Before the first teardrop falls

Autor: Riefie
veröffentlicht am: 05.05.2012


Hallo, dies ist meine erste Geschichte hier, ich hoffe sie gefällt euch. <3


„Charlett, hast du endlich deinen Koffer gepackt?“
„Nein, noch nicht ganz. Ich kann mich nicht entscheiden. Das Oberteil… dieses? Ach beide!“
„Maus, es ist nicht mein Urlaub der später anfängt, nur weil du dich wegen deinen Klamotten nicht entscheiden kannst. Ich habe dir gestern schon gesagt, packe fertig!“
>Mein Gott wie Mütter nerven konnten. Die wussten immer alles besser, aber Gnade denen Gott, wenn die sich wieder dem sogenannten Vor-Urlaubsstress näherten. Zum Glück bin ich die endlich los. Ich mein, klar Eltern sind toll und eigentlich immer für einen da und es sind ja auch die Eltern, aber mal ganz ehrlich: wer ist denn bitte nicht froh, wenigstens 3 Wochen ohne sie zu sein? Endlich keine Geschäftsessen mehr, liebes Nicken und schön lächeln. < Schnell klappte Charlett ihr Tagebuch zu und ging ein letztes Mal im Kopf ihre Liste durch.
„Charlett, verdammt nochmal! Komm jetzt in die Puschen, sonst fliegt der Flieger ohne dich.“
„Ist ja schon gut, ich komme ja schon!“
Charlett schnappte sich ihren Koffer und schleppte diesen, samt ihrer großen Handtasche, nach unten, was ein riesen Aufwand wurde. Sie war zwar 1,70m groß, aber das was sie im Koffer drin hatte war allemal zu schwer. Unten angekommen stand ihre Mutter ihr schon gegenüber und hob den Zeigefinger.
„Also, sofern du alles gepackt hast fahren wir. Aber sollte ich nur…“
„…einen Anruf von dir bekommen, oder gar von der Polizei, das du irgendwas angestellt hast, war das der letzte Urlaub in den nächsten 10 Jahren für dich!“ Genervt verdreht sie die Augen.
„Mama, das hast du mir nun wirklich schon 150 Millionen Mal gesagt.“
„Na dann haben wir uns ja sicherlich verstanden.“
Sie schnappte sich ihre neue sommerliche Jacke vom Ständer und ging hinter ihrer Mutter her. Sie dreht sich ein letztes Mal zum Haus um und betrachtete die Villa, in der sie nun schon seit ihrer Geburt wohnte. Mehr erleichtert als wehmütig, wandte sie den Blick ab und setzte sich in den neuen Audi RS6, den sie von ihren Eltern zum 22. Geburtstag bekommen hatte. Die Fahrt dauerte nicht allzu lange. Es war ein schöner sonniger Vormittag, wenn auch noch etwas kühl. Immerhin war es gerade mal März. Florida würde ihr gut tun. Wenn sie doch nur nicht so aufgeregt wäre. Um sich abzulenken schaute sie hinaus und sah direkt auf ihr Spiegelbild im Seitenspiegel. Sie trug kein Make-Up, was sie bei Sonne nie tat. Angeblich werde man da nicht so richtig braun, sagte ihre Mutter immer. Ihre hellbraunen Haare, die wie Karamell aussahen, umschmeichelten mit sanften Locken ihr Gesicht. Sie hatte es echt gut getroffen. Was Fluch und Segen zugleich war. Sie war schüchtern, trotz ihres Standes und Aussehens, wo viele Mädchen wohl arrogant gewesen wären. Aber sie nicht. Ihr Vater hatte ihr immer beigebracht, nicht alles für selbstverständlich zu nehmen. Doch seitdem er bei einem Einsatz als vermisst gemeldet wurde, hatte sie nie wieder was von ihm gehört. Das war nun schon 3 Jahre her, doch sie vermisste ihn so dermaßen. Er hatte sie nicht auf dem Abiball gesehen, geschweige denn, ihren 21. Geburtstag mitzuerleben. Seitdem war sie in sich zusammen gekehrt und nicht wirklich zugänglich. Ihr Vater war bei der Küstenwache gewesen, als Rettungsschwimmer. Sie selbst wollte auch dahin, doch ihre Mutter verbot es ihr.
„Charlett, Kindchen, wir sind da.“
Irritiert von der Stimme, schaute sie ihre Mutter an.
