Eine Katatrophe kommt nie allein - Teil 16

Autor: Kathrin.
veröffentlicht am: 11.10.2012


Alles lief langsamer. Ich kam mir vor wie in einer Blase. Alles wirkte nur gedämpft auf mich ein. Ich selbst tat nicht mehr viel, hatte kein wirkliches Zeitgefühl mehr, ließ mich einfach gehen. Ich wusste, dass es falsch war. Doch zu allem fehlte mir der Antrieb. Christoph hatte schon so ziemlich alles versucht. Aber ich blieb in meiner Blase. Und errichtete Mauern um mich. Schutz. Seit zwei Monaten machte ich jetzt alles schon mechanisch. Ich war seit einer Ewigkeit nicht mehr feiern gewesen, oder hatte mich mit Freunden getroffen. Der einzige der ab und zu in meine Blase kam war Christoph. Lea rief oft an. Aber ich wusste nicht mehr was ich ihr erzählen sollte. Das hatte ich ihr alles schon erzählt. Und nebenbei Rotz und Wasser geheult. Felix hatte mich zerstört. Inzwischen hatte ich sogar eine lapidare Idee. Er liebte mich nicht. Er hasste mich immer noch. Und wollte noch einmal einen drauf setzen und sich etwas beweisen. Und mich einfach fertig machen. Ich verabscheute mich dafür, dass ich sein Spiel nicht schon früher erkannt hatte. Mich einfach blind auf ihn eingelassen und mich, zu allem Übel, noch Hals über Kopf und unwiderruflich in ihn verliebt hatte. Ich hatte ihn seitdem nicht mehr gesehen. Zum Glück. Da war einfach nur diese Leere. Sie blieb die ganze Zeit.
Ich schrak auf als ich laute Stimmen im Flur hörte, etwas knallte und meine Zimmertür aufgerissen wurde. Laric stand im Türrahmen und sah mich an als würde er am liebsten mit in diesen trübsinnigen, stumpfen Gedanken verschwinden. Dann ging er auf den Plattenspieler zu und stellte The Cure ab.
„Da kann man ja nur depressiv werden!“, sagte er kam auf mich zu und schloss mich fest in seine muskulösen Arme. Ich fühlte mich besser. Allein durch seine Bloße Anwesenheit. Vielleicht lag es wirklich an diesem Zwillngsding. Immer wissen wie sich der andere fühlt. Immer wissen was der andere denkt. Dann sagte er: „Du ziehst dir jetzt was verdammt scharfes an und dann gehen wir mit Christoph, Mattes, Lukas, Jakob und Matze feiern.“ Ich öffnete meinen Mund um etwas zu sagen doch dann kam prompt: „Keine Widerrede! Wir holen dich jetzt zurück. Du kommst mit und basta! Dusch dich vorher lieber erstmal. Und wasch dir die Haare.“ Entsetzt sah ich ihn an. „Du stinkst!“, gab er mir nur zur Antwort und ich schmiss lachend ein Kissen nach ihm.
„Ach. Wie hab ich das vermisst.“, meine er nur seufzend.
„Was?“, fragte ich total verblödet.
„Dein Lachen.“, meinte er nur. „So und jetzt ab ins Bad!“
Ich zupfte nervös an meinem kurzen, schwarzen Kleid. Mein Spiegelbild lächelte mir tapfer entgegen. Die Locken waren wie immer wild und ungebändigt, meine vollen Lippen hatte ich mit rotem Lippenstift betont. Meine Beine wirkten in der schwarzen Strumpfhose und den schwarzen High Heels fast unendlich lang.
„ANNA! Wann bist du endlich fertig?“, Laric wurde langsam wirklich ungeduldig und ich musste in mich hinein lachen.
„Jetzt!“, rief ich zurück und trat aus meinem Zimmer.

Ihm blieb die Luft weg als er sie sah. Das feine Gesicht, die wilde Mähne, die langen, schlanken Beine. Nur die traurigen Augen passten nicht dazu. Er liebte sie. Und er hasste ihn. Er hasste ihn wirklich. Dafür, dass er ihr das angetan hatte. Sie so zerstört hatte.

