Das Erziehungsheim - Teil 4

Autor: Valenzia
veröffentlicht am: 13.08.2012


Liebe Leute!
Tut mir leid für die lange Wartezeit! Ich hoffe, irgendwer ließt überhaupt noch meine Geschichte. Für die hier der vierte Teil :o)
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„Arrogante Ziege.“
Mein Schock hielt sich in Grenzen. Eigentlich war das nur Positiv, ich war ja wie gesagt nicht hier, um mir Freunde zu machen.
„Viktoria!“ Daniela und die drei anderen Mädchen schauten die Schwarzhaarige schockiert an. Diese verschränkte nur die Arme und ließ ihren Blick weiterhin feindselig auf mir ruhen.
„Kein freundliches Wort har man von dir gehört, seit du hier reingekommen bist!“
„Viktoria!“, rief Daniela noch mal. „Claire ist doch neu hier, da kannst du nicht erwarten, dass-“
„Hört zu!“, unterbrach ich sie barsch. „Ich bin nicht hier, um Freundschaften zu schließen. Meine Schwester und ich wurden von meiner Tante völlig grundlos hierher geschickt, weil die Alte nicht mit mir klargekommen ist. Man hat mir mein Heim weggenommen und meine Schwester. Ich habe mir nie was aus Freunden gemacht, und das werdet ihr bestimmt nicht ändern!“ Mit hitzigem Blick wandte ich mich an Viktoria, der der Mund offen stand, wie bei den anderen. „Und dass ich arrogant bin, weiß ich schon, danke.“
Lisa-Marie, Heidi und Cataleya sahen mich mit riesigen Augen an, nur Daniela hatte einen ziemlich undefinierbaren Blick.
Viktoria fing sich als erstes.
„Bitte, red mit Frau Meier!“, wandte sie sich mit flehendem Blick an Daniela. „Ich gebe dir für einen Monat jeden Tag meinen Nachtisch, aber bitte sag der Meier, dass wir mit ihr hier nicht auf ein Zimmer wollen!“
Daniela tätschelte ihr nur beschwichtigend den Arm. Dann wandte sie sich an mich. Ihre Stimme klang nicht sauer oder genervt, sondern ruhig und gefasst.
„Claire, wir haben alle keine leichte Vergangenheit gehabt, ich bin selbst Waise. Mir tut es sehr leid, was deine Tante getan hat und dass deine Schwester jetzt nicht mehr bei dir ist. Aber bitte lass deine Wut nicht an uns aus, wir haben dir nichts getan. Ich weiß, Viktoria ist manchmal etwas… temperamentvoll, doch sie hat es nicht so gemeint.“
Viktoria sah ihre Freundin empört an. „Und WIE ich das so gemeint ha-“
„ABER“, unterbrach Daniela sie scharf, „wir wollen das jetzt vergessen und so tun, als wäre nichts passiert. Tori, du darfst nicht immer so impulsiv sein.“ Der letzte Satz war für Viktoria bestimmt, die daraufhin nur grummelnd die Arme verschränkte und mir einen bösen Blick zuwarf. Ich erwiderte ihn mit gewinnendem Grinsen. Mir blieb aber nicht viel Zeit, meinen kleinen Sieg auszukosten, denn Daniela nahm mich beim Arm und führte mich zur Tür.
„Du hast Glück mit der Zeit“, sagte sie, als wir auf den Flur hinaustraten. „Von siebzehn bis achtzehn Uhr haben wir Freizeit. Frau Meier hat mir aufgetragen, dich herumzuführen, damit du später keine unnötigen Fragen stellst.“
Ich schnaubte. „Keine Sorge, allzu lange werde ich nicht hier bleiben.“
Daniela warf mir nur einen wissenden Seitenblick zu. Ich sah, wie ihre Mundwinkel zuckten.
„Also“, fuhr sie fort. „erwarte hier bitte nicht zu viel. Das Essen ist schlimm, die Erzieher, Lehrer und Aufseher sind noch schlimmer, und der Tagesablauf erstrecht.“
