Died Again - Teil 9

Autor: Noa
veröffentlicht am: 16.08.2012


Kapitel 8

Gute Aussichten

Kayleigh erwachte und aus dem Wohnzimmer erklang das Klirren einiger Teller. Lex musste schon früh auf seien und auf ihrem Wecker stand: 07:45. Gähnend reckte sich ihr Körper und einige Knochen knacksten laut.
„Ich bin alt…“, murmelte sie und rieb an ihrem Rücken. Mit einer lockeren kurzen Hose und einem etwas zu großen Top schlenderte sie über den Fußboden und öffnete ihre Zimmertüren. Die ersten Stimmen drangen in ihr Ohr.
„Nein. Ich glaube nicht. Immerhin ist sie achthundert Jahre alt.“, sagte Lex und das Rauschen von Dampf ertönte am Herd. Kayleigh merkte schnell, dass die beiden über sie sprachen. Neugierig lehnte sie sich an die Tür und streckte ihr Ohr der Stimmen entgegen.
„Ja, aber sie ist achtzehn oder jünger. In echt mag sie zwar achthundert Jahre sein, aber sie ist noch immer ein lebhaftes Mädchen. Jung, schön und lustig.“, gab Steven als Antwort.
Lex seufzte. „Warum führe ich diese Unterhaltung ausgerechnet mit einem Geist?“, fragte er sich und musste dabei auflachen. Steven sprang vom Stuhl auf, den er ohne hindurchzufallen besetzen konnte und stemmte in die Hüften.
„Du hast eher Angst!“, rief er und grinste.
„Hab ich nicht!“, konterte Lex wütend und hielt verkrampft seine Pfanne fest.
„Dann gib es zu das du sie magst.“
Lex schlug seinen Pfannkuchen auf einen Teller und goss neue Masse hinein. Er beendete das Gespräch mit einem Schweigen. Also mochte Lex sie nicht oder warum gab er darauf keine Antwort? Schämte er sich dafür, es zuzugeben? Auch wenn es wahrscheinlich nichts zu bedeuten hatte, dass Lex schwieg, kränkte es Kayleigh. Gerade als sie ins Wohnzimmer gehen wollte, ertönten aus seinem Mund die letzten Wörter.
„Ja, natürlich mag ich sie.“, nuschelte er fast unverständlich und Steven grinste, als er merkte das Kayleigh um die Ecke kam.
„Morgen, Kleines.“, begrüßte er sie und zupfte an seinen dunklen Rastalocken.
„Morgen, ihr beiden!“, rief sie und Lex blieb wie angewurzelt stehen. Ob sie die letzten Wörter mitbekommen hatte? Ihm war die Situation höchst unangenehm. Er suchte passende Sätze, um vom Thema schleunigst abzulenken. Nicht dass Steven noch auf dumme Gedanken kam.
„Ich habe Pfannkuchen gemacht, falls du welche essen willst.“, sagte er stotternd und räusperte sich am Schluss.
„Ja, sicher.“, lächelte Kayleigh und setzte sich neben Steven auf den Stuhl. Es war ihr ein Rätsel wie er darauf sitzen konnte.
„Wie machst du das?“, fragte sie und schaute unter seinem Stuhl nach.
„Man braucht Einiges an Konzentration, aber am Schluss hat man es. Kann ich schlecht erklären. Aber jetzt weißt du warum man von Geistern spricht, wenn Dinge schweben.“
Kayleigh versuchte Steven zu berühren, aber ihre Hände hingen in der Luft oder besser gesagt, fuhren durch ihn hindurch.
„Wow. Jetzt wird mir einiges klar. Bist auch der erste Geist, der in den achthundert Jahren mit mir vernünftig redet.“
Steven grinste geschätzt und schnappte sich ein Messer und eine Gabel. Wie ein kleines Kind hüpfte er auf dem Stuhl herum und schlug mit dem Besteck auf den Tisch.
„Hunger!“, schrie er.
Lex erschrak als er die schwebende Gabel und das Messer sah, wusste aber, dass es Steven war, der mal wieder schäkerte. Kayleigh musste bei dem Anblick lachen. Er stellte Teller und Gläser auf den Tisch und Kayleigh sortierte sie anmaßend. Steven verzog traurig den Mund, als es für ihn keinen gab. Lex seufzte grinsend und legte einen Dritten dazu. Mit Gabel und Messer stach er auf leerem Porzellan herum. Allerdings fiel ihm manchmal das Besteck auf den Tisch. Anscheinend kostete es Kraft, sich darauf zu konzentrieren, Dinge als Geist in die Hand zu nehmen.
