Stiefbrüder küsst man nicht - Teil 12

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 04.07.2012


Nach ihrer Frage sah Josh mit einem dieser Blicke an, die die Knie zum Schlottern brachten und das Herz zum Rasen. Um das Gleichgewicht zu halten lehnte sich Jennifer mit dem Rücken an die Küchentheke. Josh kam auf sie zu und holte aus dem Regel neben Jennifer ein Glas raus und nahm ihr die Packung Orangensaft aus der Hand um das Glas zu füllen. Er zeigte auf die Packung und sah sie fragend an, doch Jennifer schüttelte bloß mit dem Kopf. Joshs Nähe ließ eine Hitzewelle durch ihren Körper strömen.
“Wie geht es dir denn so?” - wollte er wissen und nippte an dem Glas.
“Bitte?” - kam Jennifer wieder zu sich und räusperte sich, weil ihre Kehle ganz trocken war.
“Du hast gestern ja richtig tief ins Glas geschaut.” - erklärte er und lehnte sich lässig an die Kochinsel. “Du warst ja kaum ansprechbar.” - fuhr er fort.
“Gut.” - sagte Jennifer und es war nicht mehr als ein Flüstern. “Mir geht es gut.” - meinte sie dann schon etwas lauter und selbstsicherer. Sie musste unbedingt Abstand zu Josh gewinnen, sonst wird es mit einem Smalltalk nichts werden. Doch Josh hatte sie im Blick, als schlenderte sie so unauffällig wie möglich um die Kochinsel und setzte sich dort auf einen Hocker. “Sorry übrigens, dass ich dich gestern geschlagen habe.” - sagte sie dann. Hier, wo die Kochinsel zwischen ihnen war, fiel ihr das Reden schon viel besser.
“Daran kannst du dich also erinnern.” - meinte Josh, drehte sich um und lächelte sie an. “Ist schon gut. Woran erinnerst du dich noch?” - fragte er sie dann und diese Frage kam ihr richtig komisch vor. Was hatte sie gestern noch gemacht, als sie einen dieser Blackouts hatte? Sie hatte doch nicht etwa … , kam ihr in den Sinn und eine neue Hitzewelle überrollte mit voller Wucht ihren Körper und wieder drehte sich ihr Magen um.
“Also,” - fing sie vorsichtig an. “Als ich den fünften oder den sechsten Becher Bier getrunken hatte, wurde mir schlecht und ich musste mich im Garten übergeben.” - sagte sie und Josh nickte zustimmend. “Dann hat mich Sarah angesprochen und dann bist du dazugekommen, hast mich hochgehoben und in mein Zimmer gebracht.” - fuhr sie fort und sah Josh unsicher an, doch erneut kam ein Nicken von ihm. “Dann saß ich in der Dusche und Sarah hat mich angezogen, dann war ich im Bett.” - beendete sie ihre Erinnerung. Joshs Augenbrauen schossen fragend in die Höhe. “Das ist alles.” - beantwortete sie seinen Blick. Jetzt war sie an der Reihe ihn fragend anzuschauen, doch er lächelte bloß geheimnisvoll und nippte wieder an seinem Glas. Irgendwie gefiel Jennifer sein rätselhaftes Schweigen nicht. Was hat sie gestern getan und gesagt, was Josh so amüsant fand? “War noch was?” - hielte Jennifer das Schweigen nicht mehr aus.
“Nee.” - meinte Josh bloß, doch irgendwas an der Art, wie er das Wort in die Länge zog, verriet ihr, dass er nicht ganz die Wahrheit sagte.
“Nur Hausarrest. “ - wechselte sie das Thema.
“Nur?” - fragte Josh empört. “Für 2 Monate.” - informierte er sie dann.
“Aber deiner Mum hat es trotzdem nicht so eng gesehen.” - redete Jennifer weiter.
“Nicht eng gesehen?” - erneut sah er sie empört an. “Sie hat mich angeschrien und mich fast in ein Heim für Schwererziehbare gesteckt.” - erzählte er ihr. “Dein Vater war eher lässig geblieben, aber das wahrscheinlich nur, weil ich nicht sein Sohn bin.”
“Das habe ich nicht mitbekommen.” - musste Jennifer eingestehen und ihre Schuldgefühlen wurden wieder an die Oberfläche gespült.
“Da hast du ja den spaßigen Teil verpasst.” - sagte Josh und lächelte sie an.
“Tut mir echt leid, dass du Hausarrest hast.” - entschuldigte sie sich und meinte es auch so.