„Oh. Okay. Tut mir leid, ich war in Gedanken.“
Sie nahm ihren Koffer aus dem Kofferraum und schlenderte mit ihrer Mutter Richtung Check-In. Zum Glück flog sie First Class, das heißt kein lästiges Anstehen oder gequätsche auf den Sitzen. Den Koffer eingecheckt liefen sie weiter, doch schon kurze Zeit später musste sie sich von ihrer Mutter verabschieden.
„So Mama, ich geh dann mal. Wir sehen uns in drei Wochen wieder und mach dir eine schöne Zeit mit Tante Elena.“
„Das werde ich und DU passt auf dich auf. Immerhin kennst du von deinen Mitbewohnern keinen. Was du daran findest, nachher sind das irgendwelche komischen Leute, die du garnicht leiden kannst und mit denen willst du 3 Wochen verbringen?“
„Mama!“
„Ja, ist ja schon gut. Ich mein ja nur. Du hast ja genug Geld auf dem Konto, um dir ein schönes Hotel zu nehmen, wenn es zu schlimm wird. Melde dich bitte, sobald du angekommen bist.“
„Ja, mach ich. Bis dann und ich hab dich lieb.“
„Ich dich auch, Schatz.“
Nach einer langen Umarmung ging sie schlussendlich in den langen Gang hinein, der mit einer Kontrolle endete. Immer dieses Gefrimel. Schuhe aus, Gürtel aus und so weiter und sofort. Zum Glück hatte sie ihren Laptop nur in einer Schutzmappe, welche sich leicht öffnen ließ. Als sie endlich in ihrem Gate angekommen war, setzte sie sich ans Fenster und beobachtete den riesen Flieger, ein A380 der sie erst einmal nach Miami brachte, von dort würde sie dann nach Fort Myers weiterfliegen um dort ihren Mietwagen entgegen zu nehmen, den sie nur dank ihrer Mutter und dem Ruf der Familie, bekommen hatte. Zum Glück war sie einigermaßen spät dran gewesen, sodass das Boarding nur wenige Minuten später schon begann. Sie zeigte ihr Ticket und ging in den Gang hinein, der sie zum Flugzeug geleitete. Dort angekommen wurde sie, selbstverständlich für die First Class, zu ihrem Sitz begleitet.

Das Flugzeug hatte sich schon vor einer ganzen Weile vom Boden erhoben. Das Essen war schon fertig und sie schaute nachdenklich aus dem Fenster.
„Kann ich Ihnen noch etwas bringen, Miss Keller?“ Der freundliche Stewart schaute sie an.
„Nein, danke. Ich denke, ich werde jetzt etwas schlafen.“
„Natürlich, sobald sie etwas brauchen, rufen sie mich. Ich bin immer für sie da.“
Mit einem zaghaften lächeln bedankte sie sich und drehte sich auf die Seite um weiter in die Ferne zu schauen. Es war wieder einer der Momente gewesen, die sie nicht leiden konnte. Sie war schön, ja, aber mussten die Männer das immer gleich so raushängen lassen? Das war auch noch komisch an ihr. Sie konnte sich aus irgendeinem Grund für keinen der teilweise echt gutaussehenden Typen begeistern. Entweder stimmte etwas nicht mit ihr, oder sie hatte einfach noch nicht den Richtigen gefunden. Ihre Gedanken schweiften zum bevorstehenden Urlaub ab. Schnell kramte sie ihr Tagebuch hervor, welches sie noch schnell in ihre Reisetasche gestopft hatte.
>Wenn ich so darüber nachdenke, ist es schon merkwürdig, alleine in den Urlaub zu fliegen. Also, nicht, das ich nicht gerne in den Urlaub fliege und allein bin ich auch nicht, aber die Leute kenne ich ja nun doch nicht. Es war mehr so eine spontane Idee gewesen. Als ich die andern drei in diesem Internetforum kennengelernt habe, waren sie alle so nett und ohne sie, wäre ich wahrscheinlich immer noch in meiner Welt gewesen. Papas Tod war zu schwer um ihn alleine tragen zu können. Ich freue mich schon, Ivy kennen zu lernen. Sie schien immer gut drauf zu sein, ist schlagfertig und hatte zu allem etwas zu sagen. Aber sie war nett und ist in diesem einen Jahr sowas wie eine beste Freundin für mich geworden. Ich frage mich dennoch, wie die anderen Jungs aussehen. Johnny scheint wohl ziemlich witzig zu sein, also was heißt scheint wohl, natürlich ist er das. Er und Ivy sind echt wie Feuer und Wasser. Die übertrumpfen sich immer und immer wieder mit irgendwelchen Sprüchen. Und da war ja noch Phil. Er ist nett… Ich habe bisher nur dieses eine Foto von ihm gesehen und irgendwie hatte es da gekribbelt. Aber ich glaube nicht, dass er so aussieht. Viel zu gut und viel zu makellos. Solche Typen gibt’s nur in Filmen oder mit Photoshop bearbeitet. Lass ich es mal auf mich zukommen…<
Sie legte ihr Buch zurück in die Tasche und wenige Minuten später, fielen ihr die Augen zu.


