Fand ich auch.” - pflichtete Shane mir bei. “Wir sollten das mal wiederholen.” - schlug er vor und ich nickte nur.
Vor der Haustür blieben wir stehen.
“Also…” - meinte ich unentschlossen.
“Ja.” - Shane schien sich genauso fehl am Platz zu fühlen wie ich auch. “Wenn du dich mal wieder amüsieren möchtest, ruf einfach an.” - sagte er und küsste mich auf die Wange.
“Auf das Angebot komme ich gerne zurück.” - entgegnete ich. “Bis dann.” - verabschiedete ich mich und betrat das Haus.
Als ich vor meiner Wohnungstür stand und geschlagene 5 Minuten nach meinem Wohnungsschlüssel suchte, fiel mir ein, dass ich ihn doch Katy gegeben hatte, weil sie so eine Angst hatte mich alleine zu lassen. Genervtes Aufstöhnen entfloh mir und ich klingelte.
Erst nach dem dritten Klingeln ging die Tür auf und Katys verschlafenes Gesicht erschien im Türspalt.
“Hey.” - begrüßte sie mich mit einer brüchigen Stimme und noch immer zusammengekniffenen Augen.
“Hey.” - gab ich nur zurück und drängelte mich an ihr vorbei in meine Wohnung.
“Wie war der Abend?” - fragte sie mich, als ich mich aus meiner Jacke pellte und meine Schuhe auszog.
“Schön.” - hielt ich mich kurz und marschierte in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen.
“Schön.” - echote Katy und schlug ihre Arme um ihren Körper. Sie sah so aus, als wollte sie mir etwas sagen, aber schien sich nicht zu trauen.
“Was ist?” - meinte ich bloß aufgebracht, als ich ihr schweigsamen Anstarren nicht mehr ertragen konnte.
“Ich wollte nichts sagen.” - sagte sie nur kleinlaut dazu.
“Natürlich wolltest du.” - fuhr ich sie an. “Katy, ich wollte mich nicht umbringen.” - machte ich ihr klar. “Warum glaubst du mir denn nicht?” - ich fühlte mich so machtlos und ungerecht behandelt.
“Ich glaube dir.” - sagte Katy, doch ich schenke keinem einzigen Worte, was aus ihrem Mund kam, Glauben. Ihre Augen, die verräterisch hin- und herhuschten, sagten genau das Gegenteil.
“Nein, das tust du nicht.” - brach es aus mir heraus und ich warf meine Arme kraftlos in die Luft. “Ich wollte nur ausschlafen und habe nur eine Tablette genommen.” - wiederholte ich.
“Elena.” - sagte sie nur versöhnlich, doch ich unterbrach sie.
“Nein.” - meinte ich bloß und schüttelte mit dem Kopf. “Ich will nichts mehr hören.” - sagte ich müde. “Wenn du mir nicht glaubst, mir egal.” - ich versuchte so gleichgültig zu klingen, wie es mir nur möglich war, doch meine Stimme zitterte vor Wut.
“Elena.” - setzte sie wieder an, doch diesmal wurde sie durch ein Klingeln an der Wohnungstür unterbrochen.
“Na toll.” - meinte ich genervt und lief zur Tür. “Ist bestimmt Shane, der sich auch bei mir einnisten möchte.” - brabbelte ich vor mich hin, als ich Tür aufriss. “Dean.” - entfloh es mir unfreiwillig, als ich ihn vor mir stehen sah.


