Zeiten ändern sich. Momente vergehen. Erinnerungen bleiben. - Teil 4

Autor: Mina
veröffentlicht am: 04.09.2011


4.- Ich war seit ein paar Tagen bei Jenna und den anderen. Die Jungs hatten es sich zur Aufgabe gemacht mich jeden Tag mindestens einmal lächeln zu sehen, was mir ganz gut tat. Da ich mich auf die neue Schule vorbereitete, die Montag für mich losging. Außerdem hatte ich die letzten Tage damit zu tun eine Rede zu schreiben, die ich auf der Beerdigung meiner Familie vorlesen wollte. Ich wollte es gerne machen, Daniel hatte gesagt:“ Wir verstehen es alle wenn du es nicht schaffst, du musst es nur machen, wenn du es auch möchtest.“ Er hatte gelächelt, und ich hatte versucht ihm auch ein Lächeln zu schenken doch es hatte nicht geklappt. Ich sagte stattdessen nur: „Es ist wirklich okay, es ist … mein ganz persönlicher Abschied.“
Ich starrte mein Spiegelbild an.
Da war ich.
Meine langen braunen Locken vielen mir über meine Schultern. Mein Gesicht war ausdruckslos. Unter den Augen hatte ich tiefe Augenringe, da ich seit dem Unfall schlecht schlief. Ich hatte versucht sie mit ein wenig Make-up zu überdecken, doch es half nichts. Mein Körper war ziemlich schmal gebaut, ich war nicht sehr groß aber auch nicht zu klein für mein Alter. Mein Gewicht ließ allerdings zu wünschen übrig, da ich seit dem Unfall kaum Nahrung zu mir genommen hatte und man mich quasi zum Essen zwingen musste. Das sah man mir heute besonders an, da das schwarze Kleid das ich trug schlaff an mir herunter hing. Ich zupfte ein wenig an dem Kleid herum, so dass ich meine wenigen Kurven etwas mehr betonen konnte.
Alle machten sich Sorgen, ich wurde zu einer Psychologin geschickt, die mir helfen sollte das Geschehene zu verarbeiten, doch ich weigerte mich zu diesen Treffen zu gehen. Ich meine, was mach ich denn schon da, als den Alptraum, der mich seit Wochen verfolgt wieder und wieder zu erzählen. Das die Psychologin eine Frau ist die sich mit sowas ‚ auskennt‘ bezweifle ich jedoch stark, sie hört sich pausenlos die Probleme von anderen Leuten an lächelt ein bisschen und nickt einem manchmal aufmunternd zu, das man weiter erzählen soll. Doch sie hat keine Ahnung wie man sich in so einer Situation verhält oder was in den Köpfen der Leute vorgeht, weil sie das alles nur studiert hat aber ich denke kaum das die dort auch Praxis- Arbeit anbieten. Sie hilft einen auch nicht wirklich weiter und ich bin davon überzeugt das man genauso gut mit einem Baum reden könnte, da er ungefähr das gleiche tut.
Da ich mich allerdings weigerte dahin zu gehen, hatte ich eine kleine Diskussion mit Jenna geführt: „Nein, ich werde da nicht noch einmal hingehen!“ „Ohh doch, das wirst du Grace, versteh doch sie wird dir helfen.“ „Das bezweifle ich jedoch stark, weil die Frau keine Ahnung hat !“, ich knallte meine Zimmertür lautstark hinter mir zu, und damit war das Gespräch beendet.
Ich war Jenna wirklich, wirklich dankbar .Ich meine mein Zimmer war großartig. Zum größten Teil standen meine Alten Möbel in meinem neuen Zimmer. Ich hatte das alte Arbeitszimmer von Daniel bekommen, der für mich in den Keller umgezogen war. Es war nicht klein, aber auch nicht über groß. Mein Bett stand mit meinen Regalen an der einen und mein Kleiderschrank und der Eckschreibtisch an der anderen Wand. Wenn ich mein Zimmer betrat, hatte ich ein großes Fenster direkt gegenüber das von Lila-weißen Vorhängen umrandet wurde. Der Boden war mit hellen Laminat ausgelegt, und überall im Zimmer war eine Kombi aus meinen alten-und neuen Sachen. Über meinem Bett hingen Fotos. Ein Foto wo ich mit Joe und Brad um die Wette strahlte, das wurde im letzten Sommer gemacht, ebenso wie das Familienfoto von Liam, Mama, Papa und mir. Und dann hang da noch ein Foto wo wir alle drauf waren, Jenna & Daniel, Mama & Papa, Joe & Brad, Liam & ich. Das war mein Lieblingsfoto, auf dem Foto war eine große glückliche Familie zu sehen. Genau das was ich mir so sehr wünschte, wieder diese große glückliche Familie zu haben.
Doch das absolute Highlight war, ein Schminktisch mit einem großen ovalen Spiegel, in der Schublade lag alles was ich brauchte, doch das was mich am meisten berührte war das Foto das auf dem Tisch stand. Ein Foto, es war ein halbes Jahr alt, zeigte mich und meine Mutter wie ich sie stolz anschaute und sie ihr bestes lächeln in die Kamera lächelte. Man sah die Ähnlichkeit, es war nicht zu leugnen, dass ich ihre Tochter war, ich habe die gleichen braunen Locken wie sie sie hatte und die schokoladen braunen Augen, viele sagten auch ich hätte das Gleiche lächeln wie sie es hatte.
Ich wollte immer so wie sie sein.
Ich erinnere mich noch genau an den Tag als das Foto gemacht wurde, wir saßen draußen in unserem Garten, das Wetter war fantastisch, wir alberten herum. Irgendwann nahm Liam die Kamera und machte einfach Fotos, dieses war eines davon.
Auf meinem Schreibtisch stand noch eins von Liam und mir, ich war immer so stolz auf ihn gewesen und das war die Eigenschaft dieses Fotos. Mein Vater hatte es gemacht, das war in den Herbstferien, im Hintergrund brannte der Kamin und Liam hatte sich mal wieder ein Spaß daraus gemacht mich zu ärgern, ich war ihm nicht böse oder so,
eigentlich war ich ihm nie böse. Das war meine ganz persönliche schwäche gewesen!
Ich hatte einfach mitgemacht und in dem Moment wo mein Vater uns rief, um das Foto zu machen schaute Liam mit einem breiten Grinsen zu ihm rauf in die Kamera und ich hatte ihm in die Seite gekniffen und dabei mein Mund zu einem zucker- süßen lächeln verzogen.
Ich hätte ihn so gerne aufwachsen gesehen…
Ich starrte das Foto auf meinem Schreibtisch an, bis ich mich wieder meinem Spiegelbild zuwandte. Mir rollte eine einzelne Träne die Wange runter,
denn heute war die Beerdigung.






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