Es war schwül und die Sonne schien den ganzen Himmel einzunehmen. Charlett betrat den kleinen Platz am Flughafen von Fort Myers. Zum Glück hatte das Umsteigen und Einreisen so gut geklappt. Sie zog ihren Koffer hinter sich her und ging zielstrebig auf die Autovermietung zu.
„Hi, how are you? I hope you had a good flight?“ Ein dunkelhäutiger Mann schaute sie lächelnd an und er wirkte sehr sympathisch. Sie hasste es, englisch zu sprechen. Doch anders kam sie ja wohl nicht weit.
„Hi, everything’s fine. Thank you. I’m Miss Kenter. I hope you have a car for me.” Mit einem zaghaften lächeln schaute sie den Mann an, der nur zustimmend nickte und sie breit angrinste.
„Of course. I have a new Infinity FX for you. So, here is the key. Please, sign this and then we go to your car.” Er zwinkerte ihr zu. Sie unterschrieb schnell und folgte ihm. Das Auto war ideal. Bot Platz zum Shoppen und sah noch gut aus. Es war schon 22:00 Uhr als sie ihre Fahrt nach Sunibel Island fortsetzte. Die Nervosität stieg, je näher das Navigationssystem sie dirigierte. Doch auch Vorfreude machte sich breit. Zum Glück, war es egal wer von ihnen zuerst kam, der Schlüssel war in einem kleinen Safe, dessen Code alle kannten. Der Safe soll neben der Haustür angebracht sein. Als das Navi ihr anzeigte, dass sie ihr Ziel erreicht hatte, schaute sie erstaunt aus dem Fenster. Neben ihr erstreckte sich eine zweistöckige, große und hellbeleuchtete Villa. Natürlich bestand das komplette Viertel aus solchen Häusern, dennoch hatte diese eine besondere Ausstrahlung. Irgendwie romantisch und geheimnisvoll zugleich. In der Auffahrt stand schon ein Wagen, welcher sich als schwarzer Camaro entpuppte. Sie parkte ihren daneben und stieg aus. Ihren Koffer hinter sich herziehend, schlenderte sie den gewundenen Weg entlang, welcher umrandet war von saftig grünem Gras. Egal wie der Urlaub verlaufen würde, hier würde sich sie sich auf jeden Fall wohlfühlen. Sie klopfte vorsichtig an die Tür und ging dann hinein. Sie fand sich in einem riesigen hellen Raum wieder, welcher mit einer richtig gemütlichen Sofaecke ausgestattet war. Die andere Seite des Raumes war durch eine offene Küche und den großzügigen Essbereich modern eingerichtet. Langsam ging sie in die Mitte des Raumes, als sie neben sich eine Stimme vernahm.
„Passwort oder ich schmeiß dich raus.“ Grinsend kam ihr ein Mann entgegen und hielt ihr die Hand hin. Sie schätzte ihn auf Mitte 20 und eigentlich, sah er ziemlich nett aus. Seine schokobraune Haut passte zu ihm und seine großen braunen Augen waren irgendwie vertrauensvoll.
„Ich hasse Knoblauch?“
„Hach ist das schön. Habe ich nicht ein gutes Passwort ausgesucht? Ich bin Johnny.“
Charlett grinste ihn an und gab ihm ebenfalls die Hand.
„Ich bin Charlett, freut mich dich endlich mal persönlich kennen zu lernen.“
„Schade, dann bist du nicht Ivy? Ich hatte mich schon gefreut, dass sie die heißeste hier ist. Um ehrlich zu sein, hat sies mir ja irgendwie angetan. Aber dich kann man ja nicht toppen.“
Charlett verdrehte die Augen.
„Nicht du auch noch. Auf dem ganzen Flug haben mich satte 3 Stewards plus ein Security Futzi angegraben. Abartig!“ Johnny fing an zu lachen.
