Zwischen Glamour und Gosse - Teil 11

Autor: zeitvorhang
veröffentlicht am: 02.07.2012


Danke für die Kommentare beim letzten Teil! :)
Und hier kommt auch schon Teil 11 - viel Spaß beim Lesen!

Greez
-

11 : Alles vergessen

Die Sonne kitzelte Janna in der Nase und ließ sie in den Armen von Victor erwachen.
Sie hatte mit ihm geschlafen.
Fassen konnte sie es erst jetzt, als sie seinen starken Körper unter ihrem Arm spürte.
An Einschlafen war jetzt nicht mehr zu denken und der Traummann an ihrer Seitewar noch tief im Land der Träume versunken. Sie beschloss, ihm eine kleine Freude zu bereiten und suchte die Küche. Kochen konnte sie zwar nicht wirklich gut, bei ihr zu Hause hatte das immer ihre Privatköchin erledigt, aber sie versuchte es. Und so schlimm roch es dann auch nicht mehr in der geräumigen Küche, nachdem sie die verbrannten Omeletts in den Biomüll gekippt hatte.
Etwa eine halbe Stunde später, es war kurz vor zehn, stand Vic hinter ihr und legte seine Arme um ihren Bauch. Janna spürte seinen warmen Atem in ihrem Nacken, als er sein Gesicht in ihrem Hals vergrub und dort ein paar Küsse verteilte.
"Morgen, Sonnenschein", nuschelte er und ein Lächeln zierte seine Lippen, als er sich von ihr gelöst hatte und ihr nochmals einen Kuss auf die Wange gab. "Gut geschlafen?", fragte Vic, während er zwei Teller und Tassen auf den kleinen Esstisch stellte, der gerade mal für zwei Personen reichte. Seitens Janna kam nur ein verträumtes Nicken und sie ließ sich auf den Stuhl gegenüber von Vic nieder. "Kaffee?", fragte er und schenkte ihr etwas von der braunen Flüssigkeit in die Tasse ein.
"Janna, ich muss dir was sagen", begann er, nachdem er von seinem Marmeladenbrötchen abgebissen hatte. Janna blickte von ihrer Tasse auf und blickte ihn aus ihren blauen Augen fragend an.

"Was gibt's denn?"
"Du musst hier verschwinden."
"Was?"
"Du musst hier weg, so schnell wie möglich."
"Willst du mich verarschen?!"
"Heute kommt der Typ von Armani um den Vertrag zu verlängern, da kann ich keine drogensüchtige Biafra in der Wohnung haben!"
Geschockt starrte sie ihn an.
"Verdammt, Vic, du hast gesagt, du liebst mich!", schrie Janna aufgebracht und den Tränen nahe.
"Du wolltest mir helfen von den scheiß Drogen loszukommen!", völlig aufgelöst stand sie vor Victor, der die Ruhe in Person war und sich seinen letzten Schluck Kaffee in den Mund kippte.
"Janna, gestern war gestern und heute ist ein neuer Tag."

Enttäuscht und furchtbar sauer zugleich, eilte sie aus der Küche und hob ihre wenigen Sachen vom Boden im Wohnzimmer auf. Wütend funkelte sie Victor an, der lässig am Türrahmen lehnte und ruhig das Geschehen beobachtete. Rasend vor Wut rauschte Janna an ihm vorbei, rempelte ihn mit Absicht stark an und knallte die Wohnungstür hinter sich zu. Dass sie noch immer die Sachen anhatte, die Victor ihr gegeben hatte, wurde ihr erst jetzt bewusst. Sobald sie zu Hause angekommen war, würde sie die Sachen waschen und ihm zurückschicken. Zudem wurde ihr erst jetzt bewusst, dass sie weder ein Auto noch ein Handy hatte, um nach Hause zu fahren oder sich abholen zu lassen. "Na toll", stöhnte sie und lief die Straße entlang. Was sollte sie denn jetzt bloß tun?
Eins war ihr klar: sich die Blöße geben und zurück zu Victor laufen, würde sie sich sicher nicht geben! Dann blieb ihr also nur noch die Möglichkeit, jemanden nach Geld zu fragen und aus der nächsten Telefonzelle ihren Chauffeur anzurufen. Das war mindestens genauso demütigend - und riskant. Was, wenn sie jemand erkannte? Dann war ihr Ruf völlig dahin.
Vor ihrem inneren Auge sah Janna schon die vernichtenden Schlagzeilen.
Also doch zu Victor zurück und von dort anrufen. Langsam ging sie den Weg zurück, den sie vor fünf Minuten wutentbrannt gegangen war und klingelte an Victors Wohnung, die sofort geöffnet wurde.

