Théâtre Ombre de Lutèce - Teil 11

Autor: Ananas
veröffentlicht am: 11.11.2011


Fox' Haar sieht im Licht der aufgehenden Sonne noch viel röter aus als ich es in Erinnerung hatte, fast so, als stünde es in Flammen und ich kann nicht umhin, es anzustarren, während er mich begrüßt. Die Stunde von Arlas Abwesenheit habe ich genutzt, um mein Haar ein wenig in Ordnung zu bringen, nachdem ich einen kleinen Spiegel gefunden habe, sodass ich zumindest halbwegs vorzeigbar aussehe, als sie mit Connor zurückkommt.
„Guten Morgen, Mr. Connor,“ antworte ich höflich auf seine Begrüßung.
Wir nehmen an dem kleinen Tisch in der staubigen Wohnung Platz, auf knarzenden Stühlen. Fox hat seinen dunkelgrünen Mantel über die Lehne gehangen. Seine grünen Augen blicken konzentriert aus dem schmalen Gesicht, der Schnurrbart ist ordentlich gestutzt. Er sitzt fast schon entspannt zurück gelehnt auf seinem Stuhl, ich ganz auf der Kante und mit hängenden Schultern. Arla steht mit grimmigem Gesichtsausdruck und verschränkten Armen im Hintergrund an einen Schrank gelehnt und beobachtet uns schweigend.
Fox zieht an einer von Arlas Zigaretten und mustert mich nachdenklich. „Miss Hunter hat mir von einem Einbruch berichtet,“ sagt er schließlich, Rauch ausblasend.
Ich nicke vorsichtig.
„Im Haus ihrer Tante? - Wann?“
„Letzte Nacht, gegen... eins... zwei...“
Diesmal nickt er und nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Ich muss das Husten unterdrücken vom Rauch, den ich ungewollt einatme. „Was genau ist passiert, Miss Temple?“
Die Zeit zieht sich, während ich überlege, wo ich anfangen soll. Ich werfe einen kurzen Blick zu Arla. Als sich unsere Blicke treffen und sie meine Nervosität bemerkt, tut sie, als würde sie tief durchatmen und bedeutet mir mit einem Nicken es ihr nach zu tun. Ich sehe kurz auf meine Füße, atme dann ein paar mal tief ein und aus, um mich zu beruhigen, dann beginne ich: „Ich... habe gelesen. Und bin eingeschlafen... Als ich aufgewacht bin... Da, äh, hab ich Stimmen gehört... Da waren zwei Männer...“
„Wer war noch im Haus?“ unterbricht Fox.
„Zwei Dienstmädchen. Ich hab sie beide gefesselt gesehen,“ flüstere ich, den Blick nach wie vor nach unten gerichtet.
„Wo war Ihre Tante?“ will der Polizist wissen. Überrascht sehe ich auf und rechne fast damit, Sorge in seinen hellgrünen Augen zu erkennen, aber ich irre mich.
„Ich... weiß es nicht,“ antworte ich tonlos, spreche gegen den dicken Kloß in meinem Hals an. „Sie war zum Abendessen eine Freundin besuchen fahren. Was danach passiert ist...“ Ich breche ab. Ich will es mir nicht vorstellen. Bitte, zwing mich nicht, es mir vorzustellen.
Fox nickt bedächtig und scheint sich im Geiste eine Notiz zu machen. „Weiter,“ sagt er.
„Sie haben nach mir gesucht, verstehen Sie, Mr. Connor?“ bricht es verzweifelt aus mir heraus. „Im ganzen Haus! Sie haben von mir gesprochen! Der eine kam in die Bibliothek und...“
„Was ist dann passiert, Miss Temple?“
„Ich...“ Ich sehe hinab zu meinen feinen, schwachen Händen, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie etwas ausrichten können. „Ich habe ihm mit einem Kerzenständer geschlagen,“ meine Hände ballen sich wie von selbst zu Fäusten. „Am Hinterkopf. Dann wurde er ohnmächtig und ich bin geflohen, bevor der andere kam.“
Als ich hoch sehe, blicke ich als erstes zu Arla, die überrascht eine Augenbraue hochgezogen hat und bemerke denselben Ausdruck auf dem Gesicht des Polizisten. Er sieht mich einen Moment lang so an und bricht plötzlich in schallendes Gelächter aus und donnert mit der Faust auf den Tisch.
