Atemzeit.. - Teil 9

Autor: Caprice
veröffentlicht am: 31.07.2012


Ein Gefühl von Geborgenheit durchströmte mich, flutete jeden Zentimeter meines Körpers. Es fühlte sich unwahrscheinlich warm und reinigend an. Ich ließ mich in der Wärme treiben und öffnete nur langsam wieder meine Augen. Ein Feuer, in einer provisorischen Feuerschale, knisterte dumpf neben mir.
Ich musste für Stunden geschlafen haben. Die Sonne war bereits untergegangen und tauschte ihren Platz mit einem gigantischen, purpurnen Mond. Dieses Rot faszinierte mich auf eine seltsame Weise.
Caprice lag auf der anderen Seite der Feuerschale und schlief. Ich konnte ihren sanften Atem in der Nachtluft hören. Die kurze Trennung hatte sich wie eine Ewigkeit angefühlt. Michael saß neben ihr und legte gerade seinen Umhang um ihre Schultern, der groß genug war, um sie vollständig darin einzuhüllen. Es war eine kalte, windige und sternenlose Nacht.
„Wo sind Raziel und Zadkiel?“ Ich hatte sie nirgendwo erkennen können.
„Seith?,“ flüsterte Michael fragend.
„Wie geht es dir Junge?“ Er kniete sich vor mich, beugte sich über und fasste, mit besorgter Miene, an meine Stirn. Fast väterlich. Seine Hände waren sehr warm, beinahe heiß.
„Besser,“ antwortete ich mit leicht verwirrter Stimme. Sein Verhalten war äußerst merkwürdig.
„Du hattest ziemlich hohes Fieber. Wir haben versucht dich zuwecken, nachdem wir deine Verletzungen geheilt haben. Du hast nicht reagiert.“ Sein Gesicht verzog sich zu einer noch besorgteren Miene. So kannte ich ihn gar nicht. Das Feuer loderte und die stacheligen Spitzen, seiner blonden Haare, leuchteten in einem klaren Orangegelb. Seine Augen waren von einem intensiven Saphirblau. Erst jetzt fiel mir auf, wie schön sie eigentlich waren. Es lag soviel Herzlichkeit und Güte darin.
„Raziel und Zadkiel halten wache. Wir werden sie später treffen. Erzähl mir was passiert ist!?“ Seine Stimme wurde wieder ernst und er wieder zu mehr Michael.
„Einer von den Gefangenen,“ antwortete ich tonlos.
„Sie sind uns also auf die Schliche gekommen.“ Er schüttelte fassungslos den Kopf.
„Es tut mir Leid. Er hat mich überrascht.. Ich... Ich hatte keine Chance.“ Ich seufzte und fuhr mir mit der Hand durch´s Haar, dass schwarz war. So sehr.
„Du hast Sky verwendet. Das war sehr gut und hat dir wohlmöglich das Leben gerettet. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie uns so schnell finden würden.“ Er legte nachdenklich den Kopf in den Nacken.
War das ein Lob? Von Michael? Sein Verhalten wurde immer fragwürdiger.
„Nein, unabhängig davon, ich hätte es besser wissen müssen, oder zumindestens damit rechn...“
„Nein Seith, du trägst keine Schuld,\" fiel er mir mit Nachdruck ins Wort.
\"Wir wussten, dass deine Kräfte nicht ausgereift sind. Wir hätten dich nicht zuletzt durch den Zeitwirbel gehen lassen dürfen.“ In seiner Stimme lag jetzt Verärgerung. Er war wütend, jedoch nicht auf mich. Wieso war er nicht sauer auf mich? Es war meine Unerfahrenheit, meine Schwäche. Es machte mich rasend, dass er die Schuld auf sich nehmen wollte. Hätte ich meine vollen Kräfte, wäre dass alles nie passiert. Ich hätte den Gefangenen locker vernichten können. Jetzt wird er den anderen, unsere Position verraten, und dann würden sie wissen, wissen welches Ziel wir ansteuern.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Wieder überkam mich dieses seltsame Gefühl. Intesiver, als je zuvor. Soviel Wut, soviele Selbstzweifel, soviel Hass, soviel Ich. Was für ein Engel bin ich?


