Die Gefährtin - Teil 4

Autor: Lilly
veröffentlicht am: 08.10.2011


Im Wagen war es erschreckend still während der ganze fahrt, selbst Shelly wusste nicht was sie sagen sollte. Doch da unterbrach Louis auf einmal diese betäubende Stille in dem sie etwas zögerlich fragte:“ Shell? Würde es dir vielleicht etwas ausmachen…, wenn du… heute Nacht… bei mir schlafen könntest? Ich weiß nicht warum, aber ich fühle mich gerade nicht sehr wohl.“
„Aber natürlich“, sagte sie freudig und da hatte sie, in ihren Augen, eine bemerkenswerte Idee:“ Wie wäre es, wenn wie auch noch ein paar der anderen einladen und eine echte Mädchen Pyjamaparty veranstalten würden? Kein Psychopath würde es wagen, soviele Frauen, mit frisch lackierten Fingernägel und aufgerollten Haaren, zu attackieren.“
Louis musste unweigerlich schmunzeln und sagte, wirklich erfreut über diesen Vorschlag:
„Das wäre eine fabelhafte Idee und ich könnte alle noch ein wenig besser kennenlernen.“
„Ja und ich könnte Sue endlich von unserem Insider erzählen, denn ich wette, sie lässt das nicht auf sich beruhen.“

Keine fünf Stunden später klingelte es an der Tür und Louis stürmte stolpernd hin.
„Mach langsam, bevor du dir noch etwas brichst.“
Meinte ihre Großmutter besorgt und nippte an ihrem noch dampfenden Kamillentee. Der gereizte Blick ihrer Enkelin lies sie verhalten aufblicken, bevor sie sich wieder ihrem Buch widmete.
Hastig öffnete sie die verschlossene Haustür und erblickte sieben vollbepackte Gäste, die aussahen, als würden sie wochenlang unterwegs sein.
„Kommt rein“, meinte Louis und trat beiseite. Laut stürmten sie das Haus und begrüßten Freundlich die alte Dame auf der Couch.
„Hallo“, sagte Louis Großmutter und blickte sich etwas besorgt um:“ Ich hoffe ich habe genug Verpflegen für euch alle, denn Louis konnte mir nicht sagen, wie viele denn kommen werden und ich muss ganz ehrlich sagen, mit sovielen habe ich jetzt nicht gerechnet.“
„Oh kein Problem Miss. Heathcliff“, sagte Shelly und wusch somit sofort ihre Besorgnis beiseite:“ Wie sie wissen sind wir eine hungrige Generation und nur glücklich, wenn unser Magen knurrt.“
Wie auf Kommando brachen alle in wildes Gelächter aus, auch Louis Großmutter, was sie dazu brachte, ihre Stirn kraus zu legen und alle etwas verständnislos mit etwas Abstand zu betrachten.
„Naja… das Telefon steht dort“, sagte ihre Großmutter und zeigte auf ein kleines Tischen neben dem Sofa:“ Und falls ihr eure Hungerkur unterbrechen wollt, die Nummer von Papa Jons hängt am Kühlschrank.“
Louis regungsloses Gesicht wurde nun von einem warmen Lächeln durchzogen und sie spürte das Gefühl von Liebe in sich aufsteigen. Sie glaubte es wäre fort, verschollen und verdrängt von dem Gefühl der Wut auf das, was Menschen anderen Menschen antun konnten. Was waren ihre Großeltern nur so großartig, so perfekt, so verständnisvoll und so voller Herzenswärme. Was gaben sie ihr nur schon alles in den wenigen Stunden, in denen sie bei ihnen war. Wie konnte sie nur eine Sekunde darüber nachdenken, wie es wäre nicht bei ihnen zu bleiben?
Ohne groß zu überlegen ging sie zu ihr hin und umarmte sie herzlich, bevor sie ihre Wange küsste und einfach nur flüsterte:“ Danke“, dann ging sie mit den anderen in ihr Zimmer. Etwas überrascht blieb ihre Großmutter zurück und ging zu ihrem Mann in die Küche.
Es dauerte nicht allzu lange, bis alle ihre Pyjamas anhatten, ihre Matratzen aufgeblasen waren und sich um das Bett postierten. Laut schwatzten sie durcheinander, machten Witze, dumme Sprüche und man gab sie wirklich alle Mühe, Louis abzulenken und es gelang ihnen recht gut.
