So dunkel, wie die Sehnsucht

Autor: Lyra
veröffentlicht am: 25.02.2012


Hi, ich heiße Lyra und wohne in Taraz. Taraz ist eine Insel, die tief unter Wasser liegt. Vielleicht habt ihr schon einmal von Atlantis gehört? Taraz ist eine ihrer Tochterinseln. Die folgende Geschichte spielt sich in eurer Zukunft und meiner Vergangenheit ab. Es ist meine Geschichte und ich muss sie euch erzählen, weil ich mir über ein paar Dinge klar werden muss. Eine Warnung vorweg: Da ich schon so oft Zeitreisen unternommen habe, kann es vorkommen, dass ich Dinge als selbstverständliches Wissen voraussetze, von denen ihr noch nie im Leben gehört habt oder sogar Dinge bis ins kleinste Detail beschreibe, die ihr gut kennt. Gebt mir doch dann bitte einfach Feedback. Einverstanden? Ja? Dann lege ich jetzt los.

Es war einer dieser Morgende, wie man sie als Schüler viel zu oft hat. Man wacht todmüde auf, der Körper zwickt an allen möglichen Stellen und wenn man in den Spiegel schaut, dann stellt man auch noch fest, dass man Augenränder unter den Augen und einen fetten Pickel unübersehbar direkt auf der Nase hat. Man schmeißt sich eiskaltes Wasser ins Gesicht, weil man ja irgendwo gelesen hat, dass das gut in solchen Situationen ist. Hierauf schaut man wieder in den Spiegel und es sieht noch schlimmer, als vorher aus.
Also versuchte ich es mit Maske-Up. Daraufhin lächelte ich wieder mein Spiegelbild an und zurück grinste nur eine Angst erregende Fratze. Ich versucht noch einige der anderen sogenannten „Tricks“ aber nichts half.
Der Tag fing also schon großartig an. Es war mein letztes Schuljahr an der Weserschule und wenn ich ehrlich war, hatte ich eigentlich nie einen wirklich guten Schultag gehabt. Andere Mädchen schienen jeden Tag blendend auszusehen. Ich brauchte nur mein Spiegelbild anzulächeln und schon schien sich jegliche Schönheit aus dem Spiegel zu verflüchtigen. Schön ging anders. Meine beste Freundin Mira, zum Beispiel, hatte wunderschönes dunkelblondes Haar, leuchtend blaue Augen und ein umwerfendes Lächeln. Wenn sie einen Raum betrat, schien sich jeder darin nach ihr umzusehen.
Sie wartete an der Bushaltestelle und begrüßte mich mit einem Lächeln. Wir umarmten uns kurz und dann musterte sie mich prüfend. „Du hast dich ja schick gemacht! Der apricotfarbene Lippenstift steht dir! Aber ich dachte, den benutzen wir erst an Timos Geburtstagsparty! Oh, warte... ah, ich verstehe, du willst Eindruck bei dem neuen Mathelehrer schinden! Damit du auch einmal gute Noten bekommst...“ Ich ignorierte ihre Sticheleien. „Wir bekommen einen neuen Mathelehrer?“ Sie sah mich prüfend an. „Jetzt tu nicht so, als wüsstest du das nicht.“ Der ankommende Bus schonte mich vor einer Antwort, denn während der Fahrt war unsere Hauptbeschäftigung, wie jeden Morgen, aufzupassen, dass uns niemand zerquetschte. Der Bus war, wie immer, zum Platzen voll.
Unsere erste Stunde an diesem Tag war Mathe und ich war aufgeregt. Ich hatte nie Glück mit unseren Lehrern gehabt und ich hatte nie viel von Mathe verstanden. Als es klingelte, kam der wunderschönste Mann hinein, den ich jemals gesehen habe. Ich weiß nicht, ob man bei Männern wirklich von wunderschön reden darf.
Also, stell dir einmal den perfekten Mann vor und dann stellst du ihn dir noch besser aussehender vor. So gut aussehend, dass dir die Tränen in die Augen kommen, dein Herz wie verrückt anfängt zu schlagen, deine Hände anfangen zu schwitzen und du beinahe alles um dich herum vergisst. Du willst ihn berühren, aber du weißt, dass du das nicht darfst.
Mira stupste mich in die Seite und flüsterte mir zu: „Mach den Mund wieder zu! Was ist denn mit dir los?“ Und da bemerkte ich es: er hatte eine Narbe auf der einen Seite, die auf der Stirn anfing und einmal quer durch sein Auge ging und er hatte einen leichten Buckel. Komischerweise machte das ihn nicht weniger attraktiv. Im Gegenteil: es ließ mich mich noch mehr nach ihm verzehren. Ich hatte noch nie so intensiv für einen Mann empfunden. O.k., ich hatte da schon den einen oder anderen Jungen geküsst und es hatte zwischen ihnen und mir heftig gefunkt, aber damit war dieses Gefühl nicht zu vergleichen. Mira stieß mich wieder von der Seite an. „Lyra Vandenboeg! Träumen Sie?“ Ich schüttelte den Kopf und verfluchte den Sitzplan, der vorne auf dem Lehrerpult klebte. Er klebte dort seit der 10. Klasse, seit wir diesen Raum bekommen hatten. „Gut, dann können Sie mir ja meine Frage beantworten, oder?