“Ist schon okay.” - meinte er. “Hatte schon lange keinen mehr, war langsam wieder Zeit.” - witzelte Josh und Jennifer musste lächeln.
Es entstand eine unangenehme Stille. In der Luft lag eine Spannung, die man fast sehen konnte.
“Also.” - unterbrach Jennifer als erste die Stille. “Was willst du jetzt für deine aufopferungsvolle Tat?” - fragte Jennifer und lächelte unsicher. Sie sah Josh an und irgendwie kam es ihr so vor, als ob er jetzt ihren Blick mied.
“Einen Kuss.” - sagte er und sah sie direkt in die Augen. Sein Blick und auch seine Forderung kamen so plötzlich, dass Jennifer fast von Hocker fiel.
“Was?” - fragte sie noch mal nach, irgendwie hatte sie das Gefühl in einem falschen Film zu sein.
“Du hast mich schon richtig verstanden.” - meinte Josh nur und lächelte sie an. “Ich möchte einen Kuss von dir.” - wiederholte er. Jennifer öffnete den Mund, doch es kam nichts raus. Joshs Forderung verschlug ihr einfach die Sprache. Ihr Atem setzte für einen kurzen Augenblick aus und ihr Herz machte Saltos in ihrer Brust. Während sie fieberhaft überlegte, ob Josh es ernst meinte oder es nur als Scherz gemeint hatte, stellte er sein Glas auf die Theke und kam um die Theke. Noch immer fassungslos sah Jennifer an, wie er ihr die Hand entgegenstreckte. Wie gelähmt legte sie ihre Hand in seine und sprang vom Hocker.
Er stand ihr so nah, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte. Josh war genau so groß wie sie. Jennifer wagte es nicht ihn direkt in die Augen zu sehen. Ihr Blick ruhte auf seinem Kinn. Ihr Herz schlug so schnell und so laut, dass sie schwören konnte, dass auch Josh dessen Schlagen vernahm.
“Jennifer.” - hörte sie ihn flüstern und hob langsam ihre Augen. Ihr Blick glitt über seine Lippen, über die gerade Nase und blieben an den schönen blauen Augen haften. Wie hypnotisiert konnte sie ihre Blick nicht mehr abwenden und versang in der Bläue Joshs Augen. “Schließ die Augen.” - sagte er und es war kein Befehl, eher eine Bitte. Einen kurzen Moment zögerte sie, und tat dann wie geheißen. Irgendwas in ihrem Inneren konnte es kaum abwarten und irgendwie fand sie es auch nicht richtig, Josh zu küssen. Warum verursachte er in ihr solche widersprüchlichen Gefühle? Warum wollte er sie überhaupt küssen? Jennifer zerbrach sich über Joshs Verhalten den Kopf. Die Gedanken und Gefühle vermischten sich und ergaben keinen Sinn mehr.
Sie spürte, wie Josh seine Hände auf ihre Oberarme legte und jetzt fing sie an zu zittern. Sie war aufgeregt und ihre Handflächen fingen erneut an zu schwitzen. Sie ballte sie zu Fäusten und dann geschah es. Leicht wie eine Brise legten sich Joshs Lippen auf ihre. Es war nur ein Hauch eines Kusses, doch Jennifer verlor den Boden unter den Füssen. Ein erregender Schauer durchfuhr ihren Körper und in ihrem Kopf drehte sich alles. Das Gehirn blockte alle anderen Gedanken, außer diesem Moment, in dem sie in der Küche stand, Joshs sie festhielt und ihre Lippen sich in einem Kuss trafen. Ihr Atem wurde schwerer und in ihrem Magen schlüpften tausende Schmetterlinge aus ihren Kokons und breiteten ihre riesigen Flügel aus.
“Jennifer.” - hörte sie Josh sagen. Sie hatte gar nicht mitbekommen wie er von ihr abließ, weil sie so mit den sie überkommenden Gefühlen beschäftigt war. Langsam öffnete sie ihre Augen und sah in Joshs Gesicht. In seinen Augen sah sie keinen Spott, wie sie ihn von früher kannte. Es war auch keine Spur von Häme in ihnen, nur etwas, was Jennifer nicht zuordnen konnte.
Es schien, als ob ihre Blicke mit einem unsichtbaren Faden zusammengehalten wurden und keiner von beiden wagte es diesen zu zerreißen. Die Luft um sie herum, kam Jennifer so schwer vor, dass ihr das Atmen schwer fiel.