„Sir, das ist vorzüglich. Nicht zu zäh, sondern ausgesprochen saftig. Mit ein wenig Salz würde das Steak einen besseren Geschmack erhalten und der Salat schmeckt zu bitter. Ansonsten ausgesprochen lecker.“, sprach Steven in einem verzogenen hauchenden Ton, wie früher bei den extravaganten Engländern. Er rümpfte seine Nase nach oben und zog sein Gesicht lang. Dadurch straften sich ein wenig seine Falten und seine Hände schwebten kurz über der Tischkante. Kayleigh lachte laut auf und fasste sich an ihren Bauch.
„Schaut her!“, sagte er in der gleichen Stimme und im Handumdrehen wurde aus seiner Gestalt ein alter Mann, dessen Gesicht nur aus Falten bestand, eine Blässe zeigte sich im Licht und seine Kleidung befand sich aus dem achtzehnten Jahrhundert, als die Leute noch weiße Strumpfhosen und feine Schuhe mit Absätzen trugen. Seine Haare waren weiß und an der Seite zu einer dicken Locke gedreht. Hinten hielt eine goldene Spange die Frisur zusammen. An seinem Hals hing ein Jabot. Die Jacke war blau und gemustert. Ohne ein Tuch in der Hand zu halten, putzte er sich damit seinen imaginären Schmutz von den Lippen. Die Schuhe unter seinen Füßen klackerten und in einem bestimmten Rhythmus tanzte er damit.
„Steven, hör bitte auf! Mein Bauch tut schon weh!“, lachte Kayleigh und legte sich auf den Boden. Ihr Zwerchfell schmerzte vor Anspannung, aber es machte ihr nichts aus. Erst als Lex ihre Hand griff, um ihr aufzuhelfen, sah er Stevens witzige Erscheinung. Auch er begann zu lachen und Steven konnte irgendwann auch nicht mehr ernst bleiben. Es hatte Spaß gemacht mit drei Freunden zusammen zu sein mit denen man sich vergnügen konnte. Den Moment wollte Kayleigh nie wieder vergessen, dafür war er zu bedeutend.
Nach wenigen Minuten saß Kayleigh mit ihrem Hintern auf dem Boden, neben ihr befand sich Lex und hielt ihre Hand. Seine Augen verloren sich im Anblick von Kayleighs Lächeln. Ihre Iris funkelte im Sonnenlicht und die Haut glitzerte. Sogar nach achthundert Jahren war sie noch immer wunderschön. Steven sah zu Lex, dessen Trance sofort auffiel. Damit daraus keine Peinlichkeit für ihn entstand, obwohl Steven mit Mühe dagegen ankämpfen musste, eine Dummheit zu begehen, sprang er plötzlich auf und atmete laut ein. Lex’ Augen wandten sich von Kayleigh ab.
„Okay, Leute! Ich lasse euch mal in Ruhe essen und werde versuchen als Geist im Wasser zu schwimmen.“, sagte er und wandte sich zum Garten.
Auf dem Teller landete für beide ein dicker Pfannkuchen und in der Mitte stand ein Korb mit zwei Scheiben Brot. Drumherum standen Butter und ein Marmeladenglas.
„Dann lass es dir schmecken.“, sagte Lex, aber Kayleigh aß schon fast den halben Pfannkuchen auf. Er musste grinsen, als er ihr zuschaute. Die ganze Zeit über beachtete er jede Bewegung von ihr. Was war nur passiert die letzten paar Tage? Normalerweise müssten alle Gedanken um das Übernatürliche kreisen, aber in seinem Gedächtnis gab es anscheinend etwas Wichtigeres. Er war heute Morgen so früh auf gewesen, dass er die ganze Zeit nur über ein einziges Thema nachdachte und daher nicht schlafen konnte. Er rüttelte seinen Kopf um erneut seine tiefgründigen Gedanken abzuschütteln. Nach dem Essen kümmerte sich Kayleigh um den Abwasch und anschließend stiegen beide ins Auto. Steven tauchte einfach auf der Rückbank auf und erschreckte beide.
