Stiefbrüder küsst man nicht - Teil 5

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 13.06.2012


Als Jennifer aus ihrem unruhigen und tramlosen Schlaf erwachte war es kurz nach drei Uhr in der Nacht. Ihr Kleider klebten an ihr und ihr war richtig warm. Vor Weinen brannten ihre Augen. Sie rieb sich die müden Augen und warf die Decke bei Seite. Mit der rechten Hand fuhr sie sich durch das Haar und stellte fest, dass sogar es nass war. Auf wackeligen Beinen und gähnend schleppte sich Jennifer in das Badezimmer. Sie streifte ihre Klamotten ab und ließ sie als ein Häufchen vor der Duschkabine liegen.
Die warmen Wasserstrahlen streichelten über ihren Körper und wuschen die Anspannung weg. Der Kopf drohte ihr zu platzen und sie lehnte diesen an die kalte Fliesenwand. Jennifer schloss die Augen und hielt Tränen zurück. Es tat weh, irgendwo tief in ihrer Brust.
Die Gleichgültigkeit ihres Vaters, der ungeliebte Freund, die falschen Freunde, ein Fast-Stiefbruder, zu dem sie eine undefinierbare Beziehung pflegte. Das alles war zu viel für eine 17-Jährige. Jennifer wusste noch selbst nicht, wie sie gerne sein würde. Arrogant, aber dafür beliebt, oder nett, aber dafür unsichtbar. Es war schon eine schwere Entscheidung.
Aber vielleicht lösten sich die Probleme von alleine, sie brauchte nur zu warten. Aus das sich das Problem mit ihrem Vater löste, wartete Jennifer bereits seit einem Jahrzehnt, dachte sie traurig. Nein, sie musste selbst ihre Probleme lösen und damit beschloss sie Morgen anzufangen.
Erstmal musste sie mit Josh wegen der Party am Montag sprechen und eher sie daran dachte, verkrampfte sich ihr Magen. Sie hoffte bloß, dass es nicht allzu stressig sein wird.
Sie seifte sich ein und wusch sich das Haar. Als sie sich abgeduscht hatte, drehte sie den Wasserhahn zu. Nach dem Abtrocknen, lief sie nackt in ihr Zimmer und zog aus der Kommode ein Höschen und ein T-Shirt raus, was sie sich dann überstreifte.
Einen kurzen Augenblick dachte sie daran, sich die Haare zu fönen, doch verwarf diese Idee sofort, da ihr nach der heißen Dusche die Augen zufielen. Sie kletterte zurück in ihr jetzt erkaltetes Bett und rollte sich zusammen. Die Arme legte sie um ihre Knie und schon in wenigen Minuten versank sie in einen Traum.

`Sie lief durch einen dunklen Wald. Die Äste der abgestorbenen Bäume verfingen sich in ihren Haaren und risse an ihnen. Und sie hinterließen brennende Wunden an ihren Wangen und Oberarmen. Sie hörten ihren eigenen schnellen und unregelmäßigen Atem und das Brechen des Unterholzes unter ihren Füssen. Hinter ihr hörte sie unzählige Schritte, die immer näher kamen. Sie wagte es nicht sich umzudrehen und zu erfahren von wem oder was sie verfolgt wurde. Jennifer wusste lediglich, dass sie weiter laufen musste. Der Wald schien endlos zu sein und Jennifer merkte, wie ihre Beine mit jedem Schritt schwerer wurden und als sie keinen Ausweg mehr sah und sich ihren Verfolgern stellen wollte, sah sie ihren Vater einige Schritte vor sich. Er war so groß wie sieh ihn als 5-jährige in Erinnerung hatte. Seine Arme breitete er aus und lächelte ihr zuversichtlich zu. Daraus schöpfte Jennifer neue Hoffnung und Kraft. Als sie nur wenige Meter von ihm entfernt war, drückte sie sich mit beiden Beinen kräftig vom Boden ab und glitt in seine Arme. Erleichtert legte sie ihren Kopf auf seine Brust und schloss die Augen. Die Arme mit feinen blonden Härchen drückten sie noch enger an ihren Vater. Jennifer hob ihr Gesicht und sah in das Gesicht von … Josh.`

Erschrocken fuhr Jennifer aus dem Schlag. Die Uhr auf ihrem Nachttisch zeigte 7:23 Uhr. Nicht früh genug, um noch mal einzuschlafen und noch nicht spät genug um aufzustehen, also blieb sie noch einige Minuten in ihrem Bett liegen und dachte noch mal an ihren Traum.