„Schon gut, schon gut. Ich sage meistens was ich denke, nimm es als Kompliment. Ich werde aber nicht über dich herfallen. Du siehst einfach gut aus, aber ich stehe eher auf andere Frauen.“
„Soso, der Herr steht also auf andere Frauen. Kriegst du überhaupt welche ab? Wenn nicht, sollten Charlett und ich uns schnell verabschieden, nicht das du vor lauter Sehnsucht und Enthaltsamkeit über uns herfällst.“ Charlett drehte sich um und schaute zur Tür. Ivy stand samt ihrer zwei Koffer in der Tür und grinste breit. Ihre Figur war umwerfend. Sie war nicht dunkelhäutig, aber ihre Haut war braun gebrannt. Ihre großen braunen Augen strömten nur so vor Energie.
„A-a-a-aber…“ Auch wenn Johnny normalerweise ein sehr redefreudiger Mensch war, so war das der andere Teil, den er nie gezeigt hatte.
„Geht das schon jetzt los? Ich dachte, wenn ihr euch seht, würdet ihr mal ansatzweise die Klappe halten.“
Hinter Ivy kam ER hervor. Charlett blieb das grinsen in den Mundwinkeln stehen. Sie verschluckte sich an ihrer eigenen Spucke und bekam einen riesen Hustenanfall, den Johnny dankend annahm und sich aus der Affäre zog, indem er ihr beruhigend auf den Rücken klopfte.
„Na na, von Phil muss man nun wirklich nicht kotzen.“
Verlegen schaute sie nach oben. Ihre Wangen wurden heiß und sie schaute Johnny lächelnd an.
„Du kannst noch nicht einmal einen Hustenanfall von einem Kotzanfall unterscheiden? Hui, das wird ja was mit dir. Nicht das du beim Kochen vergisst, erst das Wasser zu kochen und dann die Nudeln reinschmeißt, anstatt umgekehrt.“
„Hoffentlich kommt kein Krokodil, das dir deine Zunge abbeißt, dass übernehme ich gerne selbst.“ Mit einem schelmischen Zwinkern wandte sich Johnny zu Ivy.
„Gleich kannst du erleben, was es heißt, einen Kotzanfall zu bekommen.“
Charlett war dankbar, für jede Ablenkung ihrerseits. Man war das peinlich. Nicht nur, das er ihr ein richtiges Bild von sich geschickt hatte, nein, der Typ sah noch besser aus. Hoffentlich hatte er ihren Blick und Hustenanfall nicht falsch verstanden. Langsam lenkte sie ihren Blick auf ihn und schaute in die stahlblauen Augen von Phil. Dieser legte seinen Kopf schief und grinste sie an. Ein warmer Schauer lief ihr über den Rücken.
„Du musst demnach Charlett sein. Zumindest hatte ich dich nicht mit so einer riesen Klappe in Erinnerung, außerdem haben sich hier ja zwei gefunden nicht war.“ Sein Nicken in Johnny und Ivys Richtung ließ ihn böse Blicke einheimsen. Ivy kam auf sie zu und umarmte sie. „Na meine Süße, endlich sehe ich dich einmal. Hatten es ja schon so lange geplant und irgendwie hast du an deinem Bild was verändert, du bist viel hübscher!“
„Danke. Aber das kann ich nur zurückgeben.“ Peinlicherweise meldete sich nun ihr Magen zu Wort.
„Wer hat denn da nicht das vorzügliche Essen im Flugzeug genossen?“ Johnny haute ihr auf die Schulter, was bei seiner Statur schon ein wenig wehtat. „Ich schlage vor, jeder geht in sein Zimmer und zieht sich, wenn zwingend notwendig um, dann fahren wir einkaufen.“
Als alle damit einverstanden waren, gingen sie die Treppe hoch. Ein langer, verwinkelter Flur erstreckte sich vor ihnen. Den Umrissen zufolge, die sie vorher erhalten hatten, waren zwei Schlafzimmer rechts, die anderen beiden in dem Flur links. Wie sich herausstellte, wollten Ivy und Johnny partout nicht zur Meerseite hin schlafen, angeblich so viele Mücken, somit zogen Phil und sie ihre Koffer zur linken Seite.
Sie bogen um eine Ecke, wo sich drei Türen befanden. Stimmt ja, das Badezimmer. Phil schaute sie fragend an.