„Ihr seid für meine Schwächen nicht verantwortlich!,“ Meine Lippen bewegten sich wie von selbst.
„Ich bin derjeniege. ICH!“ Schrie ich so laut, dass meine Kehle brannte.
„Kannst du DAS verstehen, Michael? ICH war nicht vorbereitet und ICH alleine trage dafür die Verantwortung, die Schuld, wenn du es so nennen willst. Hättest du Caprice nicht mitgenommen dann... Ich meine, wäre sie nicht bei dir gewesen, sondern bei mir..Sie hätten sie...“ Meine Stimme versagte, blieb mir förmlich im Hals stecken.
„Es ist alles gut Seith, sie ist hier.“
Und sie war es. Ich sah zu ihr rüber. Ihre Augen waren geschlossen. Trotz der Lautstärke, die ich sonst eigentlich nicht an den Tag legte, schlief sie seelig und ruhig weiter. Noch nie war mir jemand so wichtig.
„Wir werden einfach beide besser aufpassen, inordnung?“ Michael erkannte meine Verzweiflung und bohrte seinen Blick tiefer in den meinen. Er sah etwas erschrocken drein. Plötzlich tat mir alles unendlich leid. Es tat mir leid, dass ich ihn angeschrien habe. Meinen Ärger, über mich selbst, auf ihn übertragen zu haben. Es war nicht seine Schuld. Ich war das Problem.
„Okay,“ antwortete ich mit leiser Stimme und legte meinen Kopf, der sich unwahrscheinlich schwer anfühlte, auf die kühlende Erde.
„Okay, nun ruh dich etwas aus.“ Er ging zurück an seinen Platz und faltete die Hände übereinander. Sein Gesicht hatte immer noch diesen seltsamen Ausdruck. Er wirkte konzentriert und verwirrt zugleich. Als hätte er gerade die Antwort, auf eine längst vergessene Frage erhalten, die er nicht verschwand. Oder, nicht verstehen wollte.
„Wir werden bei Sonnenaufgang aufbrechen.“ Sagte er dann. Ich mochte die Art wie er sprach. Das rauchige in seiner Stimme. Irgendwie erinnerte es mich an etwas. Ich konnte mich nur nicht mehr erinnern woran.
„Zu den Höhlen der Dornalle. Sie liegen hinter den Seinbergen. Dort werden wir einen alten Freund treffen. Er wird uns für den nächsten Abschnitt zur Seite stehen.“ Fuhr Michael fort und legte sich anschließend hin- ohne, die Augen zu schließen...
...Seith? Seith? Du musst aufwachen Junge.
Die schwammige Gestalt rüttelte unsanft an meinen Knochen. Ich musste Gestern gleich eingeschlafen sein. Es war wieder hell und Raziel´s Gesicht erstreckte sich vor mir, sowie, ich die Augen aufschlug.
„Du siehst wieder gut aus, Seith.“ flachste er und grinste etwas spöttisch drein.
„Danke Raziel, sehr nett von dir,“ antwortete ich in dem gleiche geggicken Ton und stand hinkend auf.
Die Dornalle sah bei Tag noch gruseliger aus als bei Nacht. Überall wuchsen Pflanzen in den unterschiedlichsten Variationen. Keine davon war mir bekannt. Alle waren mit dicken, angsteinflößenden Dornen übersäht. Einige so groß, dass man tatsächlich vorsichtig sein musste, sofern man nicht vorhatte, als Schaschlik zu enden.
Das wird ein langer Tag, dachte ich. „SEITH!“ Caprice drückte sich in meine Arme. So aprubt, dass es mich fast von den Beinen fegte.
„Dir geht es wieder gut, ich bin so froh.“ Ich drückte sie fest an meine Brust. Wollte sie gar nicht mehr loslassen. Ihr Geruch. Der süß war. So sehr.
„Keine sorge, so schnell wirst du mich nicht los.“
Sie lachte und erinnerte mich an mein Versprechen, dass ich ihr gegen hatte. Dass ich sie nicht alleine lassen würde.
„Nie,“ antwortete ich.
„Will ich hoffen, ansonsten werde ich diejeniege sein, die dich demnächst umhaut.“
Ihr Gesicht malte ein freches Grinsen.
„So Kinder, los gehts.“ Raziel wieder. Er und seine unlustigen Witze. Aber wenigstens war die Stimmung dadurch etwas ausgelassener, dachte ich. Michael ging voraus. Zadkiel verteilte währenddessen neue Pergament Stücke. Er und Raziel gingen hinter Caprice und mir. Wir befanden uns also in der „sicheren“ Mitte. Irgendwie fühlte ich mich gerade tatsächlich, wie ein Kind. Mich wegen der Laufanordnung zu beschweren wäre jedoch, wohlmöglich, noch kindischer. Also hüllte ich meine Gedanken, vorläufig, in Schweigen und ließ es kommentarlos über mich ergehen. Alleine neben diesem Lächeln zu gehen, war es mir wert. Sie. meine Atemzeit. Sie. Mein Leben. Sie. Neben mir. In meinem Herz. Ja... Es ist alles gut. \"RENNT!\"






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