The eyes of love are blind - Teil 6

Autor: josie
veröffentlicht am: 18.11.2011


So, hier kommt der nächste Teil. Er ist sogar etwas länger, als die letzten geworden :) Ich hoffe der Teil gefällt euch :)



Ich lief langsam nach Hause. Auch wenn ich es mir Laura gegenüber nicht anmerken ließ, ihr Kommentar war mir nahe gegangen. Ich war wütend. Wütend auf Leo, weil er es ihr erzählt hatte. Wütend auf Laura, weil sie meine Mutter in einem beiläufigen Nebensatz erwähnt hatte. Und wütend auf mich selber, weil ich wütend auf Leo war. Er sollte mir eigentlich egal sein. Ich sollte ihn eigentlich vergessen haben. Ich sollte eigentlich nicht mehr an ihn denken. Das hatte ich mir vor 4 Wochen vorgenommen. An dem Tag, als es passiert war. Als mein mühsam aufgebautes Herz wieder in sich zusammenbrach.
Doch das war nicht so einfach, wie es klang. Man kann jemanden nicht einfach so vergessen. Sämtliche Erinnerungen einfach löschen. Das geht nicht. Leider.
Man kann nur versuchen zu lernen, mit diesen Erinnerungen umzugehen. Sie in die hinterste Ecke des Gehirns verbannen und hoffen, dass sie sich nicht nach vorne drängen. Das geht eine bestimmte Zeit lang gut. Bis so eine Situation wie eben kommt. Mit einem Schlag ist alles wieder da. Man kann sich nicht dagegen wehren. Nichts tun. Nur warten. Warten und hoffen, dass die Erinnerungen sich nicht so lange Zeit lassen, wie beim letzten Mal. Dass sie sich bald wieder in ihrer Ecke verkriechen, bevor sie größeren Schaden anrichten können.
Aber noch sind sie da. Die Gedanken, die Gefühle…
Ich wurde plötzlich aus meinen Gedanken gerissen, als Lilly stehen blieb. Sie setzte sich hin und schien auf etwas zu warten. Ich war einen Moment verwirrt, dann hörte ich mich um und musste feststellen, dass ich nicht mehr weit von zu Hause entfernt war. Wir standen an einer Ampel an einer großen Kreuzung. Ich tätschelte lobend Lillys Kopf und wartete, bis sie los lief. Sie war darauf trainiert worden, binde durch den Straßenverkehr zu führen. Ohne sie wäre ich aufgeschmissen.
Sie erhob sich und lief los. Ich folgte ihr und wenige Augenblicke später standen wir vor unserer Haustür. Ich holte meinen Schlüsselbund aus der Tasche, ertastete den richtigen Schlüssel und schloss die Tür auf. Ich ließ Lilly von der Leine und blieb dann stehen und lauschte. Ich konnte nichts hören, was darauf schließen ließ, dass mein Vater zu Hause war. Ich atmete erleichtert auf. Ein Streit mit meinem Vater hätte mir jetzt noch gefehlt. Ich ging in mein Zimmer und setzte mich an meinen Schreibtisch. Da ich noch Hausaufgaben machen musste, fuhr ich meinen PC hoch. Ich war in der 13. Klasse, würde dieses Jahr also mein Abitur machen. Ich hatte damals meinen Vater glücklicherweise dazu überreden können, mich auf der „normalen“ Schule zu lassen. Mit einigen Änderungen und der Mitarbeit der Lehrer war dies auch durchaus möglich. Und ich wollte es nicht anders. Ich wollte nicht die Schule wechseln müssen, nur um „optimal gefördert“ werden zu können. Ich wollte so normal wie möglich bleiben und auch so behandelt werden.
Mein PC signalisierte mir, dass er hochgefahren war und ich tippte mein Passwort ein. Es war ein, extra für Sehbehinderte angefertigter Computer. Mit Hilfe einer sogenannten Braillezeile und einem Sprachmodus, konnte ich ohne Probleme Texte auf dem Bildschirm lesen und den PC bedienen. Eine hervorragende Erfindung, die das Leben eines blinden sehr viel lebenswerter macht.