„Was macht er hier?“, fragte ich entsetzt und zeigte auf Clemens.
„Er kommt mit.“, antwortete Laric mir schlicht. Ich schluckte schwer. Damit hatte ich nicht gerechnet. Nicht damit ihn wieder zu sehen. Und solche Gefühle für ihn zu haben. Mein Herz schlug schneller. Aber es beruhigte sich genauso schnell wieder, als ich in die schönsten braunen Augen der Welt sah und sein Lächeln sah, dass diese zwei wunderbaren Grübchen hervorbrachte. Oh je. Warum sah er mich nur so an?
„Behalt deine Augen bei dir!“, zischte Laric ihn jetzt jedoch an. Sein Grinsen wurde nur noch breiter. Meine Miene blieb ausdruckslos. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Clemens wiederzusehen, nachdem was ich mit Felix erlebt hatte, kam mir seltsam falsch vor. Ich war ihm immer hinterhergerannt und hatte ihn nicht beachtet. Und jetzt war es genau umgedreht. Aber ich liebte Felix. Selbst mit seiner plötzlichen Trennung. Seinem Verschwinden. Doch ich konnte es in Clemens‘ Augen lesen. Ich sah es ihm an. Er würde um mich kämpfen. Ich sah es in diesen wunderschönen braunen Augen aufblitzen. Ein stummes Versprechen. Und es brachte mich zum Lächeln. Verlegen spielte ich mit meinen Locken.
„Los komm jetzt!“, Laric schob mich an Clemens vorbei und warf ihm einen giftigen Blick zu. „Anna. Bitte mach keine Dummheiten.“, ich blickte ihn erschrocken an und er lächelte mich an.
„Mach ich nicht.“, gab ich zurück, küsste ihn auf die Wange und machte mich auf den Weg nach draußen.

Auf mich warteten schon Matze, Mattes, Lukas und Jakob. Ich sah ihre offenen Münder, drehte mich einmal im Kreis und fragte: „Kann ich mich so mit euch blicken lassen?“ Ich bekam nur stummes nicken zurück und musste anfangen zu lachen. Laric trat aus der Tür, sah in ihre Gesichter und stöhnte auf. „Oh nein! Die nicht auch noch!“ Ich musste wieder lachen und Laric grinste mich an.
„Hört bloß auf zu gaffen und kommt endlich mit!“, sagte er wenig sanft uns zog mich mit sich. Wieder musste ich kichern. Es war so befreiend. Hinter Laric und mir hörte ich Gemurmel.
„Hört auf ihr auf den Arsch zu starren.“, Larics Beschützerinstinkt war wirklich heldenhaft und wieder begann ich zu lachen. Jakob sah mich nur an und meinte schlicht: „Es ist so schön dich wieder lachen zu hören, Anna.“ Ich lächelte ihn an und wir machten uns endlich auf den Weg in den Club.

Es war wunderbar. Die vielen Menschen, der Alkohol, das Tanzen. Ich befreite mich. Trank und tanzte mir Felix aus den Kopf. Und ich sah wie die sorgenvollen Mienen wichen. Wie die Sorge um mich wich. Und darüber freute ich mich umso mehr. Und ich liebte Laric noch mehr, weil er mich endlich aus meiner Höhle geholt hatte. Meine Mauer hatte ich nach wie vor um mich errichtet. Aber aus der Höhle war ich gekrochen. Die Blase um mich herum war geplatzt. Und es war ein atemberaubendes Gefühl. Ich fühlte mich so…frei. Zuletzt hatte ich dieses Gefühl als ich mein Auslandsjahr gemacht hatte und durch das australische Outback gefahren war. Ich war komplett unabhängig. So wie jetzt. Ich war wieder voller Tatendrang. Doch leider hielt er nicht lange an. Ungefähr so lang, bis ich Felix mit einer schönen brünetten durch den Club schlängeln sah. Ich zog Christoph am Arm und deutete in Felix Richtung. Er formte nur ein lautloses „Scheiße“ mit den Lippen. Und jetzt fühlte ich mich wieder so als hätte mir jemand alle Eingeweide herausgerissen. Die anderen waren mittlerweile auch auf ihn aufmerksam geworden. Nur er, glücklicherweise, auf uns nicht.
„Willst du gehen?“, brüllte Laric mir über den Lärm der Musik zu. Ich schüttelte nur vehement den Kopf.
„Ich lasse mich von ihm nicht verunsichern oder einschüchtern. Wenn einer gehen muss. Dann er.“, gab ich verbissen zurück und auf Larics Gesicht breitete sich ein stolzes lächeln aus. Ich sah ihn gerne so. Nun musste ich ebenfalls Grinsen.
„Da ist er wieder. Dein unerschütterlicher Wille!“, lachte er nur. Und ich lachte mit ihm, weil ich wusste, dass es stimmte. Ich hatte ihn wieder. Und diese Erkenntnis gab mir solche eine Sicherheit wie schon lange nicht mehr. Ich wusste, dass ich es auch ohne ihn schaffen konnte. Ich wusste, dass ich ihn nicht brauchte. Ich hatte es endlich realisiert. Es war zu mir durchgedrungen. Und jetzt strahlte ich, ließ mich fallen und war einfach nur glücklich. So absurd das auch klingen mag. Plötzlich spürte ich zwei Hände auf meinen Hüften und drehte mich um. Clemens strahlte mich wahrscheinlich genauso an wie ich ihn. Er sah meine Veränderung.
„Deine Augen lachen wieder.“, sagte er nur und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Dann nahm er meine Hand und führte mich nach draußen. Erwartungsvoll sah ich ihn an.







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