"Schon wieder zurück?", verwundert blickte Victor sie an. "Ich hab kein Handy, du Idiot.", fauchte sie und drängte sich an ihm vorbei zu seinem Telefon, um ihren Chauffeur anzurufen. "Holen sie mich bitte ab, Julien", bat sie ihren Chauffeur.
Kurz erklärte sie ihm, wo sie sich befand - mittlerweile hatte sie die Adresse rausgekriegt - und dass sie vor der Haustüre auf ihn warten würde. In knapp einer Stunde würde er da sein, hatte Julien gemeint. Danach hatte sie aufgelegt und war ohne ein weiteres Wort an Victor gewand aus der Wohnung gegangen und hatte sich auf die Treppenstufen vor dem Haus gesetzt, zum Glück regnete es nicht.

War das gerade wirklich alles passiert?
Als sie in den Armen von Victor aufwachte, wurde ihr erst richtig bewusst, dass es keine Illusion gewesen war. Keine Einbildung, dass Victor sie in der Bar aufgegriffen, sie im Vollrausch zu sich nach Hause gebracht und schlussendlich eine wundervolle Nacht mit ihr verbracht hatte.
Und ehe sie sich versah, war auch schon wieder alles vorbei. Was war mit den Worten von Liebe, die er ihr ins Ohr gehaucht hatte? Was war mit den Worten, dass sie zusammen gegen Jannas Sucht kämpfen würden?
Das alles hatte er wahrscheinlich nur gesagt, weil sie es hören wollte.
Victor hatte sie auf Wolke Sieben schweben und dann, als er das bekommen hatte, was er wollte, hinunterfallen lassen.
Nicht einmal den kleinen Finger hatte er ausgestreckt, als sie sich verzweifelt am Rand der Wolke festgeklammert hatte!

Nach knapp einer Stunde kam endlich ihr schwarzer Porsche angefahren. Ewig hatte sie dafür sparen müssen, aber als sie den Absprung ins Modelbusiness geschafft hatte, war es ein Leichtes gewesen, dieses Prachtstück zu bezahlen. Jetzt hatte sie ihn und war nur einmal damit gefahren. Mit Leichtigkeit war Janna durch die Praktische gekommen, sie war eine gute Autofahrerin gewesen und ihr Fahrlehrer hatte sie mehrmals gelobt.
"Ist es okay für Sie, wenn Sie sich ein Taxi nach Hause nehmen? Wird natürlich von mir bezahlt." Julien nickte. "Kein Problem." - "Und nehmen Sie sich für die nächsten zwei Wochen bezahlten Urlaub, Ihre Frau wird sicher froh sein, wenn Sie bei Ihrem Sohn zuhause sind." Mit diesen Worten nahm Janna ihrem Chauffeur die Autoschlüssel aus der Hand, die er ihr entgegenhielt und stieg ein. Bedächtig strich sie mit ihrer Hand über das Lenkrad, dann über die Gangschaltung. Sakura atmete tief durch und steckte den Schlüssel ins Zündloch. "Kupplung, Gang und dann Gas", erinnerte sie sich und fuhr los. Autofahren konnte sie noch immer und bog nach dem ersten Kilometer durch die Stadt in Richtung Autobahn ab und stieg aufs Gas.