„Was hältst du davon, wenn wir uns jedes Zimmer angucken und entscheiden dann, welches wir nehmen?“ Sie nickte schüchtern und stellte ihren Koffer neben seinem ab um ihm zur ersten Tür zu folgen. Auch hier war die Lampe eingeschaltet. Ein riesiges Schlafzimmer, mit einem Doppelbett, großen hohen Fenstern, einem Sessel mit kleinem Tisch und einer weiteren Tür. Verwundert schaute sie Phil an. „Eine weitere Tür?“ Er nickte. „Wenn ich mich Recht entsinne…“, langsam ging er auf die Tür zu und öffnete diese. „…müsste hier der begehbare Kleiderschrank sein. Der ist doch von beiden Zimmern zugänglich. Ich hoffe es ist kein Problem, wenn wir uns einen Schrank teilen? Ich schnüffel auch nicht in deiner Unterwäsche rum.“ Sie spürte wie ihre Wangen glühten, schnell schüttelte sie ihren Kopf und lief zur nächsten Tür, welche sich genau gegenüber im Schrank befand. Das Zimmer dahinter sah genauso aus, wie das vorherige. „Also wenn das so ist, welches Zimmer würden sie gerne haben? Die sind beide so unterschiedlich, da kann man sich schlichtweg einfach nicht entscheiden.“ Er machte eine Grimasse, welche Charlett total zum Lachen brachte. „Ich denke, ich werde das erste nehmen, wenn das okay ist.“ „Nein, das ist ganz und gar nicht okay.“ Er zwinkerte ihr zu. Zurück im Flur, schnappten sie sich ihre Koffer und gingen in die jeweiligen Zimmer. Irgendwie schade, sie fühlte sich wohl in seiner Nähe. Sie machte ihren Koffer auf und beschloss, erstmal eine Shorts und ein Top anzuziehen. Es war warm draußen, selbst um diese Uhrzeit waren es noch 26°C. Sie hatte gerade ihr Langarmshirt ausgezogen, als sie hinter sich ein „Oh, Entschuldige. Ich muss mich erst dran gewöhnen, dass unsere Zimmer verbunden sind.“ Total peinlich berührt standen sie sich gegenüber. Er hatte noch seine Klamotten an, sie hingegen war obenrum nur mit ihrem BH bekleidet. Halt, Stopp, BH?! Schnell ging sie zur Tür und knallte diese zu.

Zurück blieb nur ein total verdatterter Phil, der die weiße Tür anstarrte. Charlett hingegen versuchte, ihre Scham zu verstecken und ihr Herz wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen. Schnell zog sie sich was an und machte die Tür wieder auf. Phil stand immer noch an derselben Stelle und schaute sie reumütig an. „Tut mir leid. Ich bin manchmal ein bisschen tollpatschig. Ich habe dich wohl falsch eingeschätzt.“ Verwirrt schaute sie ihn an. „Wieso falsch eingeschätzt?“ „Naja, ich dachte anfangs, deinem Aussehen nach zu urteilen, wärst du irgendwie arrogant und hättest es darauf angelegt, das ich dich so sehe. Warum sonst solltest du die Tür auflassen?“ Erschrocken und zugleich auch verletzt sah sie ihn an. So direkt war noch nie jemand zu ihr gewesen. Sie hatte nie arrogant auf andere wirken wollen und sie jetzt noch so derart schlampig auf ihn zu wirken, nur weil sie zu blöd war die Tür zu schließen, gab ihr den Rest. „Ich habe mir mein Aussehen nicht ausgesucht. Natürlich sollte ich darüber nicht meckern, aber es ist Fluch und Segen zugleich. Und glaub mir, ich wäre lieber hässlicher als nonstop von irgendwelchen Mädchen angezickt zu werden, weil sie neidisch sind oder weil Jungs meinen, ich wäre eine miese Schlampe, die sich für jeden auszieht.“ Schnell drehte sie sich um und ging in ihr Zimmer. Wow, sowas kannte sie nicht von ihr. Sie würde sich normalerweise nie sowas trauen. Sie baute immer eine Mauer um sich auf, um alles abprallen zu lassen. Ihr war immer egal gewesen, was andere über sie dachten. Sie hatte Ivy, Johnny und Phil. Die sie nicht mochten, weil sie Geld hatte oder weil sie hübsch war. Sie hatte nur Ivy ihr Bild gezeigt, aus Angst, die Jungs könnten sonst was denken. Doch aus irgendeinem ihr unerklärlichen Grund, verletzte es sie dermaßen, dass Phil so dachte. Sie beschloss, ihr Gepäck erst später auszupacken und ging zurück zu den Zimmern von Johnny und Ivy. Im Flur stehend, unschlüssig, welche Zimmertür sie nehmen sollte, rief sie Ivys Namen. Der Stimme folgend, ging sie zur ersten Tür direkt neben der Treppe.
„Na, schon fertig mit auspacken?“ Ivys Lächeln erstarb, als sie Charletts Miene wahrnahm.