„Miss Temple!“ prustet er. „Ha! Also sowas haben wir wirklich nicht von Ihnen erwartet!“
Sein Lachen wirkt völlig deplatziert in der kleinen deprimierenden Wohnung und in meiner großen deprimierenden Situation, sodass ich ihn unwillkürlich verwirrt anzustarren, während er sich so vorzüglich amüsiert, dass es fast schon wehtun muss.
„Verzeihen Sie, Miss Temple. Es ist bloß, Sie müssen zugeben, dass ist eine überraschende Wendung in dieser Geschichte,“ entschuldigt er sich, immer noch grinsend, nachdem er sich halbwegs beruhigt hat. „Sie verstehen.“
Als er das sagt, erröte ich ohne zu wissen warum und sehe ihn nach wie vor etwas verwirrt an.
„Sie versteht's nicht,“ mischt sich Arla für einen Moment ein.
„Naja, da schreitet plötzlich unsere Jungfrau in Nöten selbst zur Tat und erschlägt den bösen Räuber eigenhändig! Und das auch noch mit einem Kerzenständer! Sie müssen zugeben, das ist einfach köstlich!“ sagt Connor, offenbar ohne nachzudenken und lacht in sich hinein, während ich in den tiefsten Tönen erröte und verzweifelt zu Boden starre. Geht es irgendwie noch peinlicher?
„Meine Güte, ich weiß gar nicht, was jetzt anstößiger ist – seine Bemerkung oder die Farbe deiner Wangen,“ meint Arla trocken und sie und Connor lachen beide, was das Ganze naturgemäß nur noch schlimmer macht, das heißt dafür sorgt, dass meine Wangen noch eine Schattierung mehr in Richtung reifer Kirschen gehen.
Und selbst diese noch so winzige Veränderung bleibt Arla nicht verborgen „Ohje, ich glaube, du verbrennst mir gleich,“ ruft sie in gespielter Panik, eilt zu mir, wirft sich halb auf den Boden und hält mir ihre kalten Hände ans Gesicht. „Und mit dir das ganze Haus, und das kann ich wirklich nicht zulassen!“ macht sie weiter.
Fox kann sich vor lachen kaum noch halten und auch Arla geht es ähnlich, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mir aufmunternd zulächelt, während ihre eisigen Hände auf meinem Gesicht liegen. Das hilft zwar nicht wirklich, doch ich zwinge mich, mitzulachen.
Arla steht wieder auf und positioniert sich halb lachend hinter meinem Rücken. Ich frage mich kurz, wieso sie sich nicht auf die gleiche Seite stellt wie vorher, hinter Fox. Will sie ihn so besser im Auge behalten?
„Also... Entschuldigen Sie, Miss Temple. Sie haben also einen der Männer erschlagen, konnten dem anderen entwischen, die beide nach ihnen gesucht haben. Aha... Und äh... Was genau hat sie hierher verschlagen?“ fragt Connor mich endlich wieder sachlich.
„Ich hatte meine Handtasche bei mir, und da lag der Zettel drin, wo diese Adresse draufstand... Nun, ich wusste nicht, wo diese Straße liegt, also... Ich habe gedacht, es wäre sicher Ihre und...“ An der Stelle verstumme ich, weil mir bewusst wird, wie dumm das eigentlich klingt.
„Sie dachten, ich würde hier wohnen?“ fragt Fox ungläubig und es scheint fast so, als wolle er wieder in Gelächter ausbrechen angesichts einer so absurden Annahme, doch etwas hindert ihn daran. Sicherlich ist es Arlas Anwesenheit. Er traut sich nicht, sie zu beleidigen. Er räuspert sich und fährt fort: „Sie haben also versucht, mich zu finden. Weil Sie Hilfe gesucht haben, nehme ich an? Was in einer solchen Situation nur angemessen ist, versteht sich.“
Ich deute ein Nicken an.
„Das heißt also, Sie wollen meine Hilfe?“ fragt er noch mal und sieht mir in die Augen.
Erneut nicke ich und er lässt sich seufzend tiefer in seinen Stuhl sinken und fasst sich an die Schläfen. Eine Minute lang sagt er gar nichts, sondern überlegt nur.