Nicht genug, dass Josh sie jeden Tag in Wirklichkeit nerven, jetzt ließ er sie sogar in ihren Träumen nicht mehr in Ruhe. Aber was hatte das zu bedeuten, dachte Jennifer. War Josh etwa die Person, die ihr sicheren Halt und Geborgenheit gab, die sie sich von ihrem Vater wünscht?
Jennifer lachte bei diesem Gedanke laut auf. Wie lächerlich war das denn. Josh, ihr Retter in der Not. Das konnte sie sich nicht vorstellen.
Es war ja schon richtig nett von ihm, sie nicht an ihre Eltern zu verraten, aber das war doch sicherlich eine einmalige Sache gewesen. Außerdem wollte er damit nur seiner Mutter einen Gefallen tun und nicht Jennifer. Vielleicht verriet er sie nach der Hochzeit. Diese Möglichkeit hatte Jennifer noch gar nicht erwogen und ihr Herz hämmerte wie wild. Und wenn es genauso war? Josh war in den ganzen Jahren noch nie nett zu ihr gewesen und vielleicht hielt er ja nur bis nach der Hochzeit den Mund.
Jennifer beschloss ihn während der Hochzeit darauf anzusprechen.
Im Nächsten Augenblick klopfte es schon an ihrer Tür. Es war der Stylist und der Frisör, die sie für die Hochzeit herausputzen sollten.
“Ab, ab. Raus aus den Federn.” - sagte der Frisör Raul und klatschte laut in die Hände. “Wir haben noch viel zutun.” - teilte er Jennifer mit, die gerade noch ihre Decke bei Seite warf, bevor sie von Raul aus dem Bett gezogen wurde.
Zuerst steckte er sie unter die Dusche, obwohl sie lauthals protestierte. Ihr Haar war immer noch von der Dusche mitten in der Nacht nass, doch er ließ nicht mit sich sprechen, also beugte sich Jennifer seinem Befehl. Danach machte er sich an ihr Haar und der Stylist, der ein großgewachsener blonder Typ namens Vic war beschäftigte sich erstmal mit ihren Nägeln.
Vic und Raul quasselten pausenlos, über das Wetter, die Party, auf der sie vor zwei Tagen waren und über irgendein ihnen bekanntes Pärchen, was eine Auf-und-Ab-Beziehung führte, doch Jennifer hörte ihren nicht zu, denn die Aufregung packte sie mit ganzer Kraft. Ihre Hände wurden ganz schwitzig. Gut nur, dass Vic mit ihren Nägeln schon fertig war und jetzt ihr Gesicht mit Grundierung und dann mit Make-Up bearbeitete.
Jennifers Hände zitterte und sie krallte sich in die Lehnen ihres Stuhls, um das Zittern zu unterdrücken.
Gefühlte zehn Stunden später steckte Jennifer endlich in ihrem zart rosa Klein.
Raul und Vic betrachteten sie höchstzufrieden von allen Seiten. Dann schlug Raul begeistert die Hände vors Gesicht und seufzte.
“Ein Traum.” - hauchte er nur. Die Neugier von Jennifer war jetzt geweckt. Sie drehte sich zum Spiegel um und sah ein schöne hochgewachsene junge Frau, die ihr entgegen sah. Das Haar war zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt, nur eine einsame Locke fiel ihr über die nackte Schulter. Das Gesicht war nur wenig geschminkt, nur die Lippen stachen rosa hervor. Das trägerlose Kleid saß eng an ihrer Brust bis zur Hüfte und ging dann in einen breiteren Rock über, der in schönen Falten Jennifer bis zu den Knien ging.