Ich machte mich also daran, meine Hausaufgaben zu erledigen. Eine lästige aber notwendig Aufgabe, wenn man, wie ich, mal studieren möchte. Die Berufswahl eines blinden ist sehr eingeschränkt. Ist ja klar. Für die meisten Berufe braucht man einfach zwei funktionierende Augen. Aber nur deshalb wollte ich meinen Traumberuf nicht einfach kampflos aufgeben. In der heutigen Zeit, gibt es für blinde zwar mehr Möglichkeiten, als früher, aber alles entspricht nicht gerade meinen Interessen. Die meisten Berufe haben etwas mit technischen Dingen am Computer zu tun, weil da die Technik so ausgereift ist, dass blinde fast keinen Nachteil haben.
Aber ich wollte etwas mit Menschen zu tun haben. Nicht in einem Büro versauern, sondern direkt mit Menschen zusammenarbeiten. Am liebsten mit Kindern oder Jugendlichen. Und da kam mein Kindheitstraum, Lehrerin zu werden, gerade recht. Natürlich wird es schwer werden, keine Frage. Aber ich war überzeugt davon, dass ich es schaffen konnte.

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Ich betrat das Haus meiner Eltern. Ich wohnte nur noch am Wochenende hier. Dani und ich hatten zusammen eine Wohnung, nahe der Uni gemietet. Ich habe es zu Hause, bei meinem Vater einfach nicht mehr ausgehalten und hab deshalb die erste Möglichkeit, die sich mir bot zum Auszug genutzt. Für meine Mutter und Ben, meinen kleinen Bruder, tat es mir leid und ich vermisste ihre ständige Anwesenheit, aber es ist trotzdem besser so.
Ich legte Jacke und Schuhe ab und folgte meiner Nase in die Küche, aus der es wunderbar duftete. Meine Mutter stand am Herd und war in ihrem Element. Sie war einfach eine begnadetet Köchin. Das hatte sie von ihrer Mutter, also meiner Oma gelernt. Sie stammt aus Nordafrika. Auch meine Mutter ist dort geboren, aber in Deutschland aufgewachsen.
Ich gesellte mich zu ihr und beugte mich mit einem genießerischen Gesichtsausdruck über die dampfenden Töpfe. „Mhm, das riecht köstlich.“ „Ich weiß“, lachte sie. „Deckst du schon mal den Tisch?“
Ich war gerade dabei, das Besteck zu verteilen, als mein Vater eintrat. „Sieht man dich auch mal wieder?“
Ich verkniff mir eine Antwort, innerlich brodelte es aber gefährlich. Er setzte sich an seinen Platz, am Kopfende des Tisches. Ich setzte mich ebenfalls und vermied es meinen Vater anzusehen. Mum rief nach Ben und stellte dann die Töpfe auf den Tisch.
„Luke! Du bist ja da!“ Die freudige Stimme meines Bruders drang an mein Ohr. Ich drehte mich um und streckte die Arme nach ihm aus, in die er sich bereitwillig fallen ließ. Ich drückte ihn einmal innig, bevor er sich neben mich setzte. „Und? Habt ihr jetzt eine Sängerin gefunden?“, fragte er, während ich mir Berge von Nudeln auf meinen Teller häufte. Ich musste unwillkürlich lächeln als ich an Julia dachte. „Ja, haben wir.“ „Wirklich?“, meldete sich nun meine Mutter zu Wort. Ich nickte nur, denn mein Mund war voller Spaghetti. „Das ist ja toll.“ Ben klang begeistert. „Und wer ist sie? Kann sie singen? Passt sie zu euch?“
Ich musste schmunzeln. Ben war wohl der größte und treueste Fan, den „Gefühlsecht“ hatte. „Sie ist großartig. Sie hat eine wundervolle Stimme, die perfekt zu uns passt.“
„Na vielleicht habt ihr ja dann jetzt endlich mal Erfolg.“ Die Gehässigkeit, die bei den Worten meines Vaters mitschwang, war nicht zu überhören. Ich atmete einmal tief durch, um mich zu beruhigen. Er konnte es einfach nicht lassen. Ich wollte gerade etwas sagen, als ich dem Blick meiner Mutter begegnete, der mir sagte, dass ich ihr zuliebe ruhig sein sollte. Ich tat ihr den Gefallen.