Kate lackierte gerade ihre Zehnnägel in einem satten Rot, als sie auf einmal eine Frage stellte, die Louis wieder aus der Fassung brachte.
„So, jetzt sag einmal, hast du einen Freund bei dir zu Hause, oder können wir unsern Jungs freie Bahn lassen?“
Als sie keine Antwort bekam, blickte sie auf und fragte, etwas verloren klingend:“ Habe ich etwas falsches gesagt?“
Louis atmete schwer aus und betrachtete eindringlich ihre frisch glänzenden Nägel, als sie etwas zögerlich meinte:“ Nein, du kannst es ja nicht wissen.“
Jetzt wurden alle hellhörig und rutschten etwas näher. Ihr wurde just in diesem Augenblick bewusst, dass sie es erzählen musste. Etwas unsicher sah sie von ihren Füßen auf und erhob sich auf ihr Bett. Jetzt sah sie aus, wie ein richtiger Erzähler und vor ihr saßen ihre ergebenen Fans. Es viel ihr sichtlich schwer anzufangen und man ließ ihr die Zeit, die sie dazu brauchte. Schwerfällig begann sie ihre kleine, unscheinbare Geschichte zu erzählen:“ Ich hatte einen Freund, wir waren sogar verlobt. Er war für mich schon immer etwas besonderes, er war meine Welt, versteht ihr das?“
Alle sahen sie an, aber keiner nickte und so holte sie etwas mehr aus. Ihre Stimme klang erschöpft und es lag nicht an dem Tag, sondern daran, das ihre Gedanken müde waren, sich an ihn zu erinnern:“ Ich kenne ihn seit dem Kindergarten und schon damals fand ich ihn… wie soll ich es nennen… naja, er war mein Held, mein Beschützer. Wie verbrachten jede Sekunde zusammen, teilten jedes Geheimnis und nichts war in der Lage uns zu trennen.“
Kurz blickte sie auf ihre Hände, die sich unbewusst in ein Kissen gekrallt hatten und es nun fast zerrissen.
„Meine Mom sagte einmal, dass unsere Seelen eins wären. Sie war gerade auf so einem Esoterik - Trip und ich fand diese Aussage natürlich sowas von Romantisch, das ich da zum ersten mal begriff, das ich in ihn verliebt war. Ich war damals gerade erst zwölf.“
Die Gesichter ihrer Zuhörerinnen wurden weich und bei Sue sah sie sogar Anzeichen von Tränen der Rührung in den Augen.
„Es war am 19. August, an seinem Geburtstag, Nils wurde nach mir zwölf Jahre alt, als es sich… festigte“, sie konnte es nicht anders erklären.
„Ich stand einfach so da, unterhielt mich mit meiner besten Freundin… Sandra“, keinem entging, das dieser Name ihr nicht leicht über die Lippen kam, doch es unterbrach sie niemand:“ Als er hinter mir auftauchte, mich an der Schulter packte, umdrehte und mich einfach küsste“, ein warmes lächeln umspielte ihre Lippen und ein tonloser Seufzer durchzog sie, bevor sie weiter erzählte:“ Jahre später erzählte er mir, das er dies Tags zuvor in einem alten Film gesehen hatte und da er nicht wusste, wie er dies angehen sollte, ahmte er es einfach nach. Das unsere Nasen zusammenknallten und er einfach nicht küssen konnte, stand wohl nicht in seinem Drehbuch“, manche kicherten und selbst Louis musste schmunzeln. Erst jetzt viel ihr auf das Shelly ihre Hand hielt. Sie saß neben dem Bett auf dem Boden und hatte ihren Arm zu ihr gestreckt und jetzt hielten ihre Finger die ihre umschlossen, das Kissen lag reglos auf ihren Beinen.
„Ich dachte es würde für immer sein. Ich glaubte an ein Leben mit ihm, ich wollte mit ihm zusammen alt werden… Doch er sah dies wohl etwas anders“, ein bitteres Lachen durchzog sie für eine Sekunde:“ Wir verlobten uns an meinem 18. Geburtstag, es war nicht romantisch, als er um meine Hand anhielt. Wenn ich heute, mit etwas Abstand darüber nachdenke, war es eigentlich mehr wie ein Geschäft das abgeschlossen wurde, kühl und distanziert. Doch damals, da sah ich es nicht, ich erkannte die Anzeichen vom Ende nicht. Er tat nur das, was ich mir wünschte.“
Ein etwas längeres Schweigen lies die Nervosität steigen und alle waren erleichtert als sie endlich weiter erzählte:“ Es war der 12. Januar, diesen Jahres, ich ging durch die Stadt, ich brauchte noch ein Geschenk für den Geburtstag in vier Tagen von… von Sandra… Da sah ich die beiden. Sie saßen wie selbstverständlich in einem kleinen Kaffee. Ich wäre fast daran vorbei gelaufen, hätte mein Handy nicht geklingelt. Es war Nils“, wieder dieses bittere Lachen, doch diesmal schien es, als wäre sie den Tränen ganz nah.