*Dean*

Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf, während ich einen Fuß vor den anderen setzte und Elenas Wohnhaus immer näher kam. Als ich vor der brauen Eingangstür stand, war ich immer noch so schlau wie vor 10 Minuten, als ich aus der meiner Wohnung rannte.
Ich holte tief Luft und hastete die Treppe hoch. Als ich vor der verschlossenen Tür stand, verließ mich für einen kurzen Moment der Mut. Ich musste mich zusammenreißen, also klingelte ich, bevor ich es mir anders überlegen konnte.
Mein Herz blieb stehen, als ich ihre Stimme auf der anderen Seite der Tür hörte.
“Dean.” - sagte sie verwirrt und sah mich nicht minder fassungslos an.
Sie war so wunderschön aus, obwohl auch etwas müde und abgemagert. Aber dennoch war sie einfach die schönste Frau auf der Welt.
“Hi.” - konnte ich nur von mir geben und ballte meine Hände zu Fäusten zusammen, um sie nicht an mich zu ziehen und ihren Körper an meinem zu spüren. “Darf ich reinkommen?” - fragte ich, als wir einige Momente uns gegenüberstanden, ansahen und nicht vom Fleck rührten. Elena sagte nichts und trat nur einen Schritt bei Seite um mich vorbeizulassen.
“Hey Dean.” - begrüßte mich Katy, die in den Flur aus dem Wohnzimmer trat.
“Hi.” - grüßte ich zurück. Ein betretendes Schweigen umhüllte uns und die Spannung konnte man beinahe greifen.
“Ich gehe dann schlafen.” - Katy wagte es als erste ein Wort zu sagen. “Gute Nacht.” - wünschte sie uns und verschwand in Elenas Zimmer, ohne auf eine Antwort von uns zu warten.
Es war so schwer hier zu sein und Elena so nah bei mir zu spüren, dass es wehtat, so als hätte mir jemand einen Schlag in die Magengrube verpasst.
“Willst du was trinken?” - fragte sie mich dann unerwartet, dass ich aufschrak.
“Nein.” - lehnte ich ab. “Ich möchte mit dir reden.” - sagte ich dann nur.
“Habe ich mir schon gedacht.” - entgegnete sie nur unfreundlich.
Aber was hatte ich erwartet, nachdem ich sie so unfair und fies behandelt habe.
Elena ging an mir vorbei ins Wohnzimmer und ich folgte ihr.
“Shane hat mir alles erzählt.” - gab ich ihr zu verstehen und sie sah mich nur fragend an. “Wegen den Schlaftabletten.” - verdeutlichte ich ihr.
“Mein Gott!” - schrie sie genervt auf. “Ich habe nicht versucht mich umzubringen.” - teilte sie mir mit. “Ich wollte mal wieder ausschlafen und habe dann eine Tablette geschluckt, der Rest kullert irgendwo in meinem Zimmer rum.” - erklärte sie mir und ich wusste nicht, ob ich es ihr glauben konnte. Welcher Suizidgefährdete würde seine Schwäche schon zugeben, dachte ich mir. “Du glaubst mir auch nicht.” - interpretierte sie aus meinem Schweigen und ich schüttelte wahrheitsgemäß mit dem Kopf. Elena stöhnte auf und trat wütend gegen den Couchtisch. “Warum denkt ihr alle, dass ich so schwach bin und mit einer Trennung nicht umgehen kann?” - fragte sie rhetorisch und sah mich dabei mit Tränen in den Augen an. “Ich liebe dich und es wird sicherlich noch eine Weile weh tun, doch ich werde das schon schaffen.” - versicherte sie mir und setzte sich auf die Couch, legte ihr Gesicht in die Hände.
Mir kamen ebenfalls die Tränen, sie so zu sehen, so machtlos und verzweifelt. Sie war wieder ein kleines Mädchen vom Schulhof, das eine unsichtbare Mauer um sich gebaut hatte und keinen Menschen an sich heran ließ.
Ich ging um den Couchtisch rum und setzte mich neben ihr. Ihr Körper bebte und sie schluchzte. Ohne länger darüber nachzudenken, was ich tat, legte ich meine Arme um sie und zog sie an mich heran.
“Es tut mir leid.” - entschuldigte ich mich bei ihr und sie vergrub ihr Gesicht in meiner Halsbeuge.
“Verlass mich nicht.” - flehte sie mich an. Ich schwieg. “Ich liebe dich.” - gestand sie mir und sah mich mit den geröteten Augen an. Sie streckte ihr Gesicht mir entgegen und unsere Lippen trafen sich in einem leidenschaftlichen Kuss.

Fortsetzung folgt ...





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