denk an mich! - Teil 4

Autor: amelie-sophie
veröffentlicht am: 23.04.2012


Ich hatte solche panische Angst, dass ich mir Tränen in den Augen standen und meine Sicht behinderte. Ich rempelte Ärzte und Krankenschwestern an, während ich wie eine Irre die Gänge lang raste. Ich steuerte in Richtung Rezeption, um.. was weiß ich zu tun. Meiner Mum Alles zu erzählen? Das war auch quatsch. Vielleicht konnte ich Lilli sagen was passiert war, aber dann müsste ich ihr erst einmal erklären was ich überhaupt war. Ich wusste nicht ob sie das verkraften würde!Ich war gerade in der Wartehale des Krankenhauses angekommen und konnte schon den verlockenden Ausgang sehen, als sich mir plötzlich ein riesiger, schwarzgekleideter Mann in den Weg stellte und ich mit voller Wucht gegen ihn prallte. Ich wurde zurück geschleudert und stieß schmerzhaft gegen eine Ecke hinter mir. „Tut mir leid, habe ich Ihnen wehgetan?“ Ein leiser Schrei entfuhr mir als ich die Stimme wiedererkannte: Es war der Onkel von Nathan. Wieso war er hier? Ich wollte zu einer Entschuldigung ansetzten, doch kein Ton verließ meinen Mund. Wieso auch, er will mich umbringen, überlegte ich schwachsinniger weise und sah, dass der Onkel zwei klitzekleine, tiefschwarzen Augen, eine hagere Figur und eine ziemlich hässliche Hackennase hatte. Kaum zu glauben, dass er mit Nathan verwand war. Ich schüttelte etwas verspätet auf seine Frage den Kopf und zitterte ein bisschen, als ich mich aufrappelte und seine helfende Hand ignorierte. „Sind Sie sich wirklich sicher… ich meine auch psychisch“, er ließ seinen Blick betont langsam an mir herunter fahren und ich registrierte jetzt erst, dass ich nur in einem langen, kotzgrünen T-Shirt und Barfuß dastand. Röte schoss mir ins Gesicht und ich versuchte meinen nackten Oberschenkel ein bisschen vor den gaffenden Männern zu verbergen, nickte aber trotzdem. Ich war ja wohl nicht geisteskrank! „Wie schön, ich werde Sie dann wieder nach oben begleiten“, sagte der Onkel und sein Blick sagte mir, dass keine Widerrede erwünscht war. „Nein vielen Dank“, erwiderte ich trotz alledem und drängelte mich an ihm vorbei und er ließ mich gewähren, obwohl ich vermutete, dass er mich locker aufhalten könnte. Schnell ging ich auf die Drehtür zu, aber mehrere, ebenfalls schwarz gekleidete Männer versperrten mir den Weg. „T´schuldigung, aber ich müsste da mal kurz durch“, sagte ich, doch ich bekam keine Antwort. „Sie werden Sie nicht durchlassen, also gehen Sie bitte wieder auf ihr Zimmer, Ms. Mason.“ Woher kennt der meinen Namen, fragte ich mich schockiert und warum zum Donnerwetter noch mal waren hier überhaupt keine anderen Patienten? Der Onkel führte mich wieder durch die Flure entlang in das Zimmer in dem Nathan (mein dummes Herz machte einen freudigen Hüpfer) aufrecht im Bett saß. „Hey, du hast aber…“, als er seinen Onkel sah verstummte er. „Andrej warum bist du hier?“ „Unsere kleine Miss hier“, er deutete auf mich. „wollte sich wohl heimlich wegschleichen. Wie gut, dass ich unten noch ein bisschen aufgehalten worden war.