“Du siehst bezaubernd aus.” - hörte sie ihren Vater sagen. Er kam gerade durch ihre Tür und lächelte sie an.
“Danke.” - sagte Jennifer etwas verlegen und lief rot an.
“Wir sind dann fertig.” ¬ - meinte Raul nur und nahm einen Schminkkoffer vom Boden. „Auf Wiedersehen.“ - verabschiedete er sich dann und verließ den Raum.
“Ciao Ciao.” - verabschiedete sich Vic ebenfalls und eilte seinem Chef hinterher.
“Du siehst deiner Mutter sehr ähnlich. Außer dem Haar.” - meinte ihr Vater, als sie alleine blieben. “Ihres war leuchtend rot.” - fügte er hinzu.
“Ich weiß.” - meinte Jennifer nur dazu und sah auf die Spitze ihrer ebenfalls rosa Stöckelschuhe.
“Aber immer wenn ich in deine Augen sehe, sehe ich sie.” - sagte er und kam ihr näher. “Ich habe dich lieb.” - sagte er dann zu ihr und nahm ihre Hände in seine.
“Ich vermisse Mama.” - gestand Jennifer ihrem Vater.
“Ich auch.” - verriet er ihr. “Sie war toll.” - fügte er hinzu.
“Ich vermisse die frühere Zeit.” - machte sie ihrem Vater klar.
“Ja, jeder Tag mit deiner Mutter war was ganz besonderes.” - sagte er und in ihren Gedanken schüttelte Jennifer bloß traurig mit dem Kopf. Sie vermisste nicht nur ihre Mutter sondern auch ihren Vater. Vielleicht war es jetzt der richtige Augenblick es ihm zu sagen.
“Dad.” - fing sie vorsichtig an.
“Ja?” - meinte er und sah sie an.
“Ich …” - konnte Jennifer nur vor sich geben, als schon Dr. Richards, der Arbeitskollege von Jennifers Vater in der Tür erschien.
“Es ist soweit.” - teilte er den beiden mit.
“Wir kommen gleich.” - schickte Jennifers Vater ihm wieder weg. “Du wolltest mir was sagen.” - wandte er sich erneut Jennifer zu.
“Es ist nichts wichtiges.” - sagte sie nur. Vielleicht war diese Unterbrechung ein Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass ihr Vater an diesem ganz besonderen Tag nicht mit ihr über ihre Probleme reden sollte. “Kann auch warten.” - fügte sie hinzu und drückte leicht seine Hände.
“Na dann.” - sagte er nur dazu. “Lassen wir die Leute nicht warten.” - meinte er noch und lächelte unsicher. Jennifer lächelte ihn aufmunternd zu und hackte sich bei ihm unter.
Gemeinsam liefen sie runter in den Garten. Dort wurde ein Pavillon aufgebaut. Weißen Stühle waren dort unter in zwei Spalten aufgereiht und in der Mitte ein Gang mit rotem Teppich ausgelegt, der zu einem mit roten Rosen geschmückten Bogen führte, hinter dem ein Mann in einer schwarzen Kluft stand und eine Bibel in der Hand hielt.
Die Stühle waren bereits alle besetzt.
“Na dann.” - sagte Jennifers Vater und küsste sie auf die Wange. Er ließ sie stehen und eilte selbst zum Altar. Auf dem Weg begrüßte er einige Personen auf den weißen Stühlen und nahm dann seinen Platz auf der rechten Seite des Bogens ein.
Die Band, die etwas abseits stand, setzte zum Hochzeitsmarsch an und Jennifer wurde angestupst. Josh hielt ihr einen Strauß aus roten Rosen vor. Er sah in seinem schwarzen Anzug und weißen Hemd ganz gut aus. Sein Haar war nach hinten gekämmt.