„Oh Mann!“, schrie Lex und hob die Arme über den Kopf, als Steven einen kreischenden Ton von sich gab.
„Es klappt jedes Mal aufs Neue.“, verhöhnte er die beiden.
Kayleigh schüttelte den Kopf und Lex startete den Motor um loszufahren.
Während der Fahrt herrschte eine Totenstille. Sogar Steven hielt sein Mundwerk und schnatterte nicht sofort los.
Nach einigen Kurven und Kreuzungen gelangen sie in die richtige Straße und Steven hob seinen Arm aus dem Auto. Es sah beängstigend aus, als ein Körperteil ohne Hemmungen aus dem Auto stieß.
„Dort ist das Haus. Ganz sicher!“, rief er und sprang mit einem Satz nach draußen zur Haustür. Lex parkte den Jeep möglichst nah und Kayleigh hüpfte vor Aufregung auf der Stelle.
„Was sagen wir eigentlich?“, fragte sie und stieß die Tür zu.
„Ich habe da schon eine Idee. Gib mir den Rest deiner Flugblätter.“, bat er und Kayleigh entnahm von der Rückbank den übrig gebliebenen Stapel und drückte ihn ihm zu.
Die Hälfte gab er ihr zurück und zusammen stellten sich beide vor die Tür. Steven blieb dicht hinter ihnen. Zum Glück hörte und sah der Bewohner einen Geist nicht.
Nach zu langem Warten öffnete ein junger Kerl, braune Haut, schwarzes Haar, dunkle Augen und mit einem breiten Grinsen im Gesicht die Tür. Man sah ihm sofort an, dass er Asiate war und er war sehr dürr. Auf seinem schwarzen Shirt war ein weißer Totenkopf und die dunkelblaue Jeans war mit Flecken versehen. Der Anblick schien im ersten Moment schockierend zu seien, aber Lex begann mit dem ersten Satz.
„Wir verkaufen einen super Computer und dachten jemanden hätte Interesse daran.“, sagte er in einer kühlen, ruhigen Art und schien überhaupt nicht nervös zu klingen. Kayleigh beeindruckte seine Beherrschung. Der Asiate blickte auf das Blatt, verzog eine erstaunte Mimik und sprintete nach hinten ins Haus. Kayleigh kratzte sich verworren am Kopf.
„Was war das denn?“, fragte sie und allmählich juckten ihre Fingerspitzen. Vielleicht war es eine weniger gute Idee gewesen.
„Warte! Er kommt wieder!“, rief Lex und versuchte sein Lächeln zu halten. Der Asiate schaute um den Rand der Tür.
„Kommt rein!“, flüsterte er und in Kayleighs Bauch zuckte es unangenehm. Aber Lex nahm sie sorgsam bei der Hand und wartete bis der Asiate den Eingang verschlossen hatte. Hinter seinem Rücken zückte er das gleiche Flugblatt heraus, das allerdings zerknüllt und durchlöchert war.
„Ihr seid diejenigen, die diesen genialen Computer verkaufen? Ich brauche ihn!“, rief er aufdringlich und rückte näher. Er war tatsächlich fest davon überzeugt, dass jemand so naiv einen guten Computer verkaufte. Beinahe schon zu dumm.
„Ja. Aber wir müssen wissen in welchen guten Händen wir unseren Computer geben. Zeig uns doch was du damit machen willst. Zum Beispiel installieren von Programmen oder Spiele.“
Lex zog eine Augenbraue hoch, aber Asiate willigte sofort ein.
„Klar! Kommt hoch.“
Auch Steven schwebte nach oben und folgte dem jungen aufgedrehten Kerl. Sein Zimmer stank fürchterlich nach Schweiß und verfaulter Lebensmittel. Der Boden war mit Kleidern, Tüten und Comicheften übersäht. Alles war dreckig bis auf sein polierter Computer. Er glänzte, wenn die Sonne drauf schien.
„Übrigens mein Name ist Shain.“, sagte er und loggte sich in sein System ein.
„Ja, das hier ist Juliette und ich bin Steven.“, log Lex, da es ein Fehler wäre, die echten Namen zu nennen. Kayleigh zuckte kurz, da es merkwürdig war falsch benannt zu werden. Der echte Steven knurrte, da Lex seinen Namen stahl.
