Rosa

Autor: Rehaugenfrau87
veröffentlicht am: 09.07.2012


Ein erfolgreicher, junger Mann mit Frau, Kind und genügend Geld, um spontan für ca 846 Tage das Weite zu suchen, hat eigentlich alles, was sich manch anderer Mann mit Haaransatz wie die Küste von Florida, einer Mutter (die einzige Frau in seinem Leben), bei der er noch wohnt, sowie einer Pornosammlung, in der Dolly Buster sich noch keine Vulva aufs Gesicht hat nähen lassen, wünscht. Kurz: Der Mann hat eigentlich alles.
Ein Mann, der eigentlich alles hat, findet sein Leben gelegentlich – zum Kotzen. Auf der Suche nach etwas, das diesem langweiligen Polly-Pocket Dasein ein wenig Drama verleiht, schaut er neugierig und erwartungsvoll.... in die haselnussfarbenen Augen der Rehaugenfrau. Und versinkt darin.
Vorbei Gedanken an Kontoauszüge, geschäftliche Termine, soziale Pflichten.. vorbei die resignierte Lethargie abends auf der Couch, die Marionetten an sich haben, wenn ihre Schnüre losgelassen werden.. Die Rehaugenfrau registriert mit Verwunderung die Verwandlung des Mannes, den sie bislang „süß“ fand. Sie weiss, Männer schätzen es nicht wirklich „süß“ gefunden zu werden. Auch dann nicht, wenn sie wegen einer kleinen Beule am Kopf einen Termin beim Gehirnchirurgen vereinbaren und etwas von Lobotomie faseln. In der Regel findet mann/frau die Rehaugenfrau „süß“. Was sie auch ist, insbesondere dann, wenn ihr ein Tablett mit Kuchen entgleitet und 60 Euro Umsatz die Bodenfliesen aufwerten.
Doch keine Frau ist nur „süß“. Die Rehaugenfrau weiss so etwas. Verwirrung kommt auf.
Leise und stetig tauschen die Rehaugenfrau und der Mann kleine, vertraute Gespräche aus. Sie erzählen sich Dinge, fern der Oberflächlichkeiten, dennoch zu flach, um eindeutig zu werden. Die Eindeutigkeit ist eine unerwünschte Sache. Zu gefährlich für das unschuldige Rosa der zarten Annäherung. Realität zählt auch zu den unerwünschten Dingen. Jedoch können beide sich ihr nicht entziehen.
Es ist ein „Was-wäre-wenn?“-Desaster. Beide wissen, was bleiben wird: Der Konjunktiv.
Menschen haben vergessen zu träumen und nun können sie es nicht mehr. Doch sie erinnern sich, wie es war, als sie es noch konnten. Sie erinnern sich daran, wie gut ihnen es getan hat. Wie reinigend es war. Und sie vermissen es. Das Träumen. Die Schmetterlinge. Die kleinen, süssen Geheimnisse.
Es ist das Rosa über dem Grau des Alltags, dass die Rehaugenfrau über des Mannes Leben gießen kann. Nicht das grelle Pink einer Femme fatale, nicht das fahle Mauve eines Löschblatts, sondern das sanfte, wissende, federweiche Rosa einer Welt, in der jeder Stern sein darf. Der Stern von dem jeder tief in seinem Innern weiss, dass er da ist, um zu strahlen.








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