Es war ein befreiendes Gefühl, die Welt an sich vorbeiziehen zu lassen. Janna wollte nur weg, einfach irgendwohin, wo man sie nicht kannte, wo keiner sie verletzen konnte.
Die Tachoanzeige schoss in die Höhe und blieb erst über der erlaubten Höchstgeschwindigkeitsgrenze stehen. Die Bäume, die neben der Autobahn standen, verschwommen mit dem Rest und waren nurnoch eine durchgezogene Linie. Die Geschwindigkeit beruhigte Janna. Endlich konnte sie klare Gedanken fassen. Sie ging vom Gas und bog an der nächsten Ausfahrt auf die Landstraße ab. Sie war irgendwo außerhalb von Los Angeles gelandet, aber das war ihr egal. Jetzt genoss sie einfach nur die Freiheit.
Frei von Gedanken und Pfichten, frei von Menschen.
Das schwarze Gefährt wurde langsamer, fuhr auf einen kleinen Grünstreifen neben der Straße und blieb stehen. Janna stieg aus und trat gegen den nächstbesten Baum. "Verdammt!", schrie sie laut und langgezogen. Durch ihren Krach verschreckt, flogen ein paar Vögel, die kurz zuvor noch auf den Ästen saßen, in die Lüfte davon. Verzweifelt hämmerte sie gegen den Baum und lehnte sich schließlich erschöpft gegen die morsche Rinde, die schon abblätterte. Anscheinend musste der große Baum in seinem langen Leben schon vielen verweifelten Models zur Seite stehen.
Janna lachte sarkastisch über diesen albernen Gedanken. Langsam ließ sie sich am Stamm herunter ins grüne Gras sinken und umschlang ihre Beine.
Ein paar Minuten saß sie einfach so da, einsam und allein.
Dann kamen die Gedanken an das Geschehene wieder. Sie richtete sich auf, klopfte den Dreck von der Designerhose und zupfte ihren Blazer zurecht.
Schließlich stieg sie wieder in ihren Wagen ein und fuhr los - sie wollte nur noch nach Hause und ihre Ruhe.
Fast zwei Stunden später sperrte sie die Türe zu ihrem Haus auf; an dem Autoschlüssel befand sich ein Ersatzschlüssel, der ihre Rettung war.
Ihr Hausmädchen hatte die Post der vergangenen Tage auf den Schrank im Flur gelegt. Es war mehr als sonst, viele Glückwunschkarten.
Abfällig musterte sie die Karten und Briefe - es war doch eh alles nur hohle Heuchlerei, damit sie in der Öffentlichkeit gut dastanden. Also beschloss sie, die kitschigen Briefchen einfach in den Müll zu werfen.
Völlig kaputt ging sie in ihr Zimmer und war sich auf ihr Bett, wo ihr sonst immer die Tränen kamen. Doch heute, wo sie odch endlich die befreienden Tränen weinen wollte, blieben sie aus. Wieso? Hatte sie zu viel geweint in den letzten Tagen, dass nichts mehr für heute übrig geblieben war?
Oder war sie einfach stärker geworden?
So sehr sie es auch versuchte, es bildete sich nichts, nicht einmal ein winziges Tränchen im Augenwinkel.

Die nächsten Wochen lebte sie wie in Trance. Sie ging wieder in die Bar zu Jason und ihren anderen Freunden, war wieder auf einem Trip nach dem anderen.
Trotzdem blieb dieses unbeschreibliche Glücksgefühl, wenn sie drauf war, weg.
Es war wieder eine dieser Nächte an denen einer der Stammgäste Geburtstag hatte. Es wurde spät, später als sonst. Um sieben uhr frühs löste sie sich die Feiergemeinschaft auf.
Janna ging sofort in ihr Schlafzimmer und zog ihre Kleidung aus.
Halb nackt, nur in Unterwäsche, betrachtete sie sich im Spiegel. Dicke Augenringe hatten sich unter ihren Augen gebildet, sie war nur mehr Haut und Knochen. Mit einer Hand konnte sie fast ihren Oberschenkel umfassen.
Ihre Arme waren wie Streichhölzer, nur viel zerbrechlicher. Emotionslos sah sie sich im Spiegel an. "Bald hast du es hinter dir, Janna", hauchte sie.
Vor etwa drei Monaten hatte sie mit Victor geschlafen und seit diesem Tag ging es noch rapider bergab als zuvor.
Wäre er bloß nicht in ihr Leben getreten!
Dann kippte erschöpft in ihr Bett.






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