Josh ließ die Augen als erster abschweifen. Langsam hob er seine Hand und strich Jennifer einer Strähne, die sich aus dem Knoten auf ihren Kopf gelöst hatte, hinter das Ohr. Seine Berührung ließ sie zusammenzucken, aber nicht weil ihr das unangenehm war, ganz im Gegenteil.
“Es lief nichts mit Cortney.” - ließ er sie wissen und trat einige Schritte von ihr weg. Fragend sah Jennifer ihn an, nicht in der Lage auch nur einen Laut von sich zu geben. “Du hast mich gestern angeschrien, ich soll doch zu meiner Cortney gehen.” - sagte er und lächelte schwach. “Sie ist nicht meine Cortney.” - erklärte er ihr und ging zur Tür.
Jennifer wich zurück und stieß mit dem Rücken gegen den Hocker, an den sie sich wie an einen Rettungsring krallte.
“Warum?” - konnte sie nur herauspressen. Kurz blieb Josh an der Tür stehen, drehte sich aber nicht um.
“Kannst du es dir nicht denken?” - antwortete er nur und ging.
Er ließ sie alleine mit ihren Gefühlen und Gedanken, die durcheinander in ihrem Kopf geisterten und diesem Kuss auf den Lippen. Ihre Beine gaben nach und sie sank zu Boden. Jennifer legte sich eine Hand auf die Brust und schnappte gierig nach Luft.
Was war das? - fragte sie sich und ihre neugewonnen Gefühle für Josh machten ihr Angst. Sie wusste nicht, ob sie ihnen trauen sollte, ob sie Josh trauen sollte. Dieser Kuss hat so viele Gefühle in ihr wachgerüttelt, wie keine hunderte von Gabe. Mit zittrigen und kalten Fingern berührte sie vorsichtig ihre Lippen, wo immer noch Joshs Kuss klebte.
Und sein letzter Satz? Was hatte er gemeint? Sie überlegte und musste feststellen, dass es dafür nur eine Antwort gab. Hatte Josh etwa Gefühle für sie? - fragte sie sich.
Jetzt fiel ihr wieder das Gespräch von heute Morgen ein. Dieses Mädchen aus der Schule, das mit einem Jungen aus dem Footballmannschaft zusammen war, war sie es etwa? Nur einer konnte ihr diese Fragen beantworten und zwar Josh, doch wie sollte sie ihn darauf ansprechen?
Sollte sie vielleicht mit der Tür ins Haus fallen oder lieber abwarten, bis er auf sie zukommt? Sie wusste es nicht und egal wie sehr sie sich den Kopf zerbrach, sie kam der Lösung nicht näher.
Mühsam rappelte Jennifer sich auf und ging in ihr Zimmer. Hier fühlte sie sich sicher und konnte in Ruhe über alles Nachdenken. In der Küche dachte sie nur an den Kuss und an Josh.
Wie auch immer ließ sie sich auf ihr Bett fallen und legte sich die Hände auf den Bauch. Sie starrte in die dunkele Decke und suchte nach Antworten. Doch die Dunkelheit sah nur ratlos zurück.
Jennifer schloss die Augen und kehrte in ihren Gedanken zurück in die Küche zu Josh. Seine Hände auf ihren Armen, seine ausdrucksvollen Augen, seinen Lippen, die Erinnerung ließ Jennifer ihre empfundenen Gefühlen wieder erleben und eine Gänsehaut bedeckte ihren Körper.
Jetzt fragte sie sich auch, wie sie sich verhalten sollte. Josh gegenüber, Gabe gegenüber, der ganzen Welt gegenüber. Ihre Gedanken widmeten sich jetzt voll und ganz Gabe und sie knirschte nur mit den Zähnen.
Er hat ihr ein Ultimatum gestellt. Vielleicht sollte sie mit ihm Schluss machen. Jetzt dachte sie an Cortney. Ihre beste Feindin würde sie den Boden gleich machen, wenn sie Gabe verließ. Aber was ist mit Josh?
Jennifers Gedanken kreisten um diese drei Personen und ihr wurde schwindlig.
Sie beschloss für heute mit den Überlegungen aufzuhören und morgen, mit einem neuen Tag, einfach alles auf Pro und Contra zu erwägen und dann ihre weitere Vorgehensweise zu überdenken.
Sie kletterte unter die Decke und schloss ihre Augen.
Dieses Mädchen aus der Schule war sie, kam ihr die Erkenntnis und sie lächelte vor sich hin. Sie war doch so blind gewesen.
Mit Joshs Kuss und einem Lächeln auf den Lippen versand Jennifer im Land der Träume.

Fortsetzung folgt ...





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