„Seit ihr Spezialisten?“, fragte er und seine Tonart klang tückisch. Er versuchte auf eine clevere Weise aus den beiden etwas herauszubekommen.
„Inwiefern speziell?“, grub Lex tiefer.
„Naja, ihr wisst schon. Die speziellen Sachen, die viele, wenn man ein Talent darin ist, machen.“, zwinkerte er den beiden zu und Lex durchschaute als Einziger sein Rätsel.
„Ach, du meinst diese spezielle Sache. Brauchst doch vor uns kein Geheimnis draus zu machen. Wir sind Profis in dem Gebiet.“, lachte er und schlug Shain freundschaftlich auf die Schulter. Kayleigh hob verwirrend eine Augenbraue hoch und konnte den beiden nicht folgen.
„Also ihr seid auch echte Hacker?“, platzte die Lösung des Rätsels aus ihm heraus.
„Sicher!“, rief er und Kayleighs Muskeln entspannten sich. Das war knapp. Shain hätte auch etwas anderes damit deuten wollen. Nervös massierten ihre Fingerkuppeln ihren Arm, an den sie sich festgeklammert hatte.
„Endlich trifft man auf Konkurrenz. Nein, Witz. Ich bin aber wirklich der beste von allen. Meine Mom findet zwar Schule sei wichtiger, obwohl ich nur in Mathe und Physik ein wirkliches Genie bin, aber mit siebzehn hat man eben noch die Muttis am Hals. Soll ich euch dann eine super Hackerprobe geben?“, sprudelte er los und Kayleigh hatte das Gefühl, das er durch seine einsame Beschäftigung nicht viel sprach und daher aus seinem Mund ein Wasserfall floss, wenn er Gesellschaft hatte.
„Klar doch!“, lächelte Lex und drehte sich zu Kayleigh, als Shain seinen Blick auf den Bildschirm richtete.
„Seit neustem arbeite ich an einem System, das das gesamte Netzwerk dieser Stadt überblicken kann. Das heißt ich hätte alle Zugänge zu sämtlichen Akten und Tätigungen der Computer.“, sprach er und seine Besucher rückten näher an den Bildschirm.
„Abgefahren.“, sagte Lex und verfolgte mit seinen Augen die Maus.
Nach weiteren Klicks gab er einige Codes ein und es erschien eine Karte auf dem Bildschirm. Shain sprang auf und hob die Hände nach oben.
„Nach dem fünfzehnten Mal klappt es endlich. Ich bin der Beste!“, schrie er auf. Shains Muskeln spannten sich aufgeregt an und sofort setzte er seine Arbeit fort.
„Ich sagte doch, dass es keinen besseren Hacker in der Stadt geben könnte. Ihr seid mir was schuldig.“, sang Steven hinter ihnen und setzte sich auf die dreckige Couch im Zimmer.
„Reicht das?“
Kayleigh wollte mehr von dem Programm sehen. Das gesamte Netzwerk der Stadt? Und zu allen hätte er Zugang? Auch zu den Daten aller Personen? Lex wollte einen Schlussstrich ziehen, aber Kayleigh lehnte sich vor ihm weiter zum Bildschirm.
„Ich kann auch Zugriff zu allen gespeicherten Personen der Stadt haben?“, fragte sie und blickte den grinsenden Shain an, der stolz auf seinem Stuhl die Arme verschränkte.
„Jep. Allerdings braucht das wieder herum einen neuen Code. Aber das schaffe ich auch.“
Shain erledigte einige Klicks und Codes, sodass auf einmal die komplette Datenbank aller Personen erschien. Es war unglaublich. Kayleighs Magen drehte sich um und ein Gefühl des Sieges stieg in ihrem Bewusstsein empor. Das Ziel war zum Greifen nahe, aber dann schloss Shain die Datenbank und loggte sich aus dem kompletten System. Kayleigh senkte traurig den Kopf. Shain drehte sich mit den Stuhl zu den beiden um und er wartete auf seinen Preis.
„Also, kommen wir zum Geschäft. Der Computer. Stimmt der Preis auf dem Zettel?“, fragte er und zog aus seiner Hosentasche einen Geldbeutel heraus. Jetzt wurde es für beide eng. Steven tauchte hinter ihnen auf und flüsterte etwas: „Sagt ihm die Wahrheit.“
Lex’ Körper war wie erstarrt. Der würde uns doch glatt hinaus werfen, war sein erster Gedanke. Jedoch dieses Mal handelte Kayleigh schneller. Sie wollte unbedingt in die Datenbank.
