Verwandelt - Teil 4

Autor: lucy-josephin
veröffentlicht am: 04.05.2012


Meine Mutter hörte, wie ich die Tür aufschloss und begrüßte mich fröhlich. Offenbar war sie bei dem schönen Wetter mal wieder auf Shoppingtour gewesen. Für sie sah das Training aus wie ganz normales Schwimmtraining, es tat mir leid, ihr nicht die Wahrheit sagen zu können. Ich gab ihr ein Begrüßungsküsschen und ging durch den dunklen, kleinen Flur, von dem vier Türen abzweigten. Die erste Tür führte zur Küche und Wohnzimmer, hinter der zweiten Tür war das Bad und die letzten zwei verbargen die Schlafzimmer. Ich ging zielstrebig auf die Tür zu, auf die ein kleines Kunstwerk gemalt war. Eine abstrakte Figur in der Form einer Cambio lächelte mich an. Ich war ziemlich stolz darauf... Es war, als hätte ich mein, nein, unser Geheimnis preisgegeben, aber niemand das Offensichtliche erkannte. Ich ging in mein Zimmer, das sehr hell war und in einem gefährlich dunklen Türkis gestrichen war. Meine Mutter wollte das nicht, aber ich hatte mich auf ein Kompromiss geeinigt: Zwei Wände türkis, zwei weiß. Die Tasche landete in hohem Bogen auf dem Boden und ich ließ mich auf meinem geliebten Schreibtischstuhl, man konnte wunderbar darauf herumhüpfen, fallen. "Boing, Boing..." machte er und ich grinste. Die Hausaufgaben konnten warten, denn ich lief erstmal zu meiner Mutter, die nach mir rief. Essen war fertig! Es gab Spaghetti mit Tomaten-Soße aus der Dose. Ich setzte mich und rieb mir einen riesigen Berg Parmesan auf die Nudeln. "Guten Appetit." wünschte ich meiner Mutter und schlang die erste Portion hinunter. Die kleine Pommes hatte meinen Hunger nur angestachelt, sodass ich jetzt zügig meinen leeren Magen füllte. Wir aßen schweigend und ich starrte aus dem Fenster, durch das die Sonne gnadenlos schien. Ich hatte keine Geschwister und meine Mutter hatte meinen Vater vor fünf Jahren verlassen. Wir hatten seit einer Ewigkeit keinen Kontakt mehr, doch er zahlte den Unterhalt ohne mit der Wimper zu zucken. Meine Mutter arbeitete als Krankenschwester, was meiner Meinung nach eine schreckliche Arbeit war. Sie liebte ihren Job, trotz der schlechten Bezahlung und dem Stress. Ich wollte auf keinen Fall Arzt oder so etwas werden. Ich wollte etwas mit Cambios machen, vielleicht Cambio-Lehre studieren. Das ging natürlich nur im Kartell, aber das war mir nicht ganz geheuer... Naja, ich hatte ja noch ein bisschen Zeit, ich wollte erst einmal mein Abitur machen, und bis dahin sind es noch 3 Jahre. Ich leerte meinen Teller und trug ihn zu der alten, klapprigen Spülmaschine, die im Moment angeschaltet war. "Ich nach Hausaufgaben." murmelte ich meiner Mutter zu, die mit vollem Mund nickte. In meinem Zimmer setzte ich mich jedoch nicht an meinen Schreibtisch, sondern holte meine geliebte Panflöte aus einer Schublade. Es hatte mich Jahre Übung gekostet, einen sauberen Ton zu spielen, doch das Resultat ließ sich hören. Ich fing an, eine Melodie zu spielen und versank in einem Wirbel aus Tönen und Gefühlen. Als ich mein Spiel beendet hatte, sah ich mit entsetzten, dass es schon 18:24 Uhr war. Dieser Zeitmangel... Schrecklich! Ich hüpfte ungeduldig auf meinen Stuhl herum und hoffe, dass die HA schnell gemacht sein würden. Ich blieb an einer Deutschaufgabe hängen: "Verfasse eine textgebundene Erörterung!" Aha. Das sagte mir nichts. Was zum Teufel war eine "textgebundene Erörterung"? Ich sah ratlos das Arbeitsblatt an und dann den dazugehörigen Text. Wie auch immer! Das verstand ich nicht und ich würde einfach einen dieser blöden Striche bekommen, wenn man seine HAs vergessen hat. Es wäre dann mein zweiter, überlegte ich und kam zu dem Schluss, dass es sich lohnte, diese Erörterung nicht zu scheiben. Selbst wenn ich dem dritten Strich und somit dem Elternbrief ein Stück näher kam. Erschöpft fiel ich in mein Bett, ohne mich umgezogen zu haben. Wahrscheinlich würde ich morgen in zerknitterten Klamotten in einem Bett voller Sand aufwachen, also zog ich mich aus. In Unterwäsche legte ich mich unter die Decke und seufzte. Ich spürte erst jetzt, wie sehr meine Muskeln schmerzten. Dann schloss ich die Augen und schlief ein.




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