„Maus, was ist los? Ist wieder irgendwas von deinem Vater bekannt geworden?“ Schnell schüttelte Charlett den Kopf. Ja, das war in letzter Zeit das Thema Nummer Eins gewesen. Erst kam eine Meldung, dass man jemanden in der Nähe von Madagaskar gefunden hätte. Ein deutscher Mann, ohne Gedächtnis. Ihre Mutter war sofort runtergeflogen, doch es war wieder nur ein Fehlalarm. Wie sich Wochen später rausstellte, war es zwar ein Mann, der damals mit ihrem Vater gearbeitet hatte, doch dieser konnte sich an nichts erinnern.
„Nein, das ist es nicht. Ich hatte eben eine Auseinandersetzung mit Phil.“ Verwundert schaute Ivy sie an und setzte sich neben sie aufs Bett. Charlett erzählte ihr von dem Streit und Ivy bekam große Augen. „Das verstehe ich nicht. Ihr habt euch doch so gut verstanden. Ich mein, wenn wir alle vier on waren, hab ich zwar mit Johnny geschrieben, aber wir haben schon mitbekommen, das ihr euch sau gut verstanden habt. Wie kann er denn sowas denken?“
„Ich weiß es nicht.“
„Hmm… Also wenn du mich fragst, glaube ich eher…“
„Määääädels. Fertig machen. Wir haben hunger!“
„Dann beiß dir in deinen eigenen Hintern!“ Ivy verdrehte genervt die Augen.
„Dieser Typ macht mich noch verrückt. Wir reden später weiter Süße. Mach dir nicht solche Gedanken.“ Sie nahm Charlett bei der Hand und gingen hinunter, wo die beiden Jungs schon auf sie warteten. Charlett vermied es, Phils Blick zu begegnen, aber sie spürte genau, dass er sie anschaute.
„Was ist denn mit dir los, Charlett? Phil guckt auch schon so.“ Johnny war sichtlich verwirrt. Für Stimmung sorgen konnte er, aber alles andere schien bei ihm zur Überforderung zu führen.
„Sei nicht so unsensibel. Also ich hab nur einen Zweisitzer. Somit, müssen wir wohl ein anderes Auto nehmen. Charlett, ist das dein Infinity?“
„Ja, wir können ruhig mit meinem fahren.“ Gesagt, getan. Sie fuhren, dank dem Navi, auf direktem Weg zum Safeway. Die Jungs nahmen sich jeder einen Wagen und wir gingen rein. Der Laden war kühl, die Klimaanlagen schienen hier auf Hochtouren zu laufen.
„Johnny Schatz, lass uns doch mal die Getränke holen.“ Ivy zog Johnny hinter sich her.
„Schatz? Na endlich hast du es verstanden. Wir beide…“
„Rede weiter und du fängst dir eine.“ Ein lächeln huschte über Charletts Gesicht, bis sie realisierte, das sie nun mit Phil alleine war.
„Du, wegen vorhin…“
„Wollen wir erst frisches Obst und Saft holen? Das ist direkt hier vorne.“ Sie wollte das Thema nun nicht anschneiden. Sie war vorhin den Tränen nahe genug. Sie musste nicht gleich als Heulsuse gelten. Sie könnten in Ruhe später darüber reden.
„Na gut. Ich schiebe und du tust einfach alles in den Wagen, was du haben möchtest.“ Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Sie hatten zum Glück vorher ausgemacht, das die einen hinten anfangen würden, die anderen vorne und wenn sie sich in der Mitte getroffen hatten, wären sie fertig. Schweigend liefen beide nebeneinander her. Charlett war die Situation unangenehm, doch reden wollte sie auch nicht mit ihm darüber. Doch ohne ging es wohl nicht.
