Charline Müller - Teil 5

Autor: Wibke
veröffentlicht am: 08.05.2012


Hey,

mich würde mal interessieren, wie euch meine Geschichte gefällt. Soll ich weiterschreiben?

Mit freundlichen Grüßen
Wibke





Nachdem wir eine Zeit lang an Mums Bett gesessen hatten, machten wir uns wieder auf den Heimweg. Ich nahm mir vor mich ein bisschen besser um Mum zu kümmern, wenn sie wieder nach Hause kam. Auf der gesamten Heimfahrt war Lucy ungewöhnlich schweigsam. Sie schien das ganze doch mehr mitzunehmen als sie zugab. Wir waren noch nicht lange zu Hause und Lucy war gerade in ihrem Bett verschwunden, um sich ein wenig auszuruhen, als es an der Tür klingelte. Ich war erst ein wenig verwundert, wer das nur sein konnte, aber dann fiehl mir wieder ein, dass ja Leo kommen wollte. Ich geriet ein wenig in Panik, weil ich nicht darauf vorbereitet war, jetzt Besuch in Empfang zu nehmen. Aber ich konnte ihn auch nicht einfach vor der Tür stehen lassen oder weg schicken. So öffnete ich ihm die Tür. "Hey, komm rein. Willst du was trinken?" Er verneinte höflich und kam mir hinterher. Ich ließ ihn sich ins Wohnzimmer setzen und entschuldigte mich kurz. Ich lief in Lucys Zimmer und setzte mich an ihr Bett. Verschlafen schaute sie mich an: "Was ist los?" - "Alles ist gut, Kleine. Ich wollte dir nur sagen, dass ich nochmal mit Leo weggehe, ist das okay für dich?" Sie schaute mich erstaunt an und versicherte mir, dass das kein Problem wäre. Dass sie überrascht war, wunderte mich nur wenig, weil ich fast nie wegging und wenn dann alleine. Nur selten ging ich mit anderen Leuten weg, die nicht Lucy oder Mum waren. Das war bisher selten vorgekommen, nur wenige Male war ich in Bremen, wo wir vor drei Jahren gewohnt hatten, mit einem Mädchen aus meiner Klasse weggegangen. Aber noch nie mit einem Jungen. Ich gab Lucy einen Kuss auf die Stirn und verabschiedete mich mit dem Versprechen, dass ich in spätestens zwei Stunden wieder da sein und gut auf mich aufpassen würde, von ihr.
Als ich wieder in das Wohnzimmer kam, stand Leo vor der Komode und schaute sich die Fotos an, die ich gestern dort hingestellt hatte. Es waren alte Fotos. Das eine zeigte Mum, wie sie in die Kamera lachte und mich auf dem Arm hielt. Ich war damals höchstens zwei Jahre alt. Damals ging es Mum noch viel besser, sie schien so glücklich. Ich mochte das Foto, auch wenn es mich immer traurig machte, weil ich daran erinnert wurde, dass es vor vielen Jahren noch viel mehr Freude in unserem Haus gab. Auch standen dort Bilder von Lucy, als sie noch ein Baby war. Aber am besten gefiehl mir das Foto, auf dem ich neben Mum stehe und Lucy auf dem Arm hielt. Lucy war damals gerade ein Jahr alt. Ich erinnerte mich noch gut an den Tag als es gemacht wurde. Es war das letzte Mal, das wir über ein Wochenende weggefahren sind. Wir waren in die Berge gefahren, um dort das schöne Wetter zu genießen und wandern zu gehen. An dem Tag konnten wir aber nicht rausgehen, weil es regnete. So hat Mum vorgeschlagen, dass wir gemeinsam ins Schwimmbad fahren und das haben wir dann auch gemacht. Wir hatten eine Menge Spaß an dem Tag und Mum hat das erste Mal seit langem wieder viel gelacht. Damals hatte Mum sich noch große Mühe gegeben, dass wir mal aus dem Haus kamen und etwas unternahmen und dass es uns gut geht. Aber das kam mittlerweile nur noch sehr selten vor.
"Da bist du ja wieder", riss Leo mich aus meinen Gedanken. "Ja, ´tschuldigung, aber heute läuft hier mal wieder alles schief..." - "Was ist los?"