„Also, Miss Temple. Ich fürchte, Sie haben sich – wie auch immer genau Sie das geschafft haben - in etwas verstrickt. Ich kann Ihnen möglicherweise helfen aus der Sache raus zu kommen. Ich kann Ihnen helfen, Antworten auf die Fragen zu finden, die Sie sich sicherlich stellen. Ich kann Ihnen helfen, dabei keinen Schaden zu nehmen... im gesellschaftlichen Sinne. Ich kann nach Ihrer Tante suchen und die Sache von der Öffentlichkeit fernhalten, Miss Temple,“ sagt er, jedes einzelne Wort mit Bedacht aussprechend. „Wollen Sie das, Miss Temple?“
Wir sehen einander in die Augen, Schweiß rinnt mir von der Stirn. Die Spannung im Raum ist mit Händen zu greifen. „Ja,“ antworte ich. Mein Mund ist ganz trocken.
Connor nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette, die er zwischendurch ganz vergessen zu haben schien, und atmet den blauen Rauch aus. Für eine Weile scheint er völlig darin vertieft, seine linke Hand zu betrachten, deren Fingerspitzen auf der Tischplatte aufliegen.
„Gut,“ sagt er. „Aber es gibt eine Sache, die Sie bedenken müssen.“
Ich rechne damit, dass er direkt fortfährt und frage, als er es nicht tut: „Was wäre das, Mr. Connor?“
Wieder inhaliert er einen tiefen Zug des giftigen Dunstes. „Alles hat seinen Preis,“ erwidert er langsam, jedes einzelne Wort betonend. „Miss Temple, Sie können mit all Ihren Problemen zu Davis gehen, gleich heute. Sie können darauf hoffen, dass man Ihre Tante findet oder sie von allein wieder auftaucht. Sie können hoffen, dass Scotland Yard dieses Puzzle für Sie löst,“ sagt er in ruhigem Tonfall. „Das können Sie tun, oder aber... Sie zahlen den Preis.“
Ich schweige minutenlang, so kommt es mir vor. Von was für einem Preis redet er? Geld kann ja nicht gemeint sein. Information? Ist das der Preis für seine Hilfe? Ich denke an das, was Arla mir gesagt hat. Listig. Die Karten offenlegen. Eine Hand wäscht die andere.
„Wofür entscheiden Sie sich, Miss Temple? Bedenken Sie, ist die... Zusammenarbeit zwischen uns erst einmal eingegangen, gibt es für Sie kein Zurück mehr. Sie werden tun und sagen müssen, was ich von Ihnen verlange. Ob Sie bereit sind, das zu tun, ob es Ihnen das wert ist, müssen Sie jedoch selbst entscheiden, Miss.“
Kein Zurück. Ob es mir das wert ist. Ich möchte schnauben. Ich habe einen Mord mit angesehen, Simon ist tot, meine Tante und Christel, die einzigen Menschen auf Gottes grüner Erde, die mir auch nur irgendwie helfen könnten, sind verschwunden und ich werde von Unbekannten verfolgt, das Scotland Yard wird mir nicht helfen können doch auch wenn Connor zu ihnen gehört, scheint er dazu in der Lage zu sein. Was bleibt mir schon übrig?
Noch während ich überlege, streckt mir Connor langsam seine rechte Hand entgegen. Während ich mir alles durch den Kopf gehen lasse, werfe ich einen Blick zu Arla, die mit verschränkten Armen hinter mir steht. Ihr Gesicht zeigt keine Emotion, enthüllt nichts von ihrem Inneren. Ich bin in dieser Entscheidung ganz auf mich allein gestellt und das macht mir Angst. Fox sieht mich erwartungsvoll an. Ich lasse mir noch einmal alles durch den Kopf gehen, dann schlage ich ein, kräftig. Wie ein Mann. Wie ein Geschäftsmann. - Wie jemand, der seine Seele an den Teufel verkauft.




Das war der elfte Streich, und es geht langsam ans Eingemachte ;) Diesmal halbwegs schnell fertig bekommen. Ich hab zwar so meine Zweifel ob irgendeiner von den Witzen im Endeffekt gut rüber kommt (sowas schreiben ist viel schwieriger als mündlich xD), aber ich hoffe es hat euch insgesamt gefallen :)





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