Zeiten ändern sich. Momente vergehen. Erinnerungen bleiben. - Teil 24

Autor: Mina
veröffentlicht am: 05.06.2012


Ich saß mit Brad und Joe am Tisch und versuchte mit ihnen den verpatzten Stoff nachzuholen. Die Lehrer hatten mich in der letzten Wochen öfter darauf angesprochen, dass ich vielleicht überlegen sollte die Klasse zu wiederholen, allerdings kam das für mich überhaupt nicht in Frage. Ich hatte das erste Halbjahr – vor dem Unfall – super Noten gehabt, außerdem waren es nur noch ein paar Wochen bis zu den Ferien und ich wollte dieses Schuljahr einfach nur noch hinter mich bringen und es nicht auch noch wiederholen.
Da keiner ernsthaft versuchte mir das auszureden und ich versprach die Ferien über den Stoff nachzuholen, hatte ich relativ gute Chancen.
Brad versuchte gerade mir irgendwas in Mathe zu erklären. Ich gebe zu Mathe ist nicht gerade mein Lieblingsfach, doch ich tat mein bestes es zu verstehen.
Ich hab schon immer mehr Spaß an Sprachen gehabt, denn ich habe einen Traum. Ich will um die Welt reisen. Das wollte ich schon immer. Ich will was erleben, die verschiedenen Kulturen erforschen und neue Eindrücke gewinnen.
Bisher hatte ich davon jedoch nur Mom erzählt..
Ich hatte Angst gehabt, das sie es nicht gut finden würde, das sie mich nicht unterstützte. Doch die Angst war völlig unbegründet gewesen. Sie hatte die Idee toll gefunden und wollte sogar das ich es mache, wenn ich es wirklich wollte,
und DAS wollte ich WIRKLICH.
Ich hatte die verschiedensten Sprachkurse belegt, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und natürlich Englisch.
Damit würde ich wohl ganz gut rum kommen.
Ich wusste das die meisten Mädchen in meinem Alter nicht so große Pläne hatten, doch ich wollte es unbedingt durchziehen, ich wusste nicht genau warum, ich könnte auch wie jeder andere amerikanische Teenagern einfach auf ein gutes College gehen und später ein Beruf ausüben, doch dies kam mir so typisch, so langweilig vor.
Ich wollte es machen um mich später an mein eigenes Abenteuer erinnern zu können, oder aber um mich an meinen Traum zu erinnern den ich nur meiner Mom erzählt hatte .
Vielleicht aber auch einfach nur um Abstand zu gewinnen, um herauszufinden, wer ich war.
Neuen Leuten zu begegnen, die mich nicht mit dieser Mischung aus Mitleid und Trauer anschauten. Um auf eine andere Art neu zu beginnen.
Es gab tausend gründe es zu machen, doch einer Sprach dagegen.

Troy.

Ich hatte oft darüber nachgedacht es ihm zu erzählen, ihn zu fragen ob er mitkommen wollte. Doch ich war mir nicht sicher. Ich konnte Rachel das nicht antun, ihren großen Bruder für so lange Zeit von ihr fern zu halten, außerdem wollte er aufs College hier in der Nähe.
Er hatte andere Pläne.
Das war meine große Angst, der Gedanke der mich die ganze letzte Woche immer wieder aufs neue beschäftigt hatte.
Was würden wir tun wenn ich für längere Zeit weggehen würde und er hier sein Leben fortsetzt
-ohne mich –
wir würden uns nicht sehen, würden wir uns auseinander leben ?
Konnte das passieren, oder würde ich ihn so sehr vermissen das ich nach einer Woche wieder umdrehen wollte um in seine Arme zu fliehen ?
Ich hatte einen Konflikt mit mir selbst.
Wollte ich meinen Traum verwirklichen, wovon ich schon so lange träumte und ich glaubte das es mir wieder ein bisschen mehr Leben schenkte, ein bisschen mehr von mir selbst.
Oder wollte ich hier bleiben bei den Jungen den ich so sehr liebte, mit ihm aufs College gehen,
in eine glückliche Zukunft ?

„ Grace ?! Hörst du mir überhaupt zu ?“
Ich war mit meinen Gedanken völlig abgeschweift, jedoch holten Brads Worte mich wieder zurück in die Gegenwart.
„Ähm.. ja, was ?“
Er verdrehte die Augen und fragte: „ Was ist los Gracy ?“
„ Ach nichts.“ Ich wusste er glaubte mir nicht, doch er fragte auch nicht weiter nach.
Ich lächelte schwach als Entschuldigung, und er fing nochmal von vorne an.

Nachdem wir den ganzen Sonntag gelernt hatten, kam Sally abends noch zu uns.
Wir aßen alle zusammen mit Jenna und Daniel.
Wir “Kinder“ wie Jenna uns gerne nannte hatten Abwaschdienst, den wir auch erledigten. Während Joe und Brad den Tisch abräumten machten Sally und ich schon mal das Spülwasser fertig.
„ Wie geht’s dir Grace ?“
Ich lächelte sie an: „ Gut und wie geht’s dir ?“
„Mir könnte es zur Zeit nicht besser gehen, Brad ist wirklich toll.“
Sie lächelte mich verträumt an, was ich nur allzu gut verstehen konnte.
„ Weißt du wir schauen schon mal nach Colleges, es wäre ja eigentlich ganz schön wenn wir zusammen eins besuchen könnten, doch dies ist gar nicht so einfach..Wir sind in der Hinsicht so verschieden.“
Sie sagte es als sei es etwas schlimmes.
Ich lachte und antwortete: „ Überleg doch mal, vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht, wenn ihr auf verschiedene Colleges geht. Du machst das was du liebst und er macht das was er liebt und ihr habt dann die ganzen Wochenenden und Ferien ! Außerdem ist es ja nicht so, dass die Colleges sich an zwei verschiedenen Weltenden befinden, oder ?“
Ich hoffte nur, dass sie nicht meinen etwas zu traurigen Ton mitbekam.
Sie seufzte und nickte: „ Da hast du wohl recht, doch möchtest du nicht auch mit Troy zusammen sein ? Wo ist der eigentlich ?“
Sie zog leicht die Augenbrauen hoch, jedoch mit einem Lächeln im Gesicht.
„ Der ist mit seinen Freunden unterwegs - Freundinnen nicht gestattet..Ja schon, ach ich weiß nicht.“
Sally musste mir meine Verzweiflung ein wenig ansehen. Ich fragte mich ob es so offensichtlich war..
Sie sagte : „ Ach süße, komm her.“
Sie zog mich in ihre Arme,
„ Ich weiß, da ist alles nicht so leicht.“
Ich nickte nur, wir standen noch eine Weile so da, bis wir uns lösten. Ich lächelte sie an zum Zeichen das es mir gut ging. Diese ständige Besorgnis um mich war ich längst gewohnt.
Dann kamen Joe und Brad endlich mit dem dreckigen Geschirr. Sie verzogen das Gesicht als sie sahen das wir nichts machten und Joe sagte: „ Wir hätten nichts dagegen Hilfe zu bekommen. „
„Ach, stellt euch nicht so an, wir waschen ja schon ab.“ Ich grinste ihn breit an, bevor ich mich an die Arbeit machte.
Brad nahm Sally in den Arm während sie began die ersten Teller abzutrocknen. Sie lachte als er ihren Hals küsste und ihr etwas ins Ohr flüsterte.
Die beiden waren glücklich.
Wir ließen den Abend gemütlich ausklingen.


„Grace ! wir kommen wieder zu spät !“
Joe und Brad warteten mal wieder ungeduldig im Flur auf mich. Ich reif noch ein schnelles
„Ciao“
zu Jenna, dann sprintete ich an Brad und Joe vorbei nach draußen. Die beiden folgten mir dicht, während ich die kühle Sommerluft einatmete.
Es war wunderschön draußen und ich freute mich schon auf die Ferien.
Ich wollte mich später noch mit Troy treffen. Ich hatte mir vorgenommen, mit ihm über die ‘Zukunft ‘ zu reden, allein bei dem Gedanken wurde mir ein wenig übel.
Als wir endlich in der Schule waren, musste ich natürlich direkt Abigail in die Arme laufen.
Ich behandelte sie wie Luft, trotzdem fiel mir ihr Blick auf, doch ich würde mich nicht mehr provozieren lassen. Sie sollte wissen das ich mit ihr fertig war.
Ich strengte mich besonders an, damit die Lehrer mein Arrangement sahen. Ich wollte alles tun um die Klasse nicht wiederholen zu müssen. Und wenn dies der einzige Ausweg war, so musste ich ihn nehmen.
Die stunden zogen sich wie Kaugummi in die Länge und als es endlich zu Schulschluss läutete hatte ich das Gefühl den ganzen Tag hier verbracht zu haben.
Manchmal kam mir die Schule wie ein Ersatz für eine ‘Nervenklinik‘ vor.
Joe und Brad hatten nach der Schule noch Rugby Training. Ich verabschiedete mich bei Sally, die ebenfalls noch Cheerleader Training hatte.

An meiner alten Schule hatte ich dieses Cheerleader- ding zu Anfang auch mal versucht, doch schnell stellte sich heraus das das nicht meine Welt war.
Da es fast alle Mädchen machten, blieben nicht mehr viele Mädchen übrig mit denen man die Pausen verbringen konnte, doch unter den übrig gebliebenen befand sich Faye.
Wir teilten unser Pausenbrot miteinander, da wir beide die verschiedenen Kreationen unsere Mütter probieren wollten, und schnell stand fest das man uns beide nur im doppelpack bekam.

Ich vermisste sie sehr.

Als ich endlich vor dem Haus stand, kramte ich nach dem Schlüssel in meiner Tasche. Ich wollte mich noch schnell frisch machen und etwas essen bevor ich zu Troy ging.
Unser Briefkasten war mal wieder bis oben hin vollgestopft, da in den letzten Tagen keiner die Post reingeholt hatte.
Als ich den Schlüssel endlich fand öffnete ich die Tür und leerte gleich den Briefkasten. Auf dem Weg zur Küche schaute ich den stapel mit der Post durch, das meiste war Werbung, ein paar Briefe für Jenna und Daniel - Versicherungen, und den anderen üblichen kram- doch unter dem ganzen Haufen befand sich ein Brief, der an mich adressiert war. Ich legte die Post bis auf den Brief auf den Küchentisch.
Ich stellte meine Tasche ab und schaute mir den Brief genauer an. Meine Adresse wurde per Handschrift drauf geschrieben, und es gab keinen Absender.
Ich setzte mich auf einen Stuhl und machte den Brief auf.

Als ich den ersten Satz las, kullerten direkt die ersten tränen von meiner Wange auf den Brief und verwischten die Tinte.

Warum ?
Warum jetzt ?






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