Die vier Farben des Districts - Teil 10

Autor: Riefie
veröffentlicht am: 20.06.2012


Der Boden unter mir brach auseinander und ein tiefes schwarzes Loch öffnete sich, in das ich hineinfiel. Alles drehte sich um mich herum und ich musste mich an der Tür festhalten um nicht gnadenlos auf den Boden zu fallen.
Ich sah Nik und in seinen Armen Melanie. Der Kuss schien innig und leidenschaftlich, was mir noch mehr den Boden unter den Füßen wegriss. Melanie öffnete die Augen und grinste mich an. Ich schluckte die Tränen hinunter, war schon halb am gehen, als ich mich noch sagen hörte:
„Wir wollen anfangen!“ Dann wandte ich mich ab und ging. Ich hörte noch wie Nik Melanie anfuhr, doch es interessierte mich nicht mehr. In mir drin war alles dumpf und hohl. So leer, als hätte ich keine Gefühle mehr. Jeden weitere Treppenstufe, die ich hinunterging, entfernte ich mich mehr von dem grausamen Anblick. Ich entfernte mich immer mehr von Nik und ich wusste, dass ich ihm dies jetzt nicht verzeihen konnte. Ich zückte mein Handy, öffnete eine Mitteilung an Pia und schrieb:

>Wenn ich jetzt reinkomme, setz dich neben mich und nimm meine Hand, sonst sterbe ich.<
Ich hörte wie mein Handy leise vibrierte und öffnete die Nachricht.
>Klar, was ist los?< Ich schrieb nur einen Satz und ich wusste, dass Pia es verstehen würde.
>Sie hat es geschafft.“
Mir kam der Weg zur Halle so endlos lange vor. Meine Beine liefen von selbst und mein Kopf war voll von Fragen, aber irgendwie auch leer. Ich verstand die Welt nicht mehr.
War es, weil ich ihn letztens abgewiesen hatte? Weil es ihm eben doch nicht so gleichgültig mit dem Sex war? Oder war ich ihm einfach nicht gut genug?
Ich schüttelte meinen Kopf und sah die Tür vor mir.
„Emma, warte!“ Ich drehte mich um sah Nik. Sein Anblick versetzte mir weitere Stiche ins Herz und ich hatte das Gefühl, als würde mir jemand die Luft abdrücken. Ich sah ihn an, meine Augen waren irgendwie leblos und genauso fühlte ich mich auch. Leblos und leer.
„Es war nicht so, wie es aussah. Sie hat mich gerade eben erst geküsst, als du reinkamst. Sie muss dich gehört…“
„Lass gut sein Nik. Wir sollen reinkommen.“
Ich wusste nicht, woher ich meine Stimme nahm, aber ich öffnete die Tür und ging hinein. Ich sah Pia, die augenblicklich aufstand, als ich auf meinen Stuhl zusteuerte. Kurz bevor sich Nik neben mich setzen konnte, nahm sie neben mir Platz und schüttelte zu Nik gewandt nur den Kopf. Ihr Blick war eisern und sie nahm meine Hand. Sie hielt sie fest und war einfach da. Ich musste nichts sagen, nicht losweinen, sie wusste wie es in mir aussah.
„Gut, dann sind wir ja vollzählig. Also, wie ihr wisst, werden wir morgen aufbrechen. Ein Flugzeug wird uns über Nacht rüber fliegen. Wir werden erstmal nach Rio fliegen, von dort aus wird uns eine Privatmaschine weiterfliegen. Wohin genau, darf ich euch aus Sicherheitsgründen nicht sagen. Ich habe euren Eltern schon bescheid gesagt, sie wussten ja schon, was auf euch zukommt.“
Wir nickten und ich konzentrierte mich so gut es ging auf Sophie. Ich spürte Niks Blick auf mir, doch ich konnte ihn nicht ansehen. Es war zu hart, was er mir angetan hatte. Ich wusste auch nicht, wie es jetzt weitergehen sollte, was die Mission anging.
„Ich hab hier eure Flugtickets. Wir fahren morgen früh mit zwei Autos zum Flughafen.“ Wir nickten und jeder bekam einen kleinen Umschlag mit dem Ticket.
