Mit dem letzten Atemzug - Teil 12

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 29.08.2012


Eine erschreckende Dunkelheit umgab mich und eine Angst, wie ich sie zuvor noch nie verspürt hatte, nistete sich tief in meinen Glieder ein. Ein Gefühl aus Entsetzen und Verzweiflung ließ meinen Körper erbeben. Die Tatsache, dass Elena sich das Leben nehmen wollte, schmerzte mir noch mehr als die Erkenntnis, dass ich nur noch einige Monate zu leben hatte.
Meine Elena! Wie konnte sie nur? Ich hatte angenommen, dass ich ihr ein Leben schenkte -ein unbeschwertes und schmerzfreies Dasein-, doch mein Entschluss bewirkte genau das Gegenteil.
“Dean, geht es dir gut?” - ich hörte Shanes Stimme ganz nah an meinem Ohr und wich erschrocken zurück, als ich sein Gesicht vor mir sah. Seine Augenbrauen waren besorgt zusammengezogen und er sah mich nicht minder angsterfüllt an.
Ich befand mich wieder in unserem Wohnzimmer mit einer Flasche Bier in der Hand, die ich so stark umklammerte, dass meine Knöchel weiß hervorstachen.
“Soll ich einen Arzt rufen?” - fragte er mich und ich schüttelte bloß mit dem Kopf. Wie gelähmt saß ich da und sah mich nicht im Stand irgendwas zu tun oder nur zu denken. Meine Gedanken haben sich gegen mich verschworen und entglitten mir schneller als ich sie aufgreifen konnte.
Was sollte ich machen? Doch mein Kopf war leer.
“Was ist passiert?” - fragte ich unsicher, denn ich wusste nicht genau, ob ich die Einzelheiten wissen wollte. Die Tatsache, dass sie es tun wollte, war erschreckend genug.
“Ja, so genau weiß ich es auch nicht.” - meinte er nur und mich beschlich das Gefühl, dass er mir auch nichts erzählen wollte. “Katy hatte mich angerufen, weil sie von Elena schon lange nichts mehr gehört hatte. Wir haben dann minutenlang an ihre Tür gehämmert und sie angerufen, aber sie öffnete nicht. Also haben wir die Tür aufgebrochen und haben sie dann …” - er brach ab und räusperte sich.
“Weiter.” - verlangte ich, als er schwieg.
“Wir haben sie dann in ihrem Bett gefunden und auf dem Boden lag eine leere Packung Schlaftabletten.” - fuhr er fort. “Katy hat sie dann darauf angesprochen und sie wurde daraufhin sauer und behauptete, dass sie nur ausschlafen wollte und nur eine Tablette genommen hat, aber …” - erneut brach er mitten im Satz ab.
“Ihr habt ihr nicht geglaubt.” - beendete ich für ihr den Satz.
“Nun, ja.” - bestätigte er mit einem Nicken. “Sie war so verzweifelt und die Schlaftabletten waren ein eindeutiger Beweis.” - sagte er dann.
Sie wollte sich umbringen, dass konnte ich einfach nicht glauben. Wie konnte sie sich so was antun und mir erst? Es tat so weh, sie in so einer Situation zu erleben.
Ich wusste nicht, dass unsere Trennung sie so aus der Bahn werfen würde. Ich wollte doch nur ihr bestes.
Jetzt wusste ich, was ich zutun hatte. Ich musste zu ihr und sie retten.
Schnell sprang ich auf und lief in den Flur.
“Wo willst du denn hin?” - wollte Shane wissen, der mir folgte.
“Zu Elena.” - warf ich nur über die Schulter und zog meine Lederjacke an. “Ich muss mit ihr reden, bevor sie noch mehr Unsinn macht.” - fügte ich hinzu und schlüpfte in meine Sneakers.
“Dean, es ist 5 Uhr morgens.” - erklärte er mir, doch das brachte mich von meinem Vorhaben nicht ab. “Sie schläft jetzt sicherlich.” - versicherte er.
“Ich muss mit ihr sprechen.” - sagte ich entschlossen. “Sie darf nicht alleine sein.” - meinte ich dazu und nahm meine Schlüssel von der Kommode.
“Katy ist bei ihr.” - informierte Shane. “Wir wollten sie nicht alleine lassen.” - fuhr er fort. “Vielleicht verschiebst du dein Vorhaben auf Morgen.” - riet er mir, doch ich konnte nicht warten. Ich musste Elena sehen, um mich selbst davon zu überzeugen, dass sie wohl auf war. “Dean.” - hörte ich Shane im Treppenhaus meinen Namen rufen, doch ich verließ bereits das Haus und lief in den frühen Morgen raus.