“ Myra schob mir ihr Heft unauffällig zu. „Wurzel 3“ stand dort dick unterstrichen und ich las es laut vor. Der Lehrer nickte und erklärte dann: „Ich denke, Sie schaffen die nächste Aufgabe auch ohne Ihre Freundin, oder? Aufgabe 3a) auf der Seite 15.“ Ich wurde noch röter, denn ich hatte einfach keine Ahnung, wie ich diese Aufgabe ausrechnen sollte. Mira versuchte mir die Antwort aufzuschreiben, aber er räusperte sich und meinte: „Frau Safran, bitte legen Sie Ihren Stift hin, ich denke Frau Vandenboeg wird das alleine hinbekommen.“ Mira antwortete: „Jaa, Herr Winter.“ Ich schüttelte den Kopf und meine Stimme war rau, als ich versuchte ihm zu erwidern, dass ich keine Ahnung hatte, wie man diese Aufgaben zu lösen habe. Es blieb bei einem Versuch, da ich über jedes zweite Wort stolperte. “Gut, dann werden Sie heute nachsitzen.“
In der Pause sah mich Mira mit einem merkwürdigen Blick von der Seite an. „Du bist nicht in Samuel Winter verliebt, oder?“ „Was?Wen?“ Ich stotterte schon wieder. „In den Mathelehrer. O.k., erzähl mir nicht, dass das nicht stimmt, denn ich sehe es in deinen Augen, Lyra. Pass auf, dass es sonst keiner merkt.“
Nach der Schule hätte ich beinahe das Nachsitzen vergessen. Nunja, extra vergessen. Ich wollte diesem Herrn Winter aus dem Weg gehen. Aber der stand vor der Tür und lächelte mich an, als ich mit den Anderen zum Bus rennen wollte und als ich versuchte ihn zu ignorieren, da hielt er mich am Handgelenk fest. „Sie bleiben, Frau Vandenboeg. Nachsitzen.“ Mira versuchte mit ihm zu verhandeln: „Nachsitzen für einmal nicht aufpassen in Ihrem Unterricht, Herr Winter? Das ist doch eine sehr harte Strafe, finden Sie nicht auch?“ „Frau Safran, Sie dürfen nach Hause gehen. Ich werde mit Ihrer Freundin nur ein paar Dinge nachholen. Setzen Sie sich doch bitte schon einmal in die erste Reihe, Frau Vandenboeg.“
Ich setzte mich, er schloss die Tür. Dann betrachtete er mich eine Weile. Setzte sich dicht neben mich. Ich kramte in meiner Tasche nach meinem Block und Stift. Plötzlich vernahm ich eine Stimme in meinem Kopf, die stark danach klang, als wäre es seine. Lyra, schau mich an. Ich erschrak. Räusperte mich. Tat so, als hätte ich nichts gehört. Versuchte ihn nicht anzusehen. „Ich muss spätestens um 16 Uhr zuhause sein und dann bekomme ich schon kein Mittagessen mehr, Herr Winter. Könnten Sie sich bitte beeilen?“ Ich hörte ihn leise lachen. Na gut, ignoriere mich, Geliebte. Mir blieb für einen Moment das Herz stecken.
Dann ging er um den Tisch herum zum Lehrerpult, holte einen Zettel aus seiner Tasche und gab ihn mir. Unsere Hände berührten sich und es war wie ein Stromstoß durch meinen Körper. Unsere Blicke trafen sich und ich konnte den Blickkontakt nicht abbrechen. Ich kann nicht lange hier bleiben. Unsere Lippen prallten aufeinander. Bitte komm mit. Wir ließen den Zettel fallen. Ich habe dich so lange gesucht. Unsere Hände wanderten. Und dann wurde mir für einen kleinen Moment klar, was ich hier tat und es fühlte sich an, als wäre ich ein Ertrinkender, der ein bisschen frische Luft geatmet hat und jetzt mit der Kraft der Verzweiflung versucht, mehr Luft zu bekommen. Ich schloss meine Augen und stieß ihn von mir.
Das Glücksgefühl wich einer tiefen lähmenden Sehnsucht. Er hob den Zettel auf und reichte ihn mir. Diesmal war ich darauf bedacht ihn nicht zu berühren. Dann ging er wieder zu seinem Pult.
Was war nur mit mir los? Was war mit ihm los? Was war das zwischen uns? Einerseits erschien er mir ein abweisender, viel zu strenger Lehrer zu sein und andererseits war da eine Tiefe, Weichheit und Wärme zwischen uns, die ich auskosten wollte. Seine Lippen war so weich und seine Küsse so wild...
„Sind Sie fertig?“ „Nein, ich habe noch nicht angefangen.“ „Das sollten Sie aber, Sie wollen doch pünktlich zuhause sein.“ Sein eiskalter Ton versetzte mir einen Stich. Hatte ich mir den Kuss nur ausgedacht? Natürlich! Ich betrachtete ihn. Er hätte mich bestimmt nicht geküsst, denn er wusste ja, dass er das nicht durfte und ich war bestimmt nicht sein Typ. Wie, um meine Gedanken zu bestätigen, zog er eine Augenbraue hoch. Ich blickte schnell wieder auf meinen Zettel. Versuchte die Aufgaben zu lösen.


Anmerkung, der Autorin: Diese Geschichte habe ich so geschrieben, dass sie nur durch Interaktion funktioniert. Deswegen wäre es toll, wenn ihr mir unten schreiben könntet, wie alt ihr denkt Samuel Winter ist. Natürlich ist er kein alter Knacker, wie man sich normale Lehrer so vorstellt. Was hat er für eine Haarfarbe? Augenfarbe? Welchem Star sieht er ähnlich?







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