“ Ich sah diesen Andrej hasserfüllt an und überschlug meine Chancen zum Fenster zu rennen und rauß zu springen, aber wir waren glaube ich im 4. Stock und meine Chancen unten heil wieder anzukommen waren eher gering. Aber ich würde doch sowieso sterben, oder? Einen Versuch war es wert. Andrej erzählte gerade wie ich ihn fast umgerannt hätte und machte sich tierisch über mich lustig, als ich meine Chance ergriff, mich losriss und zum Fenster stürmte, das glücklicher Weise hoffen stand. Doch bevor ich die Fensterbank auch nur berühren konnte, schlossen sich zwei starke Arme um meine Taille und nagelten mich an Ort und Stelle auf den Boden. Als mir Nathans Geruch in die Nase strömte beschleunigte sich mein Puls, aber ich hatte nicht vor kampflos aufzugeben. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, aber seine Arme fühlte sich an wie Drahtseile, also drehte ich mich in seinen Armen um, quetschte meinen Arm unter seinem durch und schlug im so doll ich konnte gegen die Brust. Er zuckte nicht einmal zusammen und im Nachhinein fiel mir ein, dass es eigentlich viel schlauer gewesen wäre ihm zwischen die Beine zu treten oder auf die Nase zu hauen, aber seine Augen hatten mich nun mal aus dem Konzept gebracht. Weder Nathan noch sein Onkel sagten etwas, sonder starrten mich nur mitleidig an und genau das machte mich rasend. „Lass mich sofort los“, schrei ich ihm ins Gesicht und startete noch einen Versuch mich zu befreien, vergeblich. „Damit du Selbstmord begehst? Phillippa wir sind hier im 5. Stock“, antwortete er ungehalten und hielt jetzt nur noch meine Hände umklammert. „Sehr richtig Junge und ich muss jetzt wirklich los, hab ein Auge auf sie“, brummt Andrej und schloss das Fenster. Ich hasste ihn so sehr, er interessierte ihn nicht mal was ich gehört hatte und er wollte mich scheinbar langsam umbringen, sonst hätten sie mich ja wohl aus dem Fenster springen lassen können. Seine Arroganz und Selbstsicherheit machten mich wütend. „Tschüss“, sagte Nathan und ich fügte hinzu: „Wünsche angenehme Kopfschmerzen!“ Dann feuerte ich meine komplette Energie auf ihn ab. Die Mauer um seinen Geist hielt zwar stand, begann aber leicht zu bröckeln. Es war fast so wie bei diesen Ritterburgmauern und ich war der Rammbock, der versuchte sie zu zerstören. Mit Genugtuung sah ich wie Andrej zusammen zuckte und sackte dann, wegen dem großen Energieverlust in Nathans Arme. Es war nämlich nicht so, dass meine Energie zurück kam nachdem ich sie abgefeuert hatte, sondern sie verschwand einfach. Das war meine Überraschung gewesen, ich konnte nicht nur Gedanken manipulieren, sondern auch Energie kontrollieren. Ich konnte sie sowohl auf einen anderen Geist abfeuern, als auch einem anderen Lebewesen Energie absaugen. Ich hatte es entdeckt, als ich sieben war und ausversehen einem Kaninchen seine komplette Energie abgezogen. Ich hatte es einfach nur gestreichelt und dann hatte auf einmal mein Körper übernommen und ich hatte mit angesehen wie das Kaninchen starb. Ich hatte mir geschworen so etwas nie wieder zu tun. „Was hast du gemacht“, rief Andrej und holte mich so aus meinen Gedanken. Er stand an der Wand gestützt da und sah mich wütend an. „ Etwas was Ihnen ein bisschen mehr Respekt eingeflößt hat“, keuchte ich ziemlich schwach, sozusagen einer Ohnmacht nahe. „Finde heraus was sie alles kann, vielleicht ist kann sie dem Rat ja sogar ein bisschen nützlich sein“, knurrte Andrej. Ich fauchte empört und schubste Nathan mit aller Kraft, die ich noch übrig hatte weg, sodass ich wieder ohne Hilfe stand. „Ich werde gar nichts tun“, rief ich und verlor, dummerweise, die Besinnung. Schon zum zweiten Mal!