„Ich blieb stehen und ging dran. Er sagte mir, dass er heute noch zu seinem Vater müsste, er wäre schon zu ihm unterwegs, es ginge ihm nicht gut. Sein Vater hat Krebs. Könnt ihr euch vorstellen, das man seinen totkranken Vater vorschiebt, um seine Freundin zu betrügen?“
Louis erwartete keine Antwort, es war auch keiner in der Lage etwas zu sagen.
„Ich war so besorgt, denn sein Vater liegt mir sehr am Herzen, doch Nils sagte mir, das er mit ihm reden wolle, alleine, wahrscheinlich ginge es um das Testament“, schwer atmete sie aus: „Ich sagte ihm, er solle ihn doch bitte von mir grüßen und das ich ihn liebe. Er sagte darauf nichts, nur ein Hecktisches Ja, was ich nicht bemerkte und er legte auf. Ich steckte das Telefon zurück in meine Tasche und blickte ganz zufällig durch das kleine Fenster des Kaffees. Er saß mit Sandra an einem kleinen Tisch in der hintersten Ecke. Sie hielten sich an den Händen und ich konnte mich nicht rühren… Mein Selbsterhaltungstrieb setzte aus, ich konnte nicht gehen, ich konnte nicht wegsehen“, Louis rieb sich etwas unbeholfen über ihren Mund, bevor sie weiter sprach, ihre Stimme war dünn und brach ab und zu:“ Ich sah… wie er ihre Hand küsste, wie sie ihn anhimmelte, er lächelte und dann war alles aus, als ich sah, wie er sie küsste, so wie er mich am Anfang geküsst hatte, bevor es zu Ende ging. Ich konnte es von seine Lippen lesen, als er zu ihr sagte: ich liebe dich!“
„Was hast du getan?“
Wollte Moll neugierig und zugleich traurig klingend wissen und sprach somit für alle. Louis Mund durchzog ein schiefes qualvolles Lächeln und sie meinte achselzuckend:“ Hm, es ist schon komisch… du malst dir manchmal solch ein Szenario aus, obwohl du glücklich in deiner Beziehung bist, nur um dich vor Eventualitäten vorzubereiten. In deiner Fantasie bist du stark und wütend, zerschmetterst alles und jeden. Doch in Wirklichkeit zieht es dir den Boden unter den Füßen weg. Du bist leer und hilflos... Ich bin nach einem Augenblick reingegangen und habe mich einfach nur vor ihren Tisch gestellt. Beide sahen mich so erschrocken an, als hätte ich sie bei einem Mord erwischt. Sandra entzog ihm ihre Hände und rutschte weg. Nils sprang auf und sagte nervös, dass ich das jetzt ja nicht falsch verstehen soll, es wäre alles ganz anders als es den Anschein hat. Ich habe ihn einfach nur angesehen, ich weiß gar nicht, ob ich irgendeine Regung im Gesicht hatte, ich weiß nur, das ich einmal nickte und dann sagte: Leb wohl. Ich drehte mich um und ging.“
„Wie? Du hast nichts getan?“
Wollte Kate überrascht wissen und ihr Entsetzen zauberte auf Louis Gesicht ein sehr zufriedenes Lächeln und sie erzählte weiter:“ Oh, nicht in diesem Moment. Ich musste mich sammeln und als ich dann zu Hause war, nahm ich seine ganzen Sachen, seine ganzen Kleider, seine heißgeliebte Playstation, die ganzen Spiele, unsere gemeinsam Fotos, seine Geschenke und alles was ich von ihr hatte, brachte es nach draußen in den Garten meiner Eltern. Ich legte alles auf einen Haufen und nahm den seltenen Scotch, der an seinem Geburtstag abgefüllt wurde und wohl in einigen Jahren wertvoll sein sollte, begoss alles damit und zündete es an. Ich setzte mich auf unsere Hollywoodschaukel, trank den Rest und sah mir das Feuer an. Man glaubt gar nicht, wie schnell die Verzweiflung in Wut umschlägt… und dann in Traurigkeit endet“, sie blieb für einige Sekunden ruhig, doch nicht lange:“ Er kam, als die Flammen gerade ihren Höhepunkt erreichten und als er sah, was ich getan hatte, begann er mich zu beschimpfen. Doch ich hörte nichts von dem was er sagte. Ich weiß nicht wie es über mich kam, aber ich holte aus und schlug ihn so fest, das ich seine Nase brach.“
Ein lauter zustimmender Jubel durchbrach die Stille und zum ersten Mal fühlte sie sich im Recht. Die ganzen Wochen über suchte sie die Schuld bei sich und das ihre Reaktion vielleicht übertrieben war, doch jetzt, mit etwas Abstand, hatte sie nur rational gehandelt und sie fühlte sich wie ein Sieger.
„Und du bist hier weil...?“
Wollte An wissen und Louis erklärte:“ Naja, zum ersten, weil ich meine Großeltern vermisst habe und zum zweiten, weil Nils mich wieder haben wollte und ich einfach weg musste, von seinen Anstalten mich zurückgewinnen zu wollen. Er hat sich einfach in den Kopf gesetzt, sein altes Leben wieder haben zu wollen und da es mit Sandra nicht so lief wie er sich das vorstellte, war ich auf einmal wieder aktuell. Ich dachte immer, er würde mich kennen und wissen, dass ich mich nicht wie Dreck behandeln lasse. Aber anscheinend habe ich mich in ihm genauso getäuscht, wie er sich in mir.“
„Naja, jetzt bist du ihn wenigstens los und er hat dir einen Grund gegeben hier her zu kommen. Und was hätte dir besseres passieren können“, meinte Shelly und schwang ihre Hände durch die Luft um zu signalisieren, das sie sich und ihre Mädels meinte:“ Wer weiß für was es gut war und welche Wege dir nun offen stehen.“
„Uh“, stöhnte Kate:“ Shell, du bist mal wieder zu theatralisch.“
„Na und… ich versuche ihr nur die positiven Dinge des Lebens zu offenbaren und das alles einen Sinn hat und nichts umsonst geschieht.“
„Oh jeh“, wieder stöhnte Kate und verdrehte entnervt ihre Augen:“ Und jetzt wirst du auch noch dramatisch.“
„Pha“, meinte Shelly nur und kümmerte sich wieder um ihre Kosmopoliten, als sie auf einmal rief:“ Hey, wer will mit mir diesen blöden Psychotest machen? Es geht um deine inneren Gaben. Die sagen hier, das jeder Mensch ein unerkanntes Talent besitzt.“
Sofort meldeten sich Sue und Annie, die aufgeregt die Fragen beantworteten und danach überredete Shelly Louis den Test zu machen. Bei ihr kam etwas ganz seltsames heraus, in ihrem Ergebnis stand:
>> Sie sind eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die ihren Weg noch finden muss. Ihr Talent wartet nur darauf endlich ausbrechen zu dürfen und es nagt schon langsam an der Oberfläche. Sie werden überrascht sein, welche Aufgaben das Leben für Sie noch bereit hält und mit welchem Eifer Sie diese erfüllen wollen. Öffnen Sie ihre Augen, sehen Sie hin und geben Sie ihrer Gabe die Möglichkeit sich zu entfalten, dann stehen ihnen alle Türen offen, die Sie zu ihrem Glück noch brauchen.<<
„Typisch“, rief Kate:“ Das ist doch immer solch ein wisch wasch, der eigentlich keine Richtige Antwort gibt, nur unschlüssiges bla, bla, bla.“
Louis stimmte ihr stumm zu, obwohl sie sich zu diesen Textzeilen irgendwie hingezogen fühlte. Sie nahm Shelly das Heft aus der Hand, legte sich in ihre Kissen und las die Zeilen immer und immer wieder, in der Hoffnung doch noch eine plausiblere Erklärung zu finden. Aber es geschah nichts und so legte sie es unbefriedigt beiseite.
„Also, wer von euch hat noch Lust auf die leckerste Pizza der Welt?“
Rief Steph und rieb sich hungrig ihren flachen Bauch. Sofort waren alle breit und schrieben ihre Bestellung auf einen kleinen Zettel, was ziemlich chaotisch wurde, weil keiner sich so recht entscheiden konnte.





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