Untitled

Autor: Zoey
veröffentlicht am: 22.08.2011


EINS



Sein Gesicht zierte eine feine durchscheinende Narbe. Seine hohen Wangenknochen, das markante Kinn und die vollen hell rosa Lippen bewirkten, dass jeder, der vorbei lief, ihn anstarrte. Die braunen zerzausten Haare und die feinen Augenbrauen gaben ihm das gewisse Etwas. Und doch waren seine Augen das Auffälligste an ihm. Die Wimpern wirkten fast schon fehl am Platz, weil sie so lang waren. Seine Iris. Sattes blau mit dunklen gesprenkelten Punkten. Auf den zweiten Blick jedoch schien es als ob sich ihre Farbe verändert hätten. Das türkise Glitzern rief etwas in mir wach.
Als meine Augen weiter nach unten wanderten, bemerkte ich seinen breiten Hals. Die Schultern und Arme muskelgestählt. Die Finger lang und kräftig. Ich glaubte selbst durch das T-Shirt seinen Six-Pack sehen zu können. Seine Beine nicht zu lang aber auch nicht zu kurz. Schwarze Jeanshose, rote Lacoste-Leinen. An seinem grauen ausgeschnittenen T-Shirt baumelte eine schwarze Sonnenbrille. Marke Ray Ban. An seiner rechten Schulter entdeckte ich eine Schlaufe, die zu einem blauen Rucksack gehörte. Aus dem offenen Reißverschluss schaute ein orange getigertes Kätzchen heraus, das mich ansah und im nächsten Moment vor meinen Füßen gelandet war um mir jetzt um die Beine zu streifen. Ich bückte mich, jedoch zu schnell, denn das kleine Wollknäuel brachte erst mal zwei Meter Abstand zwischen uns. Ich hielt meine ausgestreckte Hand hin und langsam näherte das Kätzchen mir wieder. Es rieb seinen Kopf an meine Hand und ich musste unwillkürlich lächeln. Ich packte und hievte es hoch auf meinen Arm.
Später erfuhr ich dass das orange getigerte Kätzchen Becca hieß. In dem Moment hatte ich es jedoch Flora getauft. Und wie ich später herausfand, hörte sie auch auf diesen Namen.
Seine Finger schoben sich unter meine und hoben die Katze sanft wieder zurück in den Rucksack. Dann streckte er mir seine schmale Hand entgegen. Ich ergriff sie und bemerkte die angenehme Wärme, die von ihm ausging.
“Philipp”, stellte er sich vor. Seine Stimme klang warm und freundlich.
“Arianna” Er musterte mich, so wie ich ihn vorhin gemustert hatte.


Dunkelblonde wellige Mähne, die im Moment jedoch eher zu hellrot tendierten. Schwarze dünne Augenbrauen. Die hohe Stirn passte perfekt zu den satten braunen Teddybär-augen. Stupsnase und hohe Wangenknochen. Die Lippen, voll und rot. Kleines Kinn, dünner Schwanenhals. Gebräunte Schultern lugten unter dem weißen Top und der blauen Sweat-jacke hervor. Die Wespentaille fiel besonders durch den darum geschlungenen Gürtel auf. Schmale Hüfte und perfekt geformte Beine die in einer blauen Jeansshorts steckten. Die sandfarbene Tasche, die sie am Unterarm trug, war bis oben hin vollgestopft, denn der Reißverschluss ließ sich anscheinend nicht mehr zuziehen. Am Handgelenk trug sie ein silbernes Armband mit einer Fee. Unter ihrem Haar blitzten mir herzförmige Bernstein-Ohrringe entgegen.
Die Art, wie sie die Katze heranlockte und auf ihren Arm nahm, ließ sie liebenswürdig erscheinen. Ich schob meine Hände unter ihre und setzte die Katze zurück in den Rucksack. Dann streckte ich ihr meine Hand hin und merkte sofort dieses beständige Ziehen in meinem Brustkorb, als sie meine Hand ergriffen hatte.
“Philipp” - “Arianna”, zwitscherte sie.
Ich sah an ihr herab so wie sie vorhin. Ich wusste, dass wenn ich jetzt etwas sagen würde, dass es diesen Augenblick zerstören würde. Also schaute ich ihr einfach nur in ihre faszinierenden Teddybär-augen und streckte ihr meine Hand hin.


Als er mir tief in die Augen schaute und mir seine Hand hinstreckte, ergriff ich sie ohne jedes Zögern. An seinem rechten Ringfinger trug er zwei identische Silberringe. Er merkte, dass ich darauf starrte und zog sie ab. Er legte mir sie so in die Hand, dass ich die Innenschrift lesen konnte.
“TRUE” - “FALSE”
“Meine Schwester hat sie für mich gemacht, kurz bevor sie nach China gegangen ist. Sie hat gesagt, dass sie mich immer daran erinnern sollen, dass es kein Richtig oder Falsch gibt. Und sie meinte damit dass man nie vor einer Wahl zwischen Richtig oder Falsch sondern immer zwischen ‘ich will’ und ‘ich will nicht’ steht. Ich hab sie seitdem nie mehr gesehen.”
Ich drückte seine Hand kurz und lächelte ihn mitfühlend an. Er schaute traurig-lächelnd zurück.





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