Als ich aufwachte lag ich wieder in meinem Bett und fühlte mich wie frischgeboren. Nathan schien auch zu schlafen, denn ich konnte nur einen großen Deckenberg sehen der sich gleichmäßig auf und ab senkte. Ich muss schleunigst hier rauß, dachte ich und stieg leise aus dem Bett. Sowohl das Fenster, als auch die Tür waren fest verschlossen und ich hätte schreien können vor Enttäuschung. „Kannst du gleich vergessen“, nuschelte Nathan verschlafen und ich fuhr erschrocken herum. „Öffne die Tür“, sagte ich herrisch und ließ meinen Geist seine Mauer untersuchen. Es waren klitzekleine Unebenheiten darin, aber sie waren nicht so groß wie ich es mir erhofft hatte. Er war komplett darin verbarrikadiert und ich konnte nichts tun, trotzdem klopfte und puhlte ich noch ein bisschen an seiner Mauer rum. Als plötzlich der Geruch von Wald und Parfum immer stärker wurde verlor ich die Kontrolle, mein Geist zog sich wieder zurück und ich öffnete die Augen. „Nein tut mir leid, nicht möglich“, sagte Nathan verärgert und ich wollte gerade zu einer sarkastischen Entgegnung ansetzten als… Oh Shit, dachte ich, als ich bemerkte, dass Nathan direkt vor mir stand und er nur ein identisches T-Shirt an hatte wie ich…. Und natürlich Boxershorts. Ich wurde rot, konnte meinen Blick aber nicht von seinem Körper abwenden. Er war trainiert, schlank und sah einfach super gut aus, vor allem ein Grübchen an der Schulter fiel mir besonders ins Auge. Oder war es eine Narbe? Mich juckte es auf jeden Fall in den Fingern sie zu berühren. Stopp, rief ich mich in Gedanken zurück. Er Feind, nicht Freund! Ich sah wieder in seine Augen und… bemerkte, dass er mich nicht minder interessiert musterte. Peinlich berührt quetschte ich mich an ihm vorbei und stieg wieder in mein Bett. Er wurde ein bisschen rot und setzte sich auf die Bettkante auf seinem Bett. „Phillippa, du musst wissen, dass wir unsere Gründe haben und vielleicht muss es ja gar nicht sein. Du hast Andrej, also meinen Onkel, ja gehört“, sagte er erstaunlich sanft und meine Antwort war nicht so fauchend wie ich es mir gewünscht hätte, als ich „Ja klar und wenn ich euch dann nützlich war legt ihr mich um, hm?“ erwiderte. „Wirklich, dass stimmt überhaupt nicht und außerdem wollen wir dich gar nicht „umlegen“, sagte er jetzt auch gereizter. „So dann erzähl mir doch wieso!“ „Ich? Nee, das kann nur der Rat machen“ „Der Rat, hört sich ja fast wie so eine beschissene Sekte an und was ist es, eine Sekte oder eine Anstalt für Gestörte“, fauchte ich und stand auf. Das war ja wohl nicht zu fassen! Ich sollte ihm vertrauen und er erzählte mir nicht einmal was hier vor sich ging. Wahrscheinlich wollten die mich foltern oder was weiß ich mit mir machen. Er war der Vertrau-mir-wir tun-dir nichts-Köder und dann… Bam! Tod! Nathan sah mich fassungslos an, wahrscheinlich hatte er es sich einfacher vorgestellt mich rumzukriegen und sprang nun auch auf. „Du hast doch keine Ahnung, wir sind..“, brauste er auf. „Genau, ich habe keine Ahnung! Ich weiß nicht was hier läuft, warum auf einmal zwei bescheuerte Typen kommen und mich umbringen wollen, was der mysteriöse Rat ist und was zum Teufel Spiegelwesen! Ich weiß noch nicht einmal wer oder was du bist“, brüllte ich und ballte die Hände zu Fäusten. „Ich bin auf jeden Fall nicht bescheuert!“ Diese Konversation war sowas von bescheuert. Ich fragte ihn Sachen und er wich aus und machte Hakensprünge wie ein Hase. „Sag mir einfach was hier los ist“, rief ich und trat direkt vor ihn, sodass schätzungsweise noch zirka 5 Zentimeter Platz zwischen uns war. Mal wieder schnellte mein Puls in die Höhe, doch eine Stimme flüsterte mir zu, dass ich ihn gerade erst einmal 1 Tag kannte. „Ich kann nicht verdammt noch mal. Warte einfach bis wir dich dem Rat vorführen, dann wirst du alles erfahren“, er sah mir in die Augen, mit so einem flehenden Blick, dass ich einfach nur noch nicken konnte. „Gut, also.. ähh… ich würde gerne spazieren gehen, willst du mitkommen?“ „Meinetwegen“, meinte ich, obwohl ich mir gerade nichts unattraktiveres vorstellen konnte als mit ihm irgendeinen bescheuerten Smalltalk zu halten . Aber vielleicht würde ich ja etwas aus ihm heraus kitzeln oder ich konnte sogar fliehen. Ich packte meine Sachen, die ordentlich gefaltet über einem Stuhl hingen und verschwand im Bad um mich umzuziehen. Es waren leider immer noch meine Sachen aus der Disco: Ein schwarzer Minirock, der nur knapp über den Po reichte, ein weißes, weites Top mit Pajetten und einem schwarzen Bolero. Als ich mich fertig angezogen hatte, betrachtete ich mich im Spiegel. Meine kurzen, dunkelbraunen Lockenkräuselten sich wie wild um meinen Kopf und meine Augen, die es nie schafften eine bestimmte Farbe anzunehmen (heute waren sie dunkelgrün mit einem Stich braun darin), sahen müde aus. Ich sah also eher aus, als hätte ich eine Nacht durchgemacht, als hübsch oder verführerisch. Vielleicht stand Nathan ja auf verwuschelte Haare? Stopp, rief ich in Gedanken. Keinerlei dumme Gedanken an deinen Mörder(?) verwenden. Ich kämmte kurz mit einer Bürste, die in einem kleinen Schrank lag über die Haare, aber es half nichts und ich sah genauso aus wie vorher. Scheiß drauf, dachte ich, zog den Rock soweit wie möglich nach unten und ging wieder zurück zu Nathan. Er war jetzt wenigstens nicht mehr halb nackt, aber er hatte auch seine Ausgehsachen an. Sein T-Shirt spannte sich leicht über seiner Brust und er trug eine einfache Jeanshose dazu. Es war total unfair, dass er aussah wie Adonis und ich… na ja wie ich eben. Völlig durchschnittlich. „Gehen wir“, sagte ich schnell und wollte die Tür öffnen, aber sie war ja immer noch abgeschlossen. Ich nickte vorwuchsvoll zur Tür hin und Nathan zog einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und öffnete sie Tür. Wir gingen schweigend die vollen Gänge entlang und schlängelten uns um Krankenschwestern und Ärzte. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass hier so viel los war, da ich ja überhaupt keinen Krankenbesuch gehabt hatte. Meiner Mutter konnte man das nicht übel nehmen, sie arbeitete in einem Supermarkt fast Vollzeit seit mein Vater umgebracht worden war, kurz nach meiner Geburt. Ich hatte ihn nie gekannt und vermisste ihn deswegen nicht, aber meine Mutter ging oft auf den Friedhof und weinte sich abends in den Schlaf. Wir wohnten in einer kleinen Wohnung am Rand von Aberdeen, die gerade mal zwei Zimmer, eine Küche und ein Bad hatte. Auch wenn ich zweimal die Woche in einem Café jobbte reichte das Geld nicht für mehr. „Da lang“, sagte Nathan und riss mich aus meinen Gedanken. Ich nickte und wir steuerten den kleinen Außenpark an, der direkt an das Krankenhaus grenzte. „Wohnst du bei deinem Onkel“, fragte ich und versuchte ein Gespräch anzufangen, da ich mir ein bisschen blöd vorkam, weil wir wie zwei Stumme nebeneinander herliefen. „Ja, meine Eltern leben leider nicht mehr.“ „Das tut mir leid. Mein Dad ist auch gestorben, kurz nachdem ich geboren war.“ „Tut mir auch leid.“ Damit war unsere Konversation fürs erste beendet, ich wusste nicht was ich sagen konnte und er scheinbar auch nicht. Ich betrachtete den Park. Da wir Frühling hatten, fing alles an zu blühen. Ich entdeckte eine Bank direkt unter einer Trauerweide und lotste Nathan dort hin. Wir setzten uns und schwiegen. Wer hätte das gedacht? Ich überlegte gerade, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war mich hinzusetzen, als er anfing zu erzählen: „ Weißt du ich komme eigentlich aus Russland, aber als meine Eltern starben bin ich zu meinem Onkel gekommen, da war ich gerade mal erst 4 Jahre alt. Ich stamme von so einer uralten Familie ab, die alle so waren wie ich. Übernatürlich stark und… ja.“ Er stockte als hätte er schon zuviel gesagt.






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