„Ich weiß nicht, warum du mich so eingeschätzt hast. Aber ich will auch nicht, dass wir den ganzen Abend schweigend nebeneinander herlaufen. Lass uns später drüber reden, oder eher gesagt, lern mich kennen, vielleicht änderst du dann deine Meinung.“ Sichtlich überrascht, dass sie das Thema angesprochen hat, nickte er zustimmend. „Aber, nur damit du es weißt. Ich habe dich nicht eingeschätzt. Wir haben immer so schön geschrieben und uns gut verstanden, ich weiß auch nicht, warum ich das gesagt habe.“ Sie versuchte, die Röte die sich ihr ins Gesicht zu bahnen schien, aufzuhalten. „Und du bist wahnsinnig süß, wenn du rot wirst.“ Zack, bumm, knall! Eine reife Tomate, schien nichts gegen ihren Kopf zu sein. „D-d-d-d-anke.“ „Bitte.“ Mit zwei vollgeladenen Wagen gingen sie zur Kasse, Charlett bezahlte. Die Abrechnung folgte später. Auf dem Weg nach Hause, beschlossen sie, heute nur eine Kleinigkeit zu essen und morgen zur Feier des Tages zu grillen. Nach einem typisch amerikanischen Sandwichessen ging Charlett als letzte hoch. In ihrem Zimmer angekommen, sah sie den großen, schweren Koffer auf ihrem Bett liegen. Sie hievte ihn vom Bett und ging in den begehbaren Kleiderschrank oder Ankleidezimmer, wie sie es häufig nannte. Phil musste wohl auf sie gewartet haben, denn seine Klamotten waren auch noch nicht eingeräumt. „Ich wusste nicht, wie wir das handhaben sollen.“ Phil kam zu ihr ins Zimmer und sah sie an. Sie schaute sich im Zimmer um. In der Mitte stand ein Puff, so wie sie ihn immer nannte. Eine längliche Polsterbank, die ideal war, um sich die Schuhe für den jeweiligen Anlass auszusuchen. Links und rechts waren zwei Regalsysteme angebaut, an der Wand ihr gegenüber eine große, lange Kleiderstage, mit Schubladen darunter. Als sie sich umdrehte, sah sie das Regalsystem für Schuhe. „Ich schlage vor, du nimmst die Wand links, ich die rechts, die Schuhe können wir ja gemeinsam hinstellen und die Kleiderstange ist groß genug für unser beider Sachen. Naja und jeder krieg halt drei kleine Schubladen.“ Er nickte und ging auf sie zu. Kurz vor ihr blieb er stehen und schaute ihr tief in die Augen. „Ich… Ich weiß nicht, warum ich das vorhin gesagt habe. Wahrscheinlich, weil meine Ex-Freundin hübsch war, ebenfalls reich aber ziemlich arrogant. Sie dachte, ich merke nicht, wenn sie mit jedem x-beliebigen rummacht. Du bist noch hübscher als sie, ich wusste nicht… ich war einfach etwas verwirrt. Ich hatte irgendwie ein Mauerblümchen erwartet. Da wo ich herkomme, kann eine so schöne Frau, wie du es bist nicht gleichzeitig so geistreich schreiben und auch noch so hübsch sein. Es tut mir wirklich leid.“ Seine Augen, waren so blau. So unwiderstehlich funkelnd. Sie spürte seinen Atem auf ihrer Wange, fühlte sich gefangen, in diesen Augen. Ein spitzer Schrei schien beide aus einer Art Trance zu holen. „Was war das?“ Charlett muss wohl sehr ängstlich ausgesehen haben, denn Phil nahm ihre Hand und zog sie hinter sich her. Im Flur entdeckten sie Ivy, nur mit einem Handtuch bekleidet, vor sich sitzend eine Spinne. Auch Charlett entfuhr ein Schrei. Eins geht garnicht: Spinnen! Johnny stand in seiner Tür und bekam sich nicht mehr ein vor Lachen. In dem Moment wurde ihr klar, dass es nur eine Gummispinne war. Dieser Arsch!
„Man, Johnny, ehrlich jetzt. Musste das sein?“ Phil schien aus irgendeinem Grund echt wütend zu sein, denn er ging langsam auf Johnny zu.
„Hey Mann, das musste sein. Ivy hatte es verdient.“ Diese starrte nun nicht mehr auf die Spinne am Boden, sondern auf die immer noch ineinander verschlungenen Hände von Phil und Charlett. Diese folgten Ivys Blick und ließen abrupt voneinander los. „Oh…ähm…ich hatte nur Angst.“ Charlett versuchte irgendwie sich aus der Situation zu befreien. Drehte auf dem Absatz um und ging Richtung Zimmer.
„Du bist echt so dermaßen blöd, Johnny. Du hast alles vermasselt.“ Phil funkelte ihn an.
„Jungs, Jungs. Was hat hier wer wem vermasselt? Was läuft da zwischen euch.“
„Garnichts, ich kenne sie ja nicht mal wirklich.“
Johnny lachte. „Ihr kennt euch nicht richtig. Klar, du hast sie noch nie live gesehen. Aber denk nicht, dass wir nicht gemerkt habe, worüber ihr so geschrieben habt. Das war schon fast, als würdet ihr dasselbe denken.“
„Ich gebe es nicht gerne zu, aber er hat Recht.“ Ivy schaute Phil eindringlich an.