"Meine Mum ist die Treppe hinuntergestürzt und liegt nun im Krankenhaus", brachte ich von Schluchzern geschüttlet heraus. Leo schien ein wenig geschockt. Er kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Das er in dem Moment nichts sagte, war nicht nötig. Wichtig war jetzt nur, dass ich mich an ihm festhalten konnte. Zum zweiten Mal in wenigen Tagen wurde ich nun von ihm in den Arm genommen. Langsam gewöhnte ich mich daran, dass eine helfende Hand da war, an dem ich mich wieder hochziehen konnte, um festen Boden unter die Füßen zu bekommen. Ich versuchte tief durch zu arten. Mir war es unangenehm immer vor Leo zu weinen. Was sollte er denn von mir denken? Er musste mich für eine nervige Heulsuse halten, die wegen jeder Kleinigkeit anfing zu weinen. Langsam merkte ich, wie meine Tränen langsam versiegten. Ich artmete noch einmal tief durch und löste mich wiederwillig aus seiner Umarmung. "Du wolltest mir die Stadt zeigen", sagte ich zu Leo. Ich wollte jetzt abgelenkt werden, mal wieder so richtig abschalten.
Wir liefen los. Leo zeigte mir viele der Sehenswürdigkeiten in Berlin, zum Beispiel das Brandenburger Tor, den Alexanderplatz, Checkpoint Charlie, den Fehrnsehturm, den Reichstag und natürlich auch das Olympiastadion. Nachdem wir den ganzen Nachmittag gelaufen waren, kamen wir erschöpft wieder am Bahnhof in der Nähe unseres Viertels an. Leo meinte: "Das war Berlin im Schnelldurchlauf" und fing an zu lachen. Immer wenn er lachte, musste ich einfach mitlachen. Nachdem wir uns wieder einigermaßen beruhigt hatten, liefen wir weiter.
Langsam wurde es dunkler. Schließlich war es schon gegen halb acht. Die Sonne ging um diese Jahreszeit schon wieder früher unter. Ich mochte es eigentlich nicht abends noch draußen zu sein. Damit hatte ich nicht immer gute Erfahrung gemacht. Schon mehrfach haben mich Betrunkene doof angemacht. Aber bisher ist zu Glück nichts passiert. Aber jetzt mit Leo an meiner Seite fühlte ich mich sehr wohl. Als wir aus der schmalen Straße kurz vor der Kreuzung, an der wir uns immer trennten, traten, sahen wir es plötzlich. Fast hätte ich es nicht gesehen und wäre einfach weitergegangen. Vieles wäre dann anders gelaufen. Aber Leo sah es und hielt mich am Arm fest. Wir blieben stehen. Ich war leicht verwirrt, weil ich eigentlich nach Hause wollte. Schließlich wartete Lucy wahrscheinlich schon auf mich. Aber als ich Leo anschaute merkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte: Er starrte in eine dunkle Ecke direkt vor uns. "Leo, was ist los?", fragte ich ihn, aber er reagierte überhaupt nicht. Er schien irgendwie komplett erstarrt. Nun schaute ich auch in diese Düsternis, die ihn völlig zu hypnotisieren schien. Langsam bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich sah überhaupt nichts. Doch da war etwas... Aber was war es? Vorsichtig ging ich etwas näher heran. Plötzlich erwachte Leo aus seiner Starre. "Charlie,warte!", wisperste er. Aber ich hörte nicht auf ihn. Jetzt war ich fast da, was war das nur? Irgendetwas großes lag vor mir auf dem Boden. Es sah auf dem ersten Blick aus, wie ein großer Müllsack, aber der lag da doch vorhin noch nicht, oder? Und noch etwas hinderte mich daran, anzunehmen, dass es ein einfacher Müllsack war. Jedoch wusste ich nicht was. Doch plötzlich wusste ich es: Müllsäcke bewegten sich nicht. Es sah so aus, als ob der Müllsack artmete. Aber das konnte doch nicht sein, oder? Ich schob es auf die Müdigkeit, die mir bis eben noch zu schaffen gemacht hatte. Kurz und kräftig kniff ich die Augen zu. Aber als ich sie wieder öffnete, artmete dieser "Müllsack" immer noch. Zumindest hob und senkte er sich langsam und monotom. Langsam bewegte er sich hoch und wieder herunter. Plötzlich nahm ich eine Bewegung neben mir wahr: Leo bewegte sich weiter nach vorne. Langsam schlich er an den "Müllsack" heran. Als er direkt daneben stand hielt er kurz inne, schaute mich an und bückte sich herunter. Ich hielt die Luft an und sah, wie sich langsam und zögernd seine Hand in Richtung des "Müllsacks" bewegte. Als er sie fast berührte, hörte sie auf sich zu bewegen. Plötzlich lag sie ganz still da.






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