Das waren ja erhebende Neuigkeiten!
„Wir sind hier in Klassen aufgeteilt. Die jüngsten sind sechs, sieben und acht Jahre alt und gehören zu den Klassen fünf und sechs. Dann kommen die Siebener und Achter, die alle zwischen neun und zwölf sind. Die neunte Klasse steht alleine, dort ist die Spannweite von dreizehn bis vierzehn. Leya- also Cataleya- ist gerade noch so bei uns in die zehnte Klasse reingerutscht; wir sind alle zwischen fünfzehn und siebzehn. Du bist sechzehn, richtig?“
Ich nickte nur. Wir waren die ganze Zeit durch die düsteren Gänge gelaufen, jetzt standen wir wieder mitten in der Eingangshalle. Frau Meier hatte wohl gerade zu tun, das Büro war leer.
„Hat die Meier eigentlich die ganze Befehlsgewalt hier, oder wie darf ich das sehen?“, fragte ich. Man muss ja wissen, wer der Feind ist.
„Quatsch!“, antwortete Daniela nicht unfreundlich. „Unseren Direktor und seine Ersatzrektorin sieht man nur nicht so oft. Die machen eher den Papierkram und überlassen die Kinder den Erziehern und Lehrern. Aber wenn man hier einen Wunsch oder eine Beschwerde hat, wendet man sich grundsätzlich erst an Frau Meier. Wenn die dann gute Laune hat- was selten vorkommt- gibt sie die Nöte an Herrn Holzer weiter, den Rektor.“
Sie zeigte auf eine Tür zur Rechten der Rezeption.
„Hinter der Tür ist sein Büro, am Ende des Ganges. Ich war selbst nie dort, aber die, die mal bei ihm waren, haben nie wirklich was durchgesetzt. Besseres Essen zum Beispiel.“
„Wo bin ich denn hier gelandet!“, machte ich meinem Frust lautstark Luft.
Daniela grinste.
„Stell dir mal vor, ich wohne hier schon seit sieben Jahren.“
„Und du bist nicht wahnsinnig geworden?“
Was machte ich hier eigentlich? Gepflegte Unterhaltung?
„Ach, du gewöhnst dich nach einer Zeit daran. Dir bleibt ja auch nichts anderes übrig.“
Das war ja fast wie im Mittelalter. Es hätte mich nicht gewundert, wenn ich wegen meiner roten Haare und meinen grünen Augen irgendwann als Hexe beschuldigt und verbrannt werden würde.
Unvermittelt lachte Daniela neben mir auf. „Keine Angst, ein bisschen fortgeschrittener sind die Leutchen hier dann doch.“
Ich runzelte nur die Stirn. Das würden wir ja sehen…
Wir gingen gerade an den getrennten Jungen- und Mädchentoiletten im ersten Stock vorbei, als ein finster dreinblickender Kerl vor uns um die Ecke bog und auf uns zukam. Er war etwas größer als meine ein Meter fünfundsiebzig, und- muss ich zugeben- das stechende Blau seiner Augen war meinem grünen fast ebenbürtig.
Aus seinen Augen sprühte unverhohlener Hass, als er mir im Vorbeigehen einen Blick zuwarf. Daniela hob die Hand und grüßte ihn freundlich, was er ignorierte. Sie mochte das ja auf sich sitzen lassen, aber mir ging’s da anders. Ich drehte mich mit funkelndem Blick um, den allerdings nur sein Rücken abbekam. Aber wozu hat man eine Stimme?
„He, du!“, rief ich ihm in dem leeren Korridor hinterher. „Wenn man gegrüßt wird, antwortet man! Noch nie was von Höflichkeit gehört?“
Er blieb augenblicklich stehen, ich spürte Danielas Hand auf meinem Oberarm, sah ihre weit aufgerissenen Augen, und in dem Moment wusste ich, dass das keine gute Idee gewesen war.







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