„Wieso konntet ihr unsere Gespräche sehen, aber wir nicht die von dir und Charlett?“ Verwirrt schaute Phil Ivy an. „Nun ja, weil ihr eure nicht versperrt habt? Außerdem, wollte Charlett nicht, das ihr wisst worüber wir geredet haben. Ihr wisst sicherlich, was mit ihrem Dad passiert ist. Sie musste sich im letzten Jahr einfach wieder viel damit auseinander setzen.“
„Gab es etwa schon wieder irgendwelche Leute, die auf den Finderlohn aus waren? Ich dachte, den hätte ihre Mutter zurückgenommen.“
„Hat sie ja auch, aber natürlich weiß jetzt jeder, den das interessiert, dass die Familie Geld hat. Aber darum ging es diesmal garnicht. Man hat wirklich einen Mann gefunden, der sein Gedächtnis verloren hat. Doch wie sich rausstellte, war es nur ein Arbeitskollege ihres Vaters. Dieser kann sich aber an nichts erinnern, somit stand die Familie wieder bei null.“ Betrübt sahen die drei Freunde sich an. „Wir müssen sie aufmuntern.“ Sie nickten zustimmend, bevor jeder wieder in sein Zimmer ging. Charlett saß im Ankleidezimmer, als sie die Tür von Phils Zimmer zugehen hörte. Wenige Sekunden später stand er mit seinem Koffer neben ihr und sah sie betrübt an. „Darf ich fragen, warum du mir nichts erzählt hast?“
„Ich wollte nicht, dass du genervt bist und denkst ich bin eine Heulsuse.“ Entschuldigend blickte sie Phil in die Augen, der sich neben sie gesetzt hatte.
„Das dachte und werde ich niemals denken. Ich bin stolz auf dich, dass du so stark bist. Ich war das damals nicht, als meine Eltern ums Leben kamen. Du kennst die Geschichte. Drogen, Alkohol… Aber wie du das meisterst. Nicht zu wissen ob…“
„Ja, es ist schwer. Aber genau deswegen wollte ich euch alle endlich kennenlernen. Ihr habt mir so geholfen, die letzten Monate. Ich wollte Zeit mit euch verbringen, mit dir.“
Phil lächelte und wollte sie gerade in den Arm nehmen, als er doch stoppte.
„Darf ich?“ Sie nickte zaghaft und ließ sich einfach in seinen Armen fallen. Es tat gut, nicht mehr an das zu Hause zu denken. An die Schmerzen, Hoffnungen und Einsamkeit. Sie war hier, mit Ivy und Johnny und mit Phil… Ja Phil, der ihr fast noch mehr geholfen hatte, als Ivy es tat. In dem er sie nahm, so wie sie ist. Er fragte nicht nach, wenn sie an einem Tag wortkarg war oder wenn sie einmal mehrere Tage nicht geschrieben hatten. Er versuchte für sie da zu sein und das war er auch. Einmal sagte er zu ihr, sie sei die beste Freundin, die er je hatte. Das machte sie traurig. Warum verstand sie nicht. Eigentlich müsste sie doch glücklich sein, von so jemandem das zu hören. Sie beendete die Umarmung und fing an ihren Koffer auszupacken. Fertig, mit Schlafanzug in den Händen, ging sie hinüber in ihr Zimmer. Als sie sich noch einmal umdrehte, sah sie direkt in Phils Augen, der sie traurig musterte. Dieser Junge machte sie noch verrückt. Erst dieses wahnsinnige Aussehen, dann diese Bemerkung, die Entschuldigung und dem … ja was war das eigentlich? Was wäre passiert, wäre nicht diese blöde Gummispinne gewesen? Hätten sie sich geküsst? Nein, wohl kaum. Sie war ja nur seine „Beste Freundin“, wenn man das überhaupt so nennen konnte. „Schlaf gut Charlie.“ Sie blinzelte und sah ihn verwirrt an. „Wie hast du mich gerade genannt?“ „Charlie, wieso? Darf ich das nicht?“ Sie erinnerte sich urplötzlich an einen Satz von ihrem Vater. Es war wie ein Déjà-Vu.

>>Wenn dich jemand Charlie nennt, dann nicht weil er dich ärgern will, sondern weil er dich mag. Es braucht lange und sehr viel Liebe um jemanden so zu nennen. Ihm einen Spitznamen zu geben. Diesen Namen, habe ich dir damals gegeben, sonst niemand. Der nächste der es tun wird, wird eine sehr wichtige Person für dich sein.<<

Sie ließ ihre Sachen fallen und sah Phil an. Seine Augen wurden groß, als er die erste Träne in ihrem Augenwinkel sah. Er war da, bevor die erste Träne fiel.

Fortsetzung folgt...





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