„Hör mal, Shain. Wir müssen dir etwas gestehen. Es gibt gar keinen XXL-FASTER PC. Wir haben das erfunden, um die Hilfe von jemanden wie dir zu bitten.“, erzählte Kayleigh mit verzweifelter Stimme und im ersten Moment sah es so aus, als wäre Shain nur enttäuscht den PC nicht zu bekommen. Es herrschte Stille und auch Lex scheuerte nervös seine Füße auf dem Boden. Kayleigh wandte ihre Augen nicht von ihm ab, in der Hoffnung er würde beide nicht hinausschmeißen. Shain atmete tief ein, als ob es schwer wäre ihnen zu glauben. Er hob enttäuscht die Hände und seine Mundwinkel zogen sich immer weiter nach unten. Kayleigh wollte ihn nicht anlügen, aber jede Situation wäre ihr recht, wenn dabei ihr Leben außer Gefahr wäre.
„Tja…“, seufzte er. „Ich bin zwar enttäuscht, dass es keinen PC gibt und auch ein bisschen sauer, aber wenn ihr schon mit solchen Schnapsideen kommt, dann muss es wichtig seien. Ehrlich gesagt, bin ich geehrt, das ihr mich auserwählt habt. Dann fühlt man sich besonders. Aber wie seid ihr auf mich gekommen? Hat jemand in meiner Schule davon erzählt?“
Die beiden waren über seine Reaktion überrascht und freuten sich über den gescheiterten Verdacht nicht hinausgeschmissen zu werden. Aber nun hatten sie keine andere Wahl, als ihn erneut anzulügen. Denn die wahre Geschichte würde er ihnen bestimmt nicht so leicht abkaufen.
„Wir kennen jemanden und dessen Freund wusste über dich Bescheid. Name und Aussehen sind uns unbekannt.“, antwortete Kayleigh und ihr Schauspiel kam besser denn je herüber.
„Verstehe. Muss einer meiner Kumpels gewesen sein.“, betonte er. „Sagen wir einmal, wenn ich euch helfe… Was bekomme ich dafür? Oder besser gesagt, was habe ich davon?“
Kayleigh seufzte ausgelaugt. Alles schien miteinander verbissen zu sein. Sie schuldete Steven einen Gefallen und nun wollte Shain eine Genugtuung. Wann würde diese Kette enden? Ihre Arme verschränkten sich vor der Brust und ungeduldig pustete sie sich ein Strähne aus ihrem Gesicht.
„Ich höre…“, murmelte sie und seufzte schlaff.
„Es ist nichts Schweres. Lediglich eine Erledigung, die nicht ich tun kann. Ich brauche jemanden, der bereit ist einen Umschlang in einen Briefkasten zu schmeißen. Mehr nicht. Es muss aber nachts geschehen und ihr dürft nicht gesehen werden.“, sagte er und allmählich klang seine Bitte mehr als nur ein harmloser Gefallen. Beinahe schon kriminell.
Lex hob erwartungsvoll eine Augenbraue hoch. Für ihn klang der Gefallen plausibel, als hätte er die Bitte schon erwartet.
„Gut. Abgemacht! Wirst du auch unseren Gefallen erfüllen?“, fragte er sicherheitshalber.
„Klar!“, grinste Shain, als ob die Sache schon beschlossen wäre, aber Kayleigh hatte noch einige offene Fragen. Allein das diese Tat nachts passieren musste, klang nach einem Verbrechen. Was war so wichtiges in dem Umschlag? Illegale Obliegenheiten? Kayleigh schauderte.
„Was genau ist in dem Umschlag? Und warum nachts? Das klingt mir sehr nach-“
„Ja. Also du kannst dich auf uns verlassen!“, rief Lex schnell ins Wort und zog Kayleigh von Shain weg. Überrascht haftete sich ihr Blick an ihn.
Shain entnahm einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und sperrte eine Schublade auf. Daraus entzog er den Umschlag und streckte ihn Lex entgegen.
„Bitteschön! Wie gesagt! Wichtig ist nachts und ihr dürft nicht gesehen werden. Auf dem Umschlag steht die Adresse.“, sagte er und drehte sich mit seinem Stuhl einmal um seine eigene Achse.