“Danke.” - sagte Jennifer nur etwas verlegen und nahm den Strauß aus seiner Hand. Dann hackte sie sich bei ihm ein und sie gingen in kleinen Schritten, wie sie es schon einige Wochen geübt hatten, zum Altar. Am Boden angekommen, lösten sie sich von einander, Josh stellte sich zu Jennifers Vater und Jennifer auf die andere Seite.
Die Leute erhoben sich von ihren Stühlen und Elinore erschien am anderen Ende des Ganges. Ein älterer Mann, der sicherlich ihr Vater war mit einem Gehstock hielt ihre Hand.
Jennifer hörte wie ihr Vater bei Elinores Anblick scharf den Atem einzog. Sie sah wirklich sehr schön aus. Das weiße schlichte Brautkleid schmiegte sich an ihre sportliche Figur. Sie trug keinen Schleier nur einen Kranz aus weißen Rosen schmückte ihr gelocktes Haar. Sie sah aus wie ein Engel mit den blonden Haaren und das Kleid ließ sie strahlen. Jennifer beäugte ihre Stiefmutter bewundernd.
Elinores Vater ließ ihre Hand vor dem Altar los und setzte sich in der ersten Reihe auf einen für ihr freigehaltene Stuhl. Elinore stellte sich zu Jennifer und übergab ihr lächelnd der Brautstrauß, der aus gleichen Blumen wie Jennifers bestand, nur etwas größer war.
“Wir haben uns heute hier versammelt …” - fing der Pfarrer an und Jennifer schaute in die Menge.
Neben Elinores Vater saß eine kleine Frau mit grauen Haaren in einem beigen Kostüm. Wie sie die Hand von Elinores Vater hielt, nahm Jennifer an, dass das ihre Mutter war. Sie weinte glücklich und tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen trocken.
Auf der anderen Seite saßen ihre Großeltern, die Eltern ihres Vaters. Sie sahen in ihren teueren Kleidern etwas gelangweilt drein. Ihr Großvater Falk schaute ungeduldig auf seine goldene Uhr.
`Hat bestimmt noch einen Termin.` - dachte Jennifer etwas verärgert. Obwohl ihr Großvater schon Anfang 70 war, ging er noch seiner Arbeit als Anwalt nach. Jennifer kannte ihn als einen sehr humorlosen und distanzierten Menschen. Auch ihre Großmutter Greta, von der Jennifer ihren Zweiten Nachnamen hatte, war etwas ungeduldig. Greta hatte in ihrem Leben nie arbeiten müssen und baute ihr Leben um Cocktailpartys und Golfclubbesuche.
Zweit Plätze weiter saß Jennifers Großmutter, von der sie auch ihren Namen hatte und sah etwas bedrückt aus. Jennifer wusste auch warum. Großmutter Jennifer war nicht besonders begeistert, dass der Witwer ihre Tochter noch mal heiratete. Sie selbst war seit 30 Jahren verwitwet und auch etwas verbittert.
Jennifer mochte ihre Großeltern nicht besonders und war mehr als dankbar, dass die Eltern ihres Vaters in Europa lebten und die Mutter ihrer verstorbenen Mutter auf der anderen Seite der Vereinigten Staaten. So musste sie lediglich einmal pro Woche nur wenige Minuten mit ihnen telefonieren und einmal im Jahr sie besuchen.
“Sie dürfen ihre Frau nun küssen.” - verkündete der Pfarrer mit einem Lächeln. Elinore und Jennifers Vater fielen einander in die Arme und küssten sich innig. Dann sahen sie glücklich in die Runde und liefen durch den Gang, dabei wurden sie von weißen Rosenblättern und Reis berieselt.
Jennifer sah ihnen nach. Erneut wurde sie von Josh angestupst.
“Lass uns ihnen folgen.” - meinte er zu ihr und lächelte. “Ein Tanz wartet noch auf uns.” - erinnerte er sie und hielt ihr seine Hand entgegen.
“So ist es.” - bestätigte sie und nahm seine Hand.

Fortsetzung folgt ...





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