„Ich mein, als Schülerband war das ja noch ganz Ok. Aber meinst du nicht, dass ihr langsam zu alt für so einen Kram seid?“
„Dieser „Kram“ macht mir zufälligerweise tierischen Spaß.“ Ich blickte nicht von meinem Teller auf, als ich das sagte. „Spaß. Soso. Wie dein Studium, oder? Du machst alles nur, weil es dir Spaß macht. Aber im Leben ist nun mal nicht alles spaßig. Um Erfolg zu haben muss man auch mal einstecken können.“ Seine Stimme war lauter geworden. Meine auch: „Wer sagt denn, dass ich Erfolg haben will?“
„Ach, wer will schon keinen Erfolg haben? Geld ist nun mal alles, mein Sohn. Das wirst du noch früh genug am eigenen Leib erfahren. Aber dann brauchst du gar nicht erst auf Knien angekrochen gekommen und mich um Geld bitten. Hättest du gleich auf mich gehört und wärst in meine Firma eingestiegen… Und hättest nicht diesen Schwachsinn von Kunst studiert…“
„Schwachsinn? Das ist kein Schwachsinn! Das ist das, was mir gefällt, das was ich kann und das, was ich werden will. Mir ist es scheiß egal, ob ich damit Erfolg habe, oder nicht. Denn für mich ist Geld eben nicht alles. Es gibt auch noch andere Dinge im Leben, die mir wichtig sind. Aber so etwas kennst du ja gar nicht. Du lebst ja praktisch schon in deinem Büro. Und wie es deiner Frau und deinen Kindern geht, ist dir doch scheiß egal. Dir geht es doch immer nur um dich. Dich und deine Firma.“ Ich war aufgesprungen und funkelte wütend in seine Richtung. Er stand nun auch auf, nicht weniger wütend. „Nun denn. Es gibt nichts weiter zu sagen.\" Seine Stimme klang kalt.
Ich sah ihn noch einmal mit einer Mischung aus Wut und Bedauern an, dann ging ich aus der Küche, stürmte die Treppen hoch, holte meinen Rucksack aus meinem Zimmer und sprintete wieder hinunter. „Luke, bitte bleib.“ Meine Mutter blickte mich verzweifelt an. Ich schloss sie in meine Arme. „Ach Mum. Ich bin doch nicht aus der Welt.“
„Bitte Lukas. Du weißt wie ich es hasse, wenn ihr euch streitet.“ „Ja, das weiß ich. Aber das musst du ihm sagen. Er versteht mich einfach nicht. Er will mich nicht verstehen. Es ist besser, wenn ich mich für eine Weile nicht mehr hier blicken lasse. Glaub mir, das ist das Beste.“
Ich sah in ihre blauen Augen, die das genaue Ebenbild von meinen waren. Dann drehte ich mich um, wuschelte Ben einmal durch seine wilde Lockenmähne und drückte ihn an mich. „Pass auf dich auf, mein Großer. Wir sehen uns bald wieder, versprochen.“ Er nickte schwach und sah dann zu Boden.
Schweren Herzens erhob ich mich und ging hinaus. Am Gartentor drehte ich mich noch einmal um, hob die Hand zum Gruß und verschwand in der Dunkelheit.

