Mit dem letzten Atemzug - Teil 8

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 07.08.2012


*Dean*

Ich hatte den Endschluss getroffen, Elena von dem Arztbefund zu erzählen, um mich endlich an ihrer Schulter ausweinen zu können. Meine Sorgen und Ängste von der Seele zu reden und mich einfach verstanden fühlen.
Doch als ich sie so beobachtete. Wie sie die Vase mit Wasser füllte und die Blumen reinstellte, bröckelte mein Entschlossenheit wie ein marodes Mauerwerk. Wollte ich sie wirklich der Gelassenheit und der Unbekümmertheit berauben, die sie an den Tag legte? Sollte ich sie wirklich in diesen Sumpf aus Angst, Zweifel und einer Spur der Hoffung mit reinziehen? Ich hatte keine Wahl gehabt, doch ich hatte jetzt die Wahl Elena das zu ersparen.
Mit ihren alltäglichen Problemchen und Sorgen sorgte sie dafür, dass ich auch einen kleinen Teil meines normalen Leben auch noch beibehielt. Wollte ich aufgeben?
“Was wolltest du mit mir besprechen?” - wollte sie wissen und sah mich fragend an.
“Ich …” - stotterte ich unter ihrem offenen Blick. “Ich … fahre am Montag für ein paar Tage nach Philadelphia.” - log ich und traf die Entscheidung für Elena.
“Was?” - fragte sie entrüstet und sah mich verwirrt an. “Wie … was?” - stammelte sie.
“Von der Arbeit aus. Dort ist nächste Woche ein Vortrag über die europäische Architektur. Ein Kollege ist kurzfristig abgesprungen und man hat mich gefragt.” - sagte ich schnell. Elena verzog eine Schnute.
“Für wie lange?” - fragte sie.
“Für eine Woche.” - sagte ich weiter, als ich an die Worte von Dr Morrey dachte.
“DEAN!!!” - kreischte sie erbost und stampfte mit dem rechten Fuß. “Nächste Woche ist unser Zweimonatiges.” - erinnerte sie mich dann.
“Tut mir leid.” - entschuldigte ich mich und legte meine Hände auf ihre Oberarme. “Aber so eine Gelegenheit ist echt einmalig.” - meinte ich und sah sie flehend an. “Das verstehst du doch?” - fuhr ich fort. Sie schnaubte verärgert.
“Ja.” - presste sie zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor.
“Bitte?” - fragte ich, obwohl ich sie verstanden hatte. “Du bist mir doch nicht böse?” - wollte ich von ihr wissen.
“Ja und nein ich bin nicht böse.” - sagte sie dann und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. “Aber ich bin total enttäuscht.” - informierte sie mich und legte ihre Hände auf meine Brust. “Ich werde dich vermissen.” - sagte sie und drückte sich mit dem ganzen Körper an mich.
“Ich dich auch.” - gestand ich ihr und legte meine Arme um sie. “Ich dich auch.” - wiederholte ich mit meinen Gedanken ganz weit weg.