„Vergesst bitte eure Reisepässe nicht mit. Packt heute Abend schon fertig, morgen wird es sonst zu hektisch. Wenn wir dort angekommen sind, bekommt jedes Paar von euch eine kleine Wohnung dort zugeteilt. Ich bitte euch, dort nicht ungefragt im District herumzulaufen. Ihr bekommt noch genug Gelegenheiten, es zu erkunden. Alles weitere wird euch dort jemand erklären.“
„Fliegen sie nicht mit?“
„Doch natürlich. Aber ich werde die ersten Tage damit beschäftigt sein, dem Senat Bericht zu erstatten.“
Pia sah erst zu mir, dann zu Sophie.
„Was meinen sie mit Paar?“ Sie lächelte.
„Ich dachte, ihr freut euch, wenn ich euch sage, dass jeder mit seinem Partner dort eine Wohnung bezieht. Also du mit Jason und so weiter.“
Bumm! Na super. Heute hatten sich alle gegen mich verschworen. Ich spürte, wie ich die Tränen nicht mehr zurück halten konnte und sah Sophie an.
„Sind wir fertig?“
Diese nickte irritiert und ich sprang auf, rannte aus der Halle und knallte die Tür hinter mir zu. Kurz darauf wurde sie wieder aufgerissen und ich sah Nik, doch Pia war schon zur Stelle und ich atmete erleichtert auf.
„Lass sie Nik. Das war zu viel.“
Ich öffnete die große hölzerne Tür und damit auch den Damm, der sich in mir aufgebaut hatte. Ich ging noch ein paar Schritte, als ich hörte wie die Tür ins Schloss fiel, brach ich zusammen. Mein Herz brach erneut, meine Beine knickten ein und meine Hände bohrten sich in die Erde. In mir drin fühlte ich den dumpfen Schmerz und diese Leere, die dieser Betrug mit Nik hinterlassen hatte. Ich spürte Arme, die mich hochhoben und zu sich zogen.
„Ist gut, Süße. Ganz ruhig…“
Ich war Pia so dankbar, dass sie in dieser Situation für mich da war. Als ich mich beruhigt hatte, sah ich, dass wir uns auf die Stufen gesetzt hatten. Ich wusste nicht, wie wir hierherkamen, oder wie lange ich geweint hatte, aber ich sah Pia, die immer noch neben mir saß und meine Hand hielt. Sie sah mich traurig an.
„Magst du mir erzählen, was passiert ist?“
Bei dem Gedanken an Nik und Melanie brachen wieder die Tränen hervor und es dauerte eine Weile, bis ich mich beruhigt hatte.
„Ich hab Nik gesucht und… und hab ihn dann…mit….Melanie in seinem Zimmer erwischt und….und sie haben…sich… sie haben sich geküsst.“ Ich konnte mich kaum beruhigen und die Tränen liefen unaufhörlich weiter. Irgendwann, es schienen Stunden vergangen zu sein, versiegten die Tränen. Ich saß einfach da und wiegte mich hin und her. Es war nicht normal, was ich tat, aber für mich war gerade garnichts mehr normal. Mein komplettes Leben war ein zweites Mal total umgeworfen worden. Ich hatte ihm vertraut, ihm blind vertraut und all meine Zweifel über Bord geworfen.
„Ich hab mit ihm geschlafen…“ Pia strich mir über den Rücken.
„Ja, ich weiß.“
„Ich hab ihm blind vertraut. Ich… ich hab ihm doch… alles gegeben was ich hatte. Was hab… was hab ich denn falsch gemacht?“
„Garnichts, Emma. Red dir das nicht ein. Du hast überhaupt keine Schuld!“
„Aber irgendwas…hab ich ihm nicht gereicht oder warum? Als wir miteinander geschlafen haben, das war so schön und ich war mir so sicher, dass er es ernst mit mir meinte.“
Sie nahm mich in den Arm und wiegte sich mit mir. Es war beruhigend und auch wenn ich weinen wollen würde, es würde keine Träne mehr fallen. Ich weiß nicht, ob man nur eine begrenzte Anzahl an Tränen für einen Menschen haben kann und vielleicht, waren meine für Nik schon lange aufgebraucht.
Es wurde schon dämmrig, als ich mit Pia aufstand und in das Foyer reinging. Ich hörte seine Stimme, bevor ich ihn sah und neigte den Kopf ab. Ich wollte und konnte ihn jetzt nicht sehen.
„Emma…“
„lass mich bitte in Ruhe.“ Meine Stimme hörte sich gefasst an. Es war unheimlich und dann hob ich den Kopf und legte allen Schmerz in meinen Blick. Ja, er sollte wissen, was er mir angetan hatte. Ich sah, dass er den Schmerz sah und wie er das Gesicht verzog.
„Emma, ich…“
„Nein, Nik. Ich bin so sauer auf dich,“ Pia stellte sich wütend vor ihn. „Ich hab dir damals gesagt, tu ihr nicht weh. Wenn du dir nicht sicher bist, dann lass sie in Frieden aber NEIN du musstest sie ja unbedingt haben. Halt dich fern von ihr. Es ist genug!“
Ich sah wie Nik verdattert stehen blieb, als ich mich abwandte und mit Pia zur Treppe ging.
„Oh, das arme kleine Emmalein. Ich hab dir doch gesagt, dass ich ihn bekomme.“ Melanie! Mein Körper tat Dinge, die ich im Nachhinein nicht verstand. Ich lief schnurstracks auf sie zu und baute mich vor ihr auf. Sie war nicht größer als ich und somit konnte ich ihr genau in die Augen sehen. Sie schien irgendwie verwundert darüber, dass ich mich ihr entgegen stellte. Doch schnell fing sie sich wieder und lachte mir schallend ins Gesicht. Ich wollte mich gerade umdrehen, als sie einen weiteren Spruch los ließ.
„Wie, du kämpfst noch nicht mal mehr um ihn? Gibst ihn gleich auf? Aber was will man von einer erwarten, die nichts im Bett drauf hat. Der Arme musste ja nach der langweiligen Nacht zu mir kommen.“
Zack, Knall! Ich knallte ihr meine flache Hand ins Gesicht und schon kurz darauf färbte sich diese röter als ihr Rouge.
„Was fällt dir…“
„Halt dein Maul, Melanie. Halt verdammt nochmal dein Maul. Du willst wissen, warum ich nicht um ihn kämpfe? Weil ich es nicht nötig habe, jemandem hinterher zu laufen, der nur Sex von mir haben will. Du bist so armselig und eine dämliche Schlampe. Du springst mit jedem ins Bett und findest dich noch toll, aber das dich alle widerwärtig und eine Hure nennen, merkst du nicht. Ich bin lieber die kleine betrogene, als so zu sein wie du. Du widerst mich an.“
„Emma, lass gut sein. Sie ist es nicht wert.“ Jason stellte sich vor mich und schob mich zur Treppe. Es war eine Genugtuung Melanie so zu sehen. Die halbe Schule hatte zugesehen und stand an den Treppengeländern. Ich beachtete sie nicht. Der Moment der Genugtuung war vorbei und in mir drin, breitete sich wieder diese Leere aus. Ich ließ mich von Pia und Jason in unser Zimmer bringen. Martha und Leo hatten natürlich mittlerweile gemerkt, was los war und lotsten mich zur Couch.
„Ich werde dann mal gehen. Emma, lass den Kopf nicht hängen.“ Ich nickte ihm dankend zu.
Jeglicher Versuch mich aufzumuntern scheiterte. Ich sah stur geradeaus und wollte nichts und niemanden hören. Ich wusste sie meinten es alle nur gut mit ihren warmen Kakaos und Gesprächen, aber ich wollte meine Ruhe. Es war dieses typische Phänomen. Ich musste erstmal begreifen was passiert war.
Langsam stand ich auf, nahm geistesabwesend meine Jacke und ging hinaus. Auf die Frage hin, ob sie mitkommen sollten, schüttelte ich nur den Kopf und schloss die Tür hinter mir. Ich war froh, dass ich den Gang alleine beschritt, ohne Melanie oder Nik anzutreffen. Draußen angekommen, senkte sich die Sonne bereits hinter den Horizont und ich sog die frische Luft ein, als könnte sie mich wieder zum Leben erwecken. Ich ging den langen Weg entlang zum Meer, zog die Schuhe aus und lief barfuß an ihm entlang. Die Musik drang mir durch meine Kopfhörer in die Ohren und ich fing an zu realisieren.

On the first page of our story, the future seemed so bright.
Mein Name ist Emma Watson. Ich bin in Hamburg geboren.
Meine Eltern steckten mich in dieses Internat. Ich lernte Nik kennen.
Ich wurde ein Tribut. Ich kam mit Nik zusammen. Ich war glücklich.

And this thing turned out so evil, I don’t know why I’m still surprised.
Wir haben miteinander geschlafen. Wir liebten uns.
Wir waren ein Paar. Wir waren glücklich.

Even angels have their wicked schemes and you take that to new extremes.
Er liebte mich. Er verzieh mir meine Zurückweisung.
Er hatte mich verletzt. Er betrog mich mit Melanie.

But you’ll always be my hero, even though you lost your mind.
Es ist vorbei mit uns. Ich kann ihm nicht vertrauen.
Ich kann ihm nicht verzeihen. Ich bin wieder alleine.

Langsam schien sich die Leere wieder zu füllen. Der dumpfe Schmerz kehrte zurück und ich spürte das kühle Meerwasser an meinen Füßen. Ist es nicht immer so, dass einem der Boden unter den Füßen weggezogen wurde? Ich hatte ihn geliebt, ihm vertraut und er hatte alles kaputt gemacht. Er war wie mein bester Freund gewesen, mit dem ich über alles reden konnte und er hatte es für einen Kuss mit Melanie einfach aufgegeben. Auch die Tatsache dass er nicht mit ihr geschlafen hatte, half mir nicht. Was machte das denn für einen Unterschied? Ich wusste ja nicht, wie weit er gegangen wäre, wenn ich nicht aufgetaucht wäre. Es wurde immer dunkler und ich sagte kein Wort. Hörte nur meiner Musik zu und versuchte irgendwie zu begreifen, dass ich nicht zu Nik gehen konnte. Nicht in seinen Armen liegen durfte. Morgen früh würde unser Flug gehen, der Flug in unsere gemeinsame Wohnung. Wie soll ich denn mit ihm zusammen wohnen, wenn er mir so wehgetan hatte? In mir drin war alles zusammengebrochen und ich starrte auf das dunkle Meer hinaus.
Ein Gedanke in meinem Kopf suchte sich seinen Weg durch das Chaos und je mehr ich über ihn nachdachte, desto mehr freundete ich mich mit ihm an. Hier ging es um weit mehr, als um mich und Nik. Hier ging es um viele Menschen, die nicht einmal wussten, dass sie bedroht wurden. Der Betrug von ihm musste hinten anstehen. Ich musste jetzt irgendwie stark sein.
Ich strich mir das braune Haar hinters Ohr, welches der kühle Wind mir ins Gesicht geweht hatte.
Selbst wenn ich diesen Betrug beiseite tat, würde da der Vertrauensbruch bleiben. Ich vermisste ihn, seine Küsse und seine Berührungen. Gleichzeitig schmerzte der Gedanke an ihn, weil damit gleichzeitig das Bild vor meinen Augen auftauchte. Meine Oma hatte immer gesagt:
Wenn die Liebe scheitert, durchlebt man immer denselben Teufelskreis.
Es dauert, bis du anfängst zu realisieren, was passiert ist. Dann dauert es umso länger, es zu verarbeiten. Es wird die Zeit kommen, in der du alles bereust. Danach erst, kommt der entscheidende Schritt: Du musst ihm vergeben! Denn nur dann kannst du mit dieser einen Liebe abschließen.
Ich wusste, was ich zu tun hatte…
Der nächste Morgen kam langsam, schleichend. Ich öffnete langsam meine Augen und sah Pia neben mir sitzen. Auch die anderen beiden waren da und hatten sich mit dampfenden Tassen um mich herum gesetzt. Ich versuchte mir ein Lächeln abzuringen, welches mir auch irgendwie gelang.
„Hier dein Kaffee.“ Dankend nahm ich die braune Brühe und nippte daran.
„Danke, Martha.“ Sie lächelte leicht.
„Leo hat deine Koffer gepackt.“ Leo nickte und deutete auf meine beiden großen Koffer. Die große Reisetasche stand offen daneben und ich war erleichtert, dass ich daran nicht mehr denken musste.
„Danke, das hatte ich total vergessen.“
„Kein Problem. Ich hab einfach gleich deinen Schrank mitausgeräumt. Pia hat dir was zum Anziehen für den Flug rausgelegt.“
„Was würde ich nur ohne euch machen?“ Pia sah mich eindringlich an.
„Hast du überhaupt geschlafen?“
„Ein wenig…“ gestand ich und sah betrübt zum Fenster hinaus, wo sich ein kühler, grauer Tag abzeichnete. Passend zu meiner Stimmung. Schmerzlich wurde mir wieder bewusst, was passiert war. Nik hatte mich betrogen.
„Was hast du nun vor?“ Ich zuckte erst mit den Schultern, als mir wieder mein Gedanke von gestern kam.
„Ich werde die Mission zu Ende bringen und so gut es geht mit Nik zusammen arbeiten. Ich will nicht, dass das zwischen ihm und mir Auswirkungen auf unsere Aufgabe hat.“
„Bist du dir sicher?“
„Und was ist mit der Wohnung?“
„Einer wird halt auf dem Sofa schlafen, oder ich werde Sophie um eine andere Schlafmöglichkeit bitten. Das klappt schon.“
Ich trank meinen Kaffee leer, schnappte mir meine von Pia hingelegten Klamotten und ging ins Bad um zu duschen. Der Schmerz innerlich zerriss mich fast und ich hielt mich am Sideboard fest um nicht umzukippen. Ich sah mich durch den Spiegel hinweg an. Der blaue Fleck an meinem Arm war nur noch hellgelb und tat auch garnicht mehr weh. Auch die anderen waren abgeklungen und ich sah an meinem Körper hinab.
Seine Hand, die über meinen Busen strich. Seine Lippen die meinen Hals liebkosten.
Schnell schüttelte ich den Kopf, als könnte ich die schmerzlichen Gedanken an diese wundervolle Nacht verdrängen. Doch sie waren allgegenwärtig und ich konnte sie nicht einfach vergessen. Ich sah mein Gesicht. Ich sah miserabel aus. Man sah mir an, dass ich geweint hatte und leichte, dunkle Ränder zeichneten sich unter meinen Augen ab.
„Du siehst echt scheiße aus, Emma.“ Ich sah, wie sich meine Lippen bewegten, schnappte mir kurzerhand meinen Concealer und versuchte die dunklen Ränder zu verstecken, was mir auch relativ gut gelang. Schnell noch ein wenig Wimperntusche und ich sah nicht mehr ganz so schlimm aus.
Meine Haare band ich mir zu einem nicht ganz so strengen Dutt, welcher dank meiner dicken Haare relativ gut aussah.
Pia hatte mir eine Boyfriend-Jeans, Top und eine Strickjacke rausgelegt. Kurzerhand zog ich die Sachen an und ging zurück ins Zimmer. Leo saß mit Finn auf ihrem Bett. Als er mich sah, stand er auf und nahm mich in den Arm. Verwirrt erwiderte ich die Umarmung und sah zu Leo. Diese legte den Kopf schief und lächelte leicht.
„Ich weiß nicht, was in diesen Deppen gefahren ist.“ Ich schob ihn sachte von mir und sah mich im Zimmer um.
„Das musst du wohl ihn fragen.“
„Das habe ich schon…“
„Und was meinte er? Dass es nicht seine Schuld war? Dass sie ihn verführt hat?“ Finn schien leicht überfordert und sah mich aber trotzdem direkt an.
„Er meinte, dass sie ihn überrascht hatte, als er in seinem Zimmer nach dem Handy gesucht hatte. Er wollte ihr dann nochmal klar machen, dass sie keine Chance bei ihm hatte und das sie ihn in Ruhe lassen soll. Aber sie wollte einfach nicht gehen und als er dann meinte, deine Stimme zu hören, hatte sie ihn an sich gezogen und einfach geküsst.“
„Es sah aber nicht so aus, als ob er es nicht gewollt hätte und Finn, sei mir nicht böse. Aber ich will nichts mehr hören. Bringen wir einfach unseren Auftrag hinter uns und damit hat sich die Sache.“ Er nickte, gab Leo einen Kuss und verschwand dann. Irgendwie tat er mir ja schon leid, aber… es war meine Entscheidung und ich konnte, ja ich wollte ihm einfach noch nicht verzeihen.
Ich packte meinen Kulturbeutel und die letzten Sachen meines Krimskrams und zog den Reisverschluss zu. Ich nahm mir meine grauen Boots, den grauen, dicken Wollschal und meine schwarze Jacke, die die Mädels mir draußen gelassen hatten. Leo und ich schnappten uns unsere Handtaschen, die Koffer und warfen ein letztes Mal einen Blick in unser gemeinsames Schlafzimmer. Wer weiß, ob wir es jemals wieder betreten würden.

Unten angekommen gingen wir vier den langen Gang ins Foyer entlang.
„Hier, damit du wenigstens deine Augen verstecken kannst. Ich hab sie extra draußen gelassen.“
Leo gab mir meine große, schwarze Sonnenbrille und ich setzte sie dankbar auf. Trotz der dicken, grauen Wolken die typisch für den Herbst waren, war es hell und der helle Himmel schmerzte in den Augen. Außerdem musste ich ihm so nicht direkt in die Augen blicken.
Ich sah seinen braunen Schopf schon von weitem. Am liebsten wäre ich zu ihm gerannt, hätte ihn in meine Arme gezogen und einfach alles vergessen. Aber das konnte ich nicht. Ich konnte nicht verdrängen, was er mir angetan hatte. Ich zog meine beiden Koffer, samt der Reisetasche hinunter und stellte mich zu den anderen. Ich spürte seinen Blick auf mir und sah direkt in seine Augen. Ich war froh, dass die Sonnenbrille meine Augen verdeckte, denn meine Augen bekamen wieder diesen verräterischen Schleier.
Zwei große Transporter standen da und zwei Männer packten unsere Sachen und die von Sophie in den Kofferraum und dann ging es auch schon zum Flughafen. Ich war froh, dass Nik die Ansage von Pia nicht vergessen hatte und sich von mir fern hielt. Ich wollte erstmal nicht mit ihm reden, geschweige denn darüber diskutieren, was nun vorgefallen war. Wir kamen am großen Flughafen an, und jeder holte sich erstmal einen Gepäckwagen. Ich wollte gerade meinen Koffer aus dem Kofferraum holen, als Nik mir zuvor kam. Verwirrt blieb ich stehen, als Pia auch schon neben mir stand.
„Nik, sie ist nicht krank. Sie wurde nur betrogen. Lass gut sein.“
Hui, die konnte aber ganz schön krass sein.
„Ist schon okay Pia. Danke… Nik, aber ich kann das wirklich alleine.“ Ich nahm ihm meinen Koffer aus der Hand und schob ihn langsam in die riesige Halle hinein. Ein Blick auf die Tafel zeigte mir, dass der Flug bis jetzt noch planmäßig starten würde. Pia lief neben mir und sah mich entschuldigend an.
„Ich kann einfach nur nicht verstehen, wie er dir sowas antun konnte.“ Ich zuckte nur mit den Schultern und lächelte sie schief an.
„Die nächste bitte.“ Ich schob meinen Gepäckwagen zu der netten Dame der Lufthansa und stellte meine Koffer auf das Band.
„Wie ich sehe, haben sie die Gepäckstücke angemeldet, sehr gut. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Flug Miss Watson.“ Sie gab mir meinen Pass wieder und ich stellte mich zu Sophie, die auch schon fertig war.
„Ich habe gehört, was zwischen euch vorgefallen ist und ich bin mächtig stolz auf dich, dass du trotzdem die Aufgabe nicht aus den Augen verlierst. Ich kenne Melanie nun wirklich schon lange und wenn ich ehrlich bin, gab es schon mal so einen Vorfall.“
Verwirrt sah ich sie an. Sie lächelte nur, drückte kurz meine Hand ehe sie sagte:
„Was ich damit meine ist, verurteile Niklas nicht gleich. Es kann wirklich so sein wie er behauptet. Melanie ist ein hinterhältiges Mädchen, was sich nimmt was sie will. Sie tut nichts ohne Plan.“
Ich dachte während des Wartens über ihre Worte nach. Vielleicht sollte ich Nik wirklich die Chance geben, zu erklären, was passiert ist. Doch erstmal brauchte ich Zeit.
„Sehr geehrte Passagiere des Fluges LH500 von Frankfurt am Main nach Rio de Janeiro. Das Boarding beginnt in wenigen Minuten. Wie sie sehen, sind hier vorne zwei abgetrennte Gänge. Der linke ist für die First und Buisness Passagiere, der rechts für die Economy Class. Wir bitten sie, zu warten, bis ihre Sitznummer aufgerufen wurde und Rücksicht auf die Familien mit Kleinkinder zu nehmen, die sich jetzt bitte schon anstellen dürfen. Vielen Dank!“
Die Zeit würde ich auf dem langen Flug haben. 12 ½ Stunden mit Musik, Schlaf und jede Menge Filmen. Ich versuchte mich zu freuen, auch wenn das anlässlich der Sitzplätze nicht gerade leicht war. Nik saß neben mir. Natürlich hätte ich auch tauschen können, aber ich wollte die anderen nicht von ihren Partnern trennen. Ich sah nochmal in meiner Tasche nach und legte die Sachen, die ich brauchte oben hin. Mein Handy stellte ich auf Flugmodus und lehnte mich zurück.
„Passagiere der Reihen 33-27 können jetzt nach vorne kommen.“ Ich sah nochmal sicherhaltshalber auf meinem Ticket nach, schnappte mir meine Tasche und stellte mich in die Schlange. Die anderen standen hinter mir, als ich endlich den langen sterilen Gang zum Flugzeug ging.
„Hallo, in den Gang bitte.“
„Danke.“ Ich lächelte die nette Stewardess an und ging den linken der beiden Gänge entlang.
25,26…29! Da ist es. Mein Gefängnis neben Nik für die nächsten rund 13 Stunden.
Ich setzte mich erstmal auf den Fensterplatz und Nik ließ sich neben mir nieder.
„Soll ich lieber den Sitz tauschen?“ Überrascht sah ich ihn an. Ich dachte, er würde gleich wieder versuchen, mir klar zu machen dass das alles nicht so war wie es aussah.
„Nein, ist schon okay.“ Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. Ich öffnete meine große Ledertasche, nahm mein Handy, iPod und meine Kopfhörer heraus und sah Nik unschlüssig an, der gerade dabei war, seinen Rucksack nach oben zu verfrachten.
„Soll ich deine Tasche auch hoch tun oder brauchst du noch was?“ Ich schüttelte den Kopf, gab ihm meine Tasche und nuschelte irgendein „Danke.“
Schnell zog ich noch meine dicke Jacke und meinen Schal aus und hielt sie ihm hin.
„Ist da oben noch Platz?“
„Klar, warte…so, jetzt.“
„Danke.“
„Kein Problem.“ Wieder huschte ein Lächeln über sein Gesicht.
„Willst du lieber am Fenster sitzen?“ Ich hatte mich ja da einfach hingesetzt, vielleicht wollte er ja auch…
„Nein, nein. Ist schon okay. Sag mir nur, wenn es was Spannendes zu sehen gibt.“
Ich nickte, nahm mein Handy in die Hand und ließ es klicken. Der Bildschirm erhellte sich und ich sah ein Bild von ihm und mir im Wald. Es schien mir irgendwie schon uralt zu sein. Damals waren wir noch glücklich, da gab es keine Melanie die sich zwischen uns gedrängt hatte. Naja, eigentlich gab es die ja doch. Aber ich hab es verdrängt und mich zu sicher gefühlt.
Ich spürte Niks Blick auf mir, nahm meine Sonnenbrille und sah ihm direkt in die Augen. Sein Blick wurde traurig und irgendwie tat er mir leid. Leid? Er tat mir leid? Ich mein… ich war doch diejenige die er verletzt hatte und nicht umgekehrt. Entschlossen schloss ich den Bildschirm, legte mein Handy samt Sonnenbrille in die Ablage vor mir und schnallte mich an. Nach und nach füllte sich die Maschine und die Türen wurden geschlossen. Hatte ich schon erwähnt, dass ich den Start und die Landung abgöttisch hasste? Ich hab Angst davor. Dieser schnelle Schub und dann das schnelle Abbremsen war überhaupt nicht mein Ding. Sobald es in die Luft ging, war alles wieder vorbei und ich konnte mich entspannen, aber vorher… Höllentrip.
„Hast du Angst?“ Ich sah ihn von der Seite an. Er schien echt jede Stimmungsschwankung zu bemerken und richtig zu deuten. Ich versuchte mir ein Lächeln abzuringen, aber es klappte nicht so Recht.
„Ja, ich mag den Start nicht. Genauso wenig wie die Landung.“
Er hielt mir die Hand hin, aber als ich zögerte, zog er sie wieder zurück. Zur Ablenkung sah ich an ihm vorbei und entdeckte Pia und Jason, die die beiden Plätze neben dem Gang hatten. Davor saßen Martha und Dave und vor uns Leo und Finn. Die beiden stritten immer noch darum, wer am Fenster sitzen sollte und wer nicht. Sophie vermutete ich einen Platz hinter uns.






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