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Ich betrat unser Wohnzimmer. Zielsicher steuerte ich auf die hintere Wand zu, an der mein Klavier stand. Ich setzte mich auf den Hocker, klappte den Deckel hoch und legte meine Finger auf die Tasten. Ich genoss das Gefühl für einen Moment, dann begann ich langsam zu spielen. Keine bestimmte Melodie. Einfach das, was mir gerade in den Kopf kam. Ich vergaß alles um mich herum. Vertiefte mich ganz in diesen Klang. Dieser wunderbaren Musik…
„Musst du jetzt so einen Krach machen?“ Ich zuckte zusammen. Ich war so vertieft gewesen, dass ich meinen Vater nicht gehört hatte. Das passierte mir eigentlich nie.
Ich klappte den Deckel wieder zu und drehte mich langsam auf dem Hocker um.
„Wieso musst du auch immer die ganze Zeit Klavier spielen? Das bringt doch nichts.“
„Weil es mir Spaß macht“, murmelte ich leise vor mich hin. „Wie? Was sagst du?“
„Ach nichts. Ich muss noch mal los. Tschau Dad.“ Ich schlängelte mich an ihm vorbei und zog mir Jacke und Schuhe an. „Hey, und wer macht mein Abendessen?“
„Tja, da musst du dich wohl oder übel selber an den Herd stellen.“ Bevor er noch was sagen konnte pfiff ich nach Lilly, die sofort angerannt kam und ging hinaus. Es war kühl, selbst für Anfang November. Es würde mich nicht wundern, wenn bald der erste Schnee fallen würde. Mich störte das nicht. Im Gegenteil. Es gibt nichts schöneres als dieses knirschende Geräusch auf ganz frischem Schnee. Ich stelle mir dann immer alles ganz genau vor. Die weiße Schneelandschaft, das glitzern auf den Bäumen, meine einsamen Fußspuren…
Ich seufzte tief. Wie ich das alles vermisste. Ein gutes Gehör kann einfach nicht alles ersetzten.
Ich lief einige Zeit ziellos durch die Gegend, da kam mir eine Idee. Warum sollte ich mir durch meinen Vater das Klavierspielen verderben lassen? Wenn es zu Hause nicht geht, muss ich mir eben ein anderes suchen. Und da ist es doch praktisch, dass ich seit heute einer Band angehöre, die zufällig eins in ihrem Proberaum stehen hat.
Ich versuchte mich an den Weg zu erinnern und lief dann los. Zum Glück habe ich heute Morgen extra auf bestimmte Weg-Hinweise geachtet, sonst hätte ich den weg nicht gefunden. Aber so stand ich 15 min. später vor dem Eingang der Fabrikhalle. Es war still in dieser Gegend. Ich stellte mir eine abgelegene Wohnsiedlung vor, in der fast keiner wohnte, da die Häuser kurz vor dem Zerfall standen.
Vorsichtig betrat ich die Halle. Auch hier war es beängstigend still. Ich war froh, dass Lilly bei mir war. Rasch durchquerte ich die Halle und stieg die Treppe hinunter. Langsam tastete ich mich den Gang entlang, bis ich an der richtigen Tür angekommen war. Ich öffnete sie und betrat den Raum. Wie von selbst tastete meine linke Hand nach dem Lichtschalter. Obwohl ich ja kein Licht brauchte, war mir unwohl bei dem Gedanken, hier im Dunkeln zu sitzen.
Langsam begab ich mich in Richtung Klavier. Ich stolperte über Kabel und allerlei andere Dinge, stieß gegen diverse Boxen und Verstärker, dann ertasteten meine Finger den Hocker und ich ließ mich erleichtert auf ihn sinken. Hier muss eindeutig aufgeräumt werden. Das ist ja gemeingefährlich.
Ich machte das E-Piano an, stellte es ein und begann zu spielen. Wieder versank ich in meiner eigenen Welt, in der es nur mich und die Musik gab. Und wieder wurde ich gestört. Diesmal von einem Geräusch, nahe der Tür, das mich zusammenzucken ließ.





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