„Wir werden ihn heute abgeben. Morgen früh sehen wir uns wieder.“, sagte Lex, um zu verdeutlichen, dass Shain nicht fliehen konnte. Mit Kayleigh am Arm zog er sie aus dem Zimmer und draußen platzte ihr der Kragen.
„Was sollte das?“, fragte sie wütend und blieb mitten auf der Treppe stehen. Vor ihrer Brust hingen ihre verschränkten Arme und ein grimmiger Blick verfolgte Lex. Seufzend zog er seine Schultern hoch und breitete seine Arme von sich.
„Vielleicht weil du sonst den Auftrag mit deinen stechenden Fragen vermasselt hättest…?“, gab er protzig Antwort. Kayleigh stemmte mit geballten Fäusten in ihre Hüfte.
„Spinnst du? Wir halten vielleicht etwas absolut Kriminelles in der Hand!“
Kayleigh stampfte die Treppe hinunter und lief an ihm vorbei. Ihre Stirn rollte sich in Falten und die Nase zog sich nach unten.
„Soll ich dir mal was sagen? Das, was wir vorhaben, ist noch krimineller als einen blöden Umschlag, den man in einen bedeutungslosen Briefkasten schmeißen muss. Denk mal ein bisschen mehr mit!“, brüllte er kochend.
Kayleigh wollte diese Wörter überhört haben und drehte sich schlagartig um. Ihr wütender Blick durchbohrte Lex.
„Vielleicht haben wir mit dieser Entscheidung unsere Stadt gefährdet! Wir kennen den Typen doch gar nicht.“, konterte sie und lief zum Auto, wartend darauf, dass es aufgesperrt wurde. Lex wollte sich nicht weiter streiten und stieg mit ihr ein. Es war hoffnungslos gegen einen Wand anzukämpfen, die niemals durchbohrt werden konnte. Kayleigh war dickköpfig und er wusste sie hatte auf irgendeine Weise Recht. Vielleicht war wirklich etwas in dem Umschlag, dass jemanden gefährden könnte. Aber an erste Stelle stand Kayleighs Sicherheit und Zukunft. Sie musste um jeden Preis auf das I-Team Internat. Es würde ihr die nächsten Jahre ihr Leben vereinfachen.
In Lex Haus schmiss Kayleigh noch immer gereizt ihre Tasche auf das Sofa und verschwand schweigend in ihr Zimmer. Drinnen legte sie sich auf das Bett und es tat ihr weh mit Lex zu streiten. Freunde sollten keine Auseinandersetzungen miteinander haben, sondern lieber in Ruhe darüber reden und eine gemeinsame Lösung finden. Aber das war Kayleighs Art. Dickköpfigkeit.
Steven tauchte neben ihrem Bett auf und setzte sich hin. Dabei klimperten seine Ketten.
„Findest du nicht, dass du übertrieben hast? Lex wollte dich nur schützen. Neugierde ist manchmal kein guter Zeitpunkt.“, sagte er und legte seine Hand auf ihren Arm, dessen Berührung deutlich zu spüren war. Auch wenn von einem Geist keine Wärme ausstrahlte, fühlte sie sich in dem Moment geborgen. Es gab endlich jemanden, der ihr zuhörte.
„Steven, ich habe Angst vor diesem Umschlag. Woher soll ich wissen, was drinnen steht?“
In seinem Kopf blitzte ein Gedanke auf. Er konnte reintheoretisch durch ihn hindurchschauen. Vielleicht erkannte er etwas. Bei der simplen Idee, schlug er ihr aufmerksam auf den Arm und sprang vom Bett. Sein aufregendes Gefühl drängte ihn teilweise dazu.
„Komm mal mit!“, rief er und lief durch die Wand ins Wohnzimmer. Lex saß beleidigt mit verschränkten Armen auf dem Sofa.
„Hierher!“, rief er und auch er erhob sich erschrocken.
„Was ist?“, fragte Lex und berührte, ohne dass es Kayleigh merkte, ihre Schulter, damit er sah, was Steven tat.