*Elena*

Eine ganze Woche ohne Dean kam mir wie eine Ewigkeit vor. Am liebsten hätte ich ihn 24 Stunden an der Strippe, doch ich wollte nicht so klammern. Immerhin sollte er mal ein erfolgreicher Architekt werden und da musste ich mich damit abfinden, dass er zu solchen Vorträgen fahren musste. Nichtsdestotrotz vermisste ich ihn. Besonders nachts war es schlimm. Ich lag bis zum Sonnenaufgang schlaflos in meinem Bett und sah zu wie die dunkele Decke sich langsam erhellte. Doch eine schlaflose Nacht hatte aber auch was positives. Die Erinnerungen, die mal irgendwo in der untersten Schublade seines Gehirn vergraben hatte, kamen wieder hoch. Und die meisten meiner schönsten Erinnerungen hatte mit Dean zutun.
Als ich mit 6 Jahren, nachdem meine Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen waren und keiner der Verwandten sich in die Pflicht genommen lassen wollten, ein kleines Mädchen bei sich aufzunehmen, in ein Kinderheim gekommen war, fühlte ich mich von der ganzen Welt verkauft und verraten. Zugegeben war ich auch nicht einfach und nachdem die gefühlt hundertste Pflegefamilie mich nach einigen Tagen wieder in das Heim abschob, beschloss man mich dort bis zur Volljährigkeit zu behalten. Mir war es egal, ich befolgte eher keine Regeln. Die Erziehen hatten ihren Spaß mit mir. Für lange 11 Jahre verzog ich mich in mein Schneckenhaus und es durfte keiner auch nur in die Nähe kommen.
Bis, ja bis dieser hübsche Junge mit den grauen Augen in der Pause an meinen Tisch kam. Jedoch nicht, um mit mir zu quatschen, sondern weil sein Fußball unter den Tisch gerollt war, an dem ich saß.
“Hi.” - begrüßte er mich und sah ihn nur wütend an, sagte aber nichts. Er blieb an dem Tisch stehen und sah mich an.
“Ist was?” - fuhr ich ihn an.
“Nein.” - entgegnete er bloß und klemmte sich den Ball unter den Arm.
“Also.” - sagte ich bloß und widmete mich wieder meinem Gedicht zu, an dem ich gerade geschrieben hatte, bis er mich gestört hatte.
“Das ist sehr schön.” - hörte ich ihn sagen und fuhr erschrocken hoch. Ich bekam gar nicht mit, dass er die ganze Zeit hinter mir stand. Empört war ich mich mit dem Oberkörper über mein Notizblock.
“Schon mal was von Privatsphäre gehört.” - wollte ich von ihm wissen und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
“Habe ich.” - antwortete er bloß.
“Na dann. Hau ab.” - vertrieb ich ihn, doch er blieb stehen.
“Warum bist du immer so …. wütend?” - fragte er mich dann und machte gar keine Anstalten zu verschwinden. Genervt verdrehte ich die Augen.
“Stimmt gar nicht.” - stritt ich ab. Ich war wirklich nicht wütend, ich war nur voll in der Pubertät und hatte gerade den Höhepunkt meiner Trotzweise erreicht.
“Dann halt zickig.” - meinte er dann und ich plusterte mich auf.
“Das ist doch gar nicht wahr.” - sagte ich dann. “Mich nerven alle bloß.” - erklärte ich. “Und jetzt hau ab.” - sagte ich schon etwas lauter. Ich verstand überhaupt nicht, warum ich mich mit ihm unterhielt. Er war doch genauso gekloppt, wie der Rest der Welt.
“Du bist mir aber schon länger aufgefallen.” - sagte er und setzte sich neben mich auf die Bank. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah ich ihn an.
“Und?” - ich versuchte gleichgültig zu klingen und dabei sehnte ich mich nach einem guten Freund, mit dem ich meine Sorgen teilen konnte.
“Willst du nach der Schule mal was mit mir unternehmen?” - fragte er dann und ich war ganz baff.
“Warum?” - wollte ich dann wissen.
“Was warum?” - fragte er zurück und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
“Warum willst du was mit mir unternehmen, obwohl du noch nie ein Wort mit mir gewechselt hast?” - erklärte ich und sah zu seinen Freund rüber, die uns aus der Ferne beobachteten. “Hast du etwa eine Wette mit den Vollidioten von deinen Freunden laufen?” - sagte ich und sah ihn verächtlich mit zusammengekniffenen Augen an.
“Nein.” - antwortete er bloß und aus irgendeinem Grund glaubte ich ihn. “Ich finde dich einfach nett.” - sagte er dann und zuckte mit den Schultern.
“Du findest mich nett?” - hatte ich mich gerade verhört. Noch von zwei Minuten war ich wütend und zickig.
“Ja.” - sagte er nur und lächelte mich an. Einige Momente saßen wir nebeneinander und sahen uns schweigend an.
“Okay.” - willigte ich ein.
“Gut.” - sagte er dann und holte sein Handy aus der Hosentasche. “Gib mir mal deine Nummer, ich melde mich dann bei dir.” - sagte er und tippte gleich meine Nummer ein. “Ich bin übrigens Dean.” - stellte er sich vor und streckte mir seine Hand entgegen.
“Elena.” - gab ich meinen Namen preis und schüttelte seine Hand.
Damals gab ich Dean meine Nummer und glaubte nicht so richtig daran, dass er mich anrufen würde. Aber schon an gleichen Abend schickte er mir eine SMS, mit der eine lange Freundschaft anfing.
Bei dieser Erinnerung musste ich lächeln. Wie süß er mich damals angesprochen hatte und mir eine Hand ausgestrecht hatte, die mir so viele Jahre verweigert wurde. Er holte mich nur mit einer Frage aus meinem Schneckenhaus und veränderte mich, mein ganzes Leben.
Ich konnte nicht genau sagen, wann ich mich genau in Dean verliebt hatte. Eigentlich liebte ich ihn schon, als er mich zum ersten Mal ansprach.
Seit dem Tag haben wir viel miteinander erlebt. Zusammen gelacht und geweint und jetzt teilten wir die gemeinsame Liebe.

Ich gähnte und sah zum Fenster, wo bereits die Sonne an Horizont aufging. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Eine Woche war vergangen und Dean würde heute endlich nach Hause kommen. Er hatte mir zwar nicht gesagt um wie viel Uhr, aber ich beschloss heute Zuhause zu bleiben und einfach auf ihn zu warten. Genüsslich streckte ich mich und ließ meine Beine von der Bettkante baumeln. Mein Handy piepste auf dem Nachttisch und ich grinste über das ganze Gesicht. Bestimmt Dean, dachte ich glücklich und schnappte mir das Gerät. Es war tatsächlich Dean, doch seine Nachricht, ließ meine heile Welt in tausend Stücke zerfallen.
“Hi, also die Sache ist die. Ich habe hier jemanden kennengelernt und bleibe länger. Sorry, ist einfach passiert. Dean.”

Fortsetzung folgt ...





Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz