604800 Sekunden - Teil 2

Autor: Anny
veröffentlicht am: 02.05.2012


War ich nur Mittel zum Zweck?

Ich wollte so schnell wie möglich Nachhause, obwohl vielleicht auch nicht. Ich hatte so viele Gedanken und mein Körper spielte verrückt. Mir war warm, mir war kalt, schwitzte, wollte am liebsten weinen oder schreien.
Die Tür öffnete sich und ich erblickte sofort meine Eltern. Sie hatten so ein peinliches „Willkommen zurück, Spatz!“-Schild gemalt. Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Das war definitiv nicht die Art von Aufmerksamkeit, die ich mit meiner Ankunft erreichen wollte…
Sie schlossen mich in ihre Arme und weinten fast vor Glück. Ich war zwar froh sie zu sehen, aber war viel zu beschäftigt mit meinen Augen den restlichen Flughafen abzusuchen… war Er da? Wartet Er Zuhause? Wartet Er überhaupt irgendwo?
Letztendlich erblickte ich ihn nicht, versuchte aber mir nichts anmerken zulassen, allein wegen meiner Eltern schon. Das würde nur Fragen geben und ich müsste eine Erklärung abgeben, was mit mir los war, aber ich wusste es doch selber nicht genau.
Wir redeten noch einen Moment und liefen dann zum Auto, natürlich durfte mein Dad meine riesigen, schweren Koffer tragen. Wer auch sonst? Wir mussten nicht lange Nachhause fahren, nur eine halbe Stunde etwa. Ich hoffte immer noch, dass Tyler auf meine Ankunft wartet.
Das Auto hielt an, ich zögerte einen Moment auszusteigen, öffnete die Tür dann aber doch. Meine Mum schloss die Tür auf und wie betraten zusammen das Haus. Meine Eltern waren noch immer am Strahlen, ich gab mir größte Mühe ebenfalls zu lächeln.
Es sah aus wie immer, wie vor einem Jahr. Die alte Weiße Ledercouch, die dunklen Holzregale, der schöne Glastisch und die Lederstühle, süße Details und wunderschöne Blumen überall im Raum verteilt. Sogar den Duft hatte ich noch im Sinn. Alles wie immer. Fast.
Ich hätte es mir auch denken können, Tyler stand nicht wie erhofft in der Eingangshalle. Was hab ich mir eigentlich dabei gedacht? Sollte er etwa da stehen, wir küssen uns und sind ab jetzt zusammen? Zu schön um wahr zu sein und leider wäre es so viel zu einfach. Was hatte ich eigentlich erwartet, immerhin ist seit unserem Kuss ein ganzes Jahr vergangen. Ich kann nicht verlangen, dass er ein Jahr lang auf mich wartet. Er wusste ja auch gar nicht, was ich über ihn, über uns denke. Enttäuscht ließ ich das Mittagessen, das meine Mutter zubereitet hat sausen und ging in mein Zimmer. Ich ließ mich auf mein Bett sinken und mir liefen die Tränen, eine nach der anderen. Wieso weine ich eigentlich? Mensch, Amina es war ein Kuss, ein einziger Kuss! Wir waren nicht zusammen und er hat dich auch nicht betrogen. Außerdem könnte es viel schlimmer sein. Ja es könnte schlimmer sein, wenn er eine Freundin hätte zum Beispiel oder er weggezogen wäre oder er unheilbar krank wäre… Ich malte mir tausend wirre Sachen aus, natürlich total unbegründet. Er war weder weggezogen noch unheilbar krank. Er wollte mich einfach nur nicht sehen, weil er mich nicht liebt und der Kuss…hm dafür hatte ich keine Erklärung. Zumindest keine die mir gefiel.
Plötzlich klingelte es, ich dachte mir nicht viel dabei, außerdem können meine Eltern ja auch zur Tür gehen. „Amina!“ rief es die Treppe herauf. Es war meine Mum. „Bin oben, was ist denn?“ rief ich vom Bett aus hinunter. Es kam keine Antwort, aber ich hörte Schritte auf der Treppe. Die Schritte kamen immer näher.
„Hey Süße.“ Sagte eine mir sehr vertraute Stimme. Ich raffte mich auf und war wie erstarrt. Es war Tyler. Nach einem Jahr stand er nun vor mir. Zwar etwas spät, als gehofft, aber er war da. Ich wischte mir die Tränen vom Gesicht und sprang ihm förmlich in die Arme. Ich war so glücklich und zitterte fast vor Aufregung.
Ich löste mich langsam aus dieser innigen Umarmung, aber er hielt mich trotzdem noch im Arm. Aufgrund meiner Aufregung merkte ich gar nicht, dass er die andere Hand hinter seinem Rücken hielt und auf einmal zauberte er eine rote Nelke hervor. Ich liebte Nelken und rot, rot steht für Liebe, nicht wahr? Ach nein, ich will mir nicht zu viel erhoffen. Das war einfach nur klischeehafter Kitsch, nicht mehr und nicht weniger.
Eine Zeitlang sahen wir uns einfach nur in die Augen und grinsten uns an. Dann setzten wir uns gegenüber auf meine Couch. Ich war immer noch total happy und aufgeregt. War das der Beginn, der Beginn von etwas ganz Großem?
Wir begannen zu reden.
„Alles klar?“ fragte er in einem besorgtem Ton
„Ja, im Moment ist alles Perfekt. Wie geht es dir? Was hast du gemacht, das letzte Jahr?“

Gott, ich wollte ihm so viele Fragen stellen…

Er: „Jetzt, wo du wieder da bist, geht es mir sehr gut. Hm, das übliche eigentlich. Weiber aufreißen, Football spielen, Party machen und… - er zögerte einen Moment und schaut mir tief in die Augen-… und jeden Tag an dich gedacht und dich vermisst.“
„Wieso gerade an mich gedacht?“ fragte ich ihn mit leichtem grinsen.
„Wieso auch nicht? Du bist immerhin meine beste Freundin und du bist irgendwo in der Pampa in Australien und ich kann nicht auf dich aufpassen, dich nicht beschützen, Süße.“ Er wuschelte mir durch die Haare und zog mich an sich.
„Ach du machst dir Sorgen um mich? Wie süß.“
„Da sagt man einem Mädchen einmal das man sich Sorgen macht und sie vermisst, schon wird man wieder aufgezogen.“ Grinste er frech.
Ich stupste ihm leicht vor die Brust und antwortete: „Mensch, so war das auch nicht gemeint Tyler. Wenn du es genau wissen willst, ich habe dich auch vermisst, sehr sogar…“
Er grinste zufrieden und zog mich noch näher zu sich heran. Es war ein schönes Gefühl so in seinem Arm zu liegen. Ich konnte seinen Herzschlag deutlich hören und spürte seine Wärme. Ich fühlte mich so geborgen und glücklich. Einfach sicher.
Wir redeten kein Wort mehr, genossen einfach nur die stille und dieses Gefühl des Zusammenseins. Ich glaube wir sind eingeschlafen, zumindest wachte ich einige Stunden später in seinen Armen auf. Er hatte mich mit seinen muskulösen Armen umschlungen und streichelte mir sanft das Gesicht. Seine Hände waren so zärtlich und im Gegensatz zu meinen riesig, dies störte mich aber nicht. Es gab mir ehr das Gefühl beschützt zu werden. Er strich mir mit seinen Fingern zärtlich über die Stirn und lächelte glücklich. Wir sahen uns beide in die Augen und er flüsterte leise: „Du hast mir schrecklich gefehlt. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde musste ich an dich denken, Amina.“ Ich war total gerührt, mir fehlten aber die Worte und ich kuschelte mich einfach nur an ihn. Ich wünschte dieser Moment würde nie vor rüber gehen. Aber nein, war ja klar, dass wir nicht ewig so verharren konnten. „Amina Spatz, Oma und Opa sind da. Komm doch bitte runter!“
Das war das Stichwort, Tyler und ich richteten uns auf und ich brachte ihn zur Tür. Er küsste mich vorsichtig auf die Stirn und sagte „Schlaf dich aus, wir sehen uns morgen!“ zwinkerte mir noch einmal zu und ging nach Hause. Ich schloss die Tür und schwelgte noch in Erinnerungen. Ich war total glücklich, besser hätte es nicht laufen können. Dachte ich zumindest in diesem Moment. Nun noch ein Pläuschchen mit Oma und Opa und dann ab ins Bett, ich muss ja schließlich fit für Morgen sein. Schließlich war Morgen, mein erster Schultag. Und Tyler.
Am nächsten Morgen war ich mal wieder viel zu spät dran. Eigentlich wohne ich ja im Internat unserer Schule, aber ich hatte diese Nacht zuhause verbracht. Ich sprang schnell unter die Dusche und föhnte mir die Haare trocken. Meine langen braune Haare lockte ich mit meinem geliebten Glätteisen. Schminkte meine Augen dezent mit Mascara und trug roten Lippenstift auf, Rote Lippen soll man(n) schließlich Küssen, nicht wahr?
Ich zog mir eine dunkle Hot Pans an und ein blaues Rüschentop, es war schließlich sehr warm draußen. Dazu schlichte schwarze Ballerinas und schnappte mir noch eine Strickjacke. Meinen letzten Kram packte ich noch schnell in den Koffer und ab ging es zur Schule.
Da wir heute noch keinen Unterricht hatten, ging alles recht langsam. Kurse und AGs einschreiben, Schulbücher abholen, Zimmer beziehen. Das übliche eben.
Schon im Auto war ich total aufgeregt und hibbelig. Ich glaube ich habe mich noch nie so sehr auf ein neues Schuljahr gefreut!
Angekommen erwartete mich auch gleich Nina. Oh Man wie ich Nina vermisst habe. Wir sind einfach wie Seelenverwandte. Ein Kopf und zwei Körper. Manchmal ist es echt gruselig, wenn wir das selbe denken und aussprechen, aber so muss eine sehr gute Freundschaft auch sein, richtig?
Wir begrüßten uns innig und setzten uns an einen Tisch, tranken Kaffee und unterhielten uns. Wir lachten die ganze Zeit und als ich ihr vom gestrigen Tag mit Tyler erzählte wurde sie auf einmal total merkwürdig und still. Ich fragte mich wieso. Ich dachte doch sie wolle das wir zusammen kommen und nach gestern sah es doch eigentlich ganz gut aus?
Im nächsten Moment sah ich Tyler, ich konnte mir mein Grinsen nicht mehr verkneifen und wollte gerade aufstehen, Doch dann blieb mir fast die Luft weg…. Das konnte doch nicht sein!






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