Ein unbeschreibliches Gefühl - Teil 4

Autor: Christian Claus
veröffentlicht am: 12.09.2011


Einen Tag später bekam ich einen Anruf, dass Jenny wohlbehalten in Washington DC angekommen ist. Ich war beruhigt, denn man weiß ja von den vielen Flugzeug-Entführungen und –Abstürzen.

Ich konnte es selber nicht glauben, einen Tag war sie weg und ich musste schon mit meinem Liebeskummer kämpfen. Wie sollte es erst nach einem halben Jahr aussehen? Aber die Gewissheit, dass es ihr dort gut gehen wird, besänftigte meinen Kummer und ich freute mich schon auf die erste Mail heute Abend, denn soweit ich weiß, haben ihre Gasteltern einen Computer mit Internetanschluss. Und gerade, als ich abends ins Internet ging, schoss mir auch schon die erste neue Nachricht in meinen Posteingang.

„Hey mein Schatz, is ja echt voll toll hier. Gleich nach meiner Ankunft wurde ich herzlich von meinen Gasteltern begrüßt. Die sind richtig lieb zu mir und sind anscheinend auch voll locker drauf. Und…sie haben mir die Angst genommen, in einem anderen Land zu leben. Außerdem konnte ich hier schon mein Schul-Englisch richtig gut anwenden. Das viele Lernen im Englisch-Unterricht hat sich wirklich ausgezahlt und ich kann hier gut mit den anderen kommunizieren. Zudem habe ich ein kleines Gast-Geschwisterchen. Voll süß die Kleine, ist erst zehn Jahre alt. Morgen is ne Stadtbesichtigung dran. Boah bin ich aufgeregt. Die Hauptstadt der USA und ich mittendrin, das kann ja was werden! Ich lass mal wieder was von mir hören, mein Schatz, hab dich megadoll lieb, bis denne! Deine Jenny!“

Die Wochen vergingen. Jenny hatte es in ihrem damaligen Leben an der alten Schule nie richtig gut, doch jetzt wo sie in den Staaten ist und ich jede ihrer Emails lese, bin ich mir sicher dass sie sich wohlfühlt und das Leben von damals vergessen kann. Apropos vergessen, ja das kann ich sie einfach nicht. Die anfängliche Sehnsucht hat sich gewandelt in gewaltigen Liebeskummer. Das ständige Telefonieren und chatten war nur ein kleiner Trost, denn ich wollte sie bei mir haben und das geht nun mal nicht, wenn man 6000 Kilometer voneinander entfernt ist…

Kurze Zeit später in der Schule…

„Hey Chris, was ist denn bloß los mit dir? Du schaust immer so deprimiert aus…“ meinte mein Banknachbar zu mir. „Jennifer.“ entgegnete ich ihm lediglich. „Man wird echt Zeit dass du mal ein bisschen andere Luft schnupperst. Komm doch am Wochenende einfach mit uns mit. Es ist schließlich Männertag, ein Grund zum Feiern oder?“ versuchte mich Andreas wieder aufzumuntern. „Wohl eher ein Grund zum Saufen.“ „Ja das auch, man, lass wieder Freude in dein Leben einkehren.“ Und irgendwie hatte er ja Recht. Ich musste mal wieder raus, schließlich habe ich mich in den letzten Wochen ständig in mein Zimmer verbarrikadiert und auf neue Mails oder Anrufe von Jenny gewartet.

Am Samstag war es dann soweit. Unsere Truppe traf sich am Bahnhof um Bier und Chips zu holen. Zuerst dachte ich, es wird eine kleine Party zu dritt, doch Andreas hatte noch fünf weitere Kumpels und Freundinnen eingeladen.

„Du bist also Christian, bist ja echt ne Sahneschnitte. Kann lustig werden.“ meinte Stefanie, die Kumpeline von Andreas. Wir nahmen unsere sogenannte Verpflegung mit in den Stadtpark und die ersten Bierdeckel sprangen. „Das ist mein bester Kumpel Christian, meine Süßen. Er macht gerade ´ne Depri-Phase durch, weil seine Beste in den Staaten ist.“ berichtete Andreas zu den anderen. „Ach, Christian, Kopf hoch, man kann sich doch auch anderweitig amüsieren.“ meinte Stefanie und setzte sich neben mich. „Jetzt wo deine Olle weit weg ist, kannst du dich auch mit mir amüsieren.“ sagte sie und überwältigte mich mit einem Kuss. „Du bist echt heiß, Christian, weißt du das?“ „Nein, ich kann nicht, tut mir leid, das geht einfach nicht.“ sagte ich mit Überzeugung, nahm mein angefangenes Bier und rannte in die heimische Richtung.