„Ich habe eine Idee. Drück mal den Umschlag so zusammen, das innen ein größerer Hohlraum entsteht.“, befahl Steven und Lex tat wie ihm aufgetragen wurde. Langsam tauchte er sein Gesicht durch den hohlen Teil des Umschlages und seine Nase durchbohrte die Oberfläche. Anschließend verschwanden seine Augen.
„Hmmm…“, murmelte er unverständlich. „Sieht nach einem Teil vom Computer aus…da ist so eine blöde dicke Folie um das Ding herum.“
„Ein Teil eines PCs? Also keine Bombe…“, seufzte Kayleigh erleichtert auf. Dann kann es nur mit einem seiner Werke zu tun haben.
„AH! Ich weiß, was das ist. Es ist eine Festplatte.“, rief er und zog sein Gesicht aus dem Umschlag. Lex legte ihn beiseite.
„Also können wir alle beruhigt sein.“, verdeutlichte er mit einem lautem Tonfall und blickte dabei mit zusammengezogenen Augenbrauen zu Kayleigh, die sich im Unrecht fühlte. Steven hatte Recht. Ihr wilder Gedanke musste überstützt gewesen sein.
Mit hoch gerollten Pupillen kehrte sie ohne ein weiteres Wort in ihr Zimmer. Lex blickte ihr nach. Was sollte das Necken? Jeder machte mal einen Fehler. Ob er sie jetzt besser in Ruhe lassen sollte oder ob für sein gefopptes Verhalten eine Entschuldigung angebracht wäre? Gerade wollte er ihr nachlaufen, als Steven kopfschüttelnd vor ihm stand. Lex sah ihn nicht und daher atmete er heftig aus, sodass ein Windhauch in sein Gesicht blies.
„Was soll das, Steven?“, fragte er verblüfft.
„Lass die Kleine gehen. Dein Necken war vielleicht nicht gerade angebracht, aber sie braucht jetzt ein wenig ihre Ruhe. Ich kann verstehen, dass es nervig ist dauernd zu sterben und neu anzufangen. Vor allen Dingen von einer Klippe.“, sagte er. Lex hob eine Augenbraue hoch. Hatte Kayleigh ihm schon so viel erzählt?
„Hat sie dir das alles erzählt?“, fragte er und ihm war es unangenehm mit jemanden zu reden, dem man nicht in die Augen schauen konnte. Sein Blick musste sich nun mal an der Leere orientieren.
„Nein. Weißt du…“, verstummte er zum Schluss und seufzte, als ob auch Geister durch Sorgen gequält würden könnten. „…ich blicke in Kayleighs Träume nachts. Obwohl nur Erinnerungen ihre Nächte plagen, ist es mir ein Rätsel, das ihr Körper so ruhig blieb. Es sind Vorstellung von denen jeder Mensch wahnsinnig werden würde. So viele Bilder, die in Sekundenschnelle durch ihren Kopf flitzen. Kayleigh erträgt tagtäglich Leid, Schmerz und Kummer, den du dir niemals vorstellen vermagst. Selbst ich als Toter fühle mit ihr.“
Der plötzlich ernste Tonfall von Steven bereitete Lex Angst. Er wusste nichts von ihren nächtigen Albträumen. Wenn schon ein Geist sich fürchtete, dann musste Kayleigh mutiger denn je sein. War das ihre Last, die sie achthundert Jahre lang begleitete? Von Minute zu Minute schwitzte Lex mehr. Er hatte nichts von ihren absurden Träumen gewusst. Wenn sie so schlimm waren, wie Steven beschrieb, dann hatte er keine andere Wahl, als sich bei ihr zu entschuldigen. Er ignorierte Stevens Warnung und lief durch ihn hindurch. Leise schlich er ins Zimmer und Kayleigh lag mit der Bauchseite auf dem Bett. Die Decke war tief in ihr Gesicht gezogen. Lex setzte sich neben sie und legte seine Hand auf ihren Rücken. Eine seltsame, unnatürliche Wärme strömte nach außen. Erschrocken fasste er an ihre Stirn und sie brannte wie Feuer. Er zog schmerzhaft seine Hand zurück, als ihre Haut zu heiß war. Das Wasser verdunstete und die Decke begann zu dampfen.
„Kayleigh?“, rief er panisch und Steven tauchte im Zimmer auf. „Was ist mit ihr?“
Plötzlich konnte er den Geist sehen, ohne vorher Kayleigh zu berühren. Wie war das möglich?






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