Die kalte Luft brannte in meinen Lungen und ich zog den Reißverschluss meiner Jacke zu.
Über die Gewissheit, dass sie ohne mich nicht leben wollte, war zu erschreckend für mich. Nun war ich noch da, aber in drei Monaten war mein Leben vorbei und ich wollte nicht, dass auch gleichzeitig ihr Leben ein Ende findet. Ich wusste, dass sie nicht stark genug für die Wahrheit war, doch auch mit der Lüge kam sie nicht klar.
Was sollte ich bloß machen?


*Elena*

Nun bekamen sie mich doch in den Stripteaseclub rein, obwohl ich mich mit Händen und Füssen gewährt hatte. Ich hatte ja nichts gegen nackte Haut, aber diese gehörte -meiner Meinung nach- in ein Schlafzimmer und nicht auf eine Bühne oder einen Tisch.
Das Clubinnere war genauso, wie man es aus Erotikfirmen kannte. Schummrige Beleuchtung und überwiegend rote Farbe vertreten. Es gab mehrere runde Tische, um jeden standen mindestens 10 Stühle. In der Mitte des Tisches war eine Stange angebracht, um die sich jeweils eine nackte Frau rekelte. Ich verspürte, wie mir die Spucke wegbliebe und ich meine Augen stur auf den Boden richtete.
“Also ich bin für die Blonde.” - hörte ich Shane sagen.
“Sie sieht wirklich gut aus.” - stimmte Clover ihm zu. Ich sah immer noch nur die Schuhe der Drei auf einem dunkelroten Teppich mit undefinierbaren Flecken. Was das für Flecken waren, wollte ich mir lieber erst gar nicht denken.
Wir schritten weiter und ich folgte Shane, meine Augen auf seinen Rücken gerichteten und versuchte das weitere Geschehen ganz zu ignorieren, was jedoch nicht so einfach war, weil die Gäste, überwiegend Männer, brüllten und klatschten. Als wir endlich den ausgesuchten Tisch erreicht hatte, setzte ich mich auf einen freien Stuhl und wagte es immer noch nicht auf den Tisch vor mir zu blicken. Ich sah lediglich die roten Highheels der Tänzerin.
“Willst du was trinken?” - fragte mich Shane und ich schüttelte bloß mit dem Kopf. “Bist du prüde.” - warf er mir vor und ich sah in sein lachende Gesicht.
“Bin ich gar nicht.” - entgegnete ich trotzig und im gleichen Moment lief ich rot an, weil hinter Shanes Rücken sich gerade eine Frau entblößte.
“Du bis keine 10 Jahre alt mehr.” - sagte Shane dann.
“Ich wollte nicht hierhin.” - beschwerte ich mich.
“Jetzt hör auf.” - meinte Clover genervt von der anderen Seite. Sie wollte nicht, dass Katy sich neben mir setzte, weil sie sehr eifersüchtig war. Und jetzt, wo ich Single war, erst recht. “Du bist kein Kind mehr.” - machte auch sie mir klar und am liebsten hätte ich ihr jetzt die Augen ausgekratzt.
“Können wir nicht einfach gehen?” - flehte ich Shane an.
“Nein.” - zeigte er keine Gnade. “Jetzt sind wir nun da und wir genießen es auch.” - sagte er und grölte laut auf, als ein BH auf seinen Schoß fiel.

Nach langen und qualvollen 2 Stunden, befanden wir uns endlich wieder auf der Straße. Ein erleichterte Seufzer entfloh meiner Kehle.
“Jetzt wollen wir aber nach Hause.” - meinte Clover und hackte sich besitzergreifend bei Katy unter.
“Ich will aber noch nicht.” - beklagte ich mich.
Wenn ich nur daran dachte, was mich Zuhause erwartete. Verzweiflung, Hoffnung, Trauer. Darauf hatte ich heute keine Lust.
“Ich muss morgen früh raus.” - machte Katy klar und sah mich an.
“Ich will aber trotzdem nicht nach Hause.” - meinte ich trotzig und verzog eine Schnute.
“Wir machen morgen einfach weiter.” - schlug Katy dann versöhnlich vor, doch ich schüttelte bloß mit dem Kopf.
Ich wollte nicht zurück in meine Wohnung und zu den letzten zwei Wochen zurück.
“Ich muss auch noch nicht nach Hause. Also unternehmen wir einfach zu zweit was.” - schlug dann Shane vor.
“Genau.” - sagte ich begeistert und hackte mich bei ihm ein. “Ihr könnte ja nach Hause gehen.” - meinte ich. Mir entging nicht, wie Katy Shane einen warnenden Blick zuwarf und er ihr nur zunickte.
Also war die Sache mit den Tabletten immer noch nicht ausgestanden, dachte ich verärgert, wollte aber im Moment meinem Ärger keine Luft machen. Ich wollte diesen Abend einfach nicht verderben.
“Ich bringe sie dann einfach nach Hause.” - beruhigte Shane meine beste Freundin und sie schaute ihn einige Augenblicke unentschlossen an.
“Na gut.” - sagte sie dann und lächelte sogar. “Gib mir aber deinen Schlüssel.” - meinte sie dann zu mir. “Ich übernachte heute bei dir.” - gab sie mir zu verstehen.
“Muss das wirklich sein?” - jetzt nervte mich ihre Fürsorge etwas. Sie nickte nur und sah mich auffordernd an. “Mir geht es gut.” - versuchte ihr klar zu machen, doch sie streckte nur ihre Hand aus. Mit einem Seufzer legte ich meinen Schlüssel in ihren Handfläche.
“Klingel` dann einfach.” - sagte sie und ließ den Schlüssel in ihrer Handtasche verschwinden. “Viel Spaß euch beiden noch.” - wünschte sie uns und küsste uns jeweils auf die Wange. “Bis dann.” - verabschiedete sie sich und Clover nickte uns nur stumm zu.
“Bis dann.” - rief ich ihnen hinterher.
“Also, was nun?” - sagte Shane an mich gewandt.
“Ich will tanzen.” - meinte ich dazu und er sah mich gequält an. “Bitte.” - bat ich ihn mit einem engelsgleichen Lächeln auf den Lippen.
“Okay.” - gab er auf und wir liefen zu “Baltimore”, einem Tanzlokal, ganz in der Nähe.

Eine Wolke aus Alkohol und Zigarettenrauch schlug uns entgegen, als wir das Lokal betraten. An der Garderobe entledigten wir uns unserer Jacken und betraten einen Raum voller tanzenden Leute.
Wir kämpfte uns bis zur Bartheke durch und besetzten zwei Barhocker.
“Auf einen lustigen Abend.” - prostete mir Shane mit einem Glas Wodka-Red-Bull zu, auch ich hob mein Glas.
Der Alkohol brannte in meiner Kehle und ich rümpfte die Nase. Der dritte Wodka-Energie-Gemisch machte mir nicht mehr aus und hinterließ nur ein flauschiges und warmes Gefühl in meiner Magengrube.
“Komm, wir tanzen.” - sagte ich zu Shane und nahm seine Hand. Widerwillig folgte er mir durch die Menschenmenge. Als ich endlich ein freies Plätzchen zum Tanzen entdeckt hatte, ließ ich Shane los. Ich hörte die Musik und bewegte meinen Körper zu der Melodie. Es war so befreiend.
Als ich dann Shane ansah, brach ich im Gelächter aus. Wie ein vom Blitz getroffener Glashüpfer sprang er von einem Bein auf das andere. Fragend sah er mich an und ich schüttelte bloß mit dem Kopf, während ich mich vor lachen schüttelte.
“Was ist los?” - fragte er mich verunsichert.
“Dein Tanzstill ist einfach …” - ich suchte nach dem passenden Wort für das, was Shane gerade tat. Als Tanzen konnte ich dieses unkontrollierte Zucken beim besten Willen nicht bezeichnen. “einzigartig.” - sagte ich dann und lachte erneut auf. Beleidigt sah Shane mich an und machte auf den Absätzen kehrt. Ich packte seine Hand und zog ihn zu mir.
“Es war nicht böse gemeint.” - sagte ich in sein Ohr.
“Dein Gelächter sagt aber was anderes.” - antwortete er beleidigt.
“Tut mir leid.” - entschuldigte ich mich und prustete wieder los.
“Ja.” - meinte er dann nur böse, doch ich ließ ihn nicht gehen, in dem ich meine Arme um seine Taille schlang.
“Und jetzt ein Lied für Marsha von Steven.” - verkündete der DJ und aus der Anlage kam die sanfte Stimme von Whitney Housten, die ihr Lied “i will always love you” - zum Besten gab. “Er liebt dich.” - fügte der DJ hinzu und drehte die Anlage voll auf.
Für einen kurzen Augenblick sah Shane mich unsicher an und ich sah zurück. Seine Augen verhackten sich in meine und ließen mich nicht von der Tanzfläche runter zu gehen. Nach einer Weile wurden aus den dunklen Augen die mir so vertrauten grünen und auch Shanes Gesicht verschwamm zu seinem Gesicht. DEAN.
Mein Atem ging ganz flach und ich spürte wie mein Herz flatterte. Der Alkohol, die Wärme des Körpers, an den ich gedrückt wurde und ein Gemisch aus 100 von Gefühlen, vernebelten meinen Kopf.
Shanes Hände legten sich auf meine Hüfte und meine ruhten auf seinen Schultern.
Es fühlte sich gut an, von jemandem festgehalten zu werden und sich sicher zu fühlen, doch im anderen Augenblick fühlte es sich so falsch an.

Fortsetzung folgt ...





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