„Christian, was ist denn los? Ich dachte du ziehst mit deinen Kumpels durch die Straßen…“ sagte mein Vater, als er zuhause die Tür öffnete. „Ich bekomme Jenny einfach nicht aus meinem Kopf. Ich kann ja nicht mal mehr Spaß haben mit irgendwem. Ständig sind meine Gedanken bei ihr, wie ein roter Faden der sich durch mein Gehirn schlängelt. Ich muss sie besuchen gehen, und das recht bald…

Gesagt, getan, wenige Monate später, es war Frühjahr 2000, packte ich meine sieben Sachen und flog in die USA. Es war mein erster Flug, etwas schummrig war mir dabei schon. Bei jedem Schlenker packte mich die Angst und ich war froh, als wir im Flughafen von Washington DC landeten. Neben mir saß eine amerikanische Frau, mit der ich mich mit meinem gebrochenen Schul-Englisch unterhielt. Ob sie was verstanden hat, das frage ich mich heute noch. Als ich durch die Kontrolle durch war, rannte ein wunderschönes Mädchen auf mich zu. Keine Frage, das war meine tolle Jenny und als wir uns umarmten schienen die Monate, in denen wir uns nicht sahen, vergessen. „Jenny, endlich, ich fühle mich so glücklich dich wieder zu sehen, du weißt gar nicht wie sehr…“ „Ja Chris, ich weiß, mir geht es doch genauso.“ „Ich würde jetzt echt gern mit dir…“ sagte ich spontan zu ihr. „Ich auch, Schatz, komm ich zeig dir erst mal meine Gastfamilie…“

Ich ging mit Jenny zur Gepäckausgabe und da kam er schon, mein Koffer. „Mein Englisch hat sich in den letzten Monaten hier weitaus verbessert.“ meinte Jenny, als wir durch den Ausgang des riesigen Flughafens gingen. „Es ist noch besser geworden, geht das überhaupt?“ schmunzelte ich und da kam der Wagen der Gastfamilie schon, ein silberner Mercedes. Arm sind die bestimmt nicht, dachte ich nur. Ich stieg also mit Jenny ein. „Hey Christian, you must be the boyfriend of Jennifer. Nice to meet you!“
Okay, das verstand ich noch. “Yes, it´s good to see you.“

Bis wir am Rande der Stadt waren, dort wo Jenny jetzt lebt, unterhielten sich die Gasteltern nur mit Jenny und ich muss zugeben, ich habe kein einziges Wort verstanden. Vielleicht bessert sich das noch, wenn ich erst mal drei Wochen hier bin. Als wir ankamen, zeigte mir Jenny zuerst ihr Zimmer. Wir schmissen uns auf ihr Bett und ich setzte an, sie zu küssen. „Auch das habe ich vermisst, mein Engel.“ „Chris, ich…ich muss dir was sagen.“ „Klar, mir kannst du alles sagen, was ist denn los?“ „Ich…also als du weg warst, da habe ich…einen anderen Jungen kennen gelernt.“ sagte mir Jenny mit einem nervösen Unterton. „Ist doch okay, mein Schatz, du solltest hier ja auch viele Kontakte knüpfen…“ „Ich hab mit ihm geschlafen.“ „In diesem Augenblick war ich mir nicht sicher ob ich träumte oder nicht. „Du hast…ich fass es einfach nicht. Jede Minute musste ich in Deutschland an dich denken, jede beschissene Minute! Und jetzt…wegen dir hatte ich sogar ein verführerisches Angebot einer Kumpeline abgelehnt, weil einzig du allein in meinem Kopf warst. Und jetzt betrügst du mich mit einem amerikanischen Jungen? Jenny ich hau ab, wünsch dir noch ein schönes Leben hier!“ „Schatz, bitte…ich muss dir noch etwas beichten.“ „Kann es noch schlimmer werden? Ich glaube kaum, tschüss.“ Ich sprang auf und packte meinen Koffer, als Jenny mich an der Seite berührte und noch etwas sagen wollte. „Chris,..Schatz…ich hab mich mit dem HIV-Virus angesteckt, als ich mit Dennis geschlafen habe.“ „Was